Buchauszug Sven Plöger und Christoph Waffenschmidt: „Besser machen! Hoffnungsvolle Entwicklungen und Initiativen für eine lebenswerte Zukunft.“

Buchauszug Sven Plöger und Christoph Waffenschmidt: „Besser machen! Hoffnungsvolle Entwicklungen und Initiativen für eine lebenswerte Zukunft.“

 

Sven Plöger (r.) und Waffenschmidt (Foto: PR)

 

EUROPA UND DIE KLIMAKRISE: ES BEWEGT SICH WAS

„Heute wollten wir ja eigentlich schauen, was vor unserer eigenen Haustür passiert. Beim letzten Mal waren wir hauptsächlich auf dem afrikanischen Kontinent unterwegs, haben über die Arbeit von Tony gesprochen, sind gedanklich nach Brasilien gereist und haben sowohl die Krisen – da sind sie wieder – als auch die Werkzeuge betrachtet, mit denen man den Herausforderungen begegnen kann . Also dezentrales Handeln, gedankliche Flexibilität, Ausprobieren, kleine Ansätze finden und einfach machen.

 

 

Machen, machen, machen.

Das ist vielleicht nicht der Weisheit letzter Schluss, aber je mehr wir machen, machen, machen, umso größer wird die Chance, dass wir den letzten Weisheitsschluss er-reichen werden .“Plöger bestätigt. „Ja. Versuch und Irrtum. Auf diesem Prinzip fußt ja nicht zuletzt unsere gesamte Entwicklung . Und das Prinzip garantiert langfristig Erfolge.“

 

 

Waffenschmidt setzt sich zurück in den Gartensessel und nimmt einen Schluck aus der Tasse. Die Aussage von Plöger lässt er wortlos zustimmend so stehen. „Jetzt haben sich aber in den vergangenen Tagen und Wochen unerwarteterweise Dinge zugetragen, die die Lage, insbesondere, was das Klima betrifft, national wie international verändert haben. Und ich lehne mich wahrscheinlich nicht zu weit aus dem Fenster, wenn ich sage: zum Besseren verändert. Der neue Präsident der USA, Joe Biden, hat vierzig Regierungschefs zu einem virtuellen Klimagipfel eingeladen und hier in Deutschland hat das Bundesverfassungsgericht die Politik zu einer langfristigeren Klimaplanung verdonnert. Du als Klimaexperte hast das wahrscheinlich intensiv verfolgt.

 

 

“Die Augen des Meteorologen beginnen zu funkeln, seine Gesichtszüge entspannen sich, er lächelt . Man sieht ihm an, dass er sich auf und über die folgenden Ausführungen freut: „Der Frühling 2021 hat wirklich zwei sehr beeindruckende Ereignisse geliefert und in mir durchaus Freude ausgelöst, weil ich eine solche Vermutung schon vor Jahren in meinen Vorträgen immer wieder geäußert habe. ‚Wenn der Deckel erstmal vom Topf ist …‘, fing ich dann an. Gemeint war der ehemalige Präsident Trump. ‚Mit seinem Verschwinden wird der Druck aus dem Kessel entweichen‘. Der Druck, den viele Amerikaner längst gespürt haben, der Druck, eine vernünftige Klimapolitik zu betreiben. In einigen Staaten wie zum Beispiel Kalifornien, New York oder sogar Texas geschah das längst, aber das genügte freilich nicht. Und jetzt steht ein fast achtzig jähriger Joe Biden an der Spitze und setzt auf einen Schlag neue Maßstäbe.

 

 

Der Klimagipfel mit vierzig Staaten, die eine maßgebliche Rolle beim Ausstoß von Treibhaus gasen spielen, markiert einen Aufbruch. Die USA wollen wieder eine Führungsrolle übernehmen. Da wird plötzlich Geschichte geschrieben, es werden verbind­liche Rahmenbedingungen gesetzt, unter denen sich eine Aufbruchsstimmung entwickeln kann.

