Die Journalisten Markus Balser und Uwe Ritzer packen für die „Süddeutsche Zeitung“ heiße Themen an. Für das Aufdecken des Siemens-Skandals bekamen sie den Henri-Nannen-Preis, für seine Recherchen im Fall Mollath und zum ADAC-Skandal erhielt Uwe Ritzer zwei Mal den Wächterpreis der Tagespresse. Hier ein Kapitel aus ihrem Buch „Lobbykratie – Wie die Wirtschaft sich Einfluss, Mehrheiten, Gesetze kauft“.

Autoren-Team Markus Balser (l.) und Uwe Ritzer (r.)
„Wir erledigen das“
Wie Lobbyagenturen und Kanzleien unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit Regierungen und Parlamente bearbeiten und die Demokratie für ihre Zwecke formen.
Die Platane war ein kleiner Baum, als sie der internationale Lobbyistenverband Seap, die Society of European Affair Professionals, stiftete und 2001 in Brüssel einpflanzte. Ein Gedenkstein erinnert heute noch an die Spender. Und zwar direkt vor der gläsernen Fassade des Europaparlaments in Brüssel. Als Symbol dafür, wie Europas Lobbyfirmen Ideen so wirksam einpflanzen, dass sie wachsen, gedeihen und noch Jahre später ihre Saat aufgehen lassen.
Diskrete Arbeit für Wirtschaft und Interessenverbände über Agenturen und Kanzleien
Entstanden ist aber auch ein wachsendes Wahrzeichen für die Schlüsselrolle, die Lobbyfirmen in den Entscheidungsprozessen in Europas Hauptstädten längst spielen. Konservative Schätzungen gehen davon aus, dass sich allein in Brüssel rund 15 000 Lobbyisten tummeln. Niemand allerdings vermag verlässlich zu sagen, ob es nicht vielleicht doch doppelt so viele sind, wie Nichtregierungsorganisationen munkeln. Klar ist nur: Ein großer Teil arbeitet nicht unmittelbar und gut erkennbar für die Wirtschaft und ihre Interessenverbände. Sondern ganz diskret für Agenturen, Kanzleien und Beratungsdienste, die immer massiver versuchen, auf die Gesetzgebung der Europäischen Kommission und die der EU-Mitglieder Einfluss zu nehmen. Auf jene Paragraphen also, die immer wichtiger für das Leben der Europäer werden. Denn inzwischen haben vier von fünf Gesetzen, die die Europäer betreffen, auch in Europas Kapitale ihren Ursprung.
Im unkontrollierten Schattenreich der Politik – PR-Agenturen und Strategieberater mit hohen Honoraren
Das Treiben dieser Lobbyfirmen ist immer mehr Politikern und Nichtregierungsorganisationen ein Dorn im Auge. Denn es spielt sich in der Regel im unkontrollierten Schattenreich der Politik ab.
Es geht um Firmen, die schon von Berufs wegen am liebsten diskret im Hintergrund arbeiten und sich oft nicht trauen, offen mit der eigenen Lobbytätigkeit umzugehen. Zu sehr umweht die Klinkenputzer der Ruch des Dubiosen. Kaum ein Deutscher kennt ihre Namen. Sie heißen Hill & Knowlton, Pleon oder Deekeling Arndt Advisors und bezeichnen sich meist zurückhaltend und benannt nach weiteren Arbeitsfeldern als PR- oder Strategieberater und -agenturen. Die hohen Honorare für intensive Stimmungsmache nimmt man gerne mit. Den Ärger in der öffentlichen Debatte erspart man sich dagegen lieber.
Zehntausende pro Monat von Konzernen an Lobbyisten ihres Vertrauens
Sie agieren diskret wie geheimnisvoll im Hintergrund, doch für Insider ist ihr Wirken nicht mehr zu übersehen. Sie haben sich mit hoch spezialisierten Experten in Europas Hauptstädten in den feinsten Adressen eingenistet und spinnen immer intensiver ihre Netze. Im Sinne von Steuerzahlern, Wählern oder der Mehrheit ist diese intensive Arbeit selten. Warum sollten Konzerne auch Zehntausende Euro pro Monat an den Lobbyisten ihres Vertrauens überweisen, wenn demokratische Prozesse von sich aus ohnehin das gewünschte Ergebnis erzielen würden?
Nein, es geht darum, Europa bis hinein in die Politik der Mitgliedsländer nach eigenem Gusto zu formen – oft genug zum Schaden seiner Bürger. Etwa wenn es darum geht, Gesetze zum Schutz der Konsumenten oder schärfere Umweltregeln im Interesse der Industrie aufzuweichen. In jedem Fall aber sind die Firmen offenbar mühelos in der Lage, politische Prozesse wenigstens zu beeinflussen und so eine demokratische Schieflage zu erzeugen. Ihr Erfolg zeigt: Wer die Mittel hat, hat oft auch die Wahl.
Beispiele für problematische, schädliche oder auch einfach dubiose Einflussnahme gibt es zuhauf. Etwa rund um den europäischen Datenschutz. Seit 2012 versucht die Europäische Union die Datenschutzverordnung von 1995 zu aktualisieren. Erst brachte die EU-Kommission ihre Vorschläge ein, 2014 folgte das Parlament. Dann war der Rat an der Reihe. Eigentlich soll eine neue Richtlinie den Bürgern der EU mehr Privatsphäre verschaffen. Doch so einfach ist das nicht. Denn auch die Lobbyisten von Unternehmen wie Facebook, Google, Amazon und der Schufa schwärmten aus und machten ihren Einfluss geltend.
Für die Konzerne geht es um viel. Die neuen Vorschriften sollen eine Art europäisches Grundgesetz für die Behandlung personenbezogener Daten werden. Binnen zwei Jahren soll die Richtlinie nach dem Beschluss von EU-Kommission und Rat der Europäischen Union – einer vergleichsweise kurzen Übergangsfrist – alle bestehenden Gesetze in allen 28 EU-Ländern ablösen. Das macht die Angelegenheit für die Wirtschaft bedeutend. Vor allem für die Deutschen und ihre strengen datenschutzrechtlichen Vorgaben steht dabei viel auf dem Spiel.
Die Fronten sind klar umrissen: Die Wirtschaft wünscht sich, dass es künftig in einigen Ländern leichter wird, Daten etwa aus sozialen Netzwerken oder anderen Diensten für Persönlichkeitsprofile zu nutzen. Darauf zielen so neue wie lukrative Geschäftsmodelle von IT-Konzernen.
Facebook-Posts als Parameter für die Prüfung der Kreditwürdigkeit
Ein Beispiel: Setzen sich die Befürworter einer laxen Regelung durch, könnte es viel leichter werden, Daten für ganz andere Ziele zu verwenden, als sie Nutzer preisgeben. So könnten etwa Facebook-Einträge für die Prüfung der Kreditwürdigkeit genutzt werden. In Deutschland könnte dies nach bisheriger Rechtslage mit dem Datenschutz kollidieren.
Vor allem Irland springt den IT-Riesen in Europa bei. Kein Wunder: US-Internetunternehmen wie Google haben auf der Insel ihren Europa-Sitz. Die Gegner etwa in Deutschland wünschen sich, dass Bürger die Möglichkeit bekommen, sich mit ein paar Handgriffen vor solcher Überwachung wenigstens zu schützen. Geht es nach Datenschützern hierzulande, können Verbraucher künftig auf einen Blick sehen, wie viele Daten sie den Konzernen gewollt oder ungewollt zur Verfügung stellen. Verletzen Konzerne die Richtlinie, sollen sie den Hardlinern zufolge hohe Strafen zahlen – zur Abschreckung.
Davon halten die Konzerne, die Milliarden am Geschäft mit Daten verdienen, wenig. Es gilt für sie, strengere Regeln möglichst wirksam zu verhindern. Und wenn das misslingt, sie wenigstens zu entschärfen oder zu verzögern.
Für die Nichtregierungsorganisation Transparency International ist der Kampf um die Datenschutzrichtlinie geradezu ein Paradebeispiel für modernen Lobbyismus. Internetkonzerne hätten versucht, massiv Einfluss zu nehmen, klagt die Organisation. Wortgleich hätten sich Passagen aus Stellungnahmen amerikanischer IT-Konzerne später in Änderungsanträgen von Europaparlamentariern wiedergefunden. So belegen es die Recherchen der Crowdsourcing-Initiative Lobbyplag.
Lobbyplag dokumentiert akribisch, welche Abschnitte aus Papieren von Unternehmen und Lobby-Organisationen teils wörtlich in eine Stellungnahme des EU-Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz (IMCO) eingeflossen sind. Es geht um Papiere von Amazon, der US-Handelskammer für den Handel mit der EU, dem europäischen Bankenverband EBF oder dem Verband der Kreditauskunfteien. So stamme etwa der im Binnenmarkt- und Verbraucher-Ausschuss (IMCO) zur Datenschutzverordnung namentlich eingebrachte Änderungsvorschlag des Europaabgeordneten Andreas Schwab (CDU) zum Artikel 4 Ziffer 13 teilweise Wort für Wort aus einem Lobby-Papier von Amazon, macht Lobbyplag klar.
Wo sind die schwächsten Behörden oder Kontrollen?
Die gewünschte Änderung würde es Unternehmen erlauben, ihren Hauptsitz selbst zu bestimmen. Nach der ursprünglichen Formulierung wäre ein Mitgliedsstaat der faktischen Hauptverwaltung zuständig gewesen. Käme die Änderung durch, könnten Konzerne sich das Land mit den schwächsten Behörden oder Kontrollen aussuchen.
Eine Einigung von EU-Parlament, Rat und Kommission im Dezember 2015 erschwert das zwar. Doch zu Ende ist der Kampf der Lobbyisten noch nicht. 2016 sollen Parlament und Ministerrat den Text formell beschließen, anschließend wird über nationale Regelungen beraten – dort, wo die Einigung dies vorsieht. Die Verordnung tritt erst 2018 in Kraft.
Wie, fragen sich viele Bürger besorgt, gelingt es Unternehmen in diesen Zeiten nur, ihre Ziele in Brüssel immer wieder an so entscheidender Stelle einzubringen? Wie kann es sein, dass in Zeiten wachsenden Demokratiebewusstseins in einigen Fällen noch immer mehr in Hinterzimmern verhandelt wird als im Parlament? Wie ist es Unternehmen möglich, ihre Stimme in diesem Chor der Interessen so in Szene zu setzen, dass vor allem sie Gehör finden?
„Lobbykratie – Wie die Wirtschaft sich Einfluss, Mehrheiten, Gesetze kauft“ : Droemer Knauer Verlag, 359 Seiten, 19,99 Euro https://www.droemer-knaur.de/buch/8144192/lobbykratie
Eine Kanzlei wie ein Kraftwerk
Andreas Geiger kennt Antworten. Der Anwalt, den wir schon zu Beginn des Buches vorgestellt haben, ist in dieser Welt zu Hause. Wir haben Geiger als höflichen Menschen kennengelernt, dessen Freundlichkeit schnell und gleitend in fordernden Ton umschlagen kann. Seine Lobbyfirma Alber & Geiger gehört zu denen, die keineswegs nur im Wind- schatten der Politik segeln. Sie gestaltet als Akteur in der neuen europäischen Polit-Welt offensiv und direkt mit. Ohne jedes demokratische Mandat.
Andreas Geiger ist eine Spitzenkraft im europäischen Lobbygeschäft – so wie seine Kanzlei, der er als Managing Partner einen Teil des Namens gibt. Mal sitzt er in den Alber-&-Geiger-Büros in Brüssel in einem Prachtbau der Rue des Colonies, mal in seinem Büro am Pariser Platz in Berlin.
