PR: “Do´s and Dont´s im Umgang mit Journalisten” (2)

Fortsetzung

https://blog.wiwo.de/management/2012/10/14/pr-do%C2%B4s-and-dont%C2%B4s-im-umgang-mit-journalisten-1-buchverlosung/

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Unten folgt der 2. Teil meines Prolog für das “Praxishandbuch Public Relations” * (Wiley Verlag 2008) , das diese Woche hier zu gewinnen ist. Die PR-Agentur Faktenkontor spendiert den Lesern des Management-Blogs drei Exemplare dieses Buchs – unter Ausschluß des Rechtswegs.

Wer sie gewinnen möchte, schickt bitte eine Mail an claudia.toedtmann@wiwo.de mit dem Stichwort “Praxishandbuch PR”. Einsendeschluss ist Donnerstagmittag, der 18.10.2012, um 12 Uhr.

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Nervtötende Nachfassanrufe

Zurück zu den typischen Schnitzern von PR-Vertretern im Umgang mit Redaktionen, die absolut vermeidbar sind. Nachfassanrufe etwa sind berüchtigt in Redaktionen. Dabei ruft ein Mitarbeiter einer PR-Agentur in einer Redaktion an – gern ist es ein ansonsten ahnungsloser Praktikant – und fragt: »Ich habe Ihnen unsere Pressemappe oder heute eine Mail geschickt und wollte jetzt nachfragen, ob Sie was daraus machen?« Oder gleich noch einen Schritt weiter gehend: »Wann bringen Sie das?« Oder etwas trickreicher in dieser Variante: »Ich wollte nur nachfragen, ob die Infos angekommen sind, und wenn Sie noch mehr wissen müssen, können Sie mich gerne noch anrufen.« Oft weiß der arme PR-Praktikant nicht einmal, worum es geht, und kommt gleich ins Stottern, wenn ein Redakteur sich tatsächlich an die Pressemappe erinnert und sogar eine gezielte Rückfrage hat. Das ist eher selten und sorgt stets für Verwirrung. Darauf war man denn doch nicht gefasst.

Redaktionsadressen ohne Namen

Zugegeben: Manchmal landen Mails im Filter, und die Firewall lässt sie nicht durch. Oder die Pressemappe oder eine Einladung sind auf dem Postweg verloren gegangen. Das geht in Redaktionen besonders schnell. Die Post wird in offen herumstehende Postkörbchen verteilt, die zu Dutzenden beieinanderstehen, und das falsche Körbchen ist ganz schnell erwischt. Und kaum ein Kollege trägt so einen Brief wieder zurück in den Postraum, absichtlich oder unabsichtlich. Oder Briefe, die nur an die Redaktion oder an die Chefredaktion ganz allgemein adressiert wurden. Die haben fast keine Chance mehr, den Richtigen zu erreichen. Allein schon deshalb, weil ja nicht sicher ist, ob derjenige, der diese Post als Erstes in die Finger bekommt – es kann ja auch eine Aushilfssekretärin oder Ferienvertretung sein –, eine Ahnung hat, welchen der rund 200 Redakteure einer überregionalen Tageszeitung dieses Thema nun gerade interessiert. Für die Klärung ist ohnehin keine Zeit da, ganz abgesehen davon, dass sich auch Zuständigkeiten überlappen.

Dann sind diese Nachfassanrufe in Ordnung, aber das klärt sich auch immer rasch. Nur nicht bei der PR-Dame, die immer wieder telefonisch nachfragte bei dem Wirtschaftmagazin, ob die Pressemappe von einem unbekannten Beratungsunternehmen »mit den grünen Steinen drauf« denn nicht angekommen war. Dieser Dialog wiederholte sich einmal, zweimal, bis herauskam, dass nur sie diese Steine eindeutig als solche identifizierte – und der Redakteur sich wunderte, warum er dieselbe Mappe immer wieder zugeschickt bekam.

