Typische Management-Denkfehler in Change-Prozessen – Gastbeitrag von Management-Coach Müllerschön

 

Manager, Führungskräfte und Projektleiter stehen oft vor der Herausforderung, Veränderungsprozesse in ihren Unternehmen zu planen und zu steuern. Change-Coach und Buchautor Albrecht Müllerschön – er berät Unternehmen wie SAP, Coca-Cola, Wacker Chemie oder die Privatbrauerei Schneider Weisse – gibt elf Tipps für erfolgreiche Change-Projekte.

 

Albrecht Müllerschön, Coach für Change-Projekte

Albrecht Müllerschön, Coach für Change-Projekte

 

  1. Das Modewort Change – Wann Projekte auch ein neues Selbstverständnis der Leute erfordern

 

Der Begriff Change ist ein Modewort und wird inflationär gebraucht. Das schafft Verwirrung. Bezeichnen Sie nur solche Projekte als Change-Projekte und -Prozesse, die für den Unternehmenserfolg strategisch relevant sind und auch auf einen kulturellen Wandel in der Organisation abzielen.

Zum Beispiel: Wenn ein Unternehmen seine Büros neu streicht, dann ist das zwar auch ein Projekt, jedoch kein Change-Projekt.

Anders ist es, wenn ein Bereich neu strukturiert wird, weil die Mitarbeiter künftig nicht nur Auftragseingänge bearbeiten, sondern auch Kunden beraten sollen, weshalb sie auch ein neues Selbstverständnis brauchen. Dann ist dies ein Change-Projekt und -Prozess.

Dieses schwammiges Verständnis von Change führt auch dazu, dass viele Projektmanager und Führungskräfte irrtümlich glauben, sie seien change-erfahren und deshalb die Anforderungen an ein professionelles Change-Management unterschätzen.

 

Tipp: Ermitteln Sie bei jedem größeren Veränderungsvorhaben dessen Auswirkungen für die Mitarbeiter. Checken Sie, ob das Projekt wirklich ein Change-Projekt ist.

 

 

  1. Bei jeder Veränderung gibt es Verlierer – auch wenn die Top-Manager das nicht zugeben wollen  

Viele Top-Manager neigen, wenn größere Veränderungen anstehen, dazu, so zu tun, als gäbe es in dem Prozess nur Gewinner. Das stimmt nicht. Bei jedem Change-Projekt gibt es auch Verlierer – oder zumindest Personen, die sich als solche empfinden – weshalb sie Angst vor der Veränderung haben und mehr oder minder offen dagegen opponieren.

 

Dabei muss es sich nicht stets um die existenzielle Angst handeln, arbeitslos zu werden. Auch die Befürchtung, Privilegien und Einflussmöglichkeiten zu verlieren, löst bei Mitarbeitern oft Widerstände aus. Ebenso die Notwendigkeit, Gewohnheiten und Arbeits-Routinen, die ihnen Sicherheit vermitteln, aufzugeben.

 

 

Der typische Manager-Fehler: Mitarbeiter, die sachlich begründete Bedenken äußern, als Blockierer abzustempeln

Durch eine  – aus Mitarbeitersicht – unrealistische Darstellung der Zukunft oder Auswirkungen der Veränderung, verspielen Manager schnell Ihre Glaubwürdigkeit. Damit erschweren sie sich das Umsetzen der geplanten Maßnahmen und Erreichen der Ziele.

 

Tipp: Führungskräfte sollten, soweit möglich, offen und ehrlich sein, und sich ernsthaft mit den Befürchtungen und Bedenken der Mitarbeiter auseinandersetzen. Und sie sollten diesen häufigen Fehler von Managern vermeiden: Mitarbeiter sofort als Blockierer abzustempeln, die sachlich begründete Einwände äußern.

 

 

  1. Die Führungskräfte und Mitarbeiter aktiv einbinden

In sozialen Systemen wie Unternehmen werden tiefgreifende Veränderungen nur erreicht, wenn Mitarbeiter und Führungskräfte sie mit-tragen. Eine Voraussetzung hierfür ist: Die Mitarbeiter erkennen die Notwendigkeit der angestrebten Veränderung und akzeptieren die hiermit verbundenen Ziele.

 

Top-Manager gehen oft davon aus, dass insbesondere die Führungskräfte in ihrer Organisation die von ihnen beschlossenen und geplanten Veränderungen selbstverständlich mittragen. Das ist häufig nicht der Fall. Auch die Führungskräfte müssen überzeugt sowie inspiriert und motiviert werden. Sonst fehlt dem Top-Management beim Umsetzen des Projekts die nötige Unterstützung.

 

Tipp: Das Top-Management muss ausreichend Zeit und Energie darauf verwenden, insbesondere den Führungskräften zu vermitteln, worum es in dem Projekt geht. Denn sie müssen im Arbeitsalltag die nötige Veränderungsenergie bei ihren Mitarbeitern erzeugen und bewahren. Das gelingt ihnen nur, wenn sie selbst von der Notwendigkeit der Veränderung überzeugt sind.

