Ich habe nie an Bundesjugendspielen teilgenommen. Aber beim Ironman Austria.

Ich war nie bei Bundesjugendspielen. Zumindest kann ich mich nur vage an ein einziges Sportfest in meiner Grundschulzeit erinnern. Teilnehmerurkunde, Ehrenurkunde – ich weiß es nicht, ich besitze keine. Ein wenig neidisch aber war ich schon, als ich Kinder anderer Schulen von ihren Ergebnissen erzählen hörte.

Bundesjugendspiele verbieten? Ich bin gegen ein Verbot. Übers Nashornreiten können wir reden.

Bundesjugendspiele verbieten? Ich bin gegen die Abschaffung. Übers Nashornreiten können wir aber reden. (Vorm Kinderspielplatz in Klagenfurt)

Auf der fortführende Schulen wurde es dann ein wenig kompliziert. Die ganze Geschichte ist verworren. So sehr, dass ich der Mutter, die die Abschaffung der Bundesjugendspiele fordert, dankbar bin. Ich greife das Thema gerne auf. So kann ich mal auseinanderklamüsern, wie es mit meinen „Bundesjugendspielen“ an meinem Gymnasium war.

Ich stand am Grill. Verdonnert von meinem Sportlehrer. Und verkaufte Würstchen an schwitzende Schüler. Mein Sportlehrer kannte wohl meine wahre Leidenschaft. Und ich war befreit von der Teilnahme. Und bekam weder eine Teilnehmer-Urkunde geschweige denn eine Sieger-Urkunde, dafür schmutzige Hände von der Kohle und Fettspritzer auf dem T-Shirt.

Doch selbst wenn ich nicht gegrillt hätte: Das Sportfest war die Ersatzveranstaltung für die Bundesjugendspiele, die es bei uns nicht gab. Die Schule wollte etwas eigenes aufziehen mit Fußball und so’n Kram. Ich war nicht undankbar, nicht mitmachen zu müssen, Mannschaftssport ist nicht so meine Welt, ich wäre lieber beim Weitspringen dabei gewesen.

Ja zu Apfelstrudel! Ja zu Vanillesoße! Ja zum Wettbewerb! Bundeskuchenspiele für alle!

Ja zu Apfelstrudel! Ja zu Vanillesoße! Ja zum Wettbewerb! Bundeskuchenspiele für alle!

Ausgerechnet jener Sportlehrer – Karl Ochs – ist nun aber auch der Mensch gewesen, der von meiner Zeit im Schwimmverein wusste und mich Ende der 80er Jahre zum Triathlon überreden wollte. Das ging sofort in die Hose  (er war auch Begründer des Hannover-Marathon und leider ist er zu früh verstorben, um zu hören, dass sein fußlahmer Grilljunge das später gepackt hat). Es ist also alles hinreichend verwirrend. Klar ist nur: Ich kann mich an keine Bundesjugendspiele erinnern und ich fand es trotz Wurst-Schulmeisterschaft schade, nie teilgenommen zu haben.

Das schoss mir durch den Kopf als ich unterwegs war dieses Wochenende beim Ironman Klagenfurt. Der Triathlon über die volle Distanz wie in Hawaii mit 3,8 Kilometer Schwimmen, 180 Kilometer Radfahren und dem abschließenden Marathon ist auch dieses Jahr mein persönlicher Höhepunkt im Sportjahr. Und trotz kontinuierlicher Beschäftigung natürlich auch Zeit für den ein oder anderen Gedanken.

Worum geht es eigentlich in dieser Debatte um die Bundesjugendspiele? Was steckt dahinter, wenn ein Kind vielleicht Angst hat, teilzunehmen, was, wenn eine Mutter glaubt, man müsse diesen seit 1951 bestehenden Wettbewerb abschaffen oder zumindest die Teilnahme freiwillig belassen. Sport soll Spaß machen, keinen Druck ausüben. Für mich ist die Frage: Muss ich eigentlich besser sein als andere?

No Camelriding in this town!

No Camelriding in this town!

In Klagenfurt konnte ich mir die Frage schon im Wasser stellen. Um dem Gedränge aus dem Weg zu gehen, hatte ich mich zur „Schnellen Welle“ gemeldet, mit Schwimmern, die sich zutrauen, die erforderlichen 3800 Meter in unter 60 Minuten zu schwimmen. Das sollte drin sein nach 65 Minuten im letzten Jahr, hatte ich mir so gedacht. Klappte nur so halbgut – und so wurde ich  im Wasser von den besten Schwimmern des fünf Minuten später startenden Feldes prompt überholt.

Ganz so viel besser lief es auf dem Fahrrad auch nicht. Wenn man ganz ehrlich ist, eigentlich sogar deutlich deprimierender. Da ich nur ein leidlich passabler Rennradfahrer, aber ja 25 Minuten vor dem letzten der 3000 Starter ins Wasser gegangen bin, gab es, sagen wir, reichlich Potential für die später gestarteten Teilnehmer, mich zu überholen. Das geschah dann auch. Häufig.

Die Namen aller Teilnehmer. Dank des "F" in meinem Nachnamen stehe ich wenigstens dort etwas weiter vorne.

Die Namen aller Teilnehmer als T-Shirt-Aufdruck. Dank des „F“ in meinem Nachnamen stehe ich wenigstens dort etwas weiter vorne.

