Wiwo-Top-Kanzleien Compliance: Eine Nacht in U-Haft erschüttert das stärkste Manager-Ego

WiWo-Topkanzleien

Die besten Anwälte für Compliance und Managerhaftung

(zuerst erschienen in WiWo Print am 17. Mai 2017)

 

Wenn Manager zu Kriminellen werden oder dessen verdächtig sind, hilft nur noch ein guter Anwalt. Selbst Personalchefs geraten heute schnell in die Schusslinie. Das WiWo-Ranking zeigt, welche die besten Anwälte im Bereich Compliance sind.

Als Heribert Fastenmeier seinen Job im Klinikum Ingolstadt antrat, hatte Helmut Kohl gerade ein paar Amtsmonate als Bundeskanzler hinter sich, war die DDR noch lange nicht Geschichte, und der Hamburger SV schickte sich an, die beste Fußballmannschaft Europas zu werden. 34 Jahre lang arbeitete Fastenmeier in der Klinik der Audi-Stadt, davon 14 Jahre als Geschäftsführer. Vor einigen Tagen wurde der 62-Jährige verhaftet, sitzt nun in U-Haft – und der Pressesprecher der viertgrössten bayrischen Klinik gleich mit ihm.

Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft Ingolstadt: Verdacht auf Untreue und Beihilfe. Ermittelt wird insgesamt gegen mindestens zwölf Verdächtige, unter anderem wegen Bestechlichkeit, Bevorzugung von Familienmitgliedern bei Auftragsvergaben, wegen Flügen auf Klinikkosten und der Vergabe von Gutachter- und Beraterverträgen. Anhaltspunkte dazu soll ein Wirtschaftsprüfergutachten geliefert haben, die Staatsanwälte hatten die Geschäftsräume schon Ende vergangenen Jahres durchsucht.

Staatsanwaltschaften haben aufgerüstet 

Eine solch harte Gangart in Wirtschaftssachen war früher eher unüblich. Doch Compliance – das Einhalten von Gesetzen durch Unternehmen – spielt seit den Börsenskandalen der 2000er-Jahre und der Finanz- und Wirtschaftskrise nach 2008 eine immer wichtigere Rolle. Wohl auch, weil es sich finanziell lohnt: Die gegen Manager und Unternehmen verhängten Strafen bringen Millionen in die Staatskassen, entsprechend wurden Staatsanwaltschaften aufgestockt. München, Frankfurt, Düsseldorf, Bochum und Bielefeld haben Schwerpunktstaatsanwaltschaften, die besonders rührig sind und obendrein als Karrieresprungbrett für Staatsanwälte gelten.

 

U-Haft als Druckmittel für Manager

Wirtschaftsstrafverteidiger Jürgen Wessing

Für die verdächtigten Manager oder Mitarbeiter ist eine Verhaftung mit U-Haft bitter. „Eine Nacht im Gefängnis erschüttert das größte Managerego bis in die Grundfesten“, sagt Wirtschaftsstrafverteidiger Jürgen Wessing von Wessing & Partner. Als Thomas Middelhoff, Exchef von Bertelsmann und der Karstadt-Nachfolgefirma Arcandor, 2014 wegen Untreue und Steuerhinterziehung zu drei Jahren Haft verurteilt und direkt ins Gefängnis gebracht wurde, war das ein Signal für alle Manager. Staatsanwälte kennen kein Pardon. Anwälte wie Wessing müssen ihren Mandanten in der Ausnahmesituation dann erst einmal eher psychologische Betreuung als Juristenrat geben – und sind obendrein permanenter Anlaufpunkt für verzweifelte Familienangehörige, die ebenso wenig mit der neuen Situation umgehen können.

Die Experten-Jury

  • Silvio Fricke, Bundesverband der Arbeitsrechtler inUnternehmen
  • Christoph Klahold, Thyssenkrupp
  • Manuela Mackert, Deutsche Telekom
  • Achim Schunder, Verlag C.H.Beck
  • Dietmar Will, Audi

Fastenmeiers Verteidiger ist André Szesny von der Kanzlei Heuking Kühn in Düsseldorf.

Andre´ Szesny, Strafrechtler und Partner der Wirtschaftskanzlei Heuking Kühn

Er ist einer von 31 Anwälten aus 24 Topkanzleien, die es aktuell in das Ranking der WirtschaftsWoche-Topkanzleien geschafft haben. Das Ranking kommt zustande durch eine Peer-Group-Befragung durch das Handelsblatt Research Institute (HRI) von 444 Compliance-Anwälten, die das Institut identifiziert hat und denen – im zweiten Schritt – alle Compliance-Anwälte zur Bewertung vorgelegt wurden. Eigenbewertungen sind dabei ausgeschlossen. Die Rücklaufquote betrug rund 20 Prozent.

Die erste Runde: Die Peer-Group-Befragung

Die daraus entstandene Liste von 90 Anwälten beurteilte die Jury mit drei Unternehmens-Chefjuristen für Compliance: Christoph Klahold von Thyssenkrupp, Manuela Mackert von der Deutschen Telekom und Dietmar Will von Audi. Für die wissenschaftliche Seite votierten als Juror Achim Schunder, Leiter Zeitschriften des Verlags C. H. Beck, und für die Verbände-Seite Silvio Fricke vom Bundesverband der Arbeitsrechtler in Unternehmen. Das Ergebnis: 24 Kanzleien mit 31 hervorgehobenen Experten wurden in das Compliance-Anwälte-Ranking der WirtschaftsWoche aufgenommen.