Andreas Geiger: „Wir erledigen das“
»We get it done« – wir erledigen das, heißt der Slogan seiner Firma. Ein Scheitern von Zielen der Mandanten ist nicht vorgesehen. Verteidigung, Finanzen, Bildung, Wettbewerb, Handel, Gesundheit, Umwelt – es gibt kein wichtiges Brüsseler Thema, dem sich Alber & Geiger nicht verschrieben hat. Man kenne die Entscheidungsträger, verspricht die Firma. Und man vermöge es, Allianzen und Prioritäten zum Wohl der eigenen Klienten zu verändern. Alber & Geiger beschreibt sich selbst als »Political Lobbying Powerhouse« – als politisches Lobby-Kraftwerk also.
Schwierigere Arbeit für Hinterzimmer-Drahtzieher
Um auch wirklich den maximalen Erfolg in Brüssel oder Berlin zu erzielen, empfehlen Lobbyisten den Betroffenen neuer Gesetzesvorschläge möglichst früh im Laufe eines Gesetzgebungsprozesses einzuschreiten – und nicht erst, wenn die öffentliche Debatte längst Fahrt aufgenommen hat. Denn wenn engagierte Bürger und Nichtregierungsorganisationen erst mal mitmischen, wird die Arbeit der Hinterzimmer- Drahtzieher immer schwieriger. Die öffentlichen Debatten und der Widerstand gegen die Geheimniskrämerei beim transatlantischen Handelsabkommen TTIP etwa zeigen, was dann passiert.
Wie aber arbeitet Alber & Geiger?
In Newslettern weist die Kanzlei einen Kreis von Entscheidern in einem besonders frühen Stadium auf drohende Veränderungen in der EU-Gesetzgebung hin. Mal geht es um die Regulierung von Drohnen, mal um schärfere Auflagen für Tabakwerbung. Oft wissen die Firmen längst Bescheid. Auch sie sind in der Regel gut verdrahtet. Manchmal aber ist Alber & Geiger den entscheidenden Schritt schneller. Wer sich gegen die Vorhaben wehren will, kennt meist die entscheidende Telefonnummer eines Brüsseler Lobbyisten seines Vertrauens. Kommt eine Anfrage, nehmen Kanzleien wie Alber & Geiger die Neuregelungen in juristischer und politischer Hinsicht erst mal im Sinne des Interessenten unter die Lupe. In Memos, nicht länger als eine Seite, listen sie kurz und knapp Probleme auf und entwerfen eine aus Sicht der Kundschaft sinnvolle Lösung.
Wink mit dem Zaunpfahl? Oder doch subtile Drohung?
Dann folgt die eigentliche Lobbyarbeit. Alber & Geiger weist in der Administration und bei Politikern erst mal diskret auf Probleme hin, die man sonst in einer späteren Phase öffentlich einbringen würde. Mit anderen Worten: Man macht die Politik auf Ärger aufmerksam, der da auf sie zukommen könnte. Ein Wink mit dem Zaunpfahl, den man auch als subtile Drohung verstehen kann.
Das Androhen von Schadenersatzansprüchen zieht immer
Nicht immer geht es dabei freundlich zu. Die Lobbyisten müssen einem Ministerium oder einer nachgeordneten Behörde schon mal klar machen, welche Konsequenzen sich aus falschen Entscheidungen für seinen Mandanten ergeben können. Im Zweifel weise man auch auf mögliche Schadensersatzansprüche hin, sagt Geiger.
In Berlin, Brüssel und London tritt Alber & Geiger prominent auf. Die offensive Vermarktung zahlt sich aus. Könige und Konzerne vertrauen ihr Schicksal gleichermaßen den Anwälten an. Mal will man für das Königreich Marokko die EU im Zusammenhang mit dem West-Sahara-Konflikt beeinflussen – der Konflikt schuf Probleme bei neuen Handels- abkommen. Mal wollen Glücksspiel- oder Tabakunternehmen schärfere Gesetze verhindern – neue Geldwäschevorschriften wollten doch tatsächlich mehr Transparenz. Und mal gilt es, für einen Hersteller ein sofortiges Verbot umweltfeindlicher Plastiktüten zu umschiffen.
Es gibt kaum eine Anfrage, die es nicht gibt. Selbst die Vertreter eines afrikanischen Schurkenstaats klopften höflich an.
Er vertrete eine afrikanische Regierung, erklärte der Absender. Eine Nation mit einer ernsten politischen Krise, die sich mit Tausenden Toten derzeit verschärfe. Die Regierung wünsche sich Lobbyarbeit in der EU, denn die Rebellen machten die bessere PR-Arbeit in Europa und den USA. Sie sei derzeit jedoch zu sehr damit beschäftigt, die eigenen Namen aus Korruptionsskandalen herauszuhalten, schrieb der Absender offen.
»Wir haben das natürlich nicht gemacht«, sagt Geiger. Ob eine andere Lobbyfirma eingestiegen ist, vielleicht des schnellen Geldes wegen? Wer sich in der Szene der lobbyierten Interessen auskennt, würde dafür seine Hand nicht ins Feuer legen.
Je komplexer die Welt wird, je internationaler und verwobener, desto besser ist es für das Geschäft von Leuten wie Andreas Geiger. Brüssel und Berlin erlebten derzeit einen grundlegenden Wandel der Lobby-Arbeit, sagt Geiger. Die Folge: Allgemeine Kontaktpflege reicht nicht aus. Geigers Kanzlei versucht den Weg über die Öffentlichkeit zu vermeiden. Anzeigenkampagne, öffentliche Schlammschlachten. Eine solche Quasi-Erpressung der Handelnden komme in der Politik heute nicht mehr gut an, sagt Geiger. Entscheidend sei es, maßgeschneiderte Lösungen zu liefern und Vorgänge von A bis Z zu begleiten. »Wir gehen die Leute direkt an, die mit den Themen zu tun haben – mit Argumenten.«
Mal sind es Referentinnen und Referenten in der Kommission oder Ministerien auf Arbeitsebene. Mal sind es Minister und Kommissare. Besonders wichtig dabei: schwergewichtige Aushängeschilder. Geigers Co-Chef Siegbert Alber saß drei Wahlperioden für die CDU im Bundestag, war Abgeordneter im EU-Parlament, wurde schließlich Vizepräsident des Europäischen Parlaments und sogar Generalanwalt beim Europäischen Gerichtshof (EuGH). So einer kennt das politische wie juristische Parkett aus dem Effeff. So einem schlagen auch Leute wie der ehemalige Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) kein Treffen aus.
Was ist, wenn RWE keine Spezialisten aufgebaut hat?
»Gute Lobbyisten brauchen permanenten Zugang zu den wichtigsten Entscheidern«, sagt ein anderes Schwergewicht einer konkurrierenden Lobbyfirma. »Den bekommen Sie nicht, wenn Ihr Konzern RWE heißt, und Sie eben mal ein aufgetretenes Problem lösen müssen – ohne Vertrauen zu den Spezialisten auf diesem Gebiet aufgebaut zu haben. Das bekommen Sie nur nach jahrelanger Arbeit in der Nähe der Entscheider hin.«
Illegal sind solche Zugänge selbstverständlich nicht. Es zeigt sich aber in der Welt der gelenkten Interessen, dass Geld häufiger Macht und Erfolg in politischen Entscheidungsprozessen garantiert, als sich viele das vorstellen. Wer über die nötigen Ressourcen verfügt, hat in diesem System deutlich bessere Chancen, mit politischen Anliegen durchzukommen, als jemand ohne. Was das für die Zukunft der Gesellschaft bedeutet, zeigt sich an den erfolgreichen Fällen der Kanzlei Alber & Geiger.
Der Fall der Aliyew-Brüder – Werte oder Geld?
Die Brüder Farhad und Rafiq Aliyew aus Aserbaidschan sind zwar überaus vermögend, konnten die Lobbyfirma Alber & Geiger für ihren eigenen Fall aber dennoch nicht selbst ein- spannen. Sie waren verhindert, sie saßen im Gefängnis.
Der ehemalige Wirtschaftsminister von Aserbaidschan und der Chef des aserbaidschanischen Ölkonzerns Azpetrol wurden 2005 wegen eines angeblichen Putschversuchs gegen Aserbaidschans Präsidenten und Autokraten Ilham Aliyew und weiterer Vorwürfe verhaftet und eingesperrt. Ohne fairen Prozess, wie auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte später feststellte. 2007 wurden sie zu zehn beziehungsweise neun Jahren Haft verurteilt. Begründung: Korruption, Betrug und Putschversuch.
Nach der Hälfte der Haft wollte der Aliyew-Clan dem ein Ende setzen. Ein Sohn und ein Neffe der Inhaftierten heuerten die Spezialisten von Alber & Geiger an. Das Ziel: die schwer reichen Brüder, den Ex-Politiker und den Unternehmer, endlich aus dem Gefängnis zu bugsieren.
Beste Kontakte und Fürsprecher in höchsten Ämtern
Kein leichtes Mandat in Zeiten, in denen Europa ganz andere Sorgen hatte. Eines in jedem Fall, für das es beste Kontakte und Fürsprecher in höchsten Ämtern braucht. Am besten gleich solche, die kreuz und quer über den Erdball reichen. Ein Netz also, das in kurzer Zeit wie von Zauberhand gelenkt ein sorgsam orchestriertes internationales Tauziehen um Wirtschaftsbeziehungen und Menschenrechte einfädeln kann, das nicht nur zeigt, wie beeinflussbar internationale Politik ist. Es hält der EU auch noch einen wenig schmeichel- haften Spiegel vor. Besonders deutlich aber macht es, wie in Brüssel und Washington internationaler Lobbyismus ganz praktisch und wirksam funktioniert.
Denn in Brüssel hatte sich schon eine Zeit lang niemand mehr so richtig für die Missachtung von Menschenrechten in Aserbaidschans Hauptstadt Baku interessiert. Die Regierung des Landes war zudem fest entschlossen, der Welt eindringlich klar zu machen, dass sie und ihr rohstoffreiches Land ein bedeutender Akteur auf der internationalen politischen Bühne sind. Fernsehzuschauer erinnern sich vielleicht daran, dass Aserbaidschan im Mai 2012 Gastgeber des Eurovision Song Contests war. Die schillernde Veranstaltung wurde durch die breite Berichterstattung über die Zwangsräumungen getrübt, die Platz für den Austragungsort des Song Contests schufen. Auch über andere Menschenrechtsverletzungen in dem Land wurde in Zusammenhang mit dem Songwettbewerb weltweit berichtet. Aserbaidschan gehört zu jenen etwa 50 Ländern, denen Amnesty International Menschenrechtsverletzungen und das Einkerkern politischer Gefangener vorwirft. Die Politik des Westens hält sich dennoch bis heute mit Kritik auffällig zurück.
Bei Alber & Geiger ahnt man, warum: »Europa musste mit Aserbaidschan in Sachen Energie verhandeln«, heißt es in einem Memo der Kanzlei. Der Gaslieferant sei zentral in der Politik Brüssels gewesen, unabhängiger vom ungeliebten Rohstofflieferanten Russland zu werden. In einem Klima, in dem die EU das Land also für ihre wirtschaftlichen Interessen brauchte, sei es für Brüssel wohl leichter gewesen, bei Menschenrechten ein Auge zuzudrücken.
Verbündete für Allianzen in höchsten politischen Ämtern
Das ist eine Steilvorlage für Lobbyisten. Im Fall Aliyev beginnt die Kanzlei genau hier mit der Suche nach Argumenten für einen Strategiewechsel der Europäer. Sie sucht nach Verbündeten für mögliche Allianzen. Und sie findet sie in höchsten politischen Ämtern und bei führenden Köpfen, die mit der Lobbyfirma verdrahtet sind. John McCain zum Beispiel. Weltweit gilt der einflussreiche US-amerikanische Senator und ehemalige Präsidentschaftskandidat der Republikaner als Verfechter einer »America First«-Politik. McCain schien nie sonderlich viel für die Staaten der ehemaligen Sowjetunion übrig zu haben, früher nicht und heute auch nicht. Am 30. Dezember 2011 jedoch schreibt der Senator geradezu schmeichelnde Zeilen an den aserbaidschanischen Präsidenten, die er über die Botschaft des Landes in Washington D.C. an ihn richtet. Auf Bitten von Lobbyisten.
