Die Beraterwelt digitalisiert sich – zum Schlechteren?

Unternehmensberater verdienen ihr Geld damit, anderen bei Veränderung zu helfen. Gastautor Frank Braun beschreibt, wie die digitale Revolution jetzt die Beraterwelt selbst verändert.

Unternehmensberater sind zu teuer. Das bemängeln laut aktuellen Studien des britischen Marktforschers Source for Consulting sowie der Schweizer Metaconsultingfirma Cardea immer mehr Auftraggeber von Consultants. Die Klienten monieren hohe Preise. Das Produkt „Beratung“ an sich stellen sie jedoch nicht infrage. Gut für die Beraterbranche. Denn das heißt: Wer seine Leistung verbessert, hat damit auch die Chance, die Kundenzufriedenheit zu erhöhen und sich überzeugende Argumente für höhere Preise zu erarbeiten.

Frank_Braun_goetzpartnersEine zentrale Rolle bei der Qualitätsoffensive im klassischen Consulting dürften zweifellos Digitalisierung und Virtualisierung spielen. Sie bringen denn auch Chancen zur Verbesserung von Beratungsleistungen mit sich. Fakt ist: Die digitale Revolution wird die Beratungsindustrien den nächsten zehn Jahren dramatisch verändern. Seit Arthur D. Little 1886 die erste Unternehmensberatung gegründet hat, haben neue Technologien zwar stets das Beraterleben bereichert – hier sind vor allem Mobiltelefone, Notebooks und Präsentationssoftware zu nennen – aber die eigentlichen Prozesse der Beratung und der Beratungsunternehmen haben sich nur graduell verändert. Dieses Mal ist es anders.

1. Digitalisierung der Beratungsthemen

Nachdem Klienten-Unternehmen die meisten der Absatz- und Beschaffungsmärkte weltweit erschlossen haben, können sie heute vor allem durch neue Technologien wachsen oder ihre Effizienz steigern: Business, Internet der Dinge, Industrie 4.0, Big Data und Augmented Reality gilt es für die Klienten nutzbar zu machen und in neue Geschäftsstrategien und –prozesse einzubeziehen. Aber auch klassische Themen der Beratung werden digitaler: Fragen wie die Bewertung von Daten und Software bei einer Due Diligence oder die Integration der IT im Rahmen einer Post-Merger-Integration sind hier Beispiele.

2. Digitalisierung des Beraterwissens

Consultants leben von Wissen, Daten und Informationen. Das wird allerdings immer schneller zur Commodity. Anbieter wie Amazon, Apple, SAP und insbesondere Google verfügen über exzellente Daten, die früher nur durch aufwändige Research-Arbeit gesammelt werden konnten. Auch die Klienten-Unternehmen besitzen heute weitaus bessere Informationen als noch vor Jahren. Hier gilt es für Beratungen mit einem Wissensmanagement 2.0 ihren Wettbewerbsvorteil zu sichern oder gegebenenfalls sogar auszubauen.

3. Digitalisierung der Beraternetzwerke

Die Netzwerke einiger Beratungen sind legendär. Ihre Bedeutung wird auch durch die Digitalisierung nicht abnehmen. Allerdings helfen beim operativen Management von Alumni-Netzwerken Web-Technologien immens. Und die Vernetzung auf Expertenebene – früher eine der Kernkompetenzen der klassischen Unternehmensberatung, wenn nicht gar der USP – erfolgt heute zunehmend über Business-Netzwerke wie Xing oder LinkedIn. Mussten Klienten bei Fachfragen früher externe Berater beauftragen, so ist dies heute über Wikis und Web 2.0 für Unternehmen deutlich einfacher geworden. Das ersetzt natürlich keine hochqualifizierten Berater, die dies in der Praxis noch umsetzen können. Jedoch werden Klienten deutlich besser informiert sein und den Consultant stärker herausfordern. Für Beratungen bietet das auch Chancen: Denn sie können sich zunehmend die Make-or-Buy-Frage stellen: Muss ich ein Expertenteam aufbauen beziehungsweise einstellen oder reicht es, dieses Know-how bei Bedarf einzukaufen. Die sogenannte Fertigungstiefe kann auch bei Beratungen gesenkt werden und Fixkosten reduziert werden, da Wissensträger für Spezialwissen nicht im Unternehmen vorhanden sein müssen.

