VW-Skandal: Wenn Kostenvorgaben unternehmerisches Denken ad absurdum führen. Kommentar von GPRA-Chef Uwe Kohrs

Eine Frage des Systems?

Uwe Kohrs, Präsident des PR-Agenturverbands GPRA und Geschäftsführender Gesellschafter der Agentur Impact analysiert im Management-Blog die Webfehler im System bei VW – und auch Schwachstelle bei vielen anderen Unternehmen: Ist der Kostenrahmen wichtiger als die Qualität, kann das nicht gut gehen.

 

Uwe Kohrs, GPRA-Präsident und Chef der Agentur Impact

Uwe Kohrs, GPRA-Präsident und Chef der Agentur Impact

 

Das Motto: Durchwurschteln ist Trumpf

Wer sich das Mediengewitter der vergangenen Wochen in Sachen VW vergegenwärtigt, der kann leicht den Eindruck gewinnen, es handele sich bei dem Wolfsburger Weltkonzern um eine kriminelle Vereinigung. Das Vertrauen der Öffentlichkeit ist im Keller, die Juristen hüben wie drüben des Atlantiks rüsten sich für den anstehenden Schadensersatz-Tsunami und VW scheint die FIFA-Strategie zu wählen, um den Konzern rundzuerneuern. Frei nach dem Motto Durschwurschteln ist Trumpf.

 

Das Versagen in Großkonzernen hat System

 

Und selbsternannte Experten läuten schon mal das Ende von Made in Germany ein. Stellt sich die Frage, ob wir es nicht ein bisschen kleiner haben können. Aber Spaß beiseite Die Frage, die im Raum steht ist, ob VW mit seinen Großkrisen im Zehn-Jahres-Rhythmus ein Einzelfall ist, oder ob irgendetwas falsch läuft im Staate Dänemark. Großflächige Rückrufaktionen sind längst die Normalität in der Autoindustrie geworden, die Lebensmittelbranche jagt von Krise zu Krise, die Banken scheinen von allen guten Geistern verlassen und so weiter und so weiter. Corporate Governance scheint kaum mehr als ein nett formulierter frommer Wunsch zu sein. Das Versagen in Konzernen und Großunternehmen hat System, das wird zunehmend deutlich.

 

Die Erklärung findet sich nur im Kleingedruckten: Der Kostenrahmen

Wer etwas über die Ursachen erfahren will kann im aktuellen VW-Skandal einiges darüber erfahren – nicht in den Headlines, sondern so nebenbei im Kleingedruckten zum Beispiel in den Aussagen der Ingenieure bei der ersten internen Untersuchung. „Man habe im Rahmen der finanziellen Vorgaben keine Lösung für diesen Motorentyp zustande gebracht“, gaben die Herren unter anderem zu Protokoll, und dann hat man es eben über eine Software-Manipulation gelöst. Auf die Idee, den Kostenrahmen in Frage zu stellen, scheint keiner gekommen zu sein und technisches Scheitern hätte in der VW-Kultur für alle Beteiligten die weitere Karriere im Unternehmen VW gekostet. Wer bringt unter solchen Rahmenbedingungen den Mut auf, sich gegen dieses System zu stellen?

 

Die Schwachstelle bei VW wie bei vielen Unternehmen: Controlling und Einkauf als eigentliche Macht, die Angst und Schrecken verbreitet

Und genau da zeigt sich eine Schwachstelle in der Realität vieler Unternehmen und Konzernen im Spannungsfeld zwischen Kostenoptimierung und Fachanforderungen. Hinter vorgehaltener Hand entsteht ein Bild von Unternehmenskulturen, in denen gegen alle Vernunft und Expertise die Fachabteilungen bei Entscheidungen systematisch ignoriert werden – und Controlling und Einkaufsabteilungen die eigentliche Macht in Unternehmen sind und mit ihrer rein zahlengetriebenen Denke Angst und Schrecken verbreiten. Alles üble Nachrede und falsche Interpretation?

 

Qualitäts-Sicherung mit Improvisation

Nun, die Vertreter von Fachabteilungen aus allen Bereichen klagen immer häufiger, dass sie keinen Einfluss mehr auf Vergabeentscheidungen haben – denn das erledigt der Einkauf – streng nach Vergaberichtlinien zum günstigsten Preis, egal ob Schrauben, Personal oder Kommunikation. Wer dabei die Qualität in Frage sieht und gegenzusteuern versucht, muss sich was einfallen lassen und improvisieren.

 

Fachexpertise außer Kraft setzen, Widerspruch bestrafen

Nicht das wir uns missverstehen: Kontrolle bei Vergaben, Projekten und Einkauf ist natürlich vernünftig, aber wer das Prinzip der Fachexpertise im eigenen Unternehmen außer Kraft setzt und Widerspruch bestraft, der führt unternehmerisches Denken ad absurdum. Opel arbeitet seit Jahren daran, um aus der von Herrn Lopez und seinen Nachfolgern verursachten Image- und Vertrauenskrise herauszukommen und scheint dabei mittlerweile dazugelernt zu haben. VW hat die harten Zeiten jetzt vor sich und es ist zu hoffen, dass man bei der Suche nach den Schuldigen nicht die notwendigen Systemfragen vernachlässigt. Denn wer, wie bei VW angekündigt, jetzt schnell mal den Kulturwandel verkündet, der sollte wissen welche Kultur er damit eigentlich meint.

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