Wenn Vertriebsmitarbeiter Compliance-Maßnahmen überflüssig finden – Studie

Compliance

Eine Studie von CMS zeigt, dass die Unternehmen mit der Compliance nicht so weit sind, wie sie sein sollten. Es scheitert auch an der Akzeptanz der Mitarbeiter. 

Überflüssig, zeitraubend und geschäftsschädigend – so sehen gerade Vertriebs-Kollegen gerne die Compliance-Beauftragten in den Unternehmen. „Vielen dieser Kollegen ist der Sinn und Zweck von Compliance nicht bewusst oder verdrängen ihn, weil sie selbst unter Erfolgsdruck stehen und ihre eigenen Boni an Umsatz gekoppelt sind“, sagt Tobias Teicke, Compliance-Anwalt der Großkanzlei CMS.

 

Entsprechend hoch ist die größte interne Herausforderung für Compliance-Beauftragte in Unternehmen: bei Mitarbeitern und der Unternehmensleitung Akzeptanz und ein echtes Bewusstsein für Compliance zu schaffen. Das geben denn auch 86 Prozent der Compliance-Beauftragten der großen Unternehmen in Deutschland zu.

Tobias Teicke von CMS Hasche Sigle

Tobias Teicke von CMS

 

Wie weit das Thema Compliance in Großunternehmen inzwischen implementiert ist, hat die Großkanzlei CMS mit Hilfe des Marktforschers Ipsos erforscht. Befragt wurden 176 Compliance-Verantwortliche in Unternehmen in Deutschland mit mindestens 500 Mitarbeitern.

Gestiegene Bedeutung von Compliance in Unternehmen

Das Ergebnis: Die Unternehmen messen Compliance mehr Bedeutung bei und treffen konkretere Maßnahmen als noch im Vorjahr. 36 Prozent der Großunternehmen haben mittlerweile eine Compliance-Abteilung installiert, die sich ausschließlich mit diesem Thema befasst (Vorjahresvergleich: 28 Prozent). Doch in der Mehrzahl der Unternehmen (75 Prozent) haben auch Mitarbeiter der Rechtsabteilung, der Revision, dem Risikomanagement oder dem Controlling zusätzlich die Aufgabe, sich nebenbei um Compliance zu kümmern.

 

Manche Unternehmen machen dabei sogar den Bock zum Gärtner und betrauen im Einkauf und im Vertrieb Mitarbeiter mit Compliance-Aufgaben. Vor dieser Konstellation warnt denn auch CMS-Anwalt Tobias Teicke: Ausgerechnet Einkauf und Vertrieb gehören zu den Haupt-Risikobereichen der Unternehmen. Generell gilt: Compliance darf keine Selbstkontrolle einer Abteilung sein. Das heißt konkret: Kein Vertriebschef sollte – und schon gar nicht allein – entscheiden dürfen, ob ein bestimmter Deal compliant ist oder nicht, so Teicke.

 

Immer mehr Gesetze, strengere Haftung und Druck von Geschäftspartnern

Insgesamt empfinden die Unternehmen noch stärkeren Druck als vor einem Jahr. Der Grund sind immer mehr gesetzliche Regulierungen, immer größere Bedeutung von Spezialthemen, immer strengere Haftungsmaßstäbe und auch der Druck von Geschäftspartnern. 68 Prozent der Unternehmen sagen, dass sie Geschäftspartnern nachweisen müssen, dass sie ein eigenes Compliance-System haben. Insbesondere Geschäftspartner aus dem Ausland verlangen das. CMS-Anwalt Teicke berichtet: „Viele Großkonzerne insbesondere in den Branchen Automotive, Anlagen- und Maschinenbau verlangen weit reichende Garantien, dass Zulieferer keinerlei Gesetzesverstöße in den vergangenen Jahren begangen haben.“ Und weiter: „Häufig geht es dabei um Korruption, Kartellverstöße oder auch Verstöße gegen Mindestlohn und Mindestarbeitsbedingungen.“

 

 

Detaillierte Nachweise für Geschäftspartner

Obendrein verlangen die Geschäftspartner von Unternehmen, dass sie Nachweise von Schulungen ihrer Mitarbeiter abliefern, Geschäftspartner-Prüfungen durchführen und dass sie Verhaltensrichtlinien zu bestimmten Themen vorlegen. Manche verlangen, das die Unternehmen ihr Compliance Management System zertifizieren lassen.