4. Digitalisierung der Beratungsprozesse

Eine durchgängige Unterstützung der Geschäftsprozesse und der Einsatz moderner IT-Instrumente ist auch für Beratungen heute Pflicht. In vielen Beratungshäusern ist noch ein hoher manueller Aufwand entlang der gesamten Wertschöpfungsprozesse nötig. Von der Zeiterfassung über die Reisekostenabrechnung bis zur Rechnungsstellung. Viele Prozesse im Consulting könnten heute mit Hilfe von Apps und einer integrierten Cloudlösung wie zum Beispiel Kimbles chon deutlich effizienter und eleganter ablaufen, um wertvolle Beraterzeit einzusparen. Hier sind sicherlich in Beratungsunternehmen Effizienzgewinne von zehn Prozent und mehr möglich.

5. Digitalisierung der Beratungsgeschäftsmodelle

Unternehmensberatungen müssen sich vor dem Hintergrund der digitalen Revolution die Frage stellen, ob das klassische Erlösmodell auf Stunden beziehungsweise Tageshonorarbasis noch zeitgemäß ist. Insbesondere B2C-Branchen wie Banken, Versicherungen, Handel, Medien- und Musikindustrie waren in den vergangenen Jahren gezwungen, sich auf die zunehmende Transparenz durch das Internet einzustellen. Inzwischen führen in der Beratung neueste Internet-Technologien und Social Networks zu mehr Transparenz und eine Senkung der Markteintrittsbarrieren, die neue Mitspieler auf den Markt rufen können wie Peer2Peer-Beratungen, Freelancer-Netzwerke, Crowdconsultants oder Öko-System-Anbieter wie Apple, Google usw.

Hat Consulting also keine Zukunft?

Angesichts der Konsolidierung sah die FAZ schon eine Sinn-Krise der Beratung. Die Wachstumsraten sprechen eine andere Sprache. Kreativität, Kompetenz, Mut und Meinung sind auch in Zukunft gefragt. Unternehmen werden auch weiter Strategien entwickeln, bei Merger and Akquisitions kompetente Berater benötigen und Experten für Transformationen beauftragen, um diese auch erfolgreich umzusetzen. Während die großen etablierten Marktführer mit der Konsolidierung des Beratungsmarktes beschäftigt sind, könnte die Stunde der dynamischen Herausforderer unter den Beratungen gekommen sein. Diejenigen, die schneller sind, jünger und flexibler, um diese Chancen zu nutzen. Die Karten werden gerade neu gemischt.

Zur Person: Frank Braun, ist Leiter Marketing & PR bei dem auf Strategie, M&A und Transformation spezialisierten Beratungsunternehmen goetzpartners.

Kommentar schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*

Alle Kommentare [3]

  1. Danke für den interessanten Beitrag! Quo vadis Unternehmensberatung? Laut aktueller Marktstudie, die der Bundesverband Deutscher Unternehmensberater (BDU) der Presse im März 2014 vorgestellt hat, ist 2013 der Branchen-Umsatz der Unternehmensberatungen auf 23,7 Milliarden Euro gestiegen. Demzufolge befeuern Industrie 4.0- und Big Data-Projekte das Geschäft der Consultants immer stärker. Projekteinhalte sind beispielsweise mobile Anwendungen und Digitalisierung. Die Globalisierung, neue Technologien und immer kürzere Entwicklungszyklen erhöhen den Innovationsdruck in allen Unternehmen erkennbar, so dass Beratungsleistungen auch in Zukunft eine hohe Nachfrage erhalten. Für 2014 erwartet der BU ein Plus von 5,5 Prozent. Mehr Infos: https://www.hilker-consulting.de/bdu-beratermarkt-studie-unternehmensberatung-2014/

  2. Der Beitrag geht nach meiner Auffassung schwer an der Wirklichkeit vorbei und befeuert die bekannten Stereotypen. Als inzwischen mehrjähriger Berater erkenne ich überhaupt nicht den ‚aufgesetzten‘ Trend zur Digitalisierung. Natürlich, wie überall hängt auch die Beraterbranche immer mehr von digitalen Helferlein ab. Aber ist das ein ausgemachter Trend?

