Mein Verein, das Internet. Heute: Mike Kleiß. Von 40 Kippen auf 40 Kilometer

Mike Kleiß lebt gefährlich. Wenn es weh tut: Weiterlaufen. Der Körper will einen nur austricksen – meint Mike Kleiß. Das ist so ziemlich das Gegenteil von dem, was so landläufige Meinung ist. Bei Schmerzen Obacht und aufpassen, damit sich aus einem kleinen Schmerz  nicht eine schwerwiegende Verletzung ergibt.

Drei Läufer, 10 Beine.

Drei Läufer, 10 Beine.

Sieht Mike Kleiß ein wenig anders, aber Mike Kleiß kennt Schmerz. Er rauchte wie ein Schlot und das bei einem Gewicht, das er selber nicht mochte. Ich würde vermuten: Es ging ihm nicht gut. Körperlich, er hat es natürlich gefeiert und mit Bier den Schmerz gelindert, denn das Leben des Rauchers auf der Überholspur mit Koffein statt roter Blutkörperchen im Blut ist quasi das Äquivalent zum Lonesome Rider in einem guten Western.

Hätte ich alles nie so gedacht, als ich ihn das erste mal  traf. Kennen gelernt habe ich Mike Kleiß über einen weiteren Sportler, André Pristaff aus Rostock, quasi die Softeis-Seele voller guter Ideen in meinem Internetdunstkreis auf Twitter und Facebook. Mike Kleiß rennt jeden Tag. Jeden Tag 20 Kilometer inzwischen. In der Fachsprache nennen sich diese Menschen Streak-Runner. Sie laufen im Streak und zählen die Tage, die sie ununterbrochen hintereinander rennen. Manche kommen auf 365. Jedes Jahr. Hintereinander. Ich sitze ja gerne auch mal nur so rum. Für mich ist das nichts. Kleiß hat nicht das Streak-Running als Programm und zählt auch nicht mit. Aber das Ergebnis ist das gleiche.

Laufen belohnt. Vor allem im Sonnenaufgang

Laufen belohnt. Vor allem im Sonnenaufgang

Mike Kleiß ist also Täglichläufer und das mit zwei Hunden. Hätte ich auch nicht gedacht, als ich ihn das erste Mal dann traf. Das war im Ziel des Ultramarathon Rodgau 50 dieses Jahr im Januar. Sinngemäß waren seine ersten Worte: „Das brauche ich nie wieder.“ Warten wir es mal ab. Hauptberuflich ist Kleiß Inhaber einer Agentur in Köln und war lange Jahre bei „Funk und Fernsehen“. Bei N24 schreibt er regelmäßig in seinem Blog über seine Lauferfahrungen.

Nun hat er auch ein Buch („Lauf dich frei“) über seine Erkenntnisse geschrieben, eines, das seinen Weg schildert, wie er von 850 Zigaretten täglich und 457 Kilogramm Übergewicht – so zumindest stellt man sich seine Daten nach den Schilderungen vor  – auf 0 Zigaretten und eben diese täglichen 20 Kilometer gekommen ist. Wie er sich an das Trinken von Wasser gewöhnte und auf Kohlehydrate verzichten konnte (ist mir übrigens schleierhaft.) und als Teilnehmer der Kommunikationsbranche versucht, sich den Werbebotschaften zum Thema Ernährung zu entziehen, verrät Kleiß.  Inzwischen hat er Marathons absolviert, bei diesem hier, ist er sechs Sekunden vor mir ins Ziel gelaufen – wir haben uns also da gesehen, nur nicht gekannt.

Feld. Hunde. Mann.

Feld. Hunde. Mann.

Ich wollte ihm also die fünf Fragen stellen, die ich hier schon anderen Athleten stellte, die ich aus dem Internet kenne, mit ihnen austausche und staune, was für Leistungen sie erbracht und welche Wege sie hinter sich haben. Mike Kleiß hat einen besonders weiten hinter sich, beschreibt, warum Gewicht verlieren nicht heißt, zufrieden zu sein. Viele Menschen mögen etwas aus seinem Weg lernen.

 

„Lauf dich Frei“ Mike Kleiß. 17,99 Euro erschienen bei books4success.

Hier seine Antworten auf meine fünf Fragen:

Warum machen Sie das?

Darüber denke ich stets bei Kilometer 40 nach. Kurz. Und finde nie eine wirklich gute Antwort. Also laufe ich einfach weiter.

Wann machen Sie das?

Jeden Tag. Immer zwischen 6 und 8 Uhr. Und immer, immer zwischen 16 und 20 Kilometern. Vor einem Marathon natürlich mehr.

Wo soll das hinführen?

Zu dem absoluten Gefühl der Freiheit. Als ich vor 2 Jahren loslief, hatte ich die Vision der „absoluten“ Freiheit. Frei von der Zigarettensucht, frei von der Zuckersucht, frei vom inneren Schweinehund ,im Kopf nicht mehr abhängig von nichts und niemandem zu sein. Oft gibt es diese Momente. Beim Laufen. Ich hätte dieses Gefühl gerne durchgängig. Nicht nur für Momente. Keine Ahnung,ob ich das schaffen werde. Ich denke, ich kann es mir erlaufen. Nein, ich weiß das sogar.

Was sagen Ihre Familie und Freunde?

„Hör endlich auf Huhn und Eier zu essen.“ Verdammt, wenn es aber zu so einer Hammerfigur führt, essen wir auch Huhn und Eier. Und laufen.

Und essen keinen Zucker mehr. Meine Großmutter sagt: „Wie wunderschön das alles geworden ist. Wie wunderschön.“ Und ich muss jedes Mal ein bisschen weinen, weil sie es so ehrlich meint.

Mehr Kraft. Weniger Kilo und Kippen.

Mehr Kraft. Weniger Kilo und Kippen.

Was machen Sie, wenn Sie mal keine Lust haben?

Ich schaue mir meine Hunde Spagna und Dante an, die auch keine Lust haben. Gähne mit ihnen zusammen. Schleppe mich mit ihnen in den Keller.

Es gibt ein Stück Ochsenziemer für sie. Einen dicken Kaffee für mich. Und plötzlich stupst mich einer von beiden Hunden an. Immer in die Kniekehle.

Das kitzelt. Ich muss lachen. Sie haben plötzlich Bock. Ich auch.

 

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