Keine Lust auf Bewerber – Umfrage bei Personalentscheidern

Absaufen in Bewerbungen

Haben Personalabteilungen gar kein Interesse an ihren Bewerbern? Haben sie keine Zeit für ihre Bewerber? Ersaufen sie in Bewerbungen?

Im ersten Fall sollten sie einfach die Kanäle für die Bewerbungen abschalten, Online-Bewerbungsmasken ausknipsen, Job-Angebote auf Jobportalen canceln undsoweiter.

Im zweiten Fall sollten sie ihre Prioritätenliste checken, Zeit freischaufeln, die Personalabteilung aufstocken.

Im dritten Fall sollten Sie die Bewerbungen durchleiten an Mittelständler auf der schwäbischen Alp, die tatsächlich Leute suchen. Die freuen sich und können ihr Glück ja mal versuchen.

 

Falsche Hoffnungen machen und Zeit stehlen

Nur eins sollten sie lassen: Hunderten von Bewerbern immerfort falsche Hoffnungen machen, ihnen Zeit und Geld stehlen mit Bewerbungsversuchen, die sowieso unnütz sind. Sie könnten das schreiben, wonach sich ihre Dienstleister richten, die zwei Euro kassieren je flugs aussortierter Bewerbung: Mathenote drei und schlechter oder ein Kommafehler im Anschreiben und schwupps ist die Bewerbung durchgefallen. So einfach, so schnell erledigt und meckern kann auch keiner. Er weiß es ja nicht.

 

Bitte individuelle Anschreiben – wozu denn?

Am witzigsten finde ich dabei, dass die Firmen Wert auf superindividuelle Anschreiben legen – wo doch klar ist, dass die Leute oft mehr als 100 Bewerbungen schreiben müssen. 100 mal aus den Fingern saugen müssen, warum man nur dorthin will – lächerlich. Oder verwechseln Personaler Bewerbungen mit einem Hochzeitsantrag? Das fände ich nun wirklich übertrieben.

Kienbaum Communications hat zusammen mit dem Staufenbiel Institut bei 300 Personalern nachgehakt und bekam Trauriges heraus:

 

Fünf Minuten je Bewerber – gefühlt oder gemessen?

Fünf Minuten und weniger investieren die Personalverantwortlichen schon laut eigenen Angaben nur in eine Bewerbung. Meinen Sie, die Angabe ist gemessen oder vielleicht nur gefühlt? Ich tippe auf letzteres und dass sie tatsächlich eine heimliche Aussortier-Methode haben – wie oben beschrieben. Wenn nicht noch einfacher. Vielleicht einfach jeden raussortieren, der in einem ungraden Jahr geboren ist oder so. Oder alle Brillenträger. Jedenfalls sind auch fünf Minuten minimal gegenüber dem Aufwand, den die armen Bewerber treiben, um dann so schnöde behandelt zu werden.

Heraus kam jedenfalls noch etwas anderes: „Nur drei von 100 Personalern checken Bewerber in jedem Fall bei Facebook, das Googeln des Namens gehört bei sechs Prozent zum Standard.“

 

Gegenchecken? Ach wozu denn?

Oberflächlich? Ja, könnte man meinen. Deckt sich aber leider mit meinen Beobachtungen auch außerhalb von Personalabteilungen: Manchmal suche ich einem Gesprächspartner zu seiner Orientierung vorher einen Link heraus, wo er sich kurz ein Bild machen kann, worum es geht. Sie glauben nicht, wie viele den nicht aufklicken – und natürlich damit aufkippen.

Frei nach dem Motto „alle doof außer ich“, „ich brauche gar nicht nachsehen, ich weiß alles auch so“, oder „Informieren ist was für Schwachmathen“ wird die freundliche Hilfestellung ignoriert. Dass es beim Telefonat dann fünfmal so lange dauert, weil man eben doch die Erklärungen braucht, das ist dann gar nicht tragisch.  Weil sie ja durchaus Zeit haben – zum Telefonieren. Unhöflich ist es allemal. Meine Sorge ist, dass viele Leute immer so vorgehen und ohne Blick in Google und Archive auszukommen versuchen. Aus Bequemlichkeit undsoweiter…

Interessant ist übrigens auch noch die weitere Kienbaum/Staufenbiel-Erkenntnis: „In der Regel bleibt der Bewerbercheck ohne Konsequenzen: Nur bei 11,7 Prozent hat die Online-Recherche dazu geführt, dass man sich gegen den Kandidaten entschieden hat.“

 

Geben Sie bloß kein Hobby mit Gesundheitstouch an

Apropos: eine Personalexpertin erzählte mir kürzlich von einer Kandidatin, die perfekte Bewerbungsunterlagen hatte und dennoch überall Absagen bekam. Es lag an einem ihrer Hobbys: „Sauna“ hatte sie angegeben, zusammen mir irgendetwas sehr Beliebigem wie Reisen oder so. Und Sauna ist wohl eine Art Rausschmeißer aus Sicht von Personalern. Anrüchig? Oder einfach nicht durchschnittlich genug?