Nachfassanrufe gehören zu den unbeliebtesten Anrufen in Redaktionen überhaupt. Ein Exkollege erzählte mir mal, er sei schon kurz davor, sich »eine Trillerpfeife zuzulegen, um nur noch ins Telefon zu pfeifen, statt zu antworten «. Das war kurz vor der Jahrtausendwende in der New-Economy-Phase, als man in der Redaktion vor Anrufen an manchen Tagen tatsächlich nicht mehr zum Arbeiten kam – da sind Mails heute der Segen schlechthin. Ein anderer Kollege blaffte die Anrufer an: »So, Sie haben jetzt einmal angerufen, nächstes Mal kommt Ihre Agentur auf meine schwarze Liste, und dann schreibe ich nie mehr eine Zeile über Ihre Kunden.«

Redaktionsanrufe ohne Vorbereitung

Ein Kardinalfehler – in Dutzenden von Varianten und zeitraubend – ist dieser: unvorbereitet in Redaktionen anzurufen. Und Fragen zu stellen, die überflüssig sind. »Wie oft erscheinen Sie eigentlich?« Diese – scheinbar harmlose – Frage ist tatsächlich eine Zumutung. So nebensächlich sie auch klingen mag. Und sehr unhöflich ist sie obendrein. Jedenfalls wenn ein PRProfi sie einem Redakteur einer Zeitung oder eines Magazins stellt. Warum? Weil sie eine Missachtung zeigt. Ganz besonders, wenn er diese Frage an einen Redakteur richtet, den er selbst gerade angerufen hat, um diesen auf ein »besonders spannendes Thema« aufmerksam zu machen. Oder um ihm »interessante Informationen« von einem Unternehmen, das er vertritt, in Aussicht zu stellen. Und genau diese Frage nach dem Erscheinungsrhythmus hören Redakteure immer wieder. Oder wenn zum Beispiel ein Redakteur der Wirtschaftswoche gefragt wird, wie oft sein Blatt denn erscheine. Die Standard-Gegenfrage »Was meinen Sie, wie heißen wir: Wirtschaftsmonat?« wird dann quittiert mit einem kurzen Schweigen – und einem verlegenen »Hihihihi« oder – »Ach so, ja, natürlich«. Doch warum gerade diese Frage nach dem Erscheinungsrhythmus einen Redakteur in Rage bringt? Weil diese fünf Worte so viel offenbaren. Viel Beleidigendes vor allem: dass der PRProfi

a) nicht einmal so richtig weiß, wo er gerade anruft, bei einer Tageszeitung, einem Wochen- oder einem Monatsmagazin – mit entsprechend anderem Konzept, anderen journalistische Darstellungsformen und unterschiedlichen Zielgruppen zum Beispiel. Und dass er es

b) nicht für nötig hielt, sich vorzubereiten und wenigstens das Blatt und die Wunschrubrik vorher einmal anzusehen, bevor er die Redaktion anruft,

und

c) er zeigt, dass er das Medium, mit dem er gerade Kontakt herstellen will, für austauschbar hält und es nur zufällig angerufen hat, und sich

d) nicht mal schämt, das zu offenbaren, und er

 e) trotzdem erwartet, dass der so Geringgeschätzte, quasi Austauschbare, nichtsdestotrotz – bei all diesen Beleidigungen – für den Anrufenden seine eigene Zeit aufwendet, seine Arbeit liegenlässt und ihm Einzelnachhilfe gibt. Obwohl ein Blick in das betreffende Blatt dem Anrufer schon Aufschluss gäbe. Denn selbst ein Blick ins Internet würde dem Betreffenden Antwort geben, und er müsste sich auch keine Blöße geben: wie wenig er weiß und wie egal es ihm ist, wo er gerade vorspricht und – nicht zuletzt – welchen Schaden er dem Namen seiner PR-Agentur zufügt.

