„45 Prozent ungenutzte Büros“

Michael Barth, 57, ist Deutschland-Chef des britischen Bürodienstleisters Regus und nennt sich selbst einen „Büro-Nomaden“.

Ich besuchte Barth im Düsseldorfer Hafen, im neuen Hochhaus Hafenspitze, wo seine neuen Miet-Räume in unmittelbarer Nachbarschaft zu der Top-Arbeitsrechtskanzlei Kliemt & Vollstädt, der Unternehmensberatung Kienbaum und dem Nobelhotel Hyatt sind. Das Herausfinden aus der kompliziert angelegten und suboptimal beschilderten Tiefgarage dauerte gut 15 Minuten.

Hier das Interview in Langfassung, das in gekürzter Form bereits in der „WirtschaftsWoche“ erschienen ist.

Herr Barth, Regus will im deutschen Markt mit ihren komplett-ausgestatteten Büros auf Zeit samt Konferenzraum-Angeboten und Business Lounges aggressiv wachsen. Wo ist Ihr Ziel?

Barth: Weltweit gehören wir ja schon zu den führenden Bürodienstleistern mit 1200 Standorten in 91 Ländern und wollen den Trend des mobilen Arbeitens für uns besetzen. Unsere Schwerpunkte sind z. B. in New York, Paris, London, Hong Kong und Mumbai. In Deutschland haben wir 40 Business-Center und wollen bis 2014 Jahren mehr als doppelt so viele betreiben. Das ist eine besondere Herausforderung wegen der geographischen Streuung. Frankreich, die Niederlande und Großbritannien sind zentralistisch und sind mit nur einer Metropole einfachere Märkte.

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Und Deutschland?

Deutschland ist der Motor Europas. In unseren Großstadt-Standorten wie in Köln wollen wir von vier auf sechs Center oder in München von sieben auf neun kommen. Aber auch in Düsseldorf und Hamburg wollen wir die vorhandenen fünf beziehungsweise vier Center aufstocken. Was nicht heißt, dass wir nur in Top-Städte gehen: Die nächst kleinere Größenordnung wie zum Beispiel Wiesbaden, Bonn, Ingolstadt und Augsburg interessiert uns ebenso.

Wollen Sie Konkurrenten übernehmen?

Warum nicht. Die Zahl der bedeutsamen Mitbewerber ist mit rund fünf Kandidaten überschaubar. Und je nach Standort gibt es auch sehr viele interessante Einzelplayer.

Wie hoch ist Ihr Umsatz in Deutschland?

Wir sprechen nur über den weltweiten. 2010 waren es umgerechnet 1,2 Milliarden Euro Umsatz bei 6000 Mitarbeitern, hier sind es 200 Angestellte.

Wer sind Ihre Kunden und was kostet ein Büroplatz samt Equipment?

Je nach Ausstattung sind zwischen 300 und 800 Euro im Monat fällig, je nach Stadt, Ausstattung oder Blick. Darin ist alles enthalten von der Technik bis zur englischsprachigen Empfangssekretärin. Internationale Kunden sind Google, Nokia oder GlaxoSmithKline. Ansonsten sind unsere Kunden Menschen, die ein vorzeigbares Büro in einer City brauchen. Die vielleicht ein Unternehmen erst aufbauen. Oder ausländische Unternehmen wie britische oder amerikanische Anwaltskanzleien, die auf dem deutschen Markt Fuß fassen möchten.

Wie flexibel sind Sie da?

Reichen unsere Center nicht, mieten wir zusätzliche Flächen an. Zum Beispiel haben wir das kürzlich für ein Team von 120 Leuten aus zwei verschiedenen Technik-Firmen umgesetzt, die ein Jahr lang gemeinsam eine Projektarbeit bearbeiten. Für die mieteten wir Flächen direkt an einem Flughafen an. Außerdem gibt es auch Notfälle wie Wasserschäden oder plötzlich festgestellte Asbestverseuchungen – solche Firmen brauchen ganz schnell Ausweichbüros. Im Schnitt bleiben die Firmen bei uns 14 Monate und kleine Firmen länger als große.

…und Diskretionsbedürfnisse spielen Ihnen auch in die Hände?

Ja, auch. Firmen, die sich einer Due Diligence unterziehen, wollen das nicht in ihren Räumen machen. Oder bei Bieterverfahren. Wir hätten auch gerne mehr Headhunter, die ihre Kandidatengespräche in unseren Business Lounges in den City-Lagen oder unseren Airport-Lounges machten. Denen können wir dasselbe bieten wie die Hotels – nur noch diskreter.

Können Sie verhindern, dass sich ominöse Briefkastenfirmen bei Ihnen einnisten?

Wir kontrollieren Ausweis, Handelsregistereintrag – auch wer sich nur ein virtuelles Büro mit Telefonservice mietet.

Wirkt sich bei Ihnen der Aufschwung aus?

Weder der Leerstand von Gewerbeimmobilien in vielen Städten von über zehn Prozent noch die Krise hat uns bisher geschadet. Wir sehen für unser Produkt riesiges Potenzial. Normale Firmen in Deutschland nutzen ihre Büroflächen nur zu 45 Prozent. Das zeigt auch eine repräsentative Befragung von 600 unserer Kunden – weltweit haben wir übrigens 800 000 Kunden. Denn ständig sind Mitarbeiter auf Reisen, krank oder anders unterwegs. Für viele könnte man stattdessen in unseren Centern Einzel-Arbeitsplätze mieten und so eigene Immobilienkosten senken.

Eine steile These. Doch trifft die wohl kaum für die mittelständische Industrie zu, die typischerweise auf dem Land sitzt, wo Flächen kein Problem sind und sie gar nicht erst ihre Kunden sind?

Die 45 Prozent sind eine Durchschnittszahl für Unternehmen aller Größen. Bei Mittelständlern auf dem Land ist mobiles Arbeiten noch nicht so verbreitet und sie sitzen oft in eigenen, abgezahlten Immobilien. Aber Leerstand kostet überall Geld: für Instandhaltung, Reinigung, Licht, Strom und Büromöbel.

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