Verantwortungsvoll versagt. Berlin-Marathon und Köln-Marathon. 2 in 1! Heute günstig!

Marathon macht Spaß! Auch am Schluss!

Marathon macht Spaß! Auch am Schluss!

Ich habe versagt und das gleich zwei mal. Ist nicht schlimm. Ich lache dennoch. Zumindest auf den offiziellen Fotos sowohl des Marathons in Berlin und Köln. Man sieht es mir also eigentlich nicht an. Gute Miene zum bösen Spiel? Nicht ganz, aber doch so ein wenig. Da ich die gute Miene immer dann gezeigt habe, wenn ich einen der offiziellen Fotografen am Rand entdeckte, verlasse ich mal für diesen Beitrag meine übliche Bildsprache oder Design-Konzept (Notiz an mich selbst: hochtrabende Worte verwenden für Mangel an guten Bildern oder wenigstens einer Bildidee) und setze ganz auf Fotos vom Köln-Marathon.

Was ist also schief gegangen? Ich war zu schnell. Das klingt zunächst gut, ist es aber im

Jubeln? Aber sicher doch!

Jubeln? Aber sicher doch!

Marathon nicht. Zumindest nicht, wenn es auf den ersten 20 Kilometern ist. Das Problem ist: Das merkt man nicht so recht. Das Training auf den Tag X hin, die Stimmung, die Sonne – man fühlt sich toll und denkt: Läuft doch!

Es ist der Kardinal-Anfängerfehler schlechthin: Zu schnell rennen am Anfang. Um das zu verhindern gibt es bei den großen Marathons meist Zug- und BREMS-Läufer, die eine Zielzeit laufen, die „garantiert“ wird. Wer dran bleibt, unterbietet die meist auf einem Ballon aufgeschriebene Zeit. 3:30,00 stand dieses Jahr beim Kölnmarathon auf meinem Ballon so wie die zwei Jahre zuvor auch. Vorletztes Jahr: Alles super. Letztes Jahr: Aufgabe gelöst, aber abgeschossen. 2015: Versagt. Und dann doch wieder nicht.

Doch zunächst zurück zum Berlin-Marathon. Ich wurde Opfer. Opfer meiner Ignoranz, meines falschen Ehrgeiz, meiner Bereitschaft klare Daten zugunsten des Wohlgefühls zu ignorieren – und Opfer des Pacemakers. Er war zu schnell. So im Groben etwa fünf Sekunden pro Kilometer schneller als nötig gewesen wäre für eine Zielzeit von etwa 3:14,29 Sekunden. Fünf Sekunden pro Kilometer – das klingt nach wenig, zumal wenn ein Kilometer etwa 4 Minuten und 30 Sekunden Zeit braucht. Ich hätte aber nur 4 Minuten 35 Sekunden laufen müssen für die gewünschte Zielzeit. An diesem Tag war das der eine Schnaps zuviel und irgendwann musste ich die Gruppe um den Ballon mit der 3:15 drauf ziehen lassen. Wie ich später erfuhr waren wir auf Kurs für 3 Stunden 12 Minuten.

Souverän wirken!

Souverän wirken!

WAS IST DA?

WAS IST DA?

Und hier kommt mein eigenes Versagen ins Spiel. Die Kilometerzeiten der Vorläufer habe ich gesehen und ignoriert (Fehler 1). Sie werden schon wissen, was sie tun (Fehler 2). Und von meiner Herzfrequenz habe ich mich nicht beeindrucken lassen (Fehler 3). Sie war zu früh zu hoch. Was tut man, wenn einem die Messergebnisse nicht gefallen? Man volkswagent sie, wie man nun in den USA sagen würde. Ich habe hingegen einfach den eh quälenden Brustgurt auf die Hüfte geschoben, wo er messen konnte, was er wollte (Fehler 4). Nur: Der Wahrheit kann weder Winterkorn noch der Marathonläufer entkommen. Statt in die Nähe meiner Bestzeit zu kommen, lag ich am Ende 13 Minuten drüber, alles erlaufen auf den letzten gut 18 Kilometern. Verantwortung hat der Pacemaker nicht so recht übernommen. Denn statt zu schnell zu laufen und sich zu feiern, wäre Besonnenheit sein Job gewesen. Schade.

Vergnüglich so ein Sonntag nachmittag beim Marathon!

Vergnüglich so ein Sonntag nachmittag beim Marathon!

Schwamm drüber.

Eine Woche später war schließlich Köln Marathon (Fehler 5) und ich nun meinerseits seit fast einem Jahr dafür eingetragen, als Ballonläufer die Zeit 3:30 zu übernehmen. Ich hätte das gleich ändern sollen (Fehler 6). Wie geschrieben: Zwei mal ist das gut gelungen. Dies mal nicht. Immerhin: Ich ahnte, dass es knapp werden würde. Als dann die Besprechung war und mein Partner für die 3:30, der sehr sympathische René Krieger vor mir stand, sagte ich ihm schon, dass ich eventuell nicht so fit bin, wie ich hoffte. Den Mut, vor versammelter Mannschaft zu sagen, dass ich lieber nur 3:45 laufen wollte, fand ich nicht (Fehler 7).