 

Geben Sie mir irgendwen

Klassiker sind übrigens auch die Anrufer bei Wirtschaftsblättern wie Handelsblatt, die gerne »die Wirtschaftsredaktion sprechen möchten«. Diese Spezialisten sind immer ganz verblüfft, wenn die Antwort »wir machen hier alle Wirtschaft« oder so ähnlich ausfällt. Wer eine derart dusselige Frage schon am Anfang eines Gesprächs stellt, hat sich als Dummbatzen selbst gekonnt geoutet, binnen Sekunden und wie es schlimmer kaum geht. Das Gespräch wird vermutlich nicht mehr lange dauern und der PR-Vertreter auch nicht mehr ernst genommen. Und weil der erste Eindruck entscheidend ist, haben etliche PR-Leute eigentlich nur wenige Chancen, ihre Kunden so in die Presse zu bringen, wie die es sich erhoffen. Von vornherein, einfach weil sie vielleicht nach dem Outsourcen ihrer Presseabteilung oder in Ermangelung derselben sich vom falschen PR-Mann oder der falschen PR-Frau den Auftrag abschwatzen ließen. Gerade weil die kleineren PR-Agenturen sich meist auf Branchen festlegen und zum Beispiel nur für die Kosmetikindustrie oder nur für Unternehmensberatungen arbeiten, spricht sich deren Verhalten und Auftreten auch unter den Journalisten – und über die Grenzen der Redaktionen hinaus – herum. Auch Journalisten, die zum Beispiel besonders viel über eine Branche schreiben, kennen ihre Kollegen bei den anderen Blättern und sprechen bei gemeinsamen Veranstaltungen auch über die PR-Experten und wie sich die Unternehmen benehmen.

Und weil auch Journalisten nur Menschen sind, bekommen PRler auch einiges mehr mit aus den Redaktionen und deren Sorgen und Nöten. Wer dies dann aber dem Kunden ungefiltert weitertratscht, um sich anheischig zu machen – was natürlich über kurz oder lang herauskommt – , braucht sich bei den Redakteuren irgendwann nicht mehr blicken zu lassen. Mehr noch: Er braucht sich nicht zu wundern, wenn bestimmte Journalisten gar keine Zeit mehr für ihn haben und von vornherein abblocken. Warum zum Beispiel sollte ein Journalist noch Zeit opfern für den Vertreter eines Buchverlags, bei dem er bemerkt hat, dass er erst als Letzter auf der Liste der zu informierenden Redakteure steht? Wie kann ein Pressesprecher nur davon  ausgehen, dass ein Journalist es nicht als Attacke empfindet, wenn er ihm die neuesten Knüller ans Herz legt – und in den nächsten zwei Tagen große Artikel über dieses Buch oder Auszüge des Buches in dem Konkurrenzblatt erscheinen? Verlassen Sie sich drauf: Journalisten beäugen durchaus, welche Redaktion und welcher Redakteur als Erster manches im Blatt hat.

Den Ruf einer PR-Agentur austesten

Wie ein Unternehmen herausfinden kann, ob es womöglich den falschen PR-Experten beauftragt hat? Zugegeben, einfach ist das nicht. Eigentlich nur, indem es sich schon vorher über den Ruf des PR-Profis in den Redaktionen selbst und bei namhaften freien Journalisten erkundigt, vorsichtig natürlich. Oder indem es sich Referenzkunden nennen lässt – und mal selbst im Internet und in Archiven prüft, wie diese Referenzkunden in der Presse wegkommen. Ob sie überhaupt auftauchen und wenn ja, womit.

