PR-Krisen sind wie Handyakkus – Gastbeitrag von PR-Profi Jörg Forthmann von Faktenkontor

 

Kommunikationskrisen sind wie Handyakkus

 

Jörg Forthmann, Chef der Kommunikationsagentur Faktenkontor

Jörg Forthmann, PR-Profi und Chef der Kommunikationsagentur Faktenkontor

Krisen sind wie Handyakkus. Man weiß, dass irgendwann die Ladeanzeige gefährlich rot blinkt – und dann fehlt das Ladekabel, um das lästige Problem zu lösen. Man weiß, dass der Akku irgendwann den Geist aufgibt – und ist trotzdem nicht wirklich vorbereitet.

 

So ist es auch bei Kommunikationskrisen. Statt sich darauf vorzubereiten, warten die meisten Topmanager das Elend ab. Nur jedes vierzigste Unternehmen hat eine Krisen-Landkarte mit Themen – neudeutsch: Issues – öffentlich gefährlich werden könnten.

Noch weniger Firmen rufen Krisenübungen aus, um die eigene Mannschaft auf Kommunikationsdesaster vorzubereiten und operative Schwächen in einer Trockenübung auszumerzen. Das hat unsere Faktenkontor-Umfrage unter Pressestellen in deutschen Unternehmen ergeben. Dabei gibt es genug warnende Beispiