Chief Customer Officer – ein oberster Kundenbeautragter, das falsche Signal für die Belegschaft

Olaf Tidelski ist neuerdings der oberste Kundenbeauftragte der Allianz, er heißt  „Chief Customer Officer“. Seine Aufgabe sei, darauf zu achten, dass alle Produkte, Prozesse und Services der Allianz konsequent auf den Bedarf und die Wünsche der Kunden ausgerichtet werden, heißt es beim „Versicherungsjournal“.

Mal sehen, ob es bald irgendwo auch einen Vorstandposten für Kunden gibt.

Dabei: Der Ansatz verwundert doch sehr. Ist es nicht genau das verkehrte Signal an alle anderen Mitarbeiter? Sollte nicht  jeder einzelne Mitarbeiter verstehen, dass sein Gehalt vom Kunden kommt und er sich für den Kunden anstrengen? Jeden Tag, für jeden Kunden, an der Front eben. Das kann die Telefonzentrale sein, aber ebenso jeder Sachbearbeiter in der Verwaltung. Zufällige wie gewollte Kundenkontakte.

 

Pah, soll der sich doch kümmern

Hat man dagegen einen Kunden-Beauftragten ist die Botschaft für die gesamte Belegschaft: Da ist da einer für die Kunden. Soll der sich doch kümmern – ich muss es nicht, ist dann die Denke der anderen.

Der Webfehler ist evident, der Denkfehler fast zwangsläufig.

Das Phänomen ist vielleicht vergleichbar mit den Risikomanagement-Mitarbeitern. Die bleiben nämlich oft genug nur in ihrer Abteilung und unter. Statt sich im Unternehmen herum zu treiben, Augen und Ohren offen zu halten und mit den Kollegen in allen Ecken reden, reden, reden – um tatsächlich Risiken heraus zu bekommen, die gerade ihr Unternehmen gefährden.

Stattdessen bilden eine eigene Abteilung, wie es sich so gehört, und die kümmert sich gar nicht um den Rest der Belegschaft. Auch wenn´s eigentlich wichtig für den Erfolg des Unternehmens insgesamt wäre.

Ein kluger Personalberater klagte mir mal sein Leid, dass diese Risikomanagement-Leute regelmäßig nicht kontaktfreudig und nicht neugierig seien und dass die Abteilung deshalb nur ein Minimum von dem erreicht, was sie erreichen sollte – und könnte.

 

Vorbildfunktion Fehlanzeige? Missionieren Fehlanzeige.

Doch zurück zum Chief Customer Officer, der sich mit seinem modischen, englischen Titel um die Kunden in Deutschland  kümmern soll. Das Versicherungsjournal.de beschreibt den Job so: https://www.versicherungsjournal.de/unternehmen-und-personen/ein-kommen-und-gehen-in-den-chefetagen-126579.php?link=1

Die Erfahrungen unserer Kunden werden heute nicht vom letzten Kontakt mit dem Versicherer geprägt, sondern viel stärker von anderen Lebenswelten, also vom neuen Smartphone, einer neuen App oder einem besonderen Serviceerlebnis´, wird Tidelski in einer Pressemitteilung zitiert. Um diese Erfahrungen für die Kunden attraktiver zu gestalten, sollen lokale und globale Trends und Innovationen aufgespürt und integriert werden. Die Kunden der Allianz sollen außerdem selbst durch Abstimmungen über die Entwicklung neuer Angebote mitentscheiden können. Zudem will Tidelski die Bereitschaft zu Weiterempfehlung erforschen und mehr Kunden zu echten Allianz-Fans machen.

 

Wo, bitte, ist die Vorbildfunktion für alle Mitarbeiter?

Merken Sie, was gar nicht vorkommt? Dass er im eigenen Haus die Kollegen missionieren müsste. Erreichen, dass sich Konzerne dieser Art nicht nur um sich selbst drehen. Dass auch der einzelne Mitarbeiter nicht nur auf den Chef starrt nach dem Motto „immer auf die Eins“, sondern dass auch der einzelne Mitarbeiter sich verantwortlich gegenüber dem einzelnen Kunden fühlt. So profan, so schwierig zu erreichen, gerade in großen Unternehmen.

 

Job-Beschreibung: Weiterempfehlungsbereitschaft steigern

Vielmehr geht´s in der Ankündigung der Personalie und die Job-Beschreibung plötzlich um die Bereitschaft der Kunden, die Versicherung weiter zu empfehlen. Die soll er offenbar tatsächlich erforschen. Die ist sein Ziel ebenso wie der mögliche Einsatz moderner Techniken. Wo offenbar das Haustürgeschäft perfektioniert werden soll – und das Smartphone vielleicht eines Tages den Allianz-Mann ersetzen soll?

Statt im eigenen Haus dafür zu sorgen, dass die Kunden einen Grund bekommen, das Unternehmen zu mögen: weil alles in dem Konzern auf die Zufriedenheit des Kunden ausgerichtet ist..

Ich bin gespannt, ob die neue Funktion bald bejubelt wird: der Kundenbeauftragte. So, als sei es neu, dass es Kunden gibt.

 

Was ist der Kundenbeauftragte nun wirklich?

Hätte die Versicherung dagegen erst jetzt die Kunden entdeckt und will das so kommunizieren, wär´s auch drollig. Hin wie her.

Geht es im Kern aber nur darum, wie man künftig die Kunden zum Unterschreiben bringt, geht´s im Kern nicht um den Kunden, sondern Akquise. Also die Einnahmenseite des Unternehmens und wie man das Geld vom Kunden bekommt. Nicht mehr und nicht weniger.

Das ist nicht das, was Lieschen Müller unter dem Wort Kundenorientierung versteht.

https://www.allianzdeutschland.de/das-ist-der-neue-chief-customer-officer-der-allianz/id_78668866/index

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Alle Kommentare [2]

  1. Diese Funktion ist ja überbewertet. Die Assekuranz ist ja mal gerade dabei zu digitalisieren und die Mitarbeiter loszuwerden. Da muss dann niemand mehr missioniert werden. Das dürfte in den nächsten Monaten nicht nur die Allianz betreffen. s. Zürich, Ergo, AXA etc.etc. Bis man dieses Thema durch hat ist die Funktion schon wieder erledigt. Das ist nur schade für die Kunden, die dann ihre Beschwerden, Rückfragen an einen sprechenden Computer loswerden können. Das ist bei 80 jährigen ein echtes Erlebnis.

  2. Sehr guter Beitrag! Genauso ist es. Ich arbeite selbst in der Versicherungswirtschaft. Kleine bunte Zettel mit den Schlagwörtern ‚Service‘, ‚Kundenorientierung‘, ‚Effizienz‘ mögen noch zum Schmunzeln sein (benutze meine Zettel als Post-It), aber ein Kundenbeauftragter? Blöd, jeder sollte sein eigener COO sein – das hat jeder Kunde und auch Anspruchsteller (Schafen) verdient.