Buchauszug Ralph Spiering: „Gekonnt wachsen. Das Praxisbuch für Unternehmer, Manager und Macher“ 

Buchauszug Ralph Spiering: „Gekonnt wachsen. Das Praxisbuch für Unternehmer, Manager und Macher“

 

Ralph Spiering (Foto: Murmann Verlag/Packservice Fotograf  Jan Bürgermeister, fotostate)

 

Buchauszug Ralph Spiering. „Gekonnt wachsen. Das Praxisbuch für Unternehmer, Manager und Macher“ für https://blog.wiwo.de/management/

 

 

 

Kapitel: Das Stimmgabel- Prinzip. Führungskräfte als Vorbild und Vorreiter

»Bin ich denn von lauter Idioten umgeben?« Auch ich habe mich mitunter dabei ertappt, so zu denken. Warum ärgere ich mich über Menschen, die mich umgeben? Wer hat sie eigentlich ausgesucht und ausgebildet? Welche Niete muss ich mir einmal vorknöpfen, die dafür verantwortlich ist, dass solche Mitarbeiter überhaupt bei uns beschäftigt sind? Die Antwort dürfte klar sein: Die Niete bin ich selbst!

 

Wenn ich mich über meine Mitarbeiter beschwere, kann ich mich gleich an mich selbst wenden und mit mir ins Gericht gehen. Ich habe sie ausgesucht. Ich habe sie eingestellt. Ich trage die Verantwortung dafür, nicht nur von ihnen zu fordern, sondern sie wissend zu machen, sie besser werden und sich entfalten zu lassen, ihnen Aufgaben zu geben, an denen sie wachsen können. Kurz: sie zu fördern. Als Führungskraft sollte mir bewusst sein, dass meine Haltungen, meine Urteile, mein Menschenbild auf alle Mitarbeiter abfärben. Wenn ich sie für unfähig halte, werde ich ihnen keine herausfordernden Tätigkeiten übertragen, sie nicht eigenständig entscheiden lassen und ihnen keine Anerkennung zollen.

 

Im Umkehrschluss heißt das: Die Mitarbeiter können kaum Kompetenzen entwickeln, kein Selbstvertrauen aufbauen und werden wenig erfolgreich sein. Das wiederum würde mein negatives Bild von ihnen bestätigen und ich werde ihnen in Zukunft noch weniger zutrauen. Ein Teufelskreis. Betrachte ich sie aber grundsätzlich als leistungsfähige, entwicklungsbegabte und entwicklungswillige Menschen und tue ich mein Möglichstes, sie zu fördern, dann werden sie meine Erwartung mit sehr großer Wahrscheinlichkeit auch erfüllen. Vorgefasste Menschenbilder bestätigen sich durch unser eigenes Zutun oder Nichtstun. Diese Erkenntnis ist sogar wissenschaftlich bestätigt:

 

Der Pygmalion-Effekt

Der US-amerikanische Psychologe Robert Rosenthal untersuchte 1965, welchen Einfluss die Erwartungshaltung von Lehrern auf die Leistung der Schüler hat. Er stellte den Lehrern einer Grundschule in Aussicht, mit einem Test jene 20 Prozent der Schüler zu ermitteln, die ein großes, aber noch schlummerndes Leistungspotenzial haben. In Wirklichkeit aber unterzog er die Schüler einem klassischen Intelligenztest. Anschließend ermittelte er die vermeintlich besonders begabten Schüler einfach per Los und informierte die nichts ahnenden Lehrer über seine Ergebnisse.

Nach einiger Zeit führte Rosenthal den gleichen IQ-Test erneut durch. Und es zeigte sich, dass genau die Schüler, von denen die Lehrer annahmen, sie gehörten zu den 20 Prozent Potenzialträgern, tatsächlich ihre Leistungen steigern konnten – und zwar um signifikante 20 bis 30 Punkte. Warum? Nur weil sie von den Lehrern intensiv gefördert wurden. Dieser Effekt der sich selbst erfüllenden Prophezeiung ist nach dem antiken Bildhauer Pygmalion benannt, der der Sage nach eine ideale Frauenfigur aus Elfenbein formte und sich so heftig in sie verliebte, dass die Skulptur schließlich lebendig wurde. Führungskräfte sollten sich den Pygmalion-Effekt also zum eigenen Vorteil bewusst machen: Wir formen andere nach dem Bild, das wir uns von ihnen machen. Negative Erwartungen erzeugen Minderleistung, positive Erwartungen hauchen Leben ein, das zu Hochleistungen führt.