 

Staatsanwälte schlagen rabiat zu

Compliance-Anwälte sind Straf-, Arbeits- und Kartellrechtler. Schon im Vorfeld beraten sie die Unternehmen, wie sie ihre Firma organisieren, um im Fall der Fälle vor Gericht eine funktionierende Compliance vorweisen zu können. Prominentes Beispiel ist der ADAC, der nach den Skandalen um die gefälschten Rankings mit der Kanzlei Freshfields ein Whistleblower-System installierte.

Kartellrechtsexpertin Daniela Seeliger von Linklaters

Gute Einnahmequellen für Compliance-Anwälte sind Kartellfälle mit vielen beteiligten Unternehmen. Kartellrechtler wie Daniela Seeliger von Linklaters führen, wenn ein Klient beschuldigt wird, am Tag bis zu 30 Interviews mit Mitarbeitern, vom Vertriebschef bis zum Pförtner. Ziel ist es, möglichst rasch die Fakten zu klären. Je mehr Seeliger dem Kartellamt selbst an Fakten liefern kann, umso höher können die Rabatte auf die Strafen fürs Unternehmen ausfallen. Umso besser also, wenn die Leute ihrer Firma vertrauen und reden, statt verängstigt zu schweigen.

Staatsanwälte schlagen bisweilen rabiat zu. Bei Audi etwa marschierten sie wegen Dieselgate am Tag der Bilanzpressekonferenz mit einer 80-köpfigen Truppe ein. Anwälte werden dann ganz kurzfristig dazu gerufen. Durchsuchen Staatsanwälte wie bei Audi auch die Privatwohnungen der Manager, arbeiten sie gründlich: Handy und PC der erstaunten Ehefrau werden dann ebenso beschlagnahmt wie die Spielekonsolen der Kinder und Musik-Player. „Alles, wo ein Speicherchip drin ist“, schildert Strafrechtler Wessing die Beschlagnahmungen.

 

Anwälte als Aufklärer, die -zig Interviews am Tag führen

Mandate, die viel Umsatz bringen, sind die Internal Investigations, Compliance-Einsätze, bei denen Kanzleien große Fälle in Unternehmen aufklären sollen. So sichteten und bewerteten 42 Freshfields-Anwälte beim Deutschen Fußball-Bund bei ihren Ermittlungen für den Bericht zur WM-Vergabe 740 Aktenordner und 128.000 E-Mails, um am Ende einen – inzwischen stark kritisierten – Untersuchungsbericht von 380 Seiten zu präsentieren. Die Kanzlei soll dafür einen hohen siebenstelligen Betrag kassiert haben, heißt es.

Je grösser die Familie, desto teurer der Anwalt

Die Faustregel lautet: Je größer die Kanzlei umso höher der Stundensatz. Kartell-, Straf- und Gesellschaftsrechtler sind teurer als Arbeitsrechtler. Partner-Stundensätze liegen zwischen 250 und 600 Euro. Bei Promi-Mandaten rufen Stars 800 bis 1000 Euro Stundenhonorar auf. Für angestellte Anwälte verlangen Law Firms 250 bis 400 Euro.

Auch der Personalchef musste Strafe zahlen

Die Palette von Compliance-Delikten ist breit: Die Möbelhändler August und Edgar Inhofer aus Senden in Bayern etwa landeten wegen Verträgen mit ihren 49 Vertretern in U-Haft. Der Vorwurf: Scheinselbstständigkeit von Beschäftigten und damit Sozialversicherungsbetrug. August Inhofer wurde zu einer Million Euro Strafe und elf Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Bei Geschäftsführer Edgar Inhofer waren es ein Jahr und zehn Monate auf Bewährung sowie eine halbe Million Euro Geldstrafe. Obendrein verdonnerte ihn das Landgericht Augsburg, für drei Jahre seinen Job nicht auszuüben. Auch der Personalchef musste 45.000 Euro Strafe zahlen.

Wann der Fall des Ingolstädter Klinikchefs Fastenmeier beendet sein wird, kann heute noch niemand abschätzen. Fest steht nur: Anwälte werden noch üppig daran verdienen.

 

Die besten Compliance-Anwälte
Kanzlei Name
AGS Legal Jan Kappel
Baker McKenzie Thomas Grützner
Clifford Chance Heiner Hugger
CMS Hasche Sigle Peter Endres
Debevoise & Plimpton Thomas Schürrle
Dierlamm Alfred Dierlamm
DLA Piper Jürgen Taschke
Feigen Graf Hanns W. Feigen
Fieldfisher Sascha Dethof
Freshfields  Bruckhaus Deringer Martin Klusmann, Christian Duve, Norbert Nolte, Uta Itzen, Tobias Klose
Glade Michel Wirtz Silke Möller
Gleiss Lutz Eike Bicker
Hengeler Mueller Sven Henrik Schneider,  Thorsten Mäger
Heuking Kühn Lüer Wojtek André-M. Szesny
Hogan Lovells Tim Wybitul
Kapellmann u. Partner Axel Kallmayer
Knierim & Krug Thomas C. Knierim
Latham & Watkins Markus Rieder
Linklaters Daniela Seeliger
Luther André Große Vorholt
Noerr Alexander Birnstiel, Lars Kutzner
Pohlmann & Company Andreas Pohlmann, Thomas Lüthi
Skadden, Arps, Slate, Meagher & Flom Bernd R. Mayer
Wessing & Partner Jürgen Wessing
Quelle: WirtschaftsWoche 2017

 

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Alle Kommentare [1]

  1. Ich saß selber auch – als sogenannter Geschäftsmann – in U-Haft, m.E. unberechtigt, da kein Haftgrund vorlag. U-Haft wird in der Gesellschaft immer noch als vorweggenommene Strafe angesehen und manchmal zu spät und manchmal überflüssigerweise verordnet. Ich habe meine Erlebnisse in einem Buch zusammen gefasst, da es sonst keiner glaubt…