»Lieber Präsident Aliyev«, heißt es da, »wir kennen uns seit vielen Jahren, und ich bin seit Langem ein Unterstützer Ihres Landes und Ihrer Regierung.« Der Senator gibt sich verbindlich. »Unsere bilaterale Beziehung war niemals wichtiger, und ich arbeite weiterhin persönlich daran, sie zu stärken. Es ist meine andauernde Hoffnung, dass die Kooperation zwischen unseren Ländern, unseren Bürgern und Regierungen tiefer und breiter wird. Ich werde Ihr Partner bei diesen Bemühungen bleiben.«
Er hoffe doch sehr, schreibt McCain weiter, dass die Partnerschaft zunehmend nicht allein durch gemeinsame Interessen, sondern auch durch gemeinsame Werte definiert werde. Er wolle die Bedeutung der Menschenrechte dabei hervorheben. Dass das Regime in diesem Zusammenhang den Jugendaktivisten Jabbar Savalan, der wegen der Organisation friedlicher Demonstrationen zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt worden war, freigelassen habe, sei ja schon mal ein positives Zeichen.
Dann kommt McCain zum Kern seines Anliegens. Und das gilt den wohlhabenden Inhaftierten: Ernsthaft beunruhigt sei er allerdings darüber, »dass Ihre Regierung Farhad und Rafiq Aliyew seit 2005 inhaftiert hat«. McCain appelliert: »Sie haben die Macht, die Aliyew-Brüder und die anderen politischen Gefangenen zu befreien, die Ihre Regierung inhaftiert hält.« Das wäre der richtige und gerechte Kurs und würde »unseren Ländern ermöglichen, die Grenzen unserer bilateralen Partnerschaft zu erweitern«.
Mithilfe von prominenten EU-Politikern wie Martin Schulz
Schon diese deutlichen Zeilen aus Washington sind eine erstklassige Unterstützung für die Lobbyfirma. Bessere Kontakte mit den USA – ein feines Argument. Doch bei der Mithilfe durch den prominenten US-Politiker bleibt es nicht. Auch in den Büros europäischer Spitzenpolitiker werden plötzlich Briefe aufgesetzt. Die Lobbyfirma schaltet zum Beispiel den Präsidenten des Europaparlaments ein, den deutschen SPD-Politiker Martin Schulz. Auch er fordert in einem Brief an den aserbaidschanischen Präsidenten Ilham Aliyew die Freilassung der inhaftierten Brüder.
»We get it done« – kein zu großes Versprechen an die Kundschaft. Die konzertierte Aktion für die prominenten Häftlinge zeigt in der Hauptstadt Baku am kaspischen Meer mit etwas Verzögerung Wirkung. Im Oktober 2013 wird schließlich eine kleine Gruppe von Häftlingen begnadigt. Mehrere Gefangene dürfen die berüchtigte Haftanstalt Nr. 6 im Nizami-Viertel von Baku im Morgengrauen des 15. Oktober verlassen. Darunter: die Aliyew-Brüder.
Eine politische Entscheidung, die ohne Lobbyisten und deren prominente Mitstreiter wohl kaum zustande gekommen wäre. Drei Jahre sollen sie in Europa und den USA an dem Fall gearbeitet haben. Die Öffentlichkeit erfuhr nur von der Inhaftierung und der Freilassung der Brüder. Aber nichts von der Arbeit der Spezialisten dazwischen. Wie viel Honorar floss, wer Geld bekam oder einen Gefallen im Gegenzug? Ob auch Politiker ein Honorar erhielten? All das bleibt im Dunkeln. Zwischen Anfang und Ende herrscht Schweigen. Allein: Farhad Aliyew ist seither voll des Lobes über die Fähigkeiten der Lobbyfirma. »Alber & Geiger half uns in einer sehr sensiblen Zeit, die politische Landschaft in Europa zu steuern«, erklärt Aliyew wörtlich. Er soll heute in London leben.
Ein Erfolg für die Lobbyisten, zweifellos. Womöglich ist der undurchschaubare Fall der Aliyew-Brüder auch ein Erfolg für die Menschenrechte, was gut wäre. Der Fall zeigt aber auch eine Schieflage. Denn: Europas politische Landschaft zu steuern und gleich noch Teile der US-Spitzenpolitik mit – davon können viele andere politische Gefangene in Aserbaidschan nur träumen.
Die anderen Geiseln des Regimes, wie die bekannten Journalisten Khadija Ismayilova und Parviz Hashimli, sind weiter in Haft. Sie wurden beide unter dubiosen Umständen zu einer jahrelangen Haftstrafe verurteilt. Sie verfügen nicht über die großen Vermögen der Aliyew-Brüder. Lobbyisten können sie sich nicht leisten. Sie sind weit davon entfernt, freizukommen. Ist ihr Leben, ihre Freiheit, sind ihre Schicksale weniger wert? Warum erwärmt sich die globale Spitzenpolitik nicht für den Kampf um die Freiheit dieser Frau und dieses Mannes? Warum werden nicht auch in diesem Fall sorgsam orchestriert so freundliche wie bestimmte Briefe nach Baku geschickt? Geht es bisweilen etwa in der höchsten Politik eben doch um andere als nur ideelle Werte?
Der Fall Asarow – Wie man von Sanktionslisten verschwindet
In den Büros der Lobbyisten hoffen indes schon die nächsten Mandanten auf eine Rettung. Eine der ganz anderen Art. Es kommt auch bei Firmen wie Alber & Geiger nicht jeden Tag vor, dass ein ehemaliger Premierminister anruft. Im Mai 2014 aber klingelt Mikola Asarows Büro in der vornehmen Brüsseler Dependance in der Rue de Colonies durch. Asarow gilt als enger Vertrauter des ehemaligen ukrainischen Präsidenten Wiktor Janukowitsch und wird im Westen deshalb äußerst kritisch beäugt. Denn die Clique um Janukowitsch soll sich am Vermögen ihres Landes bedient und Reichtümer außer Landes geschafft haben, etwa nach Wien.
Asarow war von 2010 bis Februar 2014 Ministerpräsident der Ukraine, trat dann während der wochenlangen Proteste und Demonstrationen auf dem Maidan-Platz in Kiew auf Anweisung Janukowitschs zurück, ehe er sich mit seinem Privatjet nach Österreich absetzte. Am Kiewer Michailowski-Platz besaß der Multimillionär eine Elf-Zimmer-Wohnung. Der Umsturz bereitete Asarow bereits vor seiner Flucht nach Wien gewaltiges Kopfzerbrechen. Denn plötzlich fand sich der Politiker auf einer Schwarzen Liste der EU wieder. Asarows Eigentum in EU-Mitgliedsländern war damit eingefroren. Und nicht nur das. Visa-Probleme hinderten ihn am freien Reisen. Eigentümer an die Liebsten zu verschenken war auch keine Lösung. Denn auch sein Sohn Alexej, ein Geschäftsmann, der aus Österreich heraus arbeitete, war auf der Liste gelandet. Er residierte bereits in einer Prachtvilla im Wiener Vorort Währing.
Vor diesem Hintergrund erschloss sich den Lobbyisten von Alber & Geiger der Grund des Anrufs schnell. Die Botschaft war deutlich: Teile der alten ukrainischen Machtclique wollten runter von der bedrohlichen Sanktionsliste der EU. Damit ging die alte Staatsführung also ziemlich unverfroren hinter den Kulissen gegen die zentrale Strafmaßnahme der EU-Kommission gegen die Annexion der Krim durch Russland und das Maidan-Massaker vor.
Honorar der Lobbyarbeit: 80.000 Euro im Monat
Was Brüsseler oder Berliner Lobbyisten in einem solchen Fall tun? Natürlich: Sie nehmen den Fall an. Es geht schließlich um viel Geld. Experten aus der Branche schätzen das Monatssalär für derartige Lobbyarbeit auf rund 80 000 Euro.
Bei Alber & Geiger begann man für die feine ukrainische Gesellschaft das große Rad zu drehen. Bekannt ist, dass die Lobbyisten im Frühjahr 2014 eine ganze Reihe von Offiziellen im Auswärtigen Dienst der Europäischen Union, dem European External Action Service (EEAS), kontaktierten. Catherine Ashton, damals EU-Außenbeauftragte und Chefin des Dienstes, lehnte ein Treffen ab. Aber Beamte aus der mit den Ukraine-Sanktionen betrauten Abteilung reagierten. Ein erster Erfolg.
Die Lobbyisten hatten sich für solche Gespräche eine spitzfindige Strategie ausgedacht, mit der sie den Brüsseler Apparat herausforderten. Denn nach EU-Recht sind Sanktionen zulässig, wenn sie Regierungen zu einer Änderung des Verhaltens zwingen wollen. Die Sanktionsliste trat jedoch im März 2014 erst in Kraft, als die betroffene Machtclique schon gar nicht mehr am Ruder war. Zudem richteten sich die Sanktionen gegen die Hinterleute des Maidan-Massakers, bei dem Scharfschützen im Februar 2014 im Zentrum der ukrainischen Hauptstadt Kiew auf Demonstranten schossen. Eine persönliche Verstrickung der Asarows aber, argumentierte Alber & Geiger, sei gar nicht erwiesen. Die Sanktionen deshalb gar nicht rechtens.
Und auch das war erst der Anfang. Die zweite Lobbywelle richtete sich an den Ministerrat. Dort vor allem an die ständigen Vertreter der 28 EU-Mitglieder. Die Hoffnung: Das Problem möge seinen Weg zu den Botschaftern und so auch zu den zuständigen Außenministern finden. Selbst die Lobbyisten räumen in einer eigenen Einschätzung ein: Es habe eines raffinierten Einsatzes »juristischer und emotionaler Aufklärung« bedurft, um durch diese politischen Turbulenzen zu navigieren. Am Ende der intensiven Bearbeitung der Bürokraten stand ein erstaunlicher Erfolg: Brüssel beugte sich zumindest teilweise dem Druck.
Das eingefrorene Vermögen des Politikersohns Alexej Asarow wurde wieder freigegeben. Im März 2015 wurde er zusammen mit drei weiteren Mitgliedern der Janukowitsch-Clique von der Sanktionsliste gestrichen. Auch die Position des Vaters habe man wahrnehmbar verbessert, heißt es bei Alber & Geiger. Details will man nicht nennen. Wie Lobbyisten über einen solchen Auftrag denken? Es gebe Geldwäschevorwürfe, sagt Geiger. Aber bewiesen sei noch nichts.
Mandanten wie Philip Morris oder Davidoff
Eine gewisse Skrupellosigkeit gehört wohl zum Geschäftsprinzip mancher Lobbyfirma. Bei Alber & Geiger jedenfalls geht es nicht darum, das gesellschaftlich Wünschenswerte zu erzielen. Sondern das, was der Mandant wünscht. Die Kanzlei schaffte es so immer wieder, ganze Branchen und Konzerne aus beinahe ausweglosen Situationen zu manövrieren. Für die Mehrheit muss das kein Erfolg sein. Die Firma half etwa Tabakkonzernen wie Philip Morris oder Davidoff im Kampf gegen härtere Regulierung der gesundheitsschädigenden Tabakgeschäfte. Und sie half Deutschlands bekanntestem Glücksspielunternehmer, sein fragwürdiges Milliardengeschäft am Laufen zu halten – gegen alle öffentliche Kritik.