Warum also? So ganz verstehe ich´s nicht. Ich ahne zwar, dass man das selten liest. Aber ist es unanständig oder peinlich? Seit wann sind Leute verdächtig, die sich in ihrem Haus eine Sauna im Keller einbauen? Oder die im Skiurlaub im Hotel gerne in die Sauna gehen? Denn eigentlich heißt das doch, dass die Leute sich um ihre Gesundheit kümmern – oder etwa nicht?

Dass Franzosen und Amerikaner nicht pudelnackt in die Sauna gehen, sondern im Badezeug –  macht das dieses Hobby dann vielleicht doch unverdächtig? Statt angeblich nur unhygienisch, wie die anderen schimpfen? Hätte die Dame schreiben müssen: Sauna mit Badeanzug? Hätte das geholfen? Wäre die Angabe, nach Karneval zu fasten, unverfänglicher gewesen? Oder Marathon zu laufen? Vermutlich sind doch nur Opportunisten und Durchschnittliche gefragt.

 

Vergessen Sie Praktika

PS: Das mit den vielen Praktika, die Mühe scheinen sich die Youngsters sparen zu können. Nur jeder zehnte Praktikant bekommt eine feste Stelle angeboten. Kienbaum/Staufenbiel fand heraus: „Die befragten Unternehmen stellen im Durchschnitt 59 Praktikanten pro Jahr ein.“ Im Handel sind es noch weniger.

 

PPS: Hier ein Link, dass Sauna nicht überall als anrüchig empfunden und sogar als Raum für Business-Gespräche gewählt wird….http://www.handelsblatt.com/archiv/paeivi-sihvola-45-ist-managerin-beim-holzkonzern-stora-enso-in-helsinki-wie-fuehlt-man-sich-eigentlich-frau-sihvola/2234776.html

 

 

Kommentar schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*

Alle Kommentare [3]

  1. Wow, guter, knallharter Einblick für Bewerber, natürlich auch etwas zynisch, wenn man bedenkt, wie viele Hoffnungen Arbeitsuchende in Ihre Bewerbungen stecken. Vor allem, wenn sich ein Bewerber für seine Traumposition tatsächlich die Mühe macht, sehr individuell oder sogar originell zu formulieren. Als Autor der Bewerbungssoftware Kreative Bewerbung schreiben war mein Ziel daher von Anfang an, den lästigen Prozess des Bewerbungschreibens effizient zu gestalten. Durch Ihren Beitrag hat der Bewerber nun einen Eindruck davon, dass auch der Prozess des Prüfens von Bewerbungen lästig sein kann …

  2. Wenn ein mittelständisches Unternehmen pro Jahr ca. 4000 Bewerbungen bekommt und drei Personalmitarbeiter u.a. für Recruiting und sonstige Personalbetreuung zuständig sind, dann kann sich jeder mit knapp 1333 Bewerbungen beschäftigen.

    46 Arbeitswochen hat das Jahr (nur Urlaub und keine Weiterbildung oder Krankheit abgezogen).

    Je Woche kann man sich dann vielleicht bei all den sonstigen Belangen (Gespräche mit Bewerbern, Telefoninterviews, Betreuung der zugeordneten Bereiche) ca. 2 Stunden für die Sichtung nehmen. Das ist ein recht hoher Wert.

    So bleiben also knapp 4 Minuten pro Bewerbungen.

    Aus eigener Erfahrung kenne ich die o.g. Zahlen und weiß, dass oft weniger Zeit für die Sichtung bleibt.

    So konzentrieren sich die Personaler auf die entscheidenen Stichworte und überfliegen die meisten Papiere.

    Dies wird der Mühe manches Bewerbers sicher nicht gerecht. Und manche Firma schaut auch nach unsinnigen Aspekten wie Hobbies.

    Aber so ist es (leider).

    Bewerbungsunterlagen haben ohnehin keinen vernünftigen Wert für die Prognose künftiger Leistungen. Insofern stellt sich fast die Frage, ob man schlecht (aus)gebildete Personaler überhaupt mit einer Vorauswahl über Noten und CV’s betrauen sollte.

  3. Das ganze System krankt an allen Ecken und Enden. Wenn man seinen Job verloren hat (Firmenschliessung etc.), dann bekommt man einen so enormen druck sich zu bewerben. Man weiss selber wie sinnlos das ist. tun man das aber nicht, stellen die ämter die zahlung ein, sanktionieren etc. Irgendwann ist man dermassen ausgelaugt (ebenso, wei die personaler), dass man nur noch standardbriefe rausschickt. also beide seiten leiden unter dem druck, den die arbeitagenturen und jobcenter machen. arme kranke welt.