2 Monate später – Norseman, ein Wettbewerb fürs Leben

Es ist Oktober und im Laufe des Monats öffnet erneut die Lotterie für einen der Startplätze zum Norseman 2019. Ich werde erneut meinen Hut in den Ring werfen. Das ist klar, trotz aller guten Gründe, die dagegen sprechen.

So klar war mir das nicht, als ich am Abend des 11.11.2017 kurz nach neun die Zusage erhielt und schlussendlich dieses Abenteuer am 4. August 2018 erfolgreich beendete.

Das Motto.

Beendete? Es sind nun zwei Monate her und der Wettbewerb ist geblieben. Er ist anders als alle anderen, die ich zuvor je absolviert habe. Ja, die erste Langdistanz war auch das – ein Einschnitt. Und auch der sogenannte Ironman-Blues, der sich bei vielen Athleten bei ihrem Debut einstellt, wo man über eine Zeit nicht so recht weiß, wohin mit sich – der war 2013 auch dabei.

Das ist beim Norseman nun gar nicht der Fall. Ich habe meine Saison 2019 im Prinzip schon durchgeplant und freue mich auf die Wettbewerbe, die bekannten, wie den neuen (Ironman Wales).

Und doch ist vieles anders als es vorher war. Kurz vor dem Wettbewerb posteten die Organisatoren ein Video mit einem älteren Herren, der von seiner ersten Teilnahme erzählte. Und er sagte: „I wasn’t prepared for the feelings afterwards.“

Und ich hatte mir Mühe gegeben, mich mit dem Wettbewerb auseinanderzusetzen, davor, dabei – und auch danach. Was genau mich erwartet, wusste ich aber auch nicht zu Beginn. Zwei Monate später sehe ich – etwas – klarer. Zunächst mal hat sich etwas nicht verändert, seit ich die Zusage bekam: Ich setze mich auf die eine oder andere Art jeden Tag damit auseinander. Mal ein kurzer Moment der Erinnerung, mal der Versuch, zu interpretieren, warum mich das so bewegt, dass ich fast schon das Gefühl habe, über nichts anderes mehr zu reden. Und folgerichtig meiner Umgebung gehörig auf die Nerven zu gehen.

Klar, Merchandise hilft, die Erinnerung aufrecht zu erhalten, die Posts in der Geschlossenen Facebookgruppe, wo die Teilnehmer erst ihre Fragen, nun ihre Erlebnisse teilen – das hält den Wettbewerb für den, der mag am Leben.

Auch von großen Störungen nicht aus der Ruhe bringen lassen.

Ich habe mich auch getäuscht. Meine Vermutung war, dass der dringende Wunsch, dort einmal zu starten, ein wenig „gelindert“ ist, wenn es einem einmal gelungen war. Und dass vermutlich eine zweite Teilnahme nie das gleiche tiefgehende Erlebnis sein kann, wie die erste – das werden wir abwarten müssen.

Fakt ist: Der Wunsch ist exakt genau so groß. Der Entschluss ist gefasst – solange ich körperlich mich dazu in der Lage sehe, werde ich meinen Namen in die Lotterie geben. Wenn der Veranstalter mir einen Platz gibt, ich werde ihn immer nehmen. Punkt.

Dazu wird es nicht kommen, das Losglück hat keiner. Darum geht es aber nicht. Auch das Enttäuschtwerden gehört dazu und ich selber gönne jedem, der diesen Wettbewerb in Betracht zieht, die Chance einmal teilzunehmen. Es können nicht alle, also muss wer zurückstecken.

In den vergangenen Wochen habe ich viel davon erzählt, es wurde viel gefragt. Und so langsam robbe ich mich an den Kern der Veranstaltung ran. Es wurde viel über das schwarze und das weiße Shirt gesprochen. Die Trennung führt in die Irre. Ja, das Ziel auf dem Berg finishen zu dürfen ist ein berechtigtes und es ist was besonderes. Aber es führt an der Idee des Wettbewerbs vorbei, es darauf zu reduzieren. Ich habe vor Ort praktisch niemanden gesehen am Tag des Gruppenfotos, der nicht in seinem weißen Finisher-Shirt strahlte – eben weil er oder sie zum einen etwas körperlich herausragendes geleistet hatte – aber eben auch, weil der die gleichen herausragenden Eigenschaften des Norseman zu spüren bekam, wie alle anderen auch.