 

Welcher Ton gibt den Ton an?

Führungskräfte stehen unter ständiger Beobachtung der Mitarbeiter. Alles, was sie sagen und tun, hallt mit großer Verstärkung im Unternehmen nach. Ein Mitarbeiter etwa schnappt in der Teeküche die abfällige Bemerkung seiner Führungskraft auf: »Die Schweizer machen wieder ihr eigenes Ding.« Und schon fühlen sich alle nicht schweizerischen Mitarbeiter eingeladen, auf die Kollegen im Nachbarland zu schimpfen. Vielleicht hatte sich der Vorgesetzte nur über einen einzelnen Vorfall geärgert, doch bei den Mitarbeitern verstärkt sich dies zu einem negativen Pauschalurteil. Führungskräfte haben eine sehr hohe Multiplikatorwirkung, deshalb sollten sie ihre Kommunikation sehr bewusst ausrichten. Vor allem bei negativen Urteilen gilt für mich das Primat der Zurückhaltung. Diskreditierungen und Vorwürfe verbreiten sich wie ein Lauffeuer im Unternehmen und versetzen die gesamte Belegschaft in Abwehrhaltung.

 

Gerade im eigenen Unternehmen sollte man die Kraft nicht für ein Tauziehen vergeuden, sondern besser an einem Strang ziehen. Es gibt genügend Kräfte von außen, gegen die es sich zu behaupten gilt. Da sollte der Zusammenhalt intern gepflegt und vorgelebt werden. Offene und häufige Kommunikation ist hierfür das Mittel der Wahl. Unterschiedliche Meinungen darf es durchaus geben, sie sollten aber immer konstruktiv im Wettstreit ausgefochten werden. Auch hinter Entscheidungen, die im Gremium der Geschäftsleitung nicht einstimmig getroffen werden, steht das Führungsgremium geschlossen. Damit leben wir den Mitarbeitern vor, es uns gleichzutun.

 

Dieses Prinzip gleicht der Funktion der Stimmgabel in einem Orchester: Sie gibt den einheitlichen Kammerton vor, auf den die Musiker ihre Instrumente einstellen. Ohne die einheitliche Stimmtonhöhe gäbe es keine gemeinsame Intonation und so kein reines, wohlklingendes Zusammenspiel.

 

Besser Vormachen als Vorschreiben

Das vorbildhafte Verhalten der Führungskraft hat im Unternehmen starke Strahlkraft – nicht nur, aber besonders wenn es um Werte geht. Das beginnt schon mit Kleinigkeiten. Wenn ich sehe, dass der Wind einige Blätter ins Foyer geweht hat, dann hebe ich sie auf. Ich bücke mich danach – nicht obwohl, sondern weil ich der Chef bin. Eine Geste, die für alle sichtbar zum Ausdruck bringt, wie wichtig mir Sauberkeit und Ordnung im Unternehmen sind. Die Werte des Unternehmens, die Formen des Umgangs miteinander – sie stehen und fallen mit dem Verhalten der Führungskraft.

 

Wenn sich Werte unternehmensweit etablieren sollen, kann das nur gelingen, wenn sie von der Chefetage vorgelebt werden. Denn Vormachen erweist sich so gut wie immer wirkungsvoller als Vorschreiben. Ich gehe als Chef mit gutem Beispiel voran und zeige den Mitarbeitern, welche Haltung ich von ihnen erwarte. Mit erzieherischen

 

Maßnahmen hat diese Vorbildrolle nichts zu tun. Aber mit Resonanz und Berechenbarkeit. Im Englischen sagt man: Walk the talk. Lebe vor, was du sagst. Dann und nur dann sind die Mitarbeiter bereit, ihrer Führungskraft als Vorbild zu folgen. Weil die Unternehmensleitung ihre richtungsweisende Autorität als Tonangeber glaubwürdig unter Beweis stellt und sie im Gegenhall die Akzeptanz und das Vertrauen der Mitarbeiter erwirbt.

