CNN-Moderator Richard Quest exklusiv vom WEF: Davos erwartet den Disrupter-in-Chief

Davos erwartet den „Disrupter-in-Chief“

Exklusiv: Gastbeitrag von Richard Quest, Wirtschaftsmoderator und Anchorman von CNN zum Weltwirtschaftsforum in Davos

 

Davos 2018 (Foto: CNN International)

 

Es ist wieder Ende Januar und für einige von uns kann dies nur eines bedeuten: Das Weltwirtschaftsforum steht vor der Tür. Aber auch wenn die Routine vertraut sein mag, handelt es sich nicht um einen gewöhnlichen Januar für Davos. Der amerikanische Präsident Donald Trump kündigte vor einigen Wochen an, dass er das Weltwirtschaftsforum besuchen wolle und plötzlich nahm das jährliche Ereignis eine neue Dimension an.

„Die Schaffung einer gemeinsamen Zukunft in einer fragmentierten Welt“ – so lautet das Thema des Forums in diesem Jahr. Wenn der Ehrengast offenkundig eine Schlüsselrolle bei der Spaltung dieser Welt gespielt hat, wird die Ironie in diesem Fall nur Wenigen entgehen.

 

Zwölf Monate später…

Es ist jedoch nicht das erste Jahr, in dem der Einfluss von Donald Trump in Davos spürbar wird. Das Weltwirtschaftsforum fand 2017 zeitgleich mit seiner Amtseinführung statt. Viele führende Persönlichkeiten sind nicht angereist. Die Diskussionen fühlten sich flach und nüchtern an. Ein Grund dafür lag in der schwierigen Vorhersage, wie die Welt in der neuen Trump-Ära aussehen würde. Zwölf Monate später blickt die Welt wieder auf die Schweizer Bergstadt und die Diskussionen könnten hitziger kaum sein.

Trump wurde von vielen gewählt, um all das zu zerrütten, wofür das Weltwirtschaftsforum steht. Für seine treusten Anhänger ist Davos der ummauerte Garten der geldgetränkten Macht, der erhabene Sitz der selbstsüchtigen Elite, den sie liebend gerne in Flammen sehen würden. Die Aussicht, dass ihr Held – mit einer Fackel gerüstet – am Freitag in diese Arena stolziert und die Delegierten zur Rechenschaft zieht, muss ihnen wohl das Wasser im Munde zusammenlaufen lassen.

 

Richard Quest (CNN International)

 

 

Die Verachtung des US-Präsidenten für Davos

Der Präsident hat auf seinem bisherigen Weg in vielerlei Hinsicht auf Worte Taten folgen lassen mit einer Verachtung für vieles, wofür Davos steht. Der Rückzug aus der Trans-Pazifischen Partnerschaft; die Drohung, aus der NAFTA auszutreten; das Anstacheln Nordkoreas; Drohgesten gegenüber allen, die seine Jerusalem-Entscheidung missbilligten; und die Beschreibung afrikanischer Nationen in vulgären, abschätzigen Worten. Er hat das Regelwerk für Präsidenten in Stücke gerissen. Davos wird seine Ehrenrunde werden. Trump wird die Gelegenheit ergreifen, seine „America First“-Agenda zu bekräftigen und den Schwarzmalern seinen Erfolg unter die Nase zu reiben.

Auf der anderen Seite wird sich der Präsident dann genau dort befinden, wo er sich am wohlsten fühlt. Schließlich handelt es sich bei ihm um einen Milliardär, der von Geburt an gut betucht war und es gewohnt ist, Geschäfte mit Wirtschaftsführern, Politikern und Interessengruppen zu tätigen. Er feuert die Börse an und bereitet den Konzernen große Freude. Es gibt schlicht und einfach keinen Ort auf der Erde, an dem ein solches Zusammentreffen dieser Typen existiert. In den Plüschteppichen des Kongresszentrums von Davos mag er durchaus genau in seinem Element sein.

 

Wenn der Zirkus drum herum wichtiger wird als das Forum selbst

Das Weltwirtschaftsforum ist eine leichte Zielscheibe für Kritik. In den 47 Jahren seit der Gründung könnte man durchaus erwarten, dass der Beitrag zu einer besseren Welt deutlicher ausfallen würde. Vor allem im letzten Jahrzehnt wurde die ursprüngliche Zielsetzung in den Hintergrund gedrängt. Die Weltverbesserung ist ein nobles Ziel. Doch der Zirkus rund um die Reden und Plenarsitzungen in den Chalets und Fünf-Sterne-Hotels der pittoresken Stadt erscheint manchmal wichtiger als das Forum selbst.

 

Kaum Auswirkungen auf die realen Probleme: Arme, Frauen und die Umwelt

Fakt ist jedoch, dass die Reichen immer reicher werden, während die Armen auf der Strecke bleiben. Frauen sind nach wie vor in den Führungsetagen unterrepräsentiert und in der globalen Arbeitswelt unterbesetzt. Umweltveränderungen gefährden die ärmsten Länder der Welt; die Wählerinnen und Wähler werden politisch zunehmend polarisierter und voreingenommener; viel zu viele Kinder haben keinen Zugang zu einer höheren Schulbildung. Das ist natürlich nicht die Schuld des WEF, aber seine Auswirkungen auf diese Probleme sind nur geringfügig.

 

Weckruf für Davos

Wenn Davos einen Weckruf braucht, wird es ihn jetzt sicher bekommen. Das Weltwirtschaftsforum musste die Perspektive von all jenen hören, die für Donald Trump gestimmt haben (ganz zu schweigen die Sicht jener Bürgerinnen und Bürger, die für Brexit, Marine Le Pen oder die AfD gestimmt haben). Es steht vielleicht noch aus, ob Trump der Held ist, nach dem sich diese entmündigten Bürger sehnten. Zumindest hat er sie schon mal auf die Agenda gesetzt.

So unbequem oder schwer nachvollziehbar diese Ansichten auch sein mögen, so unerlässlich ist es, die Befürworter zu verstehen. Sie sind genau diejenigen, die wahrscheinlich von der „Vierten Industriellen Revolution“, über die der WEF-Gründer Klaus Schwab schrieb, zurückgelassen werden und hier vertreten sein müssen. Eines steht jedoch außer Frage: Dieses Jahr wird es spannend in Davos.

 

 

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