Hm. Doch nicht so schön, so ein Marathon?

Hm. Doch nicht so schön, so ein Marathon?

So nahm das Unheil seinen Lauf. Wir liefen los, alles lief so weit gut. Für die anderen. Ich musste schon mehr tun als vernünftig ist, um das Tempo souverän zu halten. Man soll ja auch locker wirken. Also lief ich weiter. Der Puls… Na, siehe oben. Erneut ignoriert (Fehler 8). Bei 25 Kilometern war mir klar: Das wird nichts (Auch mal was richtig gemacht!). Mein Partner René war noch kurz ins Dixieklo abgebogen, so lang lief ich vorweg. Bei Kilometer 29 fragte ich ihn, ob er allein die Truppe, die sich auf uns verließ und auf gewünschtem Kurs war, ins Ziel führen könne (Noch was richtig gemacht!). René ist an diesem Tag superfit, ein herausragender Läufer und sagte, dass es kein Problem sei. Die Matte bei Kilometer 30 nahm ich noch mit, dann verabschiedete mich, ließ den Ballon in den Himmel steigen und mir von einer Zuschauerin die Pace-Zeit, die auf dem Rückenschild stand, abnehmen. Ein trauriger Moment. So muss Besenwagen sein. Ein kleines DNF, wie Did Not Finish, der großen Sorge jedes Starters.

Es wäre gelogen zu sagen, dass ich nicht sauer, traurig und sicher war gescheitert zu sein. Versager.

Fünf Kilometer, vielleicht auch sieben schleppte ich mich dann so trödelnd durch Köln, nahm an den nächsten Getränkestationen mir die Zeit, den Jahresverbrauch Cola auf einmal zu trinken.

Hoppla. Erwischt. Marathon tut weh.

Hoppla. Erwischt. Marathon tut weh.

Es ging weiter und irgendwann war das Ziel ja auch nicht mehr weit und wieder tausende Zuschauer an der Strecke. Was bleibt schon? Kinderhände abklatschen, die Arme in die Luft reißen, La Ola machen – etwas, was die Zuschauer immer begeistert aufnehmen. Sie rufen einem zu: „Du schaffst es. Du siehst gut aus.“ Keiner kann ahnen, dass ich nichts geschafft hatte, mich mies fühlte. Und gut aussehen ist angesichts des Farbschemas Grün-Blau eh gelogen.

Aber dann, keine zwei Kilometer vor dem Ziel höre ich ein Keuchen neben mir, sehe eine Schülerin, die im letzten Staffelabschnitt kämpft. Einen weiteren Läufer, der Mühe hat. Meine Energie reicht wenigstens noch für ein paar flotte Sprüche, Aufmunterungen und Anfeuerungen. Ein paar Meter rückwärts laufen und die anderen motivieren. Was im großen an diesem Tag gescheitert ist: Im kleinen klappt es noch.

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Egal. Arme hoch!

Und dann lacht man auch wieder. Wozu den ganzen Lauf versauen? (Superrichtig gemacht!) Ich habe bis zu diesem Zeitpunkt so viele Fehler gemacht, nur einen einzigen nicht: Ich habe nicht auf Gedeih und Verderb versucht, das Tempo zu halten und wenig später komplett einzubrechen mit möglichen Risiken für die Gesundheit. Siehe dieses Interview: Es gibt mehrere Marathons aber nur ein Leben.

So weit ich es verantworten konnte, bin ich dabei geblieben und gewusst, dass denen, die auf uns setzten, nicht enttäuscht wurden. Versagt. Aber verantwortungsvoll versagt.

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Alle Kommentare [16]

  1. @Mark Wir waren aber mehrere Läufer mit 3:30-Ballons auf zwei Startblöcke verteilt.

  2. Irgendwie kann ich vor dem Köln-Marathon twitter usw. nicht genau verfolgt haben. Auf den ersten 10 Kilometern bin ich in Köln auch beim 3:30-Ballon gelaufen, aber ganz ohne zu ahnen, dass ich in der Nähe von Thorsten Firlus-Emmrich sein würde. Krass krass…

