Der böse Versandhandelskunde – er will die Katze im Sack nicht behalten

Ich verstehe die Überraschung nicht – und noch weniger das Entsetzen: Nicht jeder, der in ein Geschäft geht und sich ein Produkt  ansieht, kauft es auch. Man denke nur an Schuh-Kauf. Wieviele Paar probiert man dabei schon mal an, ehe man das richtige findet. Ebensowenig kauft jeder auch die Jeans, die er im Laden anprobiert. Vielleicht, weil sie ihm nicht passt. Oder nicht steht. Oder angezogen anders aussieht als vorgestellt. Oder weil sie ihm, dann angesichts der Ware, dann doch zu teuer erscheint gemessen an der gebotenen Qualität.

Man müsste mal die Zahl erforschen: Wieviele Kunden von denen, die in einen Laden kommen, kaufen auch? Bevor man Online-Besteller stigmatisiert, als Betrüger hinstellt und als komische Verräter.

Erst dann kann man sich entrüsten, dass Online-Besteller doch tatsächlich auch Ware zurücksenden.

Eben weil sie zu schön fotografiert wurde und in Realität dannn doch viel billiger aussieht. Oder nicht jedem so gut steht, wie dem Modell. Oder noch viel banaler: Weil der Hersteller den Deutsche die italienienische 42 als deutsche 42 anzudrehen versucht. An der Stelle übrigens mal ein Kompliment für H&M, dessen Grössen zuverlässig sind wie von kaum einem anderen Versender.

Und auch bei H&M kommt es vor, dass man als treuer Kunde Dinge zurück schickt: nicht weil man so böswillig ist oder ein Teil heimlich schon mal bei einer Party ausgeführt hat, sondern weil man gute Gründe hat, es nicht kaufen zu wollen. Und zwar nicht von vornherein, sondern wenn man die Ware anprobiert hat oder den Stoff bei Tageslicht sieht und ohne tolle Ausleuchtung an einem bildhübschen Mannequin.

http://www.handelsblatt.com/unternehmen/handel-dienstleister/e-commerce-verflixte-retouren/9752122.html

Wenn die Versand-Händler

a) die Ware realistisch beschreiben und abbilden würden und

b) sich an die Größen im jeweiligen Land hielten,

könnten sie ihre Retourenquoten sicher schon erheblich reduzieren.

Oder glauben Sie tatsächlich, es macht Versandhandelskunden Spaß, die Sachen – auf die man sich gefreut hatte – wieder mühsam einpacken und zurück tragen zu müssen zum Hermes-Shop in seiner knapp bemessenen Freizeit (oder noch schlimmer, zur Post mit Schlange-Stehen für DHL)? Um dann zu kontrollieren, ob der gezahlte Betrag auch tatsächlich zurückgebucht wird?

Der Punkt ist doch: Wer bemeckert, dass es Retouren gibt, sollte erst einmal gegenrechnen, wieviel er an Kosten für einen Laden in teurer City-Lauflage spart, für Schaufensterdekoration, für kompetentes Beratungspersonal undundund.

Erst dann lässt sich eine Rechnung aufmachen über die bösen bösen Kunden, die nicht alles kaufen, was ihnen der Händler ins Haus schickt.

Und wer permanent fast alles zurück schickt oder auffällt, weil er die Plüdden erst einmal ausführt und dann verschwitzt und befleckt zurück schickt, den können die jeweiligen Händler doch beschliessen, nicht mehr zu beliefern. Und dann schimpfen, dass „Hochretournierer Renditekiller sind“, wie Jean-Marc Noël, Geschäftsführer von Trusted Shops sagt. Und die Kundenkonten der Betroffenen zu schliessen. Angeblich 900 000 Onlineshopper, also zwei Prozent in 2013.

Aber vielleicht sollten diese Versender mal checken,

a) ob ihre Größenangaben zu deutschen Größen passen

und

b) ob sie selbst erst mal versuchen, die Versandhandelskunden zu betuppen durch allzu schöne Fotos der Waren, klitzekleine – aber entscheidende – Ungenauigkeiten bei den Beschreibungstexten oder einfach

c) unzureichende Beschreibungen?

Ich wette, dann würden viele ach so beklagte Retouren unnötig – zur Freude aller Beteiligten.

PS: Und man sollte vielleicht doch im Call-Center am Telefon Leute haben, die nicht nur bescheid wissen über Größenangaben und das Warensortiment. Sondern auch nicht noch zu Mehr-Bestellungen ermuntern durch Sätze wie: „Ach bestellen Sie doch gleich beide Größen.“ Wenn sie selbst nicht beantworten kann, ob die 40 eine 40 ist oder doch eher wie eine 38 ausfällt.

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