 

 

  1. Die Mitarbeiter auch emotional ansprechen und ihnen klar machen, welchen Nutzen sie selbst haben

Top-Manager begründen ihre Entscheidungen oft nur rational – also zum Beispiel mit Aussagen wie: „Durch das Zusammenlegen der Bereiche sinken unsere Kosten pro Jahr um 15 Prozent“. Oder: „Durch das Einführen der neuen Software verringern sich unsere Bearbeitungszeiten um 20 Prozent“.

 

Solche Argumente überzeugen Geldgeber, jedoch Mitarbeiter nur bedingt. Zumindest werden sie hierdurch nicht emotional berührt und stimuliert. Anders ist es, wenn die Argumentation lautet: „Durch das Zusammenlegen der Bereiche eröffnen sich uns neue Marktchancen. Dadurch eröffnen sich auch Ihnen neue Entwicklungsperspektiven.“ Oder: „Mit der neuen IT können Sie die Kunden viel individueller beraten. Das wirkt sich auch positiv auf die Kundenzufriedenheit und die Atmosphäre in den von Ihnen geführten Gesprächen aus.“

 

Tipp: Präsentieren Sie als Führungskraft oder Top-Manager den Mitarbeitern nicht nur betriebswirtschaftliche und technische Daten, um sie zu überzeugen. Verwenden Sie auch Bilder. Arbeiten Sie zudem gezielt den Nutzen für die betroffenen Mitarbeiter heraus. Denn nur so gewinnen Sie diese als Mitstreiter.

 

  1. Top-Manager müssen selbst dabei bleiben und die Knochenarbeit mitmachen 

Top-Manager übertragen meist, nachdem eine Veränderung verkündet wurde, die Verantwortung für deren Umsetzung auf die ihnen nachgelagerten Führungsebenen. Und sie selbst? Sie ziehen sich wieder in ihren Elfenbeinturm zurück und widmen sich anderen Aufgaben. Dabei beginnt nach dem Verkünden einer Veränderung erst die Knochenarbeit. Entsprechend schnell fühlen sich die Führungskräfte, wenn das Top-Management wenig Präsenz zeigt, alleine und im Stich gelassen – zu Recht. Ähnlich verhält es sich bezogen auf die Mitarbeiter. Wenn ein Projekt aus Mitarbeitersicht auf der Top-Ebene keine starken Promotoren hat, dann setzt sich weder die notwendige Masse in Bewegung, noch bleibt sie in Bewegung. Das heißt, das Projekt scheitert.

 

Tipp: Top-Manager sollten, wenn Ihre Organisation eine Veränderung durchläuft, Management by Walking around praktizieren. Und Präsenz zeigen, immer wieder für die Veränderung werben und sie aktiv vorleben.

 

 

  1. Mit Widerständen und Problemen unbedingt rechnen

Bei fast jedem Change-Projekt gibt es Probleme und Widerstände, mit denen die Verantwortlichen im Vorfeld nicht gerechnet haben – denn solche Prozesse lassen sich am grünen Tisch nur bedingt planen. Hinzu kommt: Bei vielen Veränderungen wird den Betroffenen erst im Projektverlauf klar, welche Auswirkungen diese für sie als Person haben. Also regt sich auch erst dann bei ihnen Widerstand.

 

Führungskrafte und Top-Manager sollten sich bewusst machen, wie schwer es auch Ihnen fällt, Gewohnheiten aufzugeben und Ihr Verhalten nachhaltig zu ändern  – und sei es nur, dass Sie regelmäßiger Sport treiben. Oder sich mehr Zeit für Mitarbeitergespräche nehmen. Denn nur dann bewahren sie, wenn Widerstände auftreten, die Geduld und Gelassenheit, die Sie zum Ermutigen ihrer Mitarbeiter brauchen.

 

Tipp: Schon beim Planen sollte man unvorhergesehene Widerstände und Probleme einkalkulieren. Manager müssen zudem den Mut haben, wenn unvorhergesehene Probleme auftreten, ihren Projektplan zu hinterfragen und, sofern sinnvoll, von der vorhergesehenen Route abzuweichen. So wie beim Autofahren, wenn auf der Autobahn ein Stau ist.

 

 

  1. Offen geäußerte Bedenken wertschätzen – und die Chance nutzen, Mitarbeiter ins Boot zu holen

Top-Manager lieben es als echte Macher meist nicht, wenn betroffene Mitarbeiter Bedenken gegen ihre Vorhaben äußern. Sogar sachlich begründete Einwände wischen sie nicht selten mit einer Handbewegung beiseite. Und die Mitarbeiter, die Bedenken äußern? Sie werden von ihnen oft mit solchen Etiketten wie Bremser oder Querulanten versehen.

Top-Manager und Führungskräfte müssen dankbar sein, wenn Mitarbeiter offen ihre Bedenken äußern – denn sie sind in den meisten Fällen das Sprachrohr vieler Kollegen, denen der Mut hierzu fehlt. Werden Bedenken offen artikuliert, dann kennen Sie die wahren Bedürfnisse der Mitarbeiter. Also können Sie hierauf reagieren und die Mitarbeiter ins Boot holen und so Hindernisse auf dem Weg zum Ziel beseitigen.