….oder der große Spieler: Automatenkönig Gauselmann
Mit Glücksspielmaschinen, bei denen sich Kirschen oder Orangen auf Walzen drehen, hat Paul Gauselmann sein Glück gemacht. Ein Mann, der meist einen Dreiteiler, eine goldene Krawattennadel und den eckigen Goldring trägt und aus dem ostwestfälischen Städtchen Espelkamp heraus ein kleines Imperium dirigiert, das mit Geldspielautomaten ein jährliches Geschäftsvolumen von 1,8 Milliarden Euro erwirtschaftet. Gauselmann, Jahrgang 1934, ist Unternehmensgründer und Chef von rund 8000 Leuten.
Gut 45 000 Automaten produziert Gauselmann jedes Jahr. Mehr als die Hälfte der derzeit bundesweit 250 000 Geldspielgeräte stammen aus seiner Produktion. Marktführer ist Gauselmann zudem mit seinen mehr als 200 Spielhallen bundesweit. Hinzu kommen weitere 300 Spielstätten in neun Ländern Europas. Wie sich das für ihn auszahlt? Über Gewinne spricht Gauselmann nicht. Auf eine Milliarde Euro wird das Vermögen des Unternehmers geschätzt, das ihm die Spielotheken unter dem Logo der Merkur-Sonne und andere Kasinogeschäfte bislang einbrachten. Die Quintessenz seiner Karriere: Ab und zu gewinnt der Kunde. Unter dem Strich gewinnt Paul Gauselmann.
Jahrelange Spenden an CDU, FDP und SPD – ohne Namen im Rechenschaftsbericht
Für Gauselmann ist selbstverständlich, dass dies möglichst auch für den Umgang mit der Politik gelten soll. Spenden und Sponsoring des Automaten-Königs sorgen in der deutschen Lobbydebatte bereits seit Langem für Schlagzeilen. Die Firmengruppe beziehungsweise deren Manager, die allesamt von der Liberalisierung der Regeln für Spielhallen 2006 enorm profitierten, spendete jahrelang Millionen an CDU, FDP und SPD – legal mit Einzelbeträgen jeweils unter der Grenze von 10 000 Euro, um eine Namensnennung der Spender in den Partei-Rechenschaftsberichten zu umgehen.
An dieser Form der politischen Landschaftspflege kann der betagte Glücksspiel-Veteran mit den besonders engen Beziehungen zur FDP nichts Verwerfliches erkennen. Gute Beziehungen setzt er auch ganz gezielt in Brüssel ein, um sein in der Politik in Ungnade gefallenes Geschäft am Laufen zu halten. Gauselmann habe sich gemeldet, als in gleich mehreren EU-Staaten schärfere Regulierungen für privates Glücksspiel drohten, die für ihn »verheerende« Auswirkungen gehabt hätten, heißt es bei Alber & Geiger. Man sei beauftragt worden, eine Benachteiligung gegenüber staatlichem Glücksspiel sowie die Folgen der Gesetze im Kampf gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung auf das Glückspielgeschäft zu begrenzen und zu beseitigen.
Terrorismus, Geldwäsche? Wenigstens hier, sollte man meinen, müsste die Kommission doch hart bleiben. Bei Alber & Geiger weiß man es besser. In der Firma erinnert man sich an einen geradezu wegweisenden Lobbyerfolg.
Dabei hatte die EU konsequent begonnen. Sie kündigte Mitte 2012 an, Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung durch mehr Kontrolle bei Glücksspielen und Steuerzahlungen besser zu bekämpfen – nur ein Teil neuer Regelungen, die die Hersteller fürchteten. Im Herbst werde dazu eine Reform der Anti-Geldwäsche-Richtlinie vorgelegt, erklärte Brüssel damals. Der ehemalige Binnenmarktkommissar Michel Barnier wollte definieren, welche Arten von Glücksspiel von den bestehenden Kontrollen erfasst werden sollen. Die Palette sollte nach ersten Überlegungen der Kommission über Kasinos auf Online-Spiele hinaus ausgeweitet werden.
Etwa auch die der Automatenwirtschaft?
Nicht mit Gauselmann. Nicht mit Alber & Geiger. Es ging diesmal darum, direkt auf die Kommission einzuwirken. Wie genau? In diesem Fall bleibt Alber & Geiger zugeknöpft. Man habe im Markt fundamentale Freiheiten verteidigt und erfolgreich auf das neue Geldwäschegesetz eingewirkt, indem man die Kommission etwa auf drohende Einbußen im Geschäft der Glücksspielunternehmen hingewiesen habe.
Unerwarteter Lobby-Erfolg für Gauselmann
Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Die Gegner einer Verschärfung schafften es, eine Ausnahmeregelung für Glücksspiele außerhalb des Internets aufzunehmen, die nicht für große Casinos gilt. EU-Mitgliedsstaaten können über die Anwendung dieser Ausnahmen selbst entscheiden. Sogar im Gauselmann-Lager war man verblüfft über den Lobbyerfolg.
»Raffinierte EU-Lobbyisten«, urteilt Maik Sellenriek beeindruckt, Finanzchef der Merkur Casinos in der Gauselmann-Gruppe, über Alber & Geiger.
Wer den neuesten Kampf gewinnt? Man darf gespannt sein, denn die jüngsten Bemühungen um mehr Regulierung des anrüchigen Marktes laufen in Deutschland bereits. Mindestens 500 Meter Abstand bis zur nächsten Spielhalle, maximal acht Spielautomaten pro Standort und all das nicht in der Nähe von Kinder- oder Jugendeinrichtungen – mit diesen Regulierungen gegen Spielsucht wollen sich Berliner Spielhallenbetreiber nicht abfinden. Vor Gericht kämpfen sie gegen das Spielhallengesetz. Die Gauselmann-Gruppe argumentiert: Ein wirtschaftlicher Betrieb sei mit den Regulierungen nicht mehr möglich, sie kämen einem Berufsverbot gleich.
Die Lobby-Szene erinnert an „Kir Royal“
Je tiefer man in diese Lobbyszene eintaucht, desto stärker fühlt man sich erinnert an »Kir Royal«. Jene inzwischen mit Kult-Status versehene Fernsehserie aus den 80er Jahren um den Klatschreporter Baby Schimmerlos. Alle wollen in seiner Gesellschaftskolumne vorkommen, denn nur wer drinsteht, ist wichtig in der Münchner Schickeria. Entsprechend hartnäckig buhlt der von Mario Adorf gespielte Klebstofffabrikant Heinrich Haffenloher, ein Provinzling mit viel Geld und wenig Manieren, um die Gunst des Baby Schimmerlos. Als der ihn abblitzen lässt, kauft ihn sich Haffenloher: »Ich scheiß dich so was von zu mit meinem Geld«, sagt er und macht dem Reporter klar, wer aus seiner Sicht der wirkliche Hauptdarsteller in der Gesellschaft ist: das Geld. »Wer reinkommt, der ist drin«, so der Titel der ersten Folge, an deren Ende die Schickeria mit Haffenloher Cancan tanzt. Geld kann führen und verführen. Das weiß man auch in Berlin.
Die Skatbrüder – das Russland-Netzwerk und die SPD-Genossen
Ein böiger Wind bläst durch die deutsche Hauptstadt, als Heino Wiese an einem Novembertag 2015 kurz nach 12 Uhr die »Peking-Ente« betritt. Das chinesische Restaurant in Berlin-Mitte steht an historischer Stelle. Früher war auf dem riesigen Areal Ecke Voßstraße/Wilhelmstraße die Reichskanzlei Adolf Hitlers. Zu DDR-Zeiten wurden die letzten Reste abgebrochen und an ihrer Stelle Plattenbauten für privilegierte Ost-Berliner errichtet. So gesehen ist es ein besonderer Ort, an dem wir Heino Wiese zum Mittagessen treffen. Von hier aus sind es nur wenige Meter zu seiner Firma, der Wiese Consult in der Behrenstraße, direkt hinter dem Brandenburger Tor. Eine Firma, die nach eigenen Angaben ganz direkt »an der Schnittstelle zwischen Wirtschaft und Politik«, insbesondere in den Bereichen »Internationale Geschäftsbeziehungen und Investments«, arbeitet. Schön formuliert.
Wiese Consult – für Regionen, wo einflussreiche Kontakte die halbe Miete sind
Wer sich dieser Firma nähert, stößt auf einen Hansdampf an ihrer Spitze. Heino Wiese, Jahrgang 1952, scheint auch international bestens verdrahtet. Er war einige Jahre Sprecher im Advisory Board von TÜSIAD, dem wichtigsten Unternehmerverband der Türkei. Er ist Vorstandsmitglied des Deutsch-Russischen Forums und der Emiratisch-Deutschen Freundschaftsgesellschaft sowie Mitglied in der Deutsch-Türkischen Gesellschaft, der Deutsch-Arabischen Freundschaftsgesellschaft und in der Parlamentarischen Gesellschaft. Wiese also wirft sein Netz in solchen Regionen aus, die als lukratives wie schwieriges Pflaster für deutsche Geschäftsleute gelten. Regionen in jedem Fall, in denen gute, einflussreiche Kontakte die halbe Miete sind.
Wer dann allerdings wissen will, was Wiese Consult eigentlich für Beratungsleistungen erbringt, wird auf der Internetseite der Firma kaum fündig. Die kleine Firma bietet zwar ein breites Spektrum an, darunter Politik- und Behördenkontakte. »Wir beraten national und international agierende Unternehmen, Institutionen und Verbände auf Landes- und Bundesebene«, heißt es etwa. Doch was heißt das im Detail? Immerhin, der Aktionsradius ist riesig: »Aserbaidschan, China, Costa Rica, Indien, Kasachstan, Kroatien, Lettland, Mongolei, Nordzypern, Rumänien, Russland, São Tomé und Príncipe, Serbien, Slowenien, Turkmenistan, Türkei, Ukraine, Usbekistan, Vereinigte Arabische Emirate.« Vor allem ein Land sticht hervor: Durch langjähriges Engagement in Russland sei Wiese Consult einer der »TOP-Spezialisten und Ansprechpartner für Investitionen und wirtschaftliche Fragen im russischen Sprachraum«, verspricht der Inhaber. Mit fünf Mitarbeitern?
Motive der Auftraggeber: Kontakte zur SPD
Wer sich in Berlin umhört, unter Sozialdemokraten oder bei führenden Unternehmen, bekommt erstaunliche Antworten über die Reize dieser kleinen Firma im Herzen der Hauptstadt. Es gehe weniger um die Expertise auf den genannten Märkten, heißt es. Der Unternehmensberater Heino Wiese sei für einige Kunden vor allem aus einem Grund interessant, sagt ein ehemaliger Geschäftspartner: weil er Kontakte zu deutschen Politgrößen vermitteln und sie für Lobbytätigkeiten gewinnen könne.Vor allem solche der SPD.
Aus diesen Kontakten macht Heino Wiese auch kein Geheimnis, ganz im Gegenteil. »Gestern Abend war ich mit Otto Schily essen«, erzählt er scheinbar beiläufig, gleich nachdem er im China-Restaurant Platz genommen hat. Im Fußballstadion in Hannover hat der Familienvater mit Freunden eine eigene VIP-Loge. Viele Fotos zeigen ihn dort mit einem noch wichtigeren Deutschen als dem früheren RAF-Anwalt und späteren Bundesinnenminister Schily: mit Gerhard Schröder.
Der ehemalige Bundeskanzler ist ein enger Freund Wieses, was nicht nur mit einer langjährigen, gemeinsamen Zugehörigkeit zur SPD zu tun hat. Als junge Kerle schon trafen sie sich in der legendären Hannoveraner Kneipe Plümecke häufig zum Skat. Daraus wurde eine dicke Freundschaft. Zwei Arbeiterkinder mit unbändigem Ehrgeiz, es nach oben zu schaffen. Der eine, Schröder, wurde Vorsitzender der Jungsozialisten, Bundestagsabgeordneter, niedersächsischer Ministerpräsident und schließlich Bundeskanzler. Kumpel Heino brachte es über einen Job als Personalentwickler beim Autozulieferer Continental, die Posten des Bezirks- und später des Landesgeschäftsführers der SPD in Hannover für vier Jahre als Abgeordneter in den Bundestag. Nachdem er 2002 die Wiederwahl verpasste, kam Wiese auf einem lukrativen Posten beim Bekleidungsunternehmen s.Oliver unter, wo er nach eigenem Bekunden zuletzt für Business Development, Export und International Sales verantwortlich war. Dann machte er sich selbständig. »Als Lobbyist«, sagen die einen.
