Buchauszug: „Narzissmus, Verführung und Macht in Politik und Gesellschaft“ von Bärbel Wadetzki

Buchauszug: „Narzissmus, Verführung und Macht in Politik und Gesellschaft“ von Bärbel Wadetzki

 

 

Egozentrisch und unempathisch

Die Welt der »Narzissten« dreht sich nur um sie selbst. Auch wenn sie verantwortungsvolle Posten innehaben, ein Unternehmen führen oder an der Regierungsmacht sind, versuchen sie in erster Linie, ihre eigenen Interessen durchzusetzen. Die Anliegen der anderen sind für sie zweitrangig. Im Grunde handeln sie nach einem Plan, der lediglich ihren Namen trägt.

Viele nennen sie egoistisch, aber im Grunde sind sie egozentrisch. Ein gesunder Egoismus führt nämlich dazu, dass jemand auch an sich denkt, für sich sorgt und seine Bedürfnisse befriedigt. Das macht ihn zufrieden und zu einem angenehmen Zeitgenossen. Egozentrismus dagegen bedeutet, es gibt nichts außer dem eigenen Imperium, um das man kreist. Die anderen sind lediglich dazu da, dieses Imperium zu stützen und aufrechtzuerhalten.

Worauf sich das egozentrische Streben richtet, kann ganz unterschiedlich sein: immer mehr Geld, Macht oder Ruhm anzuhäufen, die höchsten Berge zu besteigen, die meisten Medaillen bei Wettkämpfen zu gewinnen etc. Das eigentliche Ziel ist ziemlich egal, denn das gesamte Handeln wird ihm untergeordnet.

 

Die Interessen anderer kommen ihnen gar nicht in den Sinn

Egozentriker verfolgen ihre Ziele ohne Rücksicht auf die anderen, deren Interessen ihnen gar nicht in den Sinn kommen. Oft haben sie gar kein Gefühl für ihre Mitmenschen, haben keine Ahnung, wie es sich anfühlt, sich in einen anderen hineinzuversetzen, Empathie zu entwickeln oder in die eigenen Entscheidungen auch die Wünsche und Bedürfnisse der anderen mit einzubeziehen. Sie sind so in ihrer Welt verhaftet, dass dafür kein Platz ist.

Dieser extreme Mangel an Einfühlung richtet viel Unheil an, sobald diese Menschen andere führen sollen. Wenn sie nicht die Interessen und das Wohl der anderen berücksichtigen, fühlen sich diese übersehen und reagieren gekränkt. Entweder werden sie sich von dem Egozentriker trennen oder ihn anschwärzen und versuchen, ihn zu Fall zu bringen.

 

Empathie nur als Verführer

Narzisstische Menschen sind dennoch häufig empathisch, und zwar dann, wenn sie jemanden zu etwas verführen wollen. Das heißt, sie können sich in den anderen sehr wohl einfühlen, weil sie fremde Erwartungen extrem gut wahrnehmen können, tun es aber nur, um ihr Ziel zu erreichen.

 

„Narzissmus, Verführung und Macht in Politik und Gesellschaft“  von Bärbel Wadetzki, Europa Verlag, 176 Seiten, 12,90 Euro http://www.europa-verlag.com/buecher/narzissmus-verfuehrung-und-macht-in-politik-und-gesellschaft/

 

Was macht »Narzissten« so anziehend?

Egozentrisch, ausbeuterisch, beziehungs- und liebesunfähig, machtgeil: Das sind alles keine sympathischen Eigenschaften, die man den »Narzissten« zuschreibt. Und trotzdem sind viele narzisstische Menschen so anziehend und begehrt, erfolgreich und charismatisch. Wie kommt das? Eine mögliche Antwort auf diese Frage ist: Wir bewundern »Narzissten«, weil sie Dinge tun, die wir uns nicht trauen. Und noch etwas haben sie uns voraus. Sie sind Menschenfänger, weil sie schnell und gut Kontakt herstellen können und andere in ihren Bann ziehen. Sie verführen uns, ihnen auf den Leim zu gehen.

 

Eloquenz und Auffallen

Mit ihrer Eloquenz begeistern sie ihr Gegenüber, auch jene, die ihnen ansonsten kritisch gegenüberstehen. Da sie häufig sehr intelligent sind, ist es auch spannend, ihnen zuzuhören. Oder sie locken mit einfachen Parolen, die so laut verbreitet werden, dass man sie zwangsläufig hören muss. Zum anderen schaffen sie es, sich immer ins beste Licht zu stellen und so aufzutreten, dass sie auffallen.

Ihre Grandiosität beschert ihnen eine große Anhängerschaft und eine Schar von Bewunderern. Es macht Spaß, ihnen zu folgen und in ihrem Sog mitgezogen zu werden, denn das verspricht Glanz und Sieg. Sie verstecken sich nicht in der Ecke, sondern präsentieren sich und stehen immer in der ersten Reihe. Sie bewegen Dinge, weil sie zupacken und nicht lange zögern. Sie trauen sich zu, der mächtigste Mann der Welt zu werden, auch wenn ihnen die speziellen Kompetenzen dazu fehlen. Sie tragen häufig zu große Schuhe, in die sie manchmal auch im Lauf der Zeit nicht hineinwachsen, aber sie sind mutig.

Und wer wäre all das nicht auch gerne? Wichtig, bedeutend, im Mittelpunkt stehend und mit Bewunderung überhäuft? Grandios narzisstische Menschen ziehen besonders jene an, die das nicht besitzen, aber gerne so wären. »Narzissten« werden zur Projektionsfläche für all die unerfüllten Sehnsüchte der Feigen, Ängstlichen, Vergessenen, Abgehängten. Durch die Identifikation mit der narzisstischen Grandiosität des Gegenübers bekommen auch diejenigen Bedeutung, die sich bedeutungslos fühlen. Licht fällt ebenso auf sie und stärkt ihren Selbstwert.

Sie fühlen sich verstanden und gehört und merken nicht, dass es im Wesentlichen nicht um sie geht, sondern in erster Linie um den Triumph der »Narzissten«, um deren Bewunderung, sozialen Erfolg und Beliebtheit.

 

 

 

 

 

 

 

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