 

Tipp: Vorgesetzte müssen sich klar machen, dass offen artikulierte Bedenken Ihnen helfen, das Projekt zu steuern – denn sie signalisieren Ihnen, auf welche Fragen die Mitarbeiter gerne eine Antwort hätten. Und sie sollten Ihre Mitarbeiter ermutigen, Einwände und Bedenken offen zu äußern.

 

 

  1. Change-Manager brauchen Rückgrat und Erfahrung, Restrukturierungen sind kein Spielfeld für Bewährungsproben für junge Leute

Im Betriebsalltag wird die Verantwortung für größere Change-Projekte oft jungen Projektmanagern mit wenig Erfahrung übertragen – als Chance, sich zu bewähren. Das hat zur Konsequenz, dass die Projektmanager/-leiter von den Bereichsfürsten oft nicht die nötige Unterstützung bekommen – auch weil diese nicht selten als Konkurrenz erfahren. Zudem agieren die jungen Projektmanager häufig  methodisch sowie strategisch und taktisch ungeschickt, weil sie noch wenig Projekterfahrung haben. Die Folge: Im Projektverlauf treten unnötige Probleme auf und die Projektziele werden entweder nicht oder nur zeitlich verzögert erreicht.

Tipp: Die Verantwortung für strategisch relevante Change-Projekte ist etwas für erfahrene Projektmanager, die das erforderliche Standing in Ihrer Organisation haben. Junge Projektleiter brauchen dagegen Mentoren an ihrer Seite, die in Ihrem Unternehmen etwas zu sagen haben.

 

 

  1. Führungskräfte müssen auch selbst professionell vorbereitet werden 

Beim Ausprobieren neuer Verhaltensweisen stellen Mitarbeiter meist fest: So wie ich es bisher gemacht habe, funktionierte es besser, schneller. Das ist normal, denn die Mitarbeiter haben noch keine Routine mit dem neuen Vorgehen entwickelt. Ähnlich verhält es sich, wenn Unternehmen in einem Bereich ein neues Verfahren einführen. Dann sinkt in der Regel zunächst die Leistung und somit Motivation. Dann sind die Führungskräfte als Ermutiger gefragt, die ihre Mitarbeiter motivieren, unterstützen und ihnen eine Perspektive aufzeigen.

 

Tipp: Führungskräfte müssen auf ihre – oft ungewohnten – Führungsaufgaben in Change-Projekten vorbereitet werden. Sie brauchen das nötige Know-how über die typischen Verlaufsphasen eines Change-Prozesses, damit sie das Verhalten ihrer Mitarbeiter richtig einschätzen und angemessen darauf reagieren. Auch für Change-Projekte gibt es Coachs.

 

 

  1. Teil-Erfolge feiern

Kulturelle Change-Prozesse vollziehen sich gerade in größeren Organisationen sehr langsam – häufig so langsam, dass die Betroffenen das Gefühl haben: Da bewegt sich nichts. Entsprechend wichtig ist es, nicht nur Etappenziele auf dem Weg zum großen Ziel zu formulieren, sondern deren Erreichen auch zu kommunizieren und zu feiern, damit die Motivation gewahrt bleibt.

 

Tipp: Nehmen Sie sich ab und zu bewusst die Zeit, mit den Mitarbeitern zu reflektieren, welche Teilerfolge sie gemeinsam seit Projektbeginn schon erreicht haben. Seien Sie, wenn ein Etappenziel erreicht wurde, auch mal großzügig, und organisieren Sie zum Beispiel einen Umtrunk.

 

 

  1. An die Zukunft denken, aus dem Projekt lernen

Wie erfolgreich ein Unternehmen langfristig ist, hängt heute stark davon ab, wie schnell es sich zum Beispiel Marktveränderungen anpasst und wie rasch und erfolgreich es solche Projekte meistert. Entsprechend wichtig ist es, aus den durchgeführten Projekten für die Zukunft zu lernen. Denn nur so können Manager ihre Projekt- und Change-Management-Kompetenz sowie die Ihrer Organisation kontinuierlich erhöhen.

 

Tipp: Projekte brauchen Bilanzen: Was lief gut, was weniger gut? Was kann oder möchten man in Zukunft besser machen? Welche neuen Projektmanagement-Standards lassen sich ableiten?

 

 

http://www.muellerschoen-beratung.de/buecher-management/

 

Zum Autor: Dr. Albrecht Müllerschön ist Inhaber der Müllerschön Managementberatung, Starzeln (Baden-Württemberg), die Unternehmen und ihre Mitarbeiter beim Bewältigen von Changevorhaben unterstützt. Der Wirtschaftspsychologe ist Autor mehrerer Personal-Fachbücher und war Lehrcoach an der Uni Tübingen (Internet: www.muellerschoen-beratung.de).

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