»Falsch«, sagt Heino Wiese, »als Unternehmensberater.«
Was macht den Unterschied? »Ein Lobbyist vertritt direkt die Interessen seiner Auftraggeber. Ich berate Unternehmen vorwiegend bei ihren Aktivitäten in Russland und China. In allen meinen Verträgen mit Kunden steht drin, dass ich in Deutschland nicht lobbyistisch tätig werde, höchstens mal im Ausland.«
Vereinfacht zusammengefasst geht Heino Wieses Unterscheidung so: Ich selbst werde bei keinem Politiker für meine zahlenden Auftraggeber vorstellig. Sondern ich sage ihnen nur, wie sie selbst die Türen öffnen können.
Wenn er hierzulande doch einmal als Lobbyist auftrete, dann als solcher für Russland und dann auch nicht gegen Geld, sondern aus eigenem Antrieb. Denn das Land werde im Westen oft verkannt, falsch verstanden und ungerecht, zumindest aber nicht unbefangen behandelt. Da halte er dann argumentativ dagegen und versuche, seine Gesprächspartner zu überzeugen. Sigmar Gabriel zum Beispiel, den SPD-Chef, Vizekanzler und Bundeswirtschaftsminister. »Den habe ich beim Thema Russland bearbeitet«, sagt Wiese. Auch diese beiden sind eng miteinander, auch privat. »Einmal im Jahr gehen wir miteinander auf Abspeckkur«, sagt Wiese.
Protzt da einer nur mit seinen Kontakten? Kokettiert er nur mit der Nähe zur Macht? Oder kann er es sich schlicht leisten, über sein Netzwerk zu sprechen?
Besondere Nähe zu Gerhard Schröder
Menschen, die Heino Wiese und sein Geschäftsmodell länger und besser kennen, sagen, er sei der am besten verdrahtete Lobbyist in der Sozialdemokratie. Sein Handwerk: Diskretion. Sein Netzwerk? »Alle Sozis, die älter sind als 55 Jahre«, sagt er selbst und lächelt vielsagend. Vor allem seine Nähe zu Gerhard Schröder fällt auf. Wenn der Ex-Kanzler im kleinsten Freundeskreis Geburtstag feiert, dann gehören auch Wiese und Wladimir Putin dazu. »Gerhard ist für mich so etwas wie ein Idol, wie ein großer Bruder«, schwärmt Heino Wiese. Mehr Verehrung geht nicht. Und Sigmar Gabriel? »Ich könnte den Sigmar jederzeit anrufen, aber ich tue es nicht«, sagt Wiese. Höchstens privat.
Selbstverständlich schadet ihm all das nicht, im Gegenteil.
»Die Leute wissen natürlich, mit wem ich befreundet bin«, sagt er. »Nur nutze ich das nicht aus.« Nicht einmal fürs Geschäft? Ach, er wolle doch keine großen Reichtümer verdienen, sagt Wiese, sondern nur so viel, dass es für ein gutes Leben und eine sichere Altersversorgung langt. Wie bescheiden.
Die Frage nach dem Nutzen – sie stellt sich bei Heino Wiese durchaus. Sie stellt sich aber auch für Politiker, die mit ihm zusammenarbeiten. Und sie stellt sich für diejenigen, die diese Politiker wählen.
Wer Gerhard Schröder eine Lobbytätigkeit andienen wolle, versuche dies über Wiese, behauptet einer, der beide gut kennt. »Da ist der Draht kurz, der Rückruf kommt schneller als beim offiziellen Weg über die Büros der Politiker«, sagt der Manager. Allerdings stehe immer im Raum, dass dieser kurze Draht einiges koste. »Wir wollten Schröders Kontakte, also engagierten wir Wiese«, erinnert sich der Manager an den Auftrag seiner Firma für Wiese Consult. Das Unternehmen habe von den Kontakten beider profitieren wollen. »Uns war klar, dass vor allem für solche Kontakte das Honorar für die Agentur fällig wird.«
Anbahnungseinrichtung für Geschäfte von Ex-Kanzler Schröder?
Dient Wiese Consult also höchst diskret auch der Vermarktung von Schröder-Kontakten – etwa nach Russland? Ist die Firma, die keine Lobbyagentur sein will, eine Anbahnungseinrichtung für Geschäfte des Ex-Kanzlers – oder auch anderer Politiker? Und wie sieht es mit einer Gegenleistung aus? Gute Kontakte gegen Honorar? Diese Fragen sind Anlass genug, sich die Geschäfte des Schröder-Kumpels einmal genauer anzusehen.
Regionaler Stromversorger EWE: Überraschend auf Märkten der Großen
Nach einigen Wochen können wir Unterlagen sichten, die zeigen, wie hilfreich die Arbeit der Agentur Wiese und deren Kontakte für Unternehmen in Schwierigkeiten sein können. Es geht um interne Dokumente des niedersächsischen Unternehmens EWE. Sie zeigen, wie ein kleiner Spieler plötzlich und überraschend auf den Märkten der ganz Großen aktiv wird. Denn EWE ist eigentlich ein regionaler Stromversorger aus Norddeutschland mit allerhand Zusatzgeschäften. Ein kleines Energie-Firmenreich, das vom niedersächsischen Oldenburg aus gesteuert wird. Eigentlich, denn die EWE und ihr ehrgeiziger Ex-Chef Werner Brinker mochten viel lieber eine Liga höher spielen. Auf Augenhöhe mit Weltkonzernen.
Es gab Zeiten, da sah es nicht gut aus, für das Unternehmen, seinen langjährigen Chef und die ehrgeizigen Pläne. Im September 2011 geriet EWE wegen eines dubiosen Präventionsprogramms namens »Sign« gegen Gewalt und Drogen- und Alkoholkonsum von Jugendlichen immer heftiger in die Kritik. Ausgaben in Millionenhöhe für die betreibende Agentur Prevent seien über mehrere Jahre nicht ausreichend kontrolliert worden. Kritiker hinterfragten, ob das Programm wirklich so ehrenwert war, wie es selbst vermittelte. »Sign« wirkte wie eine dubiose Geldsammelmaschine. Eine, die eine ganze Menge Geld von der EWE bekam – wohl deutlich mehr, als das Präventionsprogramm brauchte. Wozu?
Die Sache sah so dubios aus, dass zwei beteiligte Banken 2010 Alarm schlugen und die Vorgänge als verdächtig meldeten. Auffällig fanden die Banker, dass neben einem Salär der Agentur Prevent 2008 und 2009 eine Millionensumme auf Privatkonten der Prevent-Chefin bei einem anderen Institut weiterfloss. Die Bank urteilte, die Überträge auf die Privatkonten stünden »in keinem Verhältnis zu den Eingängen für das Projekt«. Eine missbräuchliche Verwendung der von der EWE Netz GmbH gezahlten Gelder könne man »nicht ausschließen«.
Die EWE und ihr Chef Brinker gerieten in Erklärungsnot und standen öffentlich ziemlich dumm da. Die Staatsanwaltschaft Oldenburg stellte die Ermittlungen zwar ein, da die Geldflüsse auf vertraglichen Vereinbarungen zwischen den beteiligten Unternehmen beruht hätten; Geldwäsche aber setze Geld aus rechtswidrigen Geschäften voraus. Die konnte also niemand nachweisen. Das Vertrauen in den Konzern und seine Führung aber war dennoch gewaltig erschüttert. Zumal dem ehemaligen Vorstandschef Werner Brinker die Rechnungen der Agentur, die das Programm ausrichtete, immer persönlich vorgelegen haben sollen.
Noch mehr Compliance-Probleme
Die Zweifel wuchsen, als der damalige EWE-Chef ein weiteres Compliance-Problem einräumen musste. Konzernmanager hatten bei der Übernahme von Anteilen an einem ostdeutschen Stadtwerk 2002 dem damaligen Bürgermeister der brandenburgischen Stadt in einem Brief 307 000 Euro als Zuschuss für die dort stattfindende Landesgartenschau ge- zahlt. Die für Wirtschaftskriminalität zuständige Staatsanwaltschaft Neuruppin ermittelte wegen Vorteilsgewährung gegen Brinker und ein weiteres Vorstandsmitglied, die Ermittlungen wegen Vorteilsgewährung wurden 2007 eingestellt. Diesmal allerdings nur gegen eine Unternehmensgeldbuße in Höhe von 400 000 Euro. Koscher war die Sache mit der Zahlung nicht. Der Bürgermeister wurde wegen Annahme von Vorteilen durch die EWE zu einer Bewährungsstrafe verurteilt.
Als der ältere Vorgang 2011 ans Licht kam, geriet Brinker darüber noch mehr unter Druck. Ihm und den anderen Verantwortlichen bei EWE wurde klar: Es galt jetzt mit allen Mitteln um den Vorstandschef zu kämpfen – und um den Ruf der Firma. Für so eine heikle Mission braucht es natürlich ein gut verdrahtetes Lobbyunternehmen aus Berlin an der Schnittstelle zwischen Politik und Wirtschaft, dessen gute Kontakte in die niedersächsische SPD obendrein nicht schaden können. Also holte sich die Oldenburger EWE 2012 Wiese Consult ins Haus. Mit großen Hoffnungen.
Diese geschäftliche Liason startete genau am 25. Juli in den EWE-Räumen der alten Fleiwa in Oldenburg, einst Europas modernste und größte Fleischfabrik. Fünf Stunden, von 13 bis 18 Uhr, tagte in dem roten Backsteinbau mit seinem markanten Wasserturm ausweislich interner Protokolle eine erlesene Runde beim »Workshop Kick Off EWE«. Auch Heino Wiese war vor Ort. Es fehle ein einheitlich schlüssiges Gesamtbild des Unternehmens EWE in der Öffentlichkeit, mäkelte die Beraterfirma dem Papier zufolge in der Eventlocation der Energiefirma. Skandale dominierten die Wahrnehmung. Ziel müsse es nun sein, die Wahrnehmung zu vermitteln, dass EWE es wert sei, von Seiten der Politik geschützt und unterstützt zu werden – trotz aller unschönen Geschichten.
Ziel: Beeinflussung von Multiplikatoren
Klingt gut, befand man bei EWE und beauftragte WiCo, wie die Lobbyfirma kurz heißt, unter anderem, innerhalb der kommenden 14 Tage eine Liste mit sogenannten »Stakeholdern« zusammenzustellen, mit jenen dem Unternehmen verbundenen Personen also, die als Nächstes angesprochen wer- den müssten. »Es geht um Personen aus dem Kreis: Kommunalpolitik, Landespolitik, Parteien, Fraktionsreferenten, Referenten in Ministerien, Pressesprecher in Ministerien«, hält das Papier fest. Im Klartext: Ziel war es offenkundig nicht in erster Linie, das Verhalten des Unternehmens zum Positiven zu wenden. Ziel war vielmehr zunächst die Beeinflussung von Multiplikatoren mit einem Fokus auf andere, positivere Nachrichten aus dem Hause EWE.