True. Basic. Unique. Das sind die Schlagworte, auf den die Veranstalter dieses technisch so kleine und aufmerksamkeitstechnisch doch so große Event zusammenfassen.

Ich möchte hinzufügen: Humanity. Friendliness. Companionship. Camraderie. Humble.

Ich bin sicher, dass sich nahezu alle Teilnehmer bewusst sind, das dieser Wettbewerb nicht das Siegen in den Vordergrund stellt, sondern das Erleben. Bei allen sportlichen Zielen, die es gibt. Wer den offiziellen Film „Mother“ schaut, wird Szenen sehen, in denen Athleten sich abklatschen, Mut machen, anspornen – obwohl sie Konkurrenten sind.

Und jeder, auch und gerade der Sieger Allan Hovda, widmen diesem Wettbewerb in ihrer Vorbereitung eine besondere Aufmerksamkeit. Der Grund sind am Ende neben all den offensichtlichen und sichtbaren Faktoren wie Härte der Strecke und Schönheit der Natur die Menschen, die diesen Wettbewerb ins Leben gerufen haben und seine Idee eines auf das allernötigste beschränkte wilden Ritt durch die Unwirtlichkeiten der Natur pflegen.

Die Filme, die wohl jeder kennt, der sich für den Wettbewerb interessiert, transportieren diesen Geist – so auch der von diesem Jahr „Mother“ –  Anstrengung am Limit des Körpers für eine Erweiterung des Horizonts. Reduziert auf die allerwichtigsten Faktoren, um sich selbst herauszufordern.

Und das habe ich getan, und ich habe viel mitgenommen.

Wo Blüten, da auch auch Baumgrenze. Aber eben auch andersrum.

Ja, Ausdauersport hilft eh, sich bei mentalen Fragen zu stärken. Aber nach einigen auch negativen Erlebnissen, aus denen ich Erkenntnisse rauszog, hat der Norseman mir sicher einige Dinge mitgegeben, die mich zu einem anderen Menschen machen. Ob besser oder schlechter mögen dann bitte die Menschen um mich herum beurteilen.

Was also kann man mitnehmen? Freude, dass es Sport als Herausforderung gibt, und dennoch jeder ein Sieger sein kann. Ein extrem beruhigendes Gefühl. Ein Gespür für eine sehr positive Sicht der Dinge. Zuversicht, dass schon alles gut wird. Die überraschende Einsicht, dass man weit mehr schaffen kann als man sich selber zutraut. Die Bestätigung, dass man sich bei allen Sorgen und Ängsten zuvor, auf keinen Fall den Tag X durch sich selber versauen sollte und jede Sekunde als Privileg feiern, dass man so etwas überhaupt erleben darf.

Das alles löst kein einziges echtes Problem im Alltag – wohl aber den Umgang damit.

Und selbstverständlich betrachte ich sportliche Wettbewerbe nun anders. Nicht, dass ich denke, mit dem Norseman die größte Herausforderung geschafft zu haben und alles andere verblasse eh dagegen (tut es nicht und das ist faktisch falsch). Wohl aber der Optimismus auch eine sehr sehr sehr anstrengende Aufgabe bewältigen zu können.

Und ich bin sicher, dass sich das alles wiederholen ließe. Und deswegen werde ich – wenn man mich lässt – dort immer starten.

 

 

 

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Alle Kommentare [1]

  1. Ich betreibe auch Triathlon, allerdings die kurzen (olympische Distanz) Rennen. Der Norseman ist auf jeden Fall ein spannendes Ziel. Ich muss mich allerdings selbst noch hoacharbeiten. Eine Mitteldistanz kann ich mir vorstellen, aber eine Langdistanz, dann noch unter so extremen Bedingungen wie der Norseman, den kann ich mir noch nicht vorstellen. Und solange ich es nicht für möglich halte, schafft man es nicht.