Sonst kann es einem so gehen wie dieser PR-Agentur: Die Chefin selbst versuchte einen Redakteur einer der großen fünf Tageszeitungen zu überzeugen, dass er unbedingt ein Thema aufgreifen müsse – mit einem ihrer Kunden, einem beratenden Dienstleister, als Kronzeugen natürlich. Als der Redakteur nicht darauf eingehen wollte, schrieb sie ihm, dass sie besser wüsste, was ein gutes Thema wäre, sei sie doch früher selbst sogar Ressortleiterin bei einem großen Magazin gewesen. Der Schuss ging nach hinten los. Der Kollege bezog ob dieses Übergriffes nicht nur seinen Ressortkollegen mit ein, sondern die Antwort war: Wenn die PR-Lady denn diese gute Position innegehabt hätte, so stelle sich doch nun die Frage, warum sie sie heute nicht mehr bekleide? Und diese Mail ging auch gleich in Kopie an ihren Auftraggeber. Und es dauerte keine 24 Stunden, bis der ganz aufgelöst in der Redaktion anrief, sich entschuldigte und auch gleich distanzierte – von der eigenen PR-Beauftragten.

Auf Glatteis begibt sich, wer meint, er könne Redakteure gegeneinander ausspielen. Wenn also jemand Redakteure von ein und derselben Zeitung anspricht und ein konkretes Thema anbietet, um so seine Chancen zu erhöhen, ins Blatt zu kommen – das aber keinem der beiden auch nur andeutet. Oder erst viel zu spät. Das passiert selbst erfahrenen PR-Leuten, wenn ihnen eine Sache nur wichtig genug ist. Vor allem, wenn die vertretene Firma sich ohnehin nicht oft zu Worte meldet. Zum Beispiel wenn eine Unternehmensberatung nur einmal im Jahr eine Studie veröffentlicht und damit in so viele Blätter wie möglich kommen will. Und vor allem in die, die die meisten ihrer Kunden lesen. Nach dem Motto also »Doppelt genäht hält besser« sprach eine Beraterin erst einen Redakteur an – nennen wir ihn Neumann – und avisierte eine interessante Untersuchung über Aufsichtsräte. Sie vermittelte einen Kontakt zu einem Kollegen, der im Detail Rede und Antwort stehen sollte. Doch dann trat plötzlich eine Sendepause ein. Das ist an sich  nicht ungewöhnlich. Dass Studien erst mit  Verspätung fertig werden, passiert öfter. Doch auf der Themenkonferenz wenige Tage später staunte der Redakteur nicht schlecht, als plötzlich ein anderer Kollege genau diese Untersuchung ankündigte – und zwar gleich für den nächsten Tag. Hätte der zuerst Angesprochene das Thema gleich auf seine offizielle Redaktionsplanungsliste gesetzt, wäre er ziemlich blamiert gewesen.

Kurzfristiges Vergnügen: Journalisten ausspielen

Der Extremfall: wenn sogar zwei Kollegen einer Redaktion eine Dienstreise von Köln bis nach München zu ein und derselben Firma wegen ein und desselben Themas antreten. Anstifter war im konkreten Fall ein namhafter Finanzdienstleister. Beide Redakteure bemerkten das Dilemma erst nach ihrer Rückkehr in die Redaktion. Raten Sie mal, wie sich die beiden fühlten? Und raten Sie mal, wie dumm die beiden dastehen, wenn es Nachfragen der Chefredaktion gibt wegen der – vergeblichen – Reisekosten. Zumindest bei einem der beiden. Und raten Sie dann, ob der Redakteur, der den Artikel schließlich nicht schreibt, noch ein einziges Mal mit diesem Unternehmen zu tun haben will? Und ob er noch gut spricht über so eine Firma? Und denken Sie noch einen Schritt weiter: Die beiden Finanzprofis, mit denen die Recherchegespräche stattfanden, verließen irgendwann das Unternehmen, machten weiter woanders Karriere – die Namen des Finanzdienstleisters und der trickreichen PR-Zuständigen sind eingebrannt im Gedächtnis der Journalisten.

Auch Medien gegeneinander auszuspielen kommt ganz schlecht an. Zum Beispiel wenn eine Anwaltskanzlei ein und denselben Gastbeitrag zu einem aktuellen Gerichtsurteil gleichzeitig zwei großen Konkurrenzblätter anbietet – ohne dies zu erwähnen. Und wenn dieser Kommentar dann am selben Tag abgedruckt ist. Die Anwälte brauchen sich jedenfalls nicht wundern, wenn künftig eins der beiden Medien – oder gar beide – aus ihrem Haus erst mal gar keine Beiträge sehen will.