SPD-Kontakte als Job-Retter
Der Plan ging offenbar auf. Die Sache wirkte schon nach kurzer Zeit. Die Drähte von Wiese in die niedersächsische Landespolitik glühten nach Angaben von Insidern und besänftigten die Kritiker ziemlich schnell. Brinker durfte trotz aller Vorwürfe und Ungereimtheiten erst mal Chef des Unternehmens bleiben. Wiese habe dabei geholfen, ihm den Posten zu retten, erinnert sich ein EWE-Manager. Vor allem dank seiner glänzenden Kontakte in die niedersächsische SPD. Die erste Mission also hatte der Lobbyist Wiese mit Bravour erfüllt. Billig war das für das kommunale Unternehmen mit einem öffentlichen Haushalt nicht. Denn der Honorarsatz des Lobbyisten liegt nach seinen eigenen Angaben bei 2800 Euro pro Tag. Ein Honorar, das im Monat bei größerer Auslastung für Mandanten Kosten von bis zu 60 000 Euro bedeutet – und für Wiese Consult ein solches Salär. Mögliche Provisionen für den Abschluss von Geschäften etwa nicht eingerechnet.
Die Image-Offensive mit freundlichen Gesprächen war dennoch erst der Anfang. Heino Wiese entwickelte sich nach und nach zum unentbehrlichen Helfer des Unternehmens aus der Provinz. Die Aufträge wurden immer verantwortungsvoller, die Themen immer brisanter – und die Beteiligten immer hochkarätiger. Plötzlich wird eine Nähe zwischen der Lobbyfirma und einem einflussreichen Politzirkel sichtbar, die zeigt, dass Wiese durchaus Spitzenpolitiker wie den ehemaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder in die eigenen Strategien einwebt, sogar für eine Art Lobbying im Sinne der Kunden. Auch wenn er selbst das bestreitet. Und so wird die kleine Geschichte um EWE plötzlich zu einer, die sich um ganz große Namen der deutschen Politik dreht. Und um ein ziemlich großes Problem mangelnder Transparenz hinter den politischen Kulissen Berlins.
EWE´s bizzarer Streit mit der Türkei
Es ist Frühjahr 2014, als EWE in einen bizarren Streit in der Türkei gerät. Die türkische Gas-Tochterfirma soll auf Anweisung der türkischen Regulierungsbehörde bis zu 120 Millionen türkische Lira – fast 40 Millionen Euro – zahlen, weil sich Durchleitungsgebühren für Gas geändert haben. Eine ernste Bedrohung. EWE wehrte sich juristisch, doch die Sache kam nicht so recht voran. Also entschied man sich in Oldenburg für einen anderen Weg. Einen, der einen selten unverstellten Blick in den Maschinenraum des Berliner Lobbyings freilegt.
EWE schickte nun Lobbyist Heino Wiese mit einem neuen Auftrag los. Es ging jetzt darum, das Türkei-Geschäft von EWE wieder auf Kurs zu bringen – und den Streit auf dem staatlich regulierten Energiemarkt in den Griff zu kriegen. Ob Wiese bei derartigen Aufträgen wie dem in der Türkei seinen Vertrauten, den Altkanzler, einschaltet? Ob der gar an den Geschäften der Agentur beteiligt ist? Wiese verneint entschieden. Er schalte Schröder in solchen Dingen nicht ein. Die hätten nicht die Kragenweite des Altkanzlers. Nach außen soll nicht der Eindruck entstehen, dass Wieses Agentur vom Politnetzwerk lebt. Und schon gar nicht, dass dies von ihm leben könnte. Doch die Kontakte sind offenkundig enger, die Interessen zwischen Beratern und Politikern wohl vermengter, als es Lobbykritikern lieb sein kann.
Ein vertrauliches Drehbuch fürs Lobbying
Hoffnungsvoll entwarfen EWE-Manager angesichts des Engagements von Wiese hinter den Kulissen eine Art internes und vertrauliches Drehbuch für das Lobbying und das gewünschte Ergebnis. So entstand auch ein vierseitiges Briefing, das uns vorliegt – und das Zweifel an Wieses Darstellung weckt. Es richtete sich an genau jene Akteure, von denen man sich eben gemeinsam eine Lösung erhoffte: das Duo Heino Wiese und Gerhard Schröder.
Wiese und seine Kontakte, das hatte sich in Niedersachsen herumgesprochen, konnten so manches Problem lösen. Beim Autozulieferer Continental in Hannover kennt man noch die Geschichte vom Ökoreifen. Einem Label, das der Konkurrent Michelin aus Frankreich in Brüssel etablieren wollte. Einem, das dem eigenen Geschäft zupass kam, weil es eher um Langlebigkeit als um grüne Produktionsstoffe ging. Michelin hatte 14 Lobbyisten in Brüssel, Continental einen, erinnert sich Wiese an seinen Kampf um Gummi. Der Reifen der Franzosen kam nie.
In einer vertraulichen Mail also schickt der für die Türkei verantwortliche EWE-Manager Frank Quante das Papier an einem Freitag im Juli 2011 auch an den Konzernchef in Oldenburg. Quante stellt klar: »Mein Ziel ist es, die aus Sicht der EWE Türkei bestehenden ›Machbarkeiten‹ für eine Lö- sungsfindung über die Ansprache der Top-Ebene in der Türkei bei Herrn Wiese/BK Schröder so gut wie möglich zu kommunizieren. Damit steigen – hoffentlich – die Erfolgswahrscheinlichkeiten«, erklärt Quante freimütig. Im Kopf des Briefing-Protokolls vom 7. Juli 2014 heißt es kurz und knapp: »Ziel:›Information von Bundeskanzler Gerhard Schröder, Herr Heino Wiese, Wiese Consult‹«.
Ex-Kanzler Schröder bei Erdoğan für EWE
Es ist eines der seltenen Dokumente einer ansonsten höchst diskreten Zusammenarbeit des Strippenziehers und des einst so mächtigen Politikers, die der breiten Öffentlichkeit bislang unbekannt ist. Bei EWE indes weiß man, wie Wiese in dem komplexen Fall in der Türkei, der sich mit einem Streit vor regionalen Gerichten kaum lösen lässt, Ergebnisse erzielen will. Schon im Mai 2014 erreicht Teile der Konzernspitze eine E-Mail mit vielsagendem Betreff: »Bursagaz Lobbying, BK Gerhard Schröder«. »Dear Gentlemen«, heißt es in dem Schreiben von EWE-Direktor Frank Quante an einen Kreis um den damaligen EWE-Chef Werner Brinker. »Heute hat mich Heino Wiese angerufen und mich darüber informiert, dass BK Schröder das Bursagaz-Thema in seinem persönlichen Treffen mit Premierminister Erdoğan besprechen will.« Und Wiese? Konfrontiert mit unseren Rechercheergebnissen, fällt seine Antwort einsilbig aus: Er wolle und dürfe sich zu seinen Aufträgen nicht äußern, teilt er mit.
Schröder ist zwar kein Kanzler mehr. Er scheint dennoch der ideale Mann für die Probleme des Unternehmens in der Türkei. Schließlich kam der heutige türkische Präsident – und damalige Premier – Recep Tayyip Erdoğan in Schröders Haus in Hannover schon mal zum privaten Frühstück vorbei. Beide kennen sich seit Schröders Kanzlerschaft bestens. Zum 65. Geburtstag des Ex-Kanzlers im April 2009 flog Erdoğan eigens zur Party nach Hannover ein. Die Kontakte Schröders können also durchaus noch immer auf höchster Ebene nutzen.
Nicht nur Schröder wird im Sinne von EWE aktiv. Gleich mehrere Bundesminister mischen sich in den Streit ein. »Mittels intensivem Lobbying unter Aktivierung« etwa des Bundeswirtschaftsministeriums von SPD-Chef Gabriel und der deutschen Botschaft in Ankara, habe EWE versucht, das eigene Risiko zu minimieren. Der Schröder/Wiese-Genosse und -Kumpel Wirtschaftsminister Gabriel habe »die Angelegenheit« im März 2014 in Schreiben an Premierminister Erdoğan und Energieminister Yildiz adressiert. Auch Finanzminister Schäuble habe »das Thema« am 2. April 2014 bei seinem Treffen mit Deputy Prime Minister Babacan zur Sprache gebracht. Offenkundig nicht ohne Erfolg: »Bisher wurde von Deputy PM Babacan und Energieminister Yildiz das Signal gegeben, EWE von den drohenden Zahlungen zu entlasten.«
Verblüffende Gesetzesvorlagen
Und siehe da. Der kollektive Druck wirkt. Auf einmal tun sich erstaunliche Dinge. Die türkische Seite bittet EWE sogar plötzlich um eine der EWE genehme Gesetzesvorlage. Das Entgegenkommen verblüfft sogar hartgesottene Manager. »Wegen der Zinszahlungen ist EWE Turkey Holding gebeten worden, einen Gesetzentwurf zu erstellen, der die Zahlung verhindert oder verringert. Aktuell besteht eine besonders gute Möglichkeit, ein solches Gesetz im Rahmen eines umfassenden Maßnahmen-Gesetzes einzubringen und zu verabschieden«, heißt es in EWE-Papieren weiter. Mit anderen Worten: Deutsche Lobbyisten eines Regionalversorgers aus der Provinz schicken sich an, die Gesetzgebung in der Türkei zu beeinflussen – dank guter Kontakte zu deutschen Lobbyisten und deren Verbindungen zu deutschen Spitzenpolitikern.
Der Ex-Kanzler äußert sich auf Anfrage nicht zu den Kontakten. Auch nicht zur Frage, ob er von Wiese Consult für Arbeiten honoriert wird oder in bestimmte Geschäfte, etwa den Kauf von Unternehmensteilen durch EWE, eingebunden war. »Über anwaltliche Tätigkeiten gibt Herr Bundeskanzler a. D. Gerhard Schröder grundsätzlich keine Auskunft«, lässt er uns von einer Mitarbeiterin mitteilen.
Es sind in jedem Fall Verbindungen wie diese, die inzwischen auch führenden Sozialdemokraten in Deutschland aufstoßen – und die Liaison zwischen Wiese Consult und dem einen oder anderen Parteigranden in ein schummriges Licht tauchen. Nicht wenige Beobachter hegen den Verdacht, dass die Lobbyfirma letztlich auch ein Vehikel ist, die Kontakte Schröders und möglicherweise weiterer SPD-Granden zu vermarkten, ohne, dass in der Öffentlichkeit deren Namen fallen. »Viele in der SPD sehen die Nähe führender Genossen zu Wiese inzwischen kritisch. Mancher Minister hält Abstand zum Lobbyisten«, sagt uns ein führender SPD-Mann in Berlin.
Die SPD und das Russland-Netzwerk
Doch nicht jeder geht auf Distanz. Im Gegenteil. Ein Berliner Altbau, eine Privatwohnung. Und ein Manager, der der SPD nahesteht. Ein Gespräch und eine Warnung: »Wenn Sie sich Wiese zum Feind machen, haben Sie einflussreiche Feinde«, sagt der Parteiinsider. Auch in Russland. Vor allem, wer die Verbindungen Wieses nach Russland beleuchte, müsse fürchten, ins Visier des russischen Geheimdienstes zu geraten. In der SPD würde sich wegen Wieses Draht in die SPD-Spitze auch kaum jemand trauen, dem Lobbyisten das Handwerk zu legen.
Heino Wiese und Russland. »Ich kenne die Gouverneure von 13 russischen Regionen persönlich«, erzählt Wiese, »und auch drei, vier Leute aus der Regierung in Moskau kenne ich ganz gut.« Wladimir Putin, den er immer wieder gemeinsam mit Kumpel Schröder treffe, schreibe er ab und an einen Brief. »Da teile ich ihm unaufgefordert mit, was er besser machen könnte«, sagt Wiese. Eine Antwort komme immer, auch schon mal direkt vom Kreml-Chef.
Gibt da einer an? Oder stimmen die Geschichten von der Nähe des kleinen, in der breiten Öffentlichkeit unbekannten Lobbyisten in eines der Machtzentren dieser Welt hinein?
