Mit dem Rad zur Arbeit. Vom Logistikterror.

„Dich erkennt man auch von weitem gut“, sagte die geschätzte Kollegin mittags im Aufzug und meinte damit nicht den neonfarbenen Sticker auf dem Buchpaket, das ich im Arm hielt, sondern meine noch neonfarbenere Jacke. Ich hatte einfach keine andere, also trug ich die schreiend warnende Radfahrjacke zur Jeans.

Logistik.

Rad ja, Treppe nein.

Rad ja, Treppe nein.

Logistik ist das eigentliche und größte Problem an der Fahrt mit dem Fahrrad zur Arbeit. Zumindest im Winter und bei einer entsprechenden Strecke. Ein, zwei Kilometer oder auch fünf mögen in normaler Kleidung gehen, vielleicht gar im Anzug. Bei mehr als zehn, gar zwanzig oder in meinem Falle gut 30 sieht die Sache anders aus. Dann heißt es: Radklamotten an- und im Büro umziehen. Das klingt nicht nur nach Sportumkleide, das ist dann auch so. Im Sommer: Geschenkt. Kurze Hose und ein kurzes Shirt. Im Winter: Überschuhe, Handschuhe, langes Trikot, Mütze, lange Jacke. Bis alles vorbereitet und angezogen ist  von Trinkflasche bis Rucksack drückt sicher die Blase. Gehen Sie zurück auf Los, ziehen Sie keine….

Im Büro angekommen: Alles ausziehen und mehr oder minder frisch in die normale Kleidung steigen.Die ja auch da sein muss. (Zum Thema Duschen habe ich mich bereits hier geoutet.) Also entweder habe ich die Klamotten im Gepäck gehabt oder dort tags zuvor schon deponiert. Und ein Teil fehlt eigentlich immer. Bislang musste ich zum glück morgens erst ein einziges Mal eine Jeans kaufen, um tags nicht in Radlerhose im Büro zu sitzen. Dass der Bücherschrank teils ein Schuhschrank ist: Selbstredend.

Dazu kommen die Fragen nach der Beleuchtung, sind auch alle Akkus aufgeladen, die Reifen aufgepumpt, schleifen die Klemmschutzbleche. Und, und, und. Eine Checkliste, die gefühlt so lang ist wie die eines Piloten.

Die Kollegin hat mich dann aber doch bei einer  Nachlässigkeit beim Packen erwischt, die Jacke, um mittags auf die Straße zu gehen ohne wie ein Leuchtfeuer zu blinken. Es darf also gerne bald Sommer werden. Dann muss ich nicht mehr so auffällig leuchten.

Was spricht für den Aufwand? Für die Überwindung des Schweinehunds das ganze Kram zu organisieren, um dann im Gegenwind so langsam zu spüren, wie die Puste ausgeht?

Zum einen das gute Gefühl, etwas für sich getan zu haben. Für alle ambitionierten Hobbysportler – und für mich gilt zumindest der Anspruch – Training. Und: Kein Ärger mehr über Bahnen, verstopfte Straßen, dafür im besten Falle Sonne, Luft und Tiere entlang des Weges. Natürlich: Auch hässliche Situationen, in denen die volle Aufmerksamkeit gefordert ist. Es ist Straßenverkehr, keine abgesperrte Trainingsstrecke und im Winter rechnen noch weniger Autofahrer als eh schon mit Radfahrern jenseits von Geschwindigkeiten von 25km/h. Es gibt sie aber. Und sie tragen Neongelb.

 

 

 

 

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Alle Kommentare [9]

  1. Hallo ihr lieben,
    es ist mittlerweile wirklich schwer geworden die Fahrräder gut zu verstauen. Letztendlich wird das groß zur Herausforderung weil man weder jemandem im Weg sein möchte, noch, dass das Fahrrad geklaut wird. Wo darf man es also hinnehmen?
    Ich hab schon so viele Menschen aus dem Fahrstuhl kommen sehen mit dem Fahrrad hochkant. Aber wo sie es dann abstellen im Büro weiß ich auch nicht.. Mir wurde bis jetzt schon das zweite Fahrrad gestohlen, weil ich es draußen stehen lassen MUSSTE

  2. Ich fahre täglich mit dem Fahrrad zur Arbeit. Hier schlage ich nämlich gleich zwei Fliegen mit einer Klappe: Ich spare mir den Sport und bin direkt fit am Arbeitsplatz. Das freut meinen Chef. Außerdem bekommen wir einen Bonus von 50 Euro brutto, wenn wir mit dem Rad zur Arbeit kommen. Vitalität zahlt sich aus!

  3. @Bachka – ich ziehe mich tatsächlich in der Toilette um. Hilft ja nix.

  4. gute Artikel! ich fahre auch jeden Tag >24-28 km zur Arbeit pro Tag. Keine Dusche, keine Möglichkeit sich umzuziehen. Arbeite gerade an eine Lösung …

  5. Auf gehts .. solche Beitraege motivieren – fahre selbst mittlerweile fast tàglich zur Arbeit. 26km hin 26km zurueck – genial.
    gruesse

  6. Das kenne ich nur zu gut. Sehr schöne Beschreibung meiner täglichen Probleme. Ich fahre allerdings mit einem sportlichen Treckingrad und bleibe üblicherweise im Bereich zwischen 22 und 30 Km/h – dafür kein Stress mit Beleuchtung und immer eine wasserdichte Satteltasche dabei für das eine oder andere Logistikproblem. Das mit der Jacke passiert mir auch regelmäßig im Winter – hier habe ich folgende Lösung gefunden: Schwarze Gore Jacke und darüber eine neon Weste, die dann in der Mittagspause im Schrank bleiben kann. Gute Sportunterwäsche ersetzt die Dusche, weil kein Schweiß auf der Haut bleibt. Trotzdem vermisse ich diese am Arbeitsplatz, denn dann könnte man etwas sportlicher hinfahren. Neben allen Vorzügen wie oben beschrieben, bin ich auch drei mal in drei Jahren auf dem Radweg von Autos an- oder überfahren worden. Fahre seitdem meistens auf der Straße – seitdem keinen Unfall mehr. Gute Fahrt weiterhin.

  7. Ich fahre 30. Eine Strecke. Da es auch Teil meines Trainings ist, habe ich gerne so wenig Ballast wie möglich.

  8. Fahre täglich mit dem Rad zur Arbeit (9km). Das Auto hat meine Frau, wir sparen uns den Zweitwagen. Duschen auf der Arbeit, Arbeitsklamotten an und fertig. Auf der Heimfahrt dann hin und wieder eine Zusatzschleife als Trainingsrunde. Wo ist das Problem?

  9. Bei mir hängt grundsätzlich ein Anzug im Büro und Schuhe ebenfalls. Hemden aus der Wäscherei bleiben ab März grundsätzlich am Arbeitsplatz. Eine Sporttasche mit Klamotten fürs Studio und Laufschuhen ist hier im Schrank. Dazu habe ich mir zu Hause Checklisten für diverse Ereignisse geschrieben (#bike2work, Laufwettkampf, Volleyball). Allerdings kann ich hier duschen