Boni bringen nur Unheil, Unternehmen sollten sie abschaffen – Gastkommentar von Ulrich Goldschmidt

Unternehmen in der Bonus-Falle – sie sollten rasch die individuelle Korrumpierung lassen. Gastkommentar von Ulrich Goldschmidt, Vorstandsvorsitzender vom Berufsverband DFK – Die Führungskräfte

 

Ulrich Goldschmidt; Vorstandsvorsitzender des Verbands Die Führungskräfte (Foto: DFK)

 

Kein Fußballclub könnte sich das leisten, was die Deutsche Bank bringt

Stellen Sie sich bitte für einen Moment einen Fußballclub vor, der seit Jahren im Bundesliga-Präkariat vor sich hin dümpelt und regelmäßig gegen den Abstieg kämpft. Spiele um Meisterschaften und Pokale kennen die Fans nur noch aus Erzählungen ihrer Großväter und von den Anhängern anderer Vereine. Und dieser Club verkündet nun auf der Mitgliederversammlung, man werde jetzt die Eintrittspreise erhöhen, um den zwar erfolglosen aber, davon sei man überzeugt, hochtalentierten Spielern motivierende Boni in Millionenhöhe zu zahlen. Diese Boni seien nämlich notwendig, weil ansonsten die Spieler nicht mehr motiviert seien und allesamt zu den Top-Clubs Europas nach Madrid, Barcelona, Manchester oder Paris abwandern würden.

Sie meinen, jetzt sei die Phantasie mit mir aber gewaltig durchgegangen? Zugegeben, im Profifußball dürfte das ein eher ungewöhnliches, wenn auch nicht völlig ausgeschlossenes Verhalten sein. In vielen unserer Unternehmen aber ist der Glaube an die motivierende Kraft des Geldes ungebrochen.

Seit Jahrzehnten verkünden sie das Mantra, Top-Management und Mitarbeiter könne man mit Geld motivieren und halten. Vor wenigen Tagen erst war es die Deutsche Bank, die zunächst einen gewaltigen Verlust von einer halben Milliarde Euro verkünden musste, dann aber nachschob, dass es in dieser Situation unerlässlich sei, ausgewählten Mitarbeitern Boni von insgesamt einer runden Milliarde Euro zu zahlen. Und zwar exakt mit den Argumenten: Mitarbeiterbindung und Mitarbeitermotivation. http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/deutsche-bank-verteidigt-boni-erhoehung-a-1187072.html

 

Individualboni können extrem viel Unheil anrichten – und demotivieren

Es hat gute Gründe, warum sich immer mehr Unternehmen von individuellen Boni auf der Basis persönlicher Zielvereinbarungen verabschieden. So langsam setzt sich bei den ersten Unternehmen die Erkenntnis durch, dass man mit Individualboni extrem viel Unheil anrichten kann. Man kann mit ihnen nicht motivieren, sie sind aber das perfekte Instrument zur Demotivierung und im schlimmsten Fall zur Korrumpierung von Mitarbeitern. Die Unternehmen sind am Ende in der Boni-Falle gefangen, die sie selbst aufgestellt haben.

 

Unfrieden programmieren, der Willkür Vorschub leisten

Es ist erstaunlich, dass noch immer Arbeitgeber an solchen Boni-Systemen festhalten, obwohl sie damit sehenden Auges die Saat verteilen, mit der Unfrieden im Unternehmen programmiert ist. Regelmäßig äußern sich Mitarbeiter kritisch über diese Vergütungsmodelle. Sie fühlen sich ungerecht behandelt, immer bekommt man die schwierigsten Ziele aufs Auge gedrückt, und der eigene Chef ist natürlich der, der bei der Zielerreichung besonders scharf ist und die Messlatte höher hängt als bei allen anderen Kollegen. Weil zu oft die Ziele nicht mal messbar sind, keimt der Verdacht auf, es gehe ohnehin nur willkürlich zu.

 

Die Dressur: Ohne Boni gar keine Leistung

Diese Basis-Unzufriedenheit mit dem System zieht aber weitere Folgen nach sich, die noch viel dramatischer ausfallen können. So gibt es den Effekt, dass Mitarbeiter über die Kombination von individueller Zielvereinbarung und Gehaltsbonus regelrecht darauf dressiert werden, sie könnten überhaupt nur bei Anwendung von Zielvereinbarung und Bonus Leistung erbringen.

Hochmotivierte und loyale Mitarbeiter aber demotiviert dieses System. Sie empfinden es als Missachtung und Ausdruck von Misstrauen gegenüber ihrer Leistungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit.

 

Persönliche Boni werden manchen wichtiger als Unternehmensziele

Bei anderen wiederum tritt eine Fixierung auf die Zielvereinbarung ein, die auch als „Fünf-Jahres-Plan-Symptom“ nach sozialistischem Muster bekannt ist. Hier schlägt die Stunde der Selbstoptimierer. Mit Abschluss der Zielvereinbarung konzentrieren sich diese Selbstoptimierer darauf, die persönlichen Ziele zu erreichen, denn dafür hat der Arbeitgeber Geld versprochen. Andere Aufgaben, die Mitarbeit in Teams und selbst der Kern der übertragenen Funktion müssen dann zurückstehen. Führungskräfte, die in solchen Fällen eingreifen wollen, müssen sich anhören, dass doch genau dieses Verhalten vom Arbeitgeber gewünscht werde. Ansonsten hätte man doch keine persönlichen Ziele vereinbart, die jetzt auch erreicht werden müssten.