    Die mangelnde Akzeptanz von Beratern, insbesondere in einigen Bereichen der Informatik, hat vor allem damit zu tun, dass immer weniger Professionalität unter den Externen anzutreffen ist. Da werden regelmäßig neue Plastikwörter ins Feld geführt, die Schlagzahl an Powerpoints erhöht und mehr nachgeplappert als tatsächlich beraten. Warum sollen dafür Unternehmen ein hohes Honorar zahlen?

    Beratung ist in Deutschland ein nicht geregeltes Gewerbe, leider. Im Grunde kann jeder mit einem Satz Visitenkarten nebst Laptop und Smartphone ausgestattet, sich an den Start begeben und sich als Senior/Principal/Executive/… Consultant vermarkten. Das reicht nicht, denn im Beitrag wird korrekt dargestellt, dass zunehmend Wissen in den Unternehmen anzutreffen ist.

    Was macht demnach ein „Berater“ wirklich aus? Für mich ist das vor allem ein Erfahrungsvorsprung. Erfahrungen, wie Veränderungen sinnvoller Weise geplant und gestaltet werden; welche Konsequenzen diese in den Unternehmen haben und wie mit rationalen Unzulänglichkeiten und emotionalen Blockaden umzugehen ist. Dann wären Unternehmen sicher bereit, ordentliche Leistungen ordentlich zu honorieren.

    Wie aber beschrieben verändert sich die Beraterwelt „… in den nächsten zehn Jahren dramatisch…“. Ich erkläre mir das nur so, dass im Umfeld der jährlichen CeBIT-Wochen schon mal die Bodenhaftung verloren wird. Gartner hatte bspw. 2001 unter dem Eindruck des ASP-Modells behauptet, dass in zehn Jahren niemand mehr Software kauft. Soweit okay.

    Argumentativ verstärkt wird der mutmaßliche Digitalisierungstrend mit begrifflichen Schwergewichten wie „…Business, Internet der Dinge, Industrie 4.0, Big Data und Augmented Reality…“. Alles überzeugend, um gute digitalisierte Beratungsleistungen den Unternehmen darzureichen; wurde „BOYD“ absichtlich vergessen?

    Was ist der wirkliche Trend im IT-Beratungsgeschäft?

    Unternehmen schreiben via Einkauf Projekte aus und veranstalten Negativ-Auktionen. Je billiger Berater eingekauft werden können, umso toller … für den Einkauf. Leistungen werden in der Beratung immer weniger honoriert (wir erinnern uns: „Geiz ist geil!“). Das mag viele Gründe haben, die auf „beiden Seiten“ zu suchen sind.

    Ähnlich wie beim „klassischen“ Handwerk, plädiere ich für den Grundsatz „Leistung muss sich wieder lohnen.“ Dazu brauchen wir so etwas wie eine „Beraterzulassung“, die in Richtung der Kunden signalisiert, dass die betreffende Person/Organisation sehr gut und das Honorar wert ist.

    Fazit: Trotz der kleinen Helferlein ist und bleibt Beratungsgeschäft „People-Business“.

    • Lieber Herr Bergmann,

      vielen Dank für Ihren Kommentar zu meinem Beitrag. In dieser Woche hat der Branchenverband BDU eine Pressemitteilung veröffentlicht und darin die Digitalisierung als Top-Trend für Beratungen benannt.

      Mittlerweile erscheinen viele Artikel zu diesem Thema. Die großen Strategieberater haben ihre Digital-Töchter gegründet. Gerade eben hat Roland Berger mit Rocket Internet die Terra Numerata Initiative gestartet. Darüber hinaus kommen in den USA neue Player wie HourlyNerd auf den Markt.

      Auch ich habe ein Unternehmen gegründet. Die Newcoventure. Wir setzen da an, wo Sie den richtigen Trend im Beratungsgeschäft auch sehen. Die Newcoventure schafft mit einem Marktplatz Transparenz über die Qualität und die Spezialisierung von Beratern. Ziel soll nicht das Drücken der Preise sein. Vielmehr erhalten Berater die Möglichkeit, ihr Profil zu schärfen und eine eigenständige Marke aufzubauen. Ende April wird erfahren Sie mehr unter http://www.newcoventure.de

      Beste Grüße Frank Braun