 

Die Mitarbeiter in den Unternehmen halten mit all den Anforderungen noch nicht Schritt: Nur 31 Prozent der befragten Unternehmen machen bei ihren Mitarbeitern ein ausgeprägtes Compliance-Bewusstsein aus – was aber kriegsentscheidend ist. „Compliance muss in den Köpfen der Mitarbeiter beginnen“, sagt Florian Block, ebenfalls Compliance-Experte bei CMS. Denn: „Der Erfolg eines Compliance Systems hängt davon ab, ob Mitarbeiter für regelkonformes Verhalten sensibilisiert, Compliance-Regeln nachhaltig verankert und tagtäglich gelebt werden“, so Block.

Florian Block von CMS

Florian Block von CMS

Immerhin haben inzwischen 69 Prozent der Unternehmen Schulungsprogramme für die Mitarbeiter über richtiges Verhalten (Vorjahresvergleich: 46 Prozent).

 

Auch auf Krisenfälle sind Unternehmen besser vorbereitet als noch vor einem Jahr. 78 Prozent haben Ablaufpläne und Checklisten für Krisen. Bei Verdachtsfällen haben 88 Prozent von ihnen klare Zuständigkeitsregeln für Koordination und Aufklärung und jedes zweite Unternehmen hat Leitfäden für den Umgang mit Ermittlungsbehörden.

 

Die Studie gibt auch Auskunft über interne Ermittlungen: Mit 62 Prozent der Unternehmen führen sie immer mehr mit ihrer Konzernrevision oder zusammen mit beauftragten Anwälten oder Wirtschaftsprüfern durch. Die Zahl lag im Vorjahr erst bei 51 Prozent. Oft werden auch IT-Dienstleister beauftragt, die die Datenmengen besser auswerten können.

 

Welche Fälle in den Unternehmen so vorkommen? Angefangen vom einzelnen Betrugs- oder Korruptionsverdacht bis hin zum Skandal wie bei MAN oder Siemens, bei dem auch das Management in die Schusslinie gerät. Block: „Gefährlich wird es für das Unternehmen immer dann, wenn die Behörden bei den Rechtsverstößen ein systematisches Vorgehen unter Einbindung des Managements sehen, denn dann sind die Bußgelder sind besonders hoch.“

 

Eine geringere Risikowahrnehmung hat der Mittelstand. Zwar wird im Mittelstand nicht weniger bestochen und auch nicht seltener Kartelle gebildet als bei Konzernen. Aber die Einstellung ist eine andere. „Wir erleben in unserer Beratungspraxis häufig die Einstellung von Mittelständlern, Korruption und Kartelle gäbe es bei Ihnen nicht, sondern nur bei den Großkonzernen“, sagt Teicke. „Aber das ist meist ein Irrtum.“ Auch im Mittelstand kommen diese Themen immer wieder vor – und häufig sind die Mittelständler darauf überhaupt nicht eingestellt.

Auch die Sensibilität des Managements für Compliance-Themen wird von den befragten Verantwortlichen kritischer betrachtet: Das attestierte Compliance-Bewusstsein beim Management ging im Vergleich zum letzten Jahr von 88 auf 81 Prozent zurück.

 

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Link zu Interview zu Hohmann-Dennhardt, VW, Compliance-Vorstand

http://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/braunschweig_harz_goettingen/Keine-Besserwisserin-VW-Vorstand-im-Interview,vw3300.html

 

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