Interview Vergütungsexperte Kramarsch: Top-Manager sind wie Spitzensportler – sie tragen ihre Haut zu Markte

 

Manager-Gehälter: „Vorstände leben gefährlich“

Zehn Jahre nach der Finanzkrise langen Vorstände bei den eigenen Gehältern wieder kräftig hin. Vergütungsprofi Michael Kramarsch von hkp über die Kritik an hohen Vorstandsgehältern und die Verantwortung der Aufsichtsräte.

Michael Kramarsch Quelle: Presse

Michael Kramarsch, Gründer und Chef der Unternehmensberatung hkp (Foto: Presse).

Herr Kramarsch, Sie haben die Dax-Vorstandsvergütungen der vergangenen zehn Jahre verglichen und analysiert, dass nur zwei Top-Manager besonders hervorstechen. Die öffentliche Wahrnehmung ist anders. Wie erklären Sie sich das?
Vor dem Jahre 2006 gab es die individuelle Veröffentlichungspflicht noch nicht, unsere Langzeitanalyse ab diesem Zeitpunkt bis heute zeigt, dass nur zwei Dax-Vorstandsvorsitzende dafür sorgen, dass in der Öffentlichkeit der Eindruck entsteht, alle 30 verdienen ebenso viel und zwar jedes Jahr. Aber nur Josef Ackermann bei der Deutschen Bank zwei Mal und Martin Winterkorn bei VW fünf Mal haben die Zehn-Millionen-Euro-Schallmauer durchbrochen.

 

Sind deutsche Manager also keine Abzocker, wie die politische Diskussion suggeriert?
Man arbeitet sich an den wenigen Einzelfällen ab und nimmt das ganze System in Sippenhaft. Es ist schlicht eine Fehlwahrnehmung. Auf niedrigere Summen wird eben nicht dauernd in den Schlagzeilen referiert. Dabei liegen mehr als zwei Drittel der Vorstandsvergütungen unter dem Wert von sechs Millionen Euro.

 

Das ist immer noch sehr viel. Wie haben sich die Gehälter zuletzt entwickelt?
Hier gibt es in der Öffentlichkeit offenbar eine Fehlwahrnehmung. Die Vorstände haben bei ihren Bezügen – Fixgehalt plus variable Vergütungen – seit 2006 im Schnitt jährlich um 1,9 Prozent zugelegt. Der eigentliche Sprung fand schon in den späten 90er Jahren statt, als sich die Vergütung in Deutschland stärker an dem in den USA üblichen, aktienbasierten Modell zu orientieren begann. In der Summe sind deutsche CEOs aber immer noch weit von den US-Bezügen entfernt. Und auch in Europa verdienen Top-Manager in Großbritannien und der Schweiz im Durchschnitt mehr als sie.

 

Die höheren Gehälter in diesen Ländern gelten oft als Argument für Gehaltssteigerungen bei Topmanagern. Ist ihr Arbeitsmarkt wirklich global?
Im Wesentlichen sind die Vergütungen immer noch regional bestimmt. Es gibt nur wenige deutsche CEOs in Amerika. Das Gehalt muss eben marktüblich definiert werden, ohne den nationalen Referenzrahmen zu verlassen.

 

Könnten die Aufsichtsräte dämpfend auf die Gehaltsentwicklung einwirken?
Aufsichtsräte müssen schon aus aktienrechtlicher Sicht die besten Vorstände und Vorständinnen auswählen. Billig ist dabei kein sinnvolles Kriterium. Ich würde sogar sagen: Nichts verursacht mehr Kosten für das Unternehmen, seine Mitarbeiter und Aktionäre als ein schlechter Vorstand.

 

Welche Rolle spielen dabei die immer kürzeren Verweildauern in den Vorständen?
Eine erhebliche Rolle. Top-Manager-Karrieren sind deshalb heute mit Spitzenfußballern vergleichbar. Beide haben eine begrenzte Periode höchster Schaffenskraft. Sie arbeiten quasi rund um die Uhr, verschreiben sich ihrer Firma, vernachlässigen ihr Privatleben, riskieren ihre Gesundheit – und müssen fürchten, bei schlechten Zahlen sofort gehen zu müssen. Das Vorstandsleben ist heute viel intensiver und gefährlicher geworden und längst kein sicherer Pfad mehr in die Rente.

Inwiefern hat sich auch die Loyalität der Aufsichtsräte gegenüber den Vorständen verändert?
Wer früher Dax-Vorstand war, konnte damit rechnen, das auch etliche Jahre zu bleiben und irgendwann in Ehren in den Ruhestand oder das Dasein als Aufsichtsrat verabschiedet zu werden. Heute sehen wir viele Karrieren von Multi-Aufsichtsräten, die sich als Sparringspartner des Vorstands sehen. Zu deren Aufgabe gehören dann auch schmerzhafte Trennungen von verdienten Vorständen, um das Unternehmen erfolgreich in die Zukunft zu führen.

 

 

 

 

 

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