Interviews und deren Abstimmung

Echte Wortlautinterviews gibt es in Zeitungen und Magazinen selten so häufig. Als Interviews bezeichnen aber viele praktisch jedes Gespräch mit einem Journalisten, unabhängig davon, ob und was darüber später in der Zeitung steht. PR-Vertreter, die freundlich Redakteuren ein Interview anbieten, meinen es also oft gar nicht so. Das echte Interview – das gedruckte Wechselspiel von Frage und Antwort – ist eher die Ausnahme als die Regel und gar nicht so häufig. Sie meinen dann eher ein Recherche- oder ein Hintergrundgespräch, bei dem manches offen zur Sprache kommt – was das Unternehmen jedoch so lieber nicht gedruckt sehen möchte. Das sollte sich der PR-Vertreter vorher klarmachen und vor allem auch den Unternehmenskunden entsprechend einnorden. Sonst kommt es auf beiden Seiten zu Missverständnissen. Ich habe schon erlebt, wie ein Hamburger Unternehmen mich eigens aus Düsseldorf einlud, um sich nach mehreren Jahren Presseenthaltsamkeit »endlich zu öffnen«, wie es die PR-Lady formulierte. Denn es ließ sich im Archiv schnell erkennen, dass die Firma – ein Luxusgüterhersteller – praktisch nichts über sich herausgelassen hatte. Jahrelang. Und schon gar keine Zahlen und Fakten wie Umsatz, Gewinn und so weiter.

Wer nur die Auster geben will, sollte keine Journalisten einladen

Im Gegenteil, im ManagerMagazin fand sich lediglich eine kritische Geschichte unter anderem über deren Verschlossenheit. Nachdem also die Dame hoch und heilig versicherte hatte, dass sich die Firma nun endlich ändern will und gerade mein Blatt davon profitieren und die Infos zuerst bekommen solle, flog ich hin. Um dann vor Ort ungefähr drei Stunden lang durch die Produktion und das Haus geführt zu werden – zwar rührend bemüht in Stil und Ton, doch leider war für die Wirtschaftspresse von den Infos kaum etwas verwertbar. Und das anschließende Gespräch mit dem Management geriet zum Fiasko: Die Herren setzten sich mir gegenüber an den Tisch, um sich nach Kräften auszuschweigen und zu blockieren. Die Gesprächseröffnung war: »Welche Fragen haben Sie denn an uns?« Doch dann rückten sie keine einzige interessante Information heraus. Keine Zahl, keinen Fakt und nicht mal eine Anekdote, etwas über ihre Pläne, nichts. Wie eine Auster. Sie hatten sich offenbar nicht vorbereitet und auch nicht mal Ersatzgesprächsstoff in petto. Fest stand nur ihr Entschluss, die Auster zu geben. Und das nicht mal charmant oder galant, sondern im Ton konfrontativ. Vielen Dank, besser kann man Journalisten nicht auflaufen lassen. Und das, nachdem man sie selbst ins Haus einlud und quer durch die Republik reisen ließ.

Die dämliche Frage nach Fragen vorab

Ziemlich unbeliebt ist bei Redakteuren, die ihren Job ernst nehmen, die leutselige Anfrage noch Tage vor dem großen Gespräch: »Ach, können Sie uns zur Vorbereitung schon mal bitte Ihre Fragen schicken?« Vorab: Wird nicht der Befragte deshalb befragt, weil man ihm zu einem bestimmten Thema hohe Kompetenz unterstellt? Dieses Thema sollte er also beherrschen und nicht eigens vorbereiten müssen. Dass genaue Zahlen oder irgendwelche Detailangaben den Journalisten nach dem Gespräch noch nachgereicht werden, ist normal. Dafür sitzt der Pressesprecher oder Agenturmitarbeiter bei dem Gespräch unter anderem ja auch dabei, um mitzubekommen, welche Infos später über irgendwelche zugesagten Detailangaben auch tatsächlich pünktlich in der Redaktion landen sollen. Denn ansonsten ist der PR-Profi in dem Moment gut beraten, einfach gar nichts mehr zu sagen. Es sei denn, er muss helfend einspringen.