 

Der Klimagipfel mit vierzig Staaten, die eine maßgebliche Rolle beim Ausstoß von Treibhaus gasen spielen, markiert einen Aufbruch. Die USA wollen wieder eine Führungsrolle übernehmen. Da wird plötzlich Geschichte geschrieben, es werden verbind­liche Rahmenbedingungen gesetzt, unter denen sich eine Aufbruchsstimmung entwickeln kann. Präsident Biden hat den Klimawandel als ‚Problem Nummer eins für die Menschheit‘ bezeichnet und angekündigt, eine nationale Transformation von fossilen hin zu erneuerbaren Energien einzuleiten, die auch Millionen neuer Arbeitsplätze schaffen soll. Die USA wollen bis 2035 die CO₂-Neutralität des Stromsektors und bis 2050 die Treibhausgasneutralität insgesamt erreichen – dafür wird ein Zwei-Billionen-Dollar-Programm aufgelegt . Biden tritt dem Pariser Klimaabkommen ab sofort wieder bei und das löst freilich Druck auf die anderen Regionen der Welt aus.

 

 

 

Warum dies nicht zunächst einmal optimistisch als Wettbewerb sehen? Auch die EU will ja bis 2050 klimaneutral werden und hat dies auch gesetzlich verankert, das ist eine viel stärkere Aussage als nur eine Absichtserklärung. So erhält auch der European Green Deal einen massiven Impuls, will man doch nun bis 2030 ein Klima ziel von minus 55 Prozent gegenüber 1990 erreichen. Und auch den Rivalen China hat Joe Biden eingeladen, und weil das Land selbst immer stärker unter seinem kompromisslosen Umgang mit der eigenen Umwelt leidet, wird auch den dortigen Machthabern mehr und mehr klar, dass ein ‚weiter so‘ eben auch eine Selbstschädigung ist und einem weiteren Aufstieg des Landes auf Dauer im Weg steht. So will China nun zehn Jahre später – 2060 – klimaneutral sein und ab 2030 sollen die jährlichen Emissionen fallen.“

 

 

Plöger redet jetzt eine Spur schneller, als es nötig wäre. Seine Begeisterung für die Entwicklungen der vergangenen Wochen schwingt in jedem seiner Sätze mit. Ganz klar, er findet das super und möchte seine Freude darüber am liebsten jedem Zuhörer weitergeben. Muss er aber bei Waffenschmidt nicht. Der ist ganz bei ihm und freut sich höchstens noch zusätzlich darüber, dass Plöger sich so freut. Motiviert fährt dieser fort: „Klar, all das ist noch lange hin und es ist immer leichter zu reden als zu handeln. Aber weil der Druck von außen durch immer extremeres Wetter und damit einhergehend durch extremere Kosten zur Anpassung oder Schadenbeseitigung wächst und nun drei sehr bedeutende Blöcke – USA, EU und China – in dieser Sache ambitionierte Ziele verfolgen, wächst auch der Druck auf die anderen Regionen der Welt.

 

 

Zusammengefasst: Es tut sich etwas, und das ist – banal formuliert – besser, als wenn sich nichts tut .Vor allem wächst die Planungssicherheit, in die ‚richtige Richtung‘ zu investieren. Denn Transformation ist nur mit viel Geld möglich. Mit sehr viel Geld .Und weil wir gerade im Schwung positiver Signale sind: Auch das Bundesverfassungsgericht hat wenige Tagen nach dem ‚Biden-Gipfel‘ ein bedeutendes Urteil gefällt. Es wurde zur Nachbesserung des Klimaschutzgesetzes aufgerufen, denn vor dem Hintergrund der Generationengerechtigkeit Es tut sich etwas, und das ist – banal formuliert – besser, als wenn sich nichts tut. seien die Maßnahmen nach 2030 noch zu unkonkret gefasst.

 

 

Ein wichtiges Signal, das ein Aufschieben in eine ferne Zukunft verunmöglicht, auch wenn man natürlich eine gewisse Offenheit in den Maßnahmen zulassen muss. Denn Dinge, die man vielleicht 2040 wird technisch machen können, sind heute möglicherweise noch unbekannt. Aber einen Rahmen festzulegen und vielleicht auch Budgets, die man dann in der Lebenswirklichkeit dieser zukünftigen Jahre konkret gestalten kann, ist eine zu Recht angemahnte Notwendigkeit.“

 

 

„Mich haben diese Nachrichten total überrascht und gefreut“, ergänzt Waffenschmidt . „Vor allen Dingen, weil ich das Gefühl habe, dass erstmals die unterschiedlichen geopolitischen Lager zumindest ansatzweise an einem Strang ziehen. Chinas Ziele sind in Anbetracht der Größe des Landes und seines immensen Wirtschaftswachstums extrem ambitioniert. Ähnlich groß denkt auf einmal Russland. Putin will den CO₂-Ausstoß bis 2030 um 70 Prozent im Vergleich zu den Zahlen von 1990 reduzieren. Und das, obwohl Russland bisher zu den Ländern mit dem größten CO₂-Ausstoß gehört .

