Vier Fragen an Corporate-Governance-Großmeister Christian Strenger: Die Empörung der Öffentlichkeit über VW-Chef Müllers Boni trotz Milliardenverlusten ist berechtigt

Das Center for Corporate Governance an der HHL Leipzig Graduate School of Management hat – zum sechsten Mal – untersucht, wie hoch die Akzeptanz der Empfehlungen des  Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) ist unter den DAX30- sowie den MDAX-Unternehmen ist.

Die Studie: Die Entsprechensquoten werden mit 96,1 Prozent der „Soll-Empfehlungen“ des DCGK von den DAX- und MDAX-Unternehmen erfüllt. Der Unterschied ist jedoch deutlich: DAX-Konzerne haben höhere und – im Vergleich zum Vorjahr – unveränderte Entsprechensquoten.

MDAX-Unternehmen hingegen haben niedrigere – im Vergleich zum Vorjahr – rückläufige Entsprechensquoten. „Abgelehnt werden insbesondere: Empfehlungen zu betragsmäßigen Höchstgrenzen der Vergütung in Vorstandsverträgen, dem Abfindungs-Cap und zur Offenlegung der Vergütungsbestandteile unter Verwendung der
Mustertabellen, der Zusammensetzung und Zielbenennung des Aufsichtsrats
sowie Fragen der Aufsichtsratsvergütung“, so die  Studie.

Die Studie weiter: Große Unternehmen haben höhere Entsprechensquoten, wogegen kleinere Unternehmen Teile des Kodex eher ablehnen. Neben
der Größe der Unternehmen ist auch die Eigentümerstruktur relevant.
„Gesellschaften in Streubesitz weisen höhere Entsprechensquoten auf und lehnen
sich damit in ihrer Governance Struktur enger an die Best-Practice-Vorgaben des
Kodex an“, so die Studie.

 

Christian Strenger

Christian Strenger

 

Hierzu vier Fragen an Christian Strenger, Professor an der HHL Leipzig Graduate School of Management und akademischer Direktor des ‚Centers for Corporate Governance‘ an der HHL Leipzig.

 

Was ist Ihre persönliche Bewertung der Umfrage-Ergebnisse?

Insgesamt positiv, da die weiterhin hohen Akzeptanzquoten für die Soll-Empfehlungen generell für die Qualität des Kodex sprechen. Allerdings zeigen gerade die kritischen Ziffern Nachholbedarf in bestimmten Bereichen. DAX-Konzerne haben höhere Entsprechungsquoten, weil: sie aufgrund ihrer intensiven Kapitalmarktfokussierung ein stärkeres Bewusstsein für gute Governance und  mehr Erfahrung im Umgang mit dem Governance-Rahmenwerk haben. MDax niedrigere dagegen, weil: viele Familienunternehmen eine andere Führungs- beziehungsweise Eigentümerstruktur aufweisen oder auch Empfehlungen aufgrund ihrer Größe nicht erfüllen können (wie Aufsichtsrats-Ausschüsse bei nur drei Aufsichtsrats-Mitgliedern).

Auf Widerstand stoßen unter anderem Empfehlungen zur Vergütung, weil: das ein unangenehmes Thema für diejenigen ist, die es  tatsächlich nicht durch entsprechende Leistung ‚verdienen‘. Vorrangig wird die betragsmäßige Begrenzung mit unterschiedlicher Begründung abgelehnt.

 

VW-Chef Matthias Müller entrüstet sich, dass seine Boni öffentlich diskutiert wurden. Wie finden Sie das?

Er hat sich zu recht darüber aufgeregt, dass die Diskussion durch einige Aufsichtsräte in die Öffentlichkeit getragen wurde. Die Empörung der Öffentlichkeit über die Millionen-Boni trotz vier Milliarden Euro Verlust ist aber noch berechtigter.

 

Sollte er nicht einfach zu einem Unternehmen wechseln, bei dem er seine Vergütung nicht in der Presse wiederfindet, vielleicht einem Familienunternehmen?

Das steht jedem Manager frei. Herr Müller ist aber schon bei einem familiär dominierten Unternehmen. Allerdings muss sich VW trotz dieser Familien-Dominanz an die Spielregeln des Kapitalmarkts halten, da man ohne die vom Publikum aufgebrachten Eigenkapitalmilliarden und die jährlich benötigten 40 Milliarden Euro Anleihemittel nicht lebensfähig ist.

 

Was ist darüber hinaus noch wichtig?

Die deutsche Governance-Landschaft ist durchweg stabil und zeichnet sich durch ehrliche Bemühungen um gute Governance aus. Allerdings scheinen wenige, das Gesamtbild unschön verzerrende Unternehmen immer noch nicht verstanden zu haben, dass ihre schlechte Governance ihnen – und das nachhaltig – am meisten schadet.

http://bit.ly/kodexakzeptanz2016

 

Kommentar schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*