Nirgendwo sonst in der Welt haben die klassischen Strategieberater McKinsey, BCG&Co. so treue Anhänger wie in Deutschland. Trotzdem bewundern die Beratungskunden derzeit eher Technologiefirmen wie IBM Global Services, Accenture oder BearingPoint.
Wenn zwei Berater in den vergangenen zehn Jahren irgendwo auf der Welt aufeinander trafen, dauerte es nicht lange und die beiden philosophierten über den wundersamen Niedergang der traditionellen Strategieberatung zugunsten einer zeitgemäßen, eher praktisch-umsetzungsorientierten Beratung. Rund um den Globus hatte sich die Öffentlichkeit zuvor bereits mehrere Jahrzehnte an dem Berater-Typus „Niete in Nadelstreifen“ abgearbeitet. Ach, die Berater, die können doch nichts weiter, als Topmanagern für viel Geld Powerpoint-Präsentationen zu verkaufen. Anschließend machen sie sich schnell aus dem Staub und lassen die Unternehmen mit der Umsetzung der Projekte alleine, hieß lange Zeit der Vorwurf.
Die Strategieberatung ist tot. Es lebe die Strategieberatung

Steht dem deutschen Beratungsmarkt eine Zeitenwende bevor? Edward Haigh vom britischen Marktforscher Source Global Research
Deutsche Kunden halten McKinsey, BCG&Co. die Treue
Die Treue, die deutsche Beratungskunden gerade den Strategieberatern entgegen bringen, ist international gesehen eine absolute Ausnahmeerscheinung. Fast in allen anderen Regionen der Welt, in denen Unternehmensberater ähnlich wie in Deutschland über Jahrzehnte bereits unterwegs sind, also in den so genannten reifen Märkten, haben die klassischen Strategieberatungshäuser kräftig Federn lassen müssen. Im Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland beispielsweise macht der Marktanteil von McKinsey und Konsorten laut Source Global Research derzeit gerade einmal noch einen Ticken mehr als 17 Prozent aus, während die Beratungszweige der Big Four der Wirtschaftsprüfung PwC, KPMG, EY und Deloitte, die zum größten Teil vor 15 Jahren noch nicht einmal existierten, auf einen Marktanteil von mittlerweile 38 Prozent kommen.
Bei den Beratungs-Units der Wirtschaftsprüfer vermissen die Kunden das klare Profil
Bleibt die Frage, wie lange noch die Strategieberater in Deutschland die Wirtschaftsprüfer, aber auch die IT-Beratungshäuser auf Abstand halten können. Was das durchschnittlich pro Berater erzielte Honorar angeht, spielen in Deutschland die Strategieberater nach wie vor in einer völlig anderen Liga als die Konkurrenz. Was dafür spricht, dass die Hochachtung für Strategieberater wie McKinsey in der Kundschaft offensichtlich so groß ist, dass es noch lange dauern könnte, bis die anderen Beratungshäuser als ebenbürtig eingestuft werden. Was die Consultingsparten der Wirtschaftsprüfer angeht, vermisst die deutsche Kundschaft an den so genannten Big Four vor allem eins: das klare Profil. Das ergab eine Befragung von Managern aus dem deutschsprachigen Raum, die das Zürcher Metaconsulting-Unternehmen Cardea im Sommer 2016 durchführte. „Viele Entscheider können nicht richtig einschätzen, für welche Projekte sich diese Berater eignen und für welche nicht“, sagt Cardea-Partnerin Eva Manger-Wiemann. 68 Prozent der Kunden setzen deshalb bei Strategieprojekten nach wie vor auf die Strategieberatungshäuser mit ihren starken Marken und klopfen bei den operativen Umsetzungsprojekten und bei Transformationsprozessen auch bei den großen IT-Häusern, bei Beratungsboutiquen und bei Einzelberatern an.
Die Beratungskunden bewundern zurzeit am meisten Technologiefirmen
„Steht der deutsche Beratungsmarkt vor einer Zeitenwende?“ fragt sich Edward Haigh trotzdem. Der Brite glaubt, dass diese Frage digital beantwortet werden wird. Denn in einer Studie fand Source Global Research jüngst heraus, dass nicht etwa die Strategieberater von den deutschen Beratungskunden aktuell am meisten bewundert werden, sondern die Technologiefirmen. Danach befragt, welche Beratungshäuser weltweit über eine ganze Bandbreite von verschiedenen Dienstleistungsangeboten hinweg Qualitätsarbeit ablieferten, nannten die befragten Manager zuvörderst IBM Global Services, gefolgt von Accenture und BearingPoint.
Nur mit einem wahren Feuerwerk an strategisch brillanten Beratungsprojekten könnten die Big Four die traditionellen Strategieberater vom Sockel stoßen
Auf der Suche nach der richtigen Strategie für ihre ganz individuelle digitale Transformation, aber auch auf der Suche nach Partnern für deren Umsetzung, beauftragen derzeit die Unternehmen Strategieberater, Consulting-Units der WP-Gesellschaften genauso wie IT-Beratungshäuser. Technologie wird damit zum Geschäft der Strategieberater, genauso wie Strategie zum Geschäft der Technologieberater wird. Und irgendwie wird beides – Technologie und Strategie – auch das Geschäft der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungskonzerne. Anderswo als in Deutschland hoffen nun die Strategieberatungen dadurch wieder stärker ins Geschäft zu kommen. Um allerdings in Deutschland die hervorragend vernetzten und klug aufgestellten Strategieberatungshäuser vom Sockel stoßen zu können, müsste Deloitte&Co schon ein ganzes Feuerwerk an strategisch brillanten Beratungsprojekten vorweisen, meint Cardea-Expertin Manger-Wiemann: „So groß die Wachstumssprünge der großen WP-Gesellschaften im Consultinggeschäft zurzeit auch sein mögen“, sagt Manger-Wiemann. „Was den Umsatz angeht, können sie die Strategieberater vielleicht überholen, gegen das Renommee von McKinsey und BCG in Deutschland anzukommen, wird ihnen nicht so einfach gelingen“.