 

Die Nötigung: Ohne Boni-Erhöhung keine Leistungsmotivation

Die Steigerung dieser bereits zu erkennenden Korrumpierung der Mitarbeiter fällt dann in die Kategorie „Selbstoptimierung für Fortgeschrittene“. Unverfroren wird hier dem Arbeitgeber deutlich gemacht, dass man den Gedanken der motivierenden Wirkung von Boni gern aufgreife. Nach einer sorgfältigen Selbstüberprüfung habe man aber feststellen müssen, dass die bisherige Größenordnung des Bonus nicht geeignet sei, die eigene Motivationslage hinreichend zu beflügeln.

Sollte der Arbeitgeber bereit sein, beim Bonus spürbar nachzubessern, werde man aber gern noch einmal in sich gehen und schauen, ob sich bei der Motivation etwas im messbaren Bereich verändert habe. Für alle Fälle habe man aber seine Marktlage einmal gecheckt, was man den Arbeitgeber der Fairness halber hiermit wissen lasse. Und – wenig überraschend – würden da draußen schon mehrere Unternehmen auf ihn warten.

 

Der Vorwurf geht an die Unternehmen

Nun könnte man es sich einfach machen und den Philosophen Baruch de Spinoza mit dem Satz „Begierde ist des Menschen Wesen selbst“ zitieren. Aber hier muss man einfach den Unternehmen selbst den Vorwurf machen, dass sie durch Programme wie „Wir zahlen Boni zu Motivationszwecken und zur Mitarbeiterbindung“ genau dieses Verhalten provozieren.

Sicher nicht vorsätzlich und gewiss nicht flächendeckend. Aber wenn die ersten mit ihren Versuchen durchkommen, findet das schnell Nachahmer und es wird irgendwann normal, dem Arbeitgeber mit mangelnder Motivation und Abwanderung zu drohen, falls dieser nicht den Forderungen nach mehr Geld nachkommt. Der Versuch, mit Geld führen zu wollen, führt exakt in diese Falle und ist ein völlig falsches Führungssignal.

 

Weg mit den individuellen Boni!

Um es deutlich zu sagen: Mit der Kombi aus persönlichen Zielvereinbarungen und Boni korrumpieren Unternehmen Mitarbeiter. Vielleicht ungewollt und gewiss nicht jeden. Aber die negativen Effekte sind allenthalben spürbar. Es gibt nur einen Weg aus dieser Boni-Falle. Weg mit individuellen Boni! Die Leistung eines Mitarbeiters kann über ein angemessenes und faires Festgehalt honoriert und bei Bedarf weiterentwickelt werden.

Einen Bonus kann dann die Firma in Abhängigkeit vom Unternehmenserfolg zahlen, wenn dieser transparent und für den Mitarbeiter nachvollziehbar festgestellt werden kann.

 

Besser: Wertschätzende Prämien

Aus besonderem Anlass und bei herausragenden Leistungen könnte der Arbeitgeber außerdem zeitnah dem Mitarbeiter ein Prämie gewähren, dies sollte er aber immer mit einer ausführlichen Begründung und Würdigung der Leistung verbinden. Dieser Weg ist motivierend, weil wertschätzend.
Mitarbeiter, die daran festhalten, dass man sie vorrangig mit Geld motivieren könne, muss man dann konsequenterweise gehen lassen oder besser noch, ihnen nahelegen, sich doch vielleicht bei einem anderen Arbeitgeber motivieren zu lassen und sich dort beruflich zu entfalten.

 

Mitarbeiter, die Boni fordern, sollten keinesfalls Leute führen dürfen

Auf keinen Fall darf man solchen Mitarbeitern aber eine Führungsaufgabe übertragen. Die Gefahr, dass sie ihre fehlgeleiteten Vorstellungen von Mitarbeitermotivation in Führung umsetzen, ist einfach zu groß. Das Motto muss lauten: Keine Chance den Selbstoptimierern. Denn diese sind oft das faule Obst im Korb, das die gesamte Ernte verdirbt.

 

Wer Boni-Besessenen nachgibt, wird als Arbeitgeber unglaubwürdig

Den Selbstoptimierern nachzugeben, macht erpressbar und schadet der Glaubwürdigkeit des Arbeitgebers gegenüber den anderen Mitarbeitern. Und am Ende sind die Probleme noch viel größer als ein zu hoch ausgefallener Bonus. Ich hoffe, dass sich diese Erkenntnis auch bei den Bewahrern veralteter Führungsinstrumente, wie wir sie jetzt gerade wieder bei der Deutschen Bank sehen, durchsetzt.

 

 

Weitere Links:

Boni-Ziele: Vielleicht sollte man die Ziele der Boni transparent machen – auch bei der Deutschen Bank



 

 

 

 

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