Die wertvollen Erfahrungen der Gescheiterten – Gastbeitrag von Unternehmensberater Georg Kraus

Wer als Unternehmer scheitert, wird als Loser abgestempelt. Wer im Unternehmen ein Projekt gegen die Wand fährt, muss mit einem Karriere-Knick rechnen. Deshalb fällt es vielen Menschen schwer, einzugestehen: Ich bin auf dem Holzweg. Unternehmensberater Georg Kraus von Kraus & Partner – zu seinen Referenzkunden zählen Adidas, Würth oder die Hypovereinsbank – plädiert für ein Umdenken. Oder besser: Genaues Hinsehen, denn auch misslungene Vorhaben liefern wertvolle Erfahrungen. Ein Gastbeitrag. 

 

Georg Kraus

Unternehmensberater Georg Kraus von der Unternehmensberatung Kraus & Partner

Jedes Jahr werden in Deutsch­land circa 300.000 Unternehmungen gegründet, also mehr als 800 pro Tag. Erfolg hat aber nur jedes Zehnte. Das heißt: Für 270.000 Jungunternehmer und Selbstständige ist das Scheitern schon program­miert.  

Und wenn sie scheitern? Sind die Gescheiterten dann stolz auf diese Erfahrung? Erzählen sie anderen davon, lecken ihre Wunden und starten gereift und gestärkt neu durch? Eher selten. Wer in Deutschland scheitert, schweigt. Denn Scheitern erzeugt im besten Fall Mitleid, und im schlimmsten Fall ist der Misserfolg ein Brandmal.

 

 

Fuckup-Nights: Über Scheitern sprechen, befreit

Doch seit zwei, drei Jahren gibt es einen Trend, der mit diesem Tabu bricht. Die Mexikanerin Leticia Gasca hatte die Geschäftsidee, Kunsthandwerk übers Internet zu verkaufen. Die Umsetzung scheiterte. Zunächst hatte die junge Unternehmerin Hemmungen hierüber zu sprechen. Doch dann erzählte sie Freunden von ihrem Scheitern und merkte, wie wichtig es für sie war, diese Erfahrung zu teilen. So entstand die Idee von FuckUp-Nights – Treffen, bei denen Menschen, Geschichten von ihrem Scheitern erzählen. Immer mehr Personen kamen. Denn die Frauen und Männer, die offen über ihr Scheitern sprachen, erlebten dies als eine Katharsis. Sie wur­den wieder frei von Scham, Angst und Selbstverurteilung. Frei für den nächsten Versuch und Start.

 

Die Schockstarre abstreifen 

Inzwischen finden in zahlreichen Großstädten diese Loser-Treffen regelmäßig statt: Storytelling, um das Erlebte zu verarbeiten und Misserfolge salonfähig zu machen. Das ist eine wirksame Medizin, um die Schockstarre abzustreifen – und wieder aufzustehen.

 

Aus Angst, zu scheitern, gar nicht erst Risiken eingehen  

Solche Runden sind nötig – auch in Unternehmen. Denn viele Führungskräfte und Projekt-Manager, aber auch Mitarbeiter, die operative Verantwortung tragen, scheuen sich, Risi­ken einzugehen. Aus Angst zu scheitern, am Pranger zu stehen und das Stigma Loser auf der Stirn zu tragen.

Jedoch: Wer soll in der Gesellschaft, in den Unternehmen noch herausfordernde Aufgaben übernehmen und risikobehaftete Zukunfts-Entscheidungen treffen, wenn die Kultur toleriert wird, die das Scheitern verurteilt?

Was wird dann aus dem Unternehmergeist, der Entdeckerfreude, dem Veränderungswillen, der Gesellschaft und Unternehmen voran treibt?

 

Thomas Edison, der Erfinder der Glühbirne, erhob das Fehler-Machen und Scheitern zum Prinzip. Als ein Mitarbeiter von ihm nach dem tausendsten Versuch, eine marktreife Glühbirne zu entwickeln, sagte „Wir sind gescheitert“, soll Edison erwidert haben: „Ich bin nicht gescheitert. Ich kenne jetzt 1000 Wege, wie man keine Glühbirne baut.“

 

Nur wer Misserfolge erlebt, hat viel wertvolle Erfahrung

Dieses Denken fehlt hierzulande. Es wird übersehen, wie wertvoll die Erfahrungen sein können, die Menschen bei Misserfolgen sammeln. Dabei heben sie den Reifegrad und verbessern die Performance bei den nachfolgenden Versuchen – wenn die Erfahrungen reflektiert und verar­beitet werden.

 

 

Damals, als ich mein Projekt krachend vor die Wand fuhr

Wer gescheitert ist, bekommen selten eine zweite Chance. Vielleicht sollte es auch in Unternehmen FuckUp-Nights geben, in denen Mitarbeiter freimütig berichten, wie sie zum Beispiel ein Projekt krachend gegen die Wand fuhren oder eine Auftragschance so richtig vergeigten.

Das würde außer ihren Köpfen auch die Köpfe vieler ihrer Kollegen wieder freier machen, die in der ständigen Angst leben: „Das darf mir nicht passieren, sonst…“. Vermutlich würden solche Meetings einen Beitrag leisten dazu, dass Fehler als Chance gesehen werden und Personen, die auf dem Holzweg sind oder waren, sich und anderen eingestehen können: „Das ist zwar dumm gelaufen, doch ich habe daraus viel gelernt.“

 

Gescheiterte Projekte = Karriere-Aus

In vielen Unternehmen bedeutet zum Beispiel ein gescheitertes Projekt noch das Karriere-Aus. Also wird das sich abzeichnende Scheitern so lange verschwiegen bis die Fehlentwicklung zum Himmel stinkt.

Und bewirbt sich ein gescheiterter Selbstständiger bei Unternehmen? Dann fassen ihn diese, wenn überhaupt, mit Glacéhandschuhen an. Sollten solche Bewerber nich tviel mehr einen Bonus bekommen? Haben sie doch Eigeninitiative bewiesen und wissen, wie man gewisse Dinge nicht machen sollte, um erfolgreich zu sein.

 

Gezielte Fragen für Personaler

Eigentlich sollten die Personalverantwortlichen in den Unternehmen Bewerber, die sich für eine Position bewerben, die viel Eigeninitiative und -verantwortung erfordert, in Vorstellungsge­sprächen stets fragen:

  • „Sind Sie in Ihrem Berufs-Leben schon mal so richtig ge­scheitert?“. Und:
  • „Was haben Sie daraus gelernt?“.
  • Und wenn auf die erste Frage nichts kommt? Dann sollten sie sich ernsthaft fragen: Ist das der richtige Mitarbeiter für uns? Denn dann hat der Bewerber für seine künftige Position sehr wichtige Erfahrungen noch nicht gemacht. Oder er hat sie verdrängt. Oder er lügt. In allen drei Fällen ist er wohl nicht der Richtige.

 

Zum Autor: Kraus ist neben seiner Tätigkeit als Unternehmensberater auch Lehrbeauftragter an der Universität Karlsruhe, der IAE in Aix-en-provence, der St. Gallener Business-School und der Technischen Universität Clausthal.

 

 

 

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