Man muss es jedoch auch nicht übertreiben und sich immer und überall als Inbegriff der Tugendhaftigkeit verhalten. Auch für Vorbilder gilt: Nobody is perfect. Sie dürfen Mensch sein, Fehler machen, zu ihren Fehlern stehen, Gefühle zeigen. Perfektionismus kommt weniger gut an, wohl aber eine authentische Persönlichkeit, die sich auch als Vorbild unverkrampft verhält.

 

Praxistipp

Wir haben eine kleine Karte entworfen, die wir unseren Führungskräften bei Trainings oder Schulungen an die Hand geben. Damit können sie sich selbst vergewissern, ob und wie ihr Verhalten im Sinne unserer zehn Leitsätze stimmig ist.

● Ich übernehme Verantwortung für meine Mitarbeiter und ihre Ergebnisse.

● Ich lebe Loyalität zur Firma, den Kollegen und zu Entscheidungen des Führungsteams.

● Ich arbeite ergebnisorientiert, schaffe Lösungen und erziele Resultate.

● Ich fördere meine Mitarbeiter und entwickle ihr Potenzial – so schaffe ich mir Freiraum für neue Aufgaben.

● Ich definiere klare Kompetenzen und mache Entscheidungen transparent.

● Ich bin Vorbild und entwickle meine Führungsqualitäten weiter.

● Ich sorge für gutes Betriebsklima und Mitarbeiterbindung.

● Ich gebe konstruktives Feedback durch Lob, Kritik sowie Fragen.

● Ich führe Kritikgespräche unter vier Augen und bleibe dabei sachlich.

● Ich verpflichte mich zu Ehrlichkeit und Offenheit und orientiere mich an den PS-Werten.

 

 

Ralph Spiering: „Gekonnt wachsen. Das Praxisbuch für Unternehmer, Manager und Macher“ – 39,95 Euro, 280 Seiten, Murmann/Haufe https://shop.murmann-verlag.de/de/item/gekonnt-wachsen-ralph-spiering

 

Bereitschaft zum Wachstum

Jetzt bleibt noch die Frage zu beantworten, wie gelungenes Unternehmenswachstum mit der Vorbildfunktion von Führungskräften zusammenhängt. Wenn Führungskräfte ganz allgemein gesagt Werte und Verhaltensweisen wie Leistungswille, Lernbereitschaft, Offenheit, Loyalität, Gemeinschaftsgeist in das Unternehmen tragen, fördern sie sein gesundes Wachstum. Und wenn sie ihren Willen zum Wachstum selbst äußern, kann dies überall im Unternehmen Widerhall finden. Das aber ist keine Selbstverständlichkeit. Nicht wenige Mitarbeiter stehen dem Unternehmenswachstum skeptisch gegenüber. Weil Wachstum mit Mehrarbeit, mit Veränderungen und Verzicht von lieb gewonnenen Gewohnheiten assoziiert wird.

 

Wir haben also die Aufgabe, zu erklären, welche Vorteile auch der einzelne Mitarbeiter durch das Wachstum seines Unternehmens hat: dass Größe kein Selbstzweck ist, sondern Wachstum uns unabhängiger von einzelnen Kunden, Regionen oder Branchen macht. Dass es uns Selbstbewusstsein gibt und im Markt stärker macht. Kurz: dass Wachstum der Gesundheitsvorsorge des Unternehmens dient, damit wir den Mitarbeitern auch in Zukunft stabile und attraktive Arbeitsplätze bieten können.

 

Führungskräfte können diese Vorteile kraft ihrer Multiplikatorrolle im gesamten Unternehmen verbreiten und alle Mitarbeiter mitziehen. Damit Wachstum als Wille, Wunsch und Weg den Ton angibt, auf den sich das gesamte Unternehmen einstimmt.

 

 

Über den Autor: Ralph Spiering ist Inhaber der PS Packservice Gruppe mit Sitz in Karlsruhe. Das Unternehmen ist auf Verpackungsdienstleistungen für Markenartikel spezialisiert. 1996 ist Ralph Spiering in das elterliche Unternehmen eingestiegen und hat es fünf Jahre später als alleiniger Gesellschafter übernommen, damals mit 100 Mitarbeitern an drei Standorten nahe Karlsruhe. Inzwischen hat die Firma rund 30 Standorte mit mehr als 1000 Mitarbeitern in Deutschland, Österreich und der Schweiz.

 

 

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