Eigentlich ständig. Gut, die auf den Motorrädern patroullierenden Kampfrichter sahen mich sicher nicht als verdächtig, im Windschatten eines schnelleren Fahrers zu sein. Selbst dafür war ich nicht schnell genug. Ich hatte also den rollenden Beleg: Ich bin der Bremsklotz, Stolperstein, Traktor unter den Radfahrern. Da brauche ich also auch keine Urkunde, um zu sehen: Da waren zahllose Fahrer viel schneller als ich.

Nun. Deprimiert mich das eigentlich wirklich? Nein, gar nicht. Und ich räume ein – was mir heute leicht fällt, ist für Kinder schwerer zu verstehen: Dass es gar nicht so sehr darauf ankommt, besser zu sein als die anderen, aber vor allem darum, besser zu werden als man selber war. Und das war ich. Und war sehr zufrieden.

In den exakt 11 Stunden, 24 Minuten und 5 Sekunden, die ich Sonntag unterwegs war, habe ich mich mehrfach selber bezwingen müssen. Dass es am Ende rund eine Minute mehr waren als 2014…

STOP

Die Ziellinie am späten Abend. Bis zum Schluss der Ort für die Erfüllung von Träumen.

Die Ziellinie am späten Abend. Bis zum Schluss der Ort für die Erfüllung von Träumen.

Es war gar nicht mehr Zeit. Ich war 2015 schneller. Und ich stelle das fest, während ich diese Zeilen schreibe und die exakte Differenz anhand der Daten von 2014 raus suche. Das belegt zwei Dinge: Ich kann mir Zahlen schlecht merken. Und: Es ist wirklich nicht wichtig.

Dennoch waren andere natürlich viel schneller. Und das ist auch völlig in Ordnung. Andere trainieren mehr, haben aus der Jugend Erfahrung, bringen etwas bessere Voraussetzungen mit – aber im Wettkampf mit mir selbst spielen sie keine Rolle. Das ist der Zauber des Laufens und auch zum größten Teil im Triathlon – was andere tun, ist für den eigenen Erfolg irrelevant (anders als Fußball oder Tennis). Was ich erreiche, ist der Maßstab, an dem ich mich messen kann.

Freude am Sport kann nur bedingt gelehrt werden durch Schulsport. Sie kann auch nur bedingt verhindert werden. Ich war schließlich am Ende bei einem Triathlon-Wettkampf mit Teilnehmern aus 60 Nationen und nicht den internationalen Grillmeisterschaften. Und es braucht nicht viel, um zu sehen, dass es nicht um das Gewinnen gegen einen anderen Teilnehmer geht (außer man ist WIRKLICH fix, dann ist das anders).

Es geht nicht immer nur um Sport im Wettbewerb. Oder um Wettbewerb im Sport.

Es geht nicht immer nur um Sport im Wettbewerb. Oder um Wettbewerb im Sport.

Dazu braucht man nur um 22 Uhr am Abend an die Ziellinie zu gehen. Dort sieht man, mit welcher Freude und großen Emotionen Menschen an diesem Tag etwas für sich erreichen, was sie für undenkbar hielten. Im Stadion waren noch zig geduschte und in ihren Finisher-Shirts umher laufende Athleten, die eine, zwei, drei, vier gar fünf Stunden weniger Zeit brauchten – und alle applaudierten denen, die das gleiche schafften in ihrer Zeit, auf ihre Art.

Vielleicht sollte die Mutter und alle anderen, die fordern, die Bundesjugendspiele abzuschaffen, ein mal darüber nachdenken. Dass es zwar nicht das absolut wichtigste ist, selber vorne zu sein, gar zu gewinnen. Aber dass es einen Menschen zufrieden, selbstbewusst und glücklich macht, wenn er etwas besser macht als zuvor. Und liebe Mutter, wenn Ihr Kind nicht an Bundesjugendspielen teilnimmt, macht er als Erwachsener vielleicht noch ganz andere Wettbewerbe. Das wollen Sie doch nun wirklich nicht.

 

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Alle Kommentare [5]

  1. Gratuliere zum Finish in Klagenfurt. Die Diskussion um eure Bundesjugendspiele finde ich einfach lächerlich. Mitmachen und Spaß haben muss doch in erster Linie zählen. Den Leistungsdruck bauen meistens Eltern auf. Nicht der 1.Platz zählt sondern die Freude an der Bewegung und neues zu entdecken.
    I

  2. @chris und jetzt schau dir an, was aus dir geworden ist!!! läufer! radler! schwimmer! es ist furchtbar.

  3. Wie immer toll zu lesen! Ich gehöre zu denen die immer teilnehmen mussten und als eher sportbequemer jugendlicher waren allein das 2,5km laufen unseres jährlichen schullaufs eine Qual! Wenn bundesjugendspiele dann maximal ne siegerurkunde, eher noch ne Teilnehmerurkunde

  4. Du Armer – keine Bundesjugendspiele? Da hast du m.E. wirklich was verpasst. Ich bekam zwar auch nie eine Ehrenurkunde, aber zur Siegerurkunde hat es immer gereicht. Und liebe klagende Mutti – ich war stolz ob der erreichten Zeiten, egal ob der Klaus vor mir und sogar die Yvonne besser waren als ich

    Thorsten hat das sehr gut beschrieben:.. “ besser zu werden als man selber einmal war“. Ob jetzt im Triathlon oder früher als Schüler bei den Bundesjugendspielen… das schreibt ein mehrfacher! Teilnehmer an den Bundesjugendspielen – wenn auch ohne großen sportlichen Erfolg, aber jetzt immerhin 12 facher Ironman und 55 facher Marathonfinisher 🙂

    Bundesjugendspielen sei Dank (?)