Zum Zweiten: Der so Überfallene hat vielleicht in dem Moment gar keine Zeit und die Fragen vielleicht auch noch gar nicht parat – die Hinfahrt zu solchen Terminen eignet sich nämlich hervorragend, um im Zug das Archivmaterial zur Vorbereitung durchzuarbeiten, darüber nachzudenken und dabei auch die auftauchenden Fragen zu notieren. Oder der Journalist will die einzelnen Fragen noch gar nicht vorzeitig preisgeben – warum sollte er es auch? Keinen anderen Verhandlungspartner würde ein Manager fragen lassen, ob er nicht schon mal seine Pfeile aus dem Köcher holen und alles verraten will. So nach dem Motto: Wo ist denn Ihre Schmerzgrenze, bis wohin Sie im Preis gehen wollen?

Spannendes Interview oder sture Abfragerei?

Zudem: Ist das Interview in seiner Richtung schon so vorgegeben, wird sich der Befragte auch daran halten wollen – und nur noch abarbeiten. Schade ist dann nämlich, dass kein echtes Eingehen auf die Antworten mehr stattfindet. Es wird ein richtig langweiliges Abfrageinterview – obwohl der Interviewte womöglich spontan viel Spannendes zu berichten gehabt hätte. Und das gedruckte Interview ist dann am Ende im Übrigen auch langweilig zu lesen. Also vergessen Sie’s lieber, und geben Sie Ihrer Agentur oder Firma nicht die Blöße, den Journalisten so naiv dastehen lassen zu wollen. So naiv, wirklich relevante Fragen schon – zu – früh zu offenbaren. Und sich jeder Möglichkeit eines Überraschungseffekts freiwillig zu begeben. In der Musikindustrie scheinen sehr weit gehende Vorschriften an die Adresse der Journalisten völlig normal zu sein. In etwa so: Sie haben zehn Minuten und dürfen dies, dies und dies alles nicht fragen. Und dann habe sich der Journalist auch noch bei dem Star zu entschuldigen, wenn er nach Ablauf der Audienz den verordneten Rückzug antritt. Wirtschaftsjournalisten ist dieses Vorgehen eher fremd. Schon die ausdrückliche Zuteilung der Slots wie »Also, Herr Superwichtig hat dann eine Stunde Zeit für Sie, das dürfte ja reichen« kommt nicht wirklich gut an. Den Papst persönlich – bei dem würde einen diese betonte Zuteilungspraxis nicht weiter wundern – hat man ohnehin kaum als Interviewpartner. Wenn die Zeit, die der Betreffende für den Journalisten hat, tatsächlich auf die Minute abgezirkelt ist und man ihm das auch unbedingt ausdrücklich sagen muss, sollte man’s besser nicht ganz so auffällig machen. Und eher beiläufig erwähnen, dass er Interviewte danach noch einen anderen wichtigen Anschlusstermin hat.