 

 

Aber – und das ist die Kehrseite der Medaille – Russland ist auch mit am stärksten von den Folgen des Temperaturanstiegs betroffen. Nahezu zwei Drittel der Landfläche sind bisher dauerhaft gefroren. Permafrostboden. Kennst du als Fachmann ja. Wenn der jetzt allerdings taut, zieht das riesige Probleme nach sich. Zum einen verlieren zahlreiche Gebäude, Straßen, Bauwerke ihren sicheren Boden und deren Statik ist gefährdet. Der Untergrund wird weich – womit niemand beim Bau gerechnet hat . Bei einem kleinen Bauernhof in der sibirischen Tundra ist das sicherlich ein lösbares Problem. Bei einem Atomkraftwerk sieht die Sache schon ganz anders aus.

 

 

Und zum anderen setzt das Auftauen des Permafrostbodens eine Kettenreaktion in Gang, denn dort sind bisher viele, viele Megatonnen Methan auf natürliche Art und Weise gespeichert. Wenn die durch die Temperaturerwärmung in die Atmosphäre gelangen, fördern sie massiv einen weiteren Temperaturanstieg .“Plöger ist von Waffenschmidts Kenntnissen sichtlich beeindruckt . „Ich hätte es nicht besser zusammenfassen können. Vielleicht sollten wir doch gemeinsam ein Start-up gründen, was meinst du? Die ‚Erklär-Klimannschaft‘ oder so.“ Waffenschmidt lacht, spielt übertrieben aufrichtiges Interesse vor, kommt dann aber zu seinem Thema zurück . „Was mich bei den Plänen von Russland und China allerdings etwas ratlos zurücklässt, sind deren autoritäre Regimes. In den Pandemie-Diskussionen der vergangenen Monate konnte man gelegentlich eine gewisse Sympathie für solche Systeme erahnen . Einfach, weil sich undemokratisch viel schneller auf die Herausforderungen reagieren lässt. Sieht man ja auch beim Plastik-verbot in Ruanda. Schon seit 2008 ist dort bei empfindlichen Strafen die Einfuhr oder Benutzung von Plastikverpackungen verboten und fertig. Wenn man keine Mehrheiten benötigt, egal ob gesellschaftlich oder parlamentarisch, sind Lösungen schneller gefunden

 

 

Ich bin der Meinung, dass, egal wie groß die Krise ist, wir niemals Demokratie, Rechtsstaat und die gesellschaftliche und persönliche Freiheit beschneiden dürfen. Damit würden wir die Büchse der Pandora öffnen.

 

Da kann man dann von oben beschließen, dass, keine Ahnung, 50 .000 Windräder irgendwo in die Taiga gesetzt werden. Ackerflächen werden verstaatlicht, Menschen umgesiedelt, Dörfer freigezogen. In rechtsstaatlichen Demokratien geht das alles nicht so einfach. Das mag hinderlich sein, aber ich bin der Meinung, dass, egal wie groß die Krise ist, wir niemals Demokratie, Rechtsstaat und die gesellschaftliche und persönliche Freiheit beschneiden dürfen. Damit würden wir die Büchse der Pandora öffnen.

 

 

“Ein paar Minuten lang sitzen die beiden schweigend nebeneinander und beobachten die gerade hinter dem Wald versinkende Sonne. Nach einem so langen Winter scheint es, als wollten sie auch noch den letzten Sonnenstrahl einfangen und genießen. Im Schatten wird es schlagartig und spürbar kälter. Die Kragen von Übergangsjacken werden hochgestellt, Reißverschlüsse bis zum Kinn geschlossen. „Jetzt wird es aber frisch“, sagt einer. „Ist halt noch kein Sommer“, der andere. Ein paar Meter weiter kümmert sich die Gastgeberin des Abends um die Feuerschale. Nach kurzer Zeit schlagen beeindruckend hohe Flammen aus der riesigen Metallschale. Die Freunde bleiben trotzdem erst einmal in ihren Stühlen sitzen und Plöger knüpft einen weiteren Gedanken an das gerade unterbrochene Gespräch an.

 

 

Sven Plöger und Christoph Waffenschmidt: „Besser machen! Hoffnungsvolle Entwicklungen und Initiativen für eine lebenswerte Zukunft.“ Adeo Verlag, 272 Seitem 22 Euro https://www.adeo-verlag.de/index.php?id=details&sku=835306

 

 

 

 

 

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