Unsere Recherchen werden auf ein anderes Geschäft gelenkt: eine Firmenübernahme. In der niedersächsischen Provinz lernt der Energiekonzern EWE eine weitere Seite von Heino Wiese schätzen. Denn Wiese wirbt in der Folge gegen- über dem Energiekonzern nun auch damit, auf höchster Ebene politische Kontakte nach Russland, etwa zu Gazprom, knüpfen zu können. Und die können für EWE durchaus vorteilhaft sein, wie man in der Zentrale weiß. Man verfolgt schließlich große Pläne.
Der kleine Regionalversorger EWE will sich die Kontrolle über das größte ostdeutsche Unternehmen, mit rund zehn Milliarden Euro Umsatz größer als man selbst, sichern: den Leipziger Gaskonzern VNG. Das Problem: Im Jahr 2013 hatten sich die Oldenburger nur mit einem Minderheitsanteil von 49,9 Prozent an VNG beteiligt. Weitere Teile gehören dem russischen Energieriesen Gazprom und der BASF-Gas- Tochter Wintershall, die wiederum über gemeinsame Gasförderung eng mit Gazprom verbandelt ist. Wintershall hält etwa 15 Prozent. Mit diesem Paket, schwant den EWE-Leu- ten, wäre schon viel gewonnen. Nun plötzlich die Mehrheit am Gasriesen VNG übernehmen zu wollen, ist ein ziemlich großes Ding für ein vergleichsweise kleines Unternehmen aus der Provinz wie EWE. Und eine harte Nuss obendrein, denn Gazprom verkauft viel Gas über VNG. Würde der Mil- liardenmulti aus Moskau einem solchen Deal wirklich zu- stimmen?
Wieder Gerhard Schröder
Wieder wird Heino Wiese eingeschaltet und wieder wird er nach Angaben aus EWE-Kreisen mit seinem engen Zirkel aktiv. Der damalige Wintershall-Chef Rainer Seele und Gazprom-Manager – ein kleiner Kreis von Eingeweihten wickelt den Angaben zufolge nun höchst diskret ein ziemlich dickes Geschäft ab. Und wieder spielt der Altkanzler Gerhard Schröder angeblich eine wichtige Rolle. Er soll Beteiligten zufolge sogar Gazprom-Chef Alexej Miller den Deal empfohlen haben – Zugänge, die nur ein Vertrauter Putins genießt.
Am Ende funktioniert das Geschäft: Die kleine EWE kapert elegant den größeren VNG. Im März 2014 schließlich wird der Deal unterschrieben. Mehr als 60 Prozent gehören nun dem Konzern aus Oldenburg. Damit wird auch eine saftige Provision für Heino Wiese fällig – behauptet ein Insider von EWE. Wiese sei wohl nicht der Einzige, der von den Deals persönlich profitiert habe, vermutet er weiter.
Das Geschäft ist ein Musterbeispiel dafür, wie es geht. Da ist ein Lobbyist mit besten Kontakten in die Spitze der russischen Politik und womöglich einem Ex-Kanzler als Helfer.
Am Ende schluckt ein westdeutscher Konzern ein ostdeutsches Aushängeschild gegen alle politischen Widerstände. Dabei, so heißt es hinterher, soll man sich sogar bei Gazprom gefragt haben, ob es wirklich eine gute Idee war, sich zu trennen. Gremienbeschlüsse zum Verkauf verzögerten sich deshalb massiv. Doch wie es scheint, war kein Widerstand zu groß.
Diese Nähe von Heino Wiese zu einflussreichen Sozialdemokraten lässt in jedem Fall aufhorchen. Offiziell gibt es keine Verbindung zwischen seiner Firma und den Politikern. Doch dass die intensiven Kontakte und Hilfen für den Lobbyisten auf Arbeitsebene nur aus Freundlichkeit erfolgen, mag inzwischen kaum noch jemand glauben. Geht es da nicht um mehr?
Ein fragwürdiger Freundschaftsdienst
Der Fairness halber sei gesagt: Die Arbeit für Lobbyagenturen ist Politikern natürlich nicht verboten. Sowenig eine Grenze zwischen Politik und Wirtschaft hochgezogen werden sollte, so wenig lässt sich aber auch erklären, warum große Parteien sich seit Jahren nicht mal einen unverbindlichen Verhaltenskodex für Lobbyismus zumuten wollen, der etwa die Modalitäten eines Wechsels oder den Umgang mit Lobbyisten definiert.
Die Vorgänge um Wiese Consult im Herzen der Berliner Macht lassen unterdessen auch aktuelle Verbindungen des Firmenchefs in neuem Licht erscheinen. Denn auch zu amtierenden Parteifunktionären pflegt der Lobbyist enge Kontakte, so zu Sigmar Gabriel. Und so ist man sich auch in Berlin manchmal ganz nah. Zum Beispiel bei jener Buchvorstellung im März 2015, bei der Heino Wiese seine Gäste in der prachtvollen russischen Botschaft begrüßte. Wirtschaftsminister Gabriel verlieh dem Abend Glanz. Vor Russlands Botschafter Michailowitsch Grinin und vielen führenden Managern aus Deutschland und Russland, etwa dem Statthalter von Gazprom in Berlin, Gazprom-Germania-Hauptgeschäftsführer Vyacheslav Krupenkov.
Just auf dem Höhepunkt der Krim-Krise hat Wiese damit eine ziemlich illustre Runde zusammengetrommelt. Wohl kaum jemand weiß an diesem Abend, dass ein paar Monate später ein ziemlich brisantes Geschäft über die Bühne gehen soll. Denn die Oldenburger EWE will nun auch noch Gazprom dessen Anteil am ostdeutschen Gasunternehmen VNG abkaufen. Wieder ein großer Deal. Wieder kein leichtes Unterfangen. Denn die Sanktionen gegen Russland haben die Stimmung mit Moskau drastisch verschlechtert. Der EWE- Plan aber lebt auch vom Gas aus Russland, mit dem VNG versorgt wird. Wirtschaftsminister Gabriel hat in diesen Tagen Einfluss auf Wohl und Wehe dieser Branche.
Kritik von Schröder? Kaum
Es wird ein Abend, der am Ende vielen Teilnehmern in fragwürdiger Erinnerung bleibt. Auch weil sich Vizekanzler Gabriel nicht etwa an dem Konflikt abarbeitet, sondern sich kaum eine Kritik am russischen Vorgehen erlaubt. Gabriel wünscht sich zudem eine Wiederbelebung des »Petersburger Dialogs«. Deutsche Nichtregierungsorganisationen hatten den 2014 wegen Repressalien der russischen Führung gegen zivilgesellschaftliche Organisationen abgesagt. »Die Stimme der Zivilgesellschaft« hingegen sah Gabriel an diesem Abend aus dem neuen Russland-Buch sprechen, das er sehr empfehlen konnte. Auch eine handfeste Utopie hatte er in die russische Botschaft mitgebracht. Eine mit Mehrwert: Er träume von einem Freihandelsabkommen von Lissabon bis Wladiwostok. Eine Idee, die vor einigen Jahren Russlands Präsident Putin erstmals in Berlin ins Spiel gebracht hatte. Ein wirklich unabhängiger Auftritt des Wirtschaftsministers?
Die SPD-Granden und die Nähe zu Russland – eine natürliche Nähe oder das Ergebnis der Verquickung politischer und geschäftlicher Interessen? Ex-Kanzler Schröder hat sich in der jüngeren Vergangenheit jedenfalls mit Verve der fragwürdigen Aufgabe verschrieben, Russland und seinen Präsidenten und Schröder-Freund Putin gegen viele Kritiker zu verteidigen. »Es gibt bestimmte Ängste in Russland, auf die ein russischer Präsident reagieren muss«, sagte Schröder noch im Mai 2015 der Bild-Zeitung. »Deswegen ist die Art und Weise, wie der Westen mit Russland umgeht, nicht immer richtig.« Auf die Frage, ob er Putin auch heute noch als seinen Freund bezeichnen würde, antwortete er mit: »Ja, sicher.«
Hochbezahlter Aufsichtsratsjob für Schröder
Putin belohnt solche Treue mindestens mit großem Vertrauen. Dass mit Schröder ein deutscher Ex-Politiker so effektiv in Russland vermitteln kann, gilt als förderlich für die deutsche Wirtschaft. Es ist aber durchaus auch gut für Schröder. Allein an der Spitze des Nord-Stream-Aufsichtsrats bekommt er eine Vergütung von 250 000 Euro im Jahr. »Mir war klar, dass ich meine in der Politik zusätzlich erworbenen Kenntnisse nicht am Amtsgericht Hannover umsetzen kann, sondern besser in Form von Beratung an der Nahtstelle zwischen Wirtschaft und Politik«, sagte Schröder einst dem Manager Magazin. Selbst Berater Wiese bemüht in seinem Firmenslogan die Schnittstelle zwischen Wirtschaft und Politik.
Politik als Wirtschaftssalon
Die Berliner Politik, so scheint es bisweilen, muss aufpassen, dass sie nicht zum Wirtschaftssalon verkommt. Einem, wie an jenem 11. März 2014. Gerade mal 100 Tage Regierungszeit, da lud die Wiese Consult GmbH zu einem Gesprächskreis Wirtschaft mit Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel.
»Zum Thema ›Von der Energiewende bis zur Außenwirtschaft: Politische Schwerpunkte des BMWi in den nächsten vier Jahren‹ referierte Gabriel vor geladenen Gästen aus Wirtschaft und Politik über anstehende Herausforderungen und Chancen der deutschen Wirtschaft«, schwärmt man bei Wiese Consult selbst. Die Teilnehmerliste des Abendsalons liest sich wie eine Kontaktbörse zwischen Wirtschaft und Politik: Sigmar Gabriel, Jörg Asmussen, Beamteter Staatskretär im Bundesministerium für Arbeit und Soziales, der Honorarkonsul der Mongolei, Marcus Reinberg, Hubertus Heil, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Bundestagsfraktion seiner Partei mit Zuständigkeit für die Themen Wirtschaft und Energie, Bildung und Forschung, Volkswagen-Cheflobbyist und Ex-Regierungssprecher Thomas Steg und natürlich gleich mehrere EWE-Manager, wie der damalige Vorstand Heiko Sanders.
Wie nah bewegt sich die Spitze der Sozialdemokratie da an der Wirtschaft? Wie eng ist sie mit ihr verbunden?
Heino Wiese jedenfalls, der Lobbyist, ist nah dran. Ganz nah. Als Wirtschaftsminister Gabriel am 13. Juli 2015 zu einer dreitägigen Reise nach China aufbricht, wird er nach Angaben seines Ministeriums nicht nur von Mitgliedern des deutschen Bundestags begleitet, sondern auch von einer hochrangigen Wirtschaftsdelegation. Bei solchen Reisen sind die Plätze meist hart umkämpft. Viele hochrangige Manager wollen mit, nicht alle finden Platz im Regierungsjet. Oft wird hart ausgesiebt. Am Ende bleiben meist Vertreter großer Konzerne oder besonders hoffnungsvoller Start-ups im Tross.
Diesmal dürfen gut 60 Manager mit, darunter etwa Mittelstandspräsident Mario Ohoven. Und einer, der eigentlich nicht zu den ganz großen Repräsentanten der deutschen Wirtschaft gehört: Heino Wiese. Für den ist die Reise eine gewaltige Chance. Denn er treibt gerade ein deutsch-chinesisches Projekt voran – in China. Es geht um den Bau einer Gesundheitsstadt in Yingkou im Nordosten des Landes für 260 000 Menschen. Noch kurz vor Gabriels Reise hatte Wiese im Februar 2015 selbst eine Delegation aus Niedersachsen nach China organisiert. Angeführt wurde diese Mission übrigens von Ex-Kanzler Gerhard Schröder.
Der Draht ist eng. So eng, dass der Lobbyist im Ringen um Macht im Herbst 2015 einen so sensiblen wie inoffiziellen Auftrag aus der Parteispitze bekommen haben soll. Gabriel selbst soll den Abspeck-Genossen Wiese gebeten haben, der SPD für den nächsten Bundestagswahlkampf als Eintreiber von Geldern für die Wahlkampfkasse zu dienen. Ein Lobby- ist, der mithilft, die Kassen der deutschen Sozialdemokratie zu füllen? Ein Politiker und ein Lobbyist, die sich gegenseitig fördern? Selbst Parteikollegen attestieren Gabriel wenig Gefühl für Compliance-Regeln. Wiese hält sich in der Sache bedeckt. Gabriel lässt einen Fragenkatalog zu seinen Kontakten unbeantwortet.
Anwälte der Wirtschaft: Spezialisierte Großkanzleien mit hohem Stundenhonorar
Wiese, Alber & Geiger: die spezialisierten Lobby-Boutiquen sind längst nicht mehr allein auf dem Markt der Macht-Kontakte. Vor allem ohne die Handwerker aus den Fabriken des Rechts kommt heute beim Promoten der eigenen Interessen kein Konzern mehr aus. Egal ob Konflikte mit EU-Richtlinien, dem Kartellrecht, mit geplanten Vorgaben beim Klimaschutz oder in der Lebensmittelkontrolle – fast immer sind inzwischen für die Wirtschaft auch spezialisierte Großkanzleien am Werk, die den Weg aus kritischen Situationen weisen sollen. Sie beraten, antichambrieren, warnen oder klagen. Sie heißen Linklaters, Freshfields, Clifford Chance, Noerr oder Hengeler Mueller. Und sie sind inzwischen selbst ein florierender Wirtschaftszweig.
Allein die 100 größten Kanzleien in Deutschland kommen jährlich nach aktuellen Zahlen des Informationsdienstleisters Juve zusammen auf mehr als fünf Milliarden Euro Jahresumsatz. Mandanten lassen sich den Einsatz der Experten so einiges kosten. Versierte Wirtschaftsanwälte berechnen schon mal 1000 Euro pro Stunde.
Mit kauzigen Typen wie »Liebling Kreuzberg« und mit den reinen Lobbyfirmen, die von einzelnen Kontakten leben, haben diese Kanzleien nichts zu tun. Ihre Angestellten sind die besten Absolventen der Unis und lassen sich das auch bezahlen. Schon viele Einsteiger beginnen mit 100 000 Euro im Jahr. Wer ein paar Jahre dabei ist, kann mit noch mehr rechnen. Die Anwälte arbeiten in Kanzleien mit hunderten Kollegen und in Büros in den feinsten Lagen von Washington, Berlin, London oder Brüssel. Die Kanzleien profitieren davon, dass immer mehr Dinge des Lebens per Gesetz geregelt werden. »Verrechtlichung« nennen das die Experten. Und sie holen das Beste für ihre Mandanten heraus. Auf allen Ebenen.
Kritische Beobachter sehen genau das mit großer Sorge. Denn viele Gesetze sind längst so kompliziert, dass sie selbst die Fachleute in den Ministerien überfordern, wo Gesetze eigentlich mit neutralem Wissen entstehen sollen. Die Praxis ist deshalb inzwischen oft eine andere. Nicht selten lagern Ministerien Teile der Gesetzeswerdung aus und beauftragen große Kanzleien mit dem Ausformulieren der Paragraphen.
Mit der Transparenz um solche Aufträge ist es nicht weit her. In der Regel hüllen sich Ministerien in Schweigen, wenn es um die Details der Aufträge oder um die Höhe der Honorare geht. Beispiel Finanzministerium. Das Haus zahlte etwa von 2005 bis 2009 in der Amtszeit des damaligen Ministers Peer Steinbrück (SPD) etwa 1,8 Millionen Euro Beraterhonorar an die Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer, einer führenden Wirtschaftskanzlei für Bankenrecht. Ans Licht kam die Summe nur durch eine Klage.
Schließlich ist Diskretion oberstes Gebot in diesem Metier. Das gilt auch für Alexander Glos, den Sohn des CSU-Politikers und ehemaligen Wirtschaftsministers Michael Glos. Der Top-Jurist mit Einser-Examen ist Partner bei Freshfields Bruckhaus Deringer. Glos junior verfolgt wohl kaum eigene politische Ziele. Schon eher die Interessen seiner Mandanten.
Freshfields Rolle bei der Bankenrettung
Meistens kommen die aus der Finanzbranche. Doch manchmal klingelt auch die Politik durch. So wie in dem Fall aus dem Jahr 2008, als Glos und einige Freshfields-Kollegen den Auftrag bekamen, den Eilentwurf für das Gesetz zur Finanzmarktstabilisierung – also zur Bankenrettung – mit zu formulieren. Dass die Anwälte somit halfen, den Bankenrettungsschirm aufzuspannen, gilt noch immer als fragwürdig. Denn Freshfields-Berater vertraten später auch solche Geldinstitute, die vorübergehend Hilfe aus dem Fonds beanspruchten. Klar, dass man kompetent beim Ausnutzen der Instrumente helfen konnte.
Outsourcing an Linklaters
Für Aufsehen sorgte nur zwei Jahre später ein weiterer Fall von »Outsourcing«. Der damalige Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) hatte die Großkanzlei Linklaters an einem Entwurf für das »Gesetz zur Ergänzung des Kreditwesengesetzes« arbeiten lassen. Der Verwaltungsrechtler Prof. Dr. Ulrich Battis ärgerte sich im Zusammenhang mit diesem Auftrag über eine »Bankrotterklärung des Wirtschaftsministeriums«, das sich trotz 1800 Mitarbeitern in der heiklen Frage noch Sachverstand von außen geholt habe.
Schließlich wirft diese Form der Privatisierung einer der zentralsten Aufgaben von Parlament und Regierung auch politische Fragen auf. Nicht nur, ob die hohen Honorare ihren Preis wirklich wert sind und ob die Kompetenz in den Ministerien nicht ausreicht. Sondern auch die, welche Risiken damit verbunden sind, das Ausarbeiten von Gesetzesentwürfen oder wenigstens Teilen davon, an Fachkräfte auszulagern, die nicht allein per Gesetz dem Gemeinwohl verpflichtet sind. Wie groß ist das Einfallstor für Lobbyismus für solche Kanzleien, die gleichzeitig Mandanten jener Branchen vertreten, die Gesetze in Schranken weisen sollen?
Zumal manche Kanzlei ganz offensiv auch Lobbydienste anbietet. Beispiel: ausgerechnet die Großkanzlei Freshfields. Unumwunden wirbt die Kanzlei mit politischen Eingriffen um Kunden. »Unser Public-Affairs-Arm in Berlin bietet eine umfangreiche Bandbreite an Dienstleistungen an, die es uns ermöglicht, Kunden strategische Politikberatung und Unterstützung beim Formen der Gesetzgebung und administrativer Entscheidungen auf (lokaler wie auch auf) nationaler Ebene anzubieten. Wir stehen in ständigem Austausch mit den verantwortlichen Akteuren im politischen Meinungsbildungsprozess und werden als kompetente Gesprächspartner in der Hauptstadt ebenso geschätzt wie in den Ländern oder vor Ort in Städten und Gemeinden. So können wir jederzeit die richtigen Ansprechpartner auf allen politischen Ebenen vermitteln, Gespräche organisieren und – wenn nötig – professionell begleiten.« Zur Erinnerung: Es geht um jene Spitzenkanzlei, die in der Ausarbeitung des Gesetzes zur Bankenrettung aktiv wurde – und immer wieder auch von Banken wie Deutschlands Marktführer Deutsche Bank mit Aufträgen bedacht wird.
Welche Kanzlei an welchem Gesetz mitarbeitet – nachverfolgen lässt sich das in der Regel nicht. Organisationen wie Transparency International machen sich deshalb für die Einführung einer legislativen Fußspur stark. Das Ziel: eine amtliche Dokumentation aller an den Gesetzen beteiligten Kanzleien und Berater.
Dass Kanzleien einen Großteil des Geschäfts übernehmen, das Lobbyisten für sich reklamieren, führt inzwischen zu einem skurrilen Streit in Brüssel. Denn dort bekämpfen sich die beiden Gruppen, die das Lobbygeschäft heute prägen, inzwischen gegenseitig. Die Lobbyfirmen kämpfen nicht ganz uneigennützig für eine Reform der Lobbyregulierung nach US-Vorbild. Denn dort wird Kanzleien, die auch lobbyieren, das Recht genommen, ihre Klienten vertraulich zu behandeln. Experten erwarten, dass die Kommission einen öffentlichen Beratungsprozess startet, wie die Regeln verschärft werden können.
Mehr Transparenz war eines der zentralen Versprechen in der Kampagne zur Wahl des EU-Kommissionspräsidenten von Jean-Claude Juncker 2014. Damit wäre ein großer Vorteil der Kanzleien dahin. Denn Lobbyisten, die hochrangige Offizielle der Kommission treffen wollen, müssen ihre Klienten in ein Transparenzregister eintragen, eine Datenerhebung von Kommission und EU-Parlament. Anwälte, die auf EU-Ebene lobbyieren, mussten dies bislang nicht. Es scheint allerdings einigermaßen unwahrscheinlich, dass am Ende wirklich wirksame Transparenz steht, wenn zwei mächtige und auf Diskretion bedachte Lobbygruppen aufeinander losgehen.
Keine Kontrolle der Nebeneinkünfte im EU-Parlament
Für Organisationen wie Transparency International ist das ohnehin nur eines von vielen kritischen Feldern. EU-Regeln gegen Korruption gebe es zwar, doch diese würden oft nicht umgesetzt, analysiert die Organisation in einer Studie. So kritisiert Transparency unter anderem, dass die Erklärungen über Nebeneinkünfte der Europaparlamentarier nicht kontrolliert würden. Es mangele auch noch immer am Schutz für
»Whistleblower«, Hinweisgeber aus dem Inneren des Apparats. Ganz allgemein reiche nicht aus, was Brüssel dem ausufernden Lobbyismus entgegensetze, sagt der Leiter der Studie Mark Perera bei deren Vorstellung in Brüssel.
Die EU-Institutionen machten zwar viele Dokumente und Informationen aus ihren Entscheidungsprozessen öffentlich zugänglich, vor allem das EU-Parlament. Viele wichtige Verhandlungen liefen aber auch noch immer hinter verschlossenen Türen ab. Das betreffe insbesondere die sogenannten Triloge, also jene diskreten Unterredungen zwischen Vertretern von EU-Parlament, Rat und Kommission, die bei Gesetzgebungsvorhaben das entscheidende Glied in der Kette sind. Allein in der vergangenen Legislaturperiode habe es mehr als 1500 »Triloge« gegeben. Doch mitunter sei nicht mal mehr zu eruieren gewesen, an welchen Daten sich die Vertreter der Institutionen zusammengesetzt hatten, klagte Perera.
„LobbyControl kann nur brandmarken“
Wer die Aktivitäten dieser Lobbyfirmen in Deutschland überwacht? Wer immer wieder vor ihrer wachsenden Macht warnt?
Von den noblen Lobbyfirmen in Berlin-Mitte ist das kleine Büro so weit entfernt wie Lobbyisten von echter Transparenz. Kein Marmor, kein Sandstein, kein Vitra oder USM. Kiefer-Schreibtische, ein Flur in einem Plattenbau, ein paar hundert Euro Miete. Das gute Gewissen leistet sich ein paar Ikea-Klappstühle für Besucher. Mehr ist nicht drin. Außer den Aktivisten von LobbyControl gibt es kaum eine andere Adresse, die so beständig bei versteckter Einflussnahme auf die Hygiene in den Regierungsvierteln der Republik achtet. Doch auch Campaigner Timo Lange weiß, dass dem Einfluss seiner Organisation Grenzen gesetzt sind. »Beobachten, brandmarken – mehr geht oft nicht«, sagt Lange und ist sich sicher: »Viele Türen bleiben auch für uns verschlossen.«
Danke für diesen Beitrag! Lobbykontrol halte ich für wichtigen Element der Weltwirtschaft.