Wenn der Slot dreimal so lang ausfällt

Es kann übrigens auch vorkommen, dass der Manager oder die Wirtschaftsgröße plötzlich selbst fasziniert ist von dem Gespräch und aus einer angepeilten Stunde drei werden und derjenige für diesen einen Journalisten plötzlich alle Zeit der Welt hat. Weil ihn das Thema besonders interessiert. Oder weil er merkt, dass es brisant wird und wichtig für ihn selbst ist. Oder weil sich plötzlich zeigt, dass zwischen Interviewtem und Journalist die Chemie stimmt. Oder sich gleich mehrere Themen ergeben. Dann ist es die Aufgabe des anwesenden Sprechers, stillschweigend dafür zu sorgen, dass das Gespräch weitergeht und nachfolgende Termine eben kurzerhand und unauffällig abzusagen. Es gibt durchaus Topmanager, die ein Gespräch, das eigentlich von 15 bis 17 Uhr terminiert war, bis 19 Uhr führen – und zwar mit Feuereifer. Oder den Business-Lunch statt bis 14 Uhr bis 16.30 Uhr dauern lassen. Meistens profitieren die PR-Profis selbst am meisten davon. Jedenfalls auf lange Sicht.

Mündet ein Recherchegespräch also tatsächlich in ein Interview, ist die spätere Abstimmung ein wahres Tretminenfeld. Dann entscheidet sich zum Beispiel, ob der Journalist sich noch ein zweites Mal um den Gesprächspartner reißen wird. Hat also der Redakteur das Interview fertig – womöglich schon in der richtigen Länge –, ist aus seiner Sicht jeder einzelne Änderungswunsch ärgerlich, macht zusätzliche Arbeit und birgt Fehlerquellen. Ganz anders die Motivation des Befragten: Er fragt sich plötzlich, wie seine Kunden, Geschäftspartner oder Branchenkollegen welches Wort empfinden mögen – oder ihn verlässt der Mut, er bekommt es gar mit der Angst zu tun und will plötzlich manche Aussage zurückziehen. Nach dem Motto: »Ja, ich hab’s gesagt, aber gedruckt sehen will ich’s nicht.« Und das womöglich an der Stelle, die der Journalist am spannendsten fand. Oder die, wo er wirklich etwas Neues oder Revolutionäres sagte. Werden diese Passagen nachträglich abgemildert oder gestrichen, stimmt nicht nur der ganze Spannungsbogen des Interviews nicht mehr. Derlei Kompromisse merkt auch der Leser unterschwellig – und steigt aus dem Text aus. Der Redakteur kommt sich an der Nase herumgeführt vor. Das Schlimmste, was dann allen Beteiligten passieren kann, ist, dass der Ressortleiter eines Magazins zum Beispiel das Interview dann als »zu langweilig« aus dem Blatt kippt und eine andere Story vorzieht.

Die Umfaller bei der Interviewabstimmung

Dann war alle Mühe umsonst. Die vornehmste Aufgabe von PR-Profis ist also, den Interviewten zurückzuhalten, ihm die wahre Relevanz seiner vielen Änderungswünsche gemessen am Risiko klarzumachen – und ihn dem Journalisten vom Hals zu halten. Je nach Hierarchie in dessen Redaktion kämpft der ohnehin schon an mehreren anderen Fronten: um den Platz im Blatt, um Änderungswünsche der Vorgesetzten und nicht zuletzt mit den Platzvorgaben des Layouters. Zuallererst gilt also für Interviews: Die Fragen des Interviewers sind tabu. Die fallen unter die Redaktionshoheit. Und: Gekürzt werden darf von der Redaktion immer. Ganz clever wollte es schon mal ein großes Transportunternehmen anstellen, das bei der Interviewabstimmung sogar zwei, drei ganze Frage- und Antwortblöcke herausstrich und auch gleich Ersatz lieferte: Fragen plus Antworten. Die Ressortleitung reagierte prompt: Das Interview erschien nicht mehr groß auf drei Seiten, sondern nur noch kleiner und auf einer Seite. Mehrere große Tageszeitungen versuchten auch schon mal, ihren Lesern vorzuführen, was sich gerade Politiker bei diesen Abstimmungsarien herausnehmen. Sie druckten auf Absprache am selben Tag die zensierten Interviews ab – aber mit samt den handschriftlichen Änderungen.

Fortsetzung folgt 

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*Herausgegeben von Jörg Forthmann, Copyright © 2008 WILEY-VCH, Weinheim, ISBN 978-3-527-50329-0

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