  3. @peter Da ich selber Pacemaker gemacht habe, kenne ich das Problem. Die Ansage des Veranstalters ist stets die gleiche: Nicht zu schnell, im Idealfall 30 Sekunden unterhalb der angegebenen Zeit. Eben genau, weil im Schatten des Pacemakers die laufen, die auf diese Zeit trainieren. Ich gehe davon aus, dass Sie Trainingssteuerung via Puls, Pace, etc. kennen, dass Pläne von Greif, Marquardt bis Steffny alle mit ziemlich exakten Angaben arbeiten, die dann auch ziemlich genau das Ergebnis ermöglichen – aber auch nicht viel mehr. Je schneller, desto weniger Luft. Will sagen: eine 2:59 zu laufen unterscheidet sich deutlich von einer einer 2:57 im Marathon, das werden Sie wissen. Das bedeutet, dass der Pacemaker davon ausgehen muss, dass er mehrheitlich Läufer hinter sich hat, die mit 3:14 bis 3:15 an dem Tag ihr Maximum erreichen. Marathon wird zwar am Ende entschieden, aber in der ersten Hälfte der Grundstein gelegt. Lesen Sie bitte dazu auch den Bericht von Anna Hahner aus Berlin. Als Einzelläufer können Sie das natürlich auch alles selber machen. Der Vorteil des Pacemakers liegt nun aber eigentlich genau darin, dass er ihnen diese Arbeit abnimmt. Sie müssen das Rennen nicht selber gestalten, das gibt Freiraum, sich auf das Laufen zu konzentrieren. Ich weiß, dass neben der Beschwerde, dass der Pacemaker die Zielzeit NICHT erreicht hat, die, dass er zu schnell im Ziel war, genauso häufig ist. Und die Einschätzung dass 3:12 gerade noch akzeptabel ist, teile ich eben genau nicht, genauso, wie ich eine 3:27 wenn es 3:30 sein sollen, nicht akzeptabel finde. Das deckt sich eben auch mit den Ansagen, die ich vom Köln-Marathon kenne und auch von anderen Pacemakern, mit denen ich gesprochen habe. In diesem Falle ist der Pacemaker – darüber hinaus – bis Kilometer 25 auch ohne Stopp durch alle Verpflegungsstationen durchgelaufen, ohne etwas zu trinken, sprich, alle die, die etwas gegriffen haben, mussten das wieder rauslaufen. Im Idealfall läuft ein Pacemaker konstant und keinen negativen aber schon gar nicht einen positiven Split. Darüber kann man streiten, aber ich sehe es so und es deckt sich mit all den Erfahrungen, die ich gemacht habe über die Jahre. Wenn der Ballonläufer mir gesagt hätte, dass er 3:12 anpeilt, wäre ich von Beginn an nicht mit ihm gelaufen. So einfach ist das eigentlich.

  4. bin aus Zufall auf den Bericht und die Kommentare gestoßen. Ich finde den Bericht sehr ehrlich und prima geschrieben. Ich kann nur nicht ganz nachvollziehen dem Pacemaker die Schuld zu geben weil er zu Beginn und dann den größten Teil der Strecke auf Kurs 3:12 war. Nicht jeder kann einen Marathon bis zum Ende in konstantem Tempo oder sogar im Negativ-Split laufen und dann tut es gut ein wenig Zeitpuffer zu haben am Ende, vielleicht auch für die Verpflegungsstellen wo es gegen Ende beim Läufer doch etwas langsamer wird. Also Kurs 3:12 h gerade noch akzeptabel für den Pacemaker und wenn das zu schnell für dich war dann mußt du eben allein dein Tempo laufen und versuchen dein Ziel zu erreichen

  5. Applaus.
    Applaus für die Ehrlichkeit und Selbstreflektion und Applaus dafür, dass in Köln nicht einfach der Kopf frustig zuging, sondern für die kleinen Rettungen am Ende, die anderen Großes bedeutet.

  6. @katrin Danke! 🙂 Den nächsten Marathon müsste ich dann folgerichtig in 4:00 laufen… :-))))

  7. @ruben Danke! Es freut mich, dass es Spaß zu lesen macht und etwas rüberbringt. 🙂

  8. Mensch Thorsten, danke für deine ehrlichen Worte. Entdecke mich in deinem Text vollkommen wieder. In Stuttgart beim Halbmarathon ging es mir dieses Jahr ebenso. Bis Kilometer 15 perfekt und danach hat es mich zusammengefaltet. Aber ja, 2016 wird alles besser! Ebenfalls mit mehr Stabi, Lauf-ABC, langen Einheiten – und verstärktem Schwimmen und Radfahren 🙂

    Und danke für deine erfrischenden Berichte!

  9. Kann dich sehr gut verstehen! Zwei Marathons in einer Woche sind natürlich nicht ohne, dann auch noch als pacer. Aber das ist auch die Faszination dieser Distanz: nicht immer klappt alles so, wie man sich das vorgestellt hat (also eher selten). Und du hast nicht alles falsch gemacht 🙂 in Berlin ging es mir ähnlich. Habe mich dann auch nicht auf Teufel komm‘ raus abgeschossen. LG Marek

  10. Du solltest viel mehr Marathons laufen und viel mehr Berichte schreiben.
    Es ist immer wieder sehr unterhaltsam.
    Glückwunsch zum Durchziehen.

  11. Danke, und 2016 muss dann mal auch was passieren. Mehr Stabi, etc. Lauf-ABC. Noch so ein Jahr brauche ich nicht.

  12. Aus den Fehlern sollte man jetzt wohl wirklich lernen 😉 auch wenn das einfacher gesagt als getan ist. Nach so einer schmerzhaften Erfahrungen kommt das aber ganz von alleine. Schade drum.

    Aber trotzdem am Ende alles richtig gemacht. Genau das zählt doch und beim nächsten Marathon klappt es bestimmt. Wenn man den Stolz etwas zur Seite schiebt und auch etwas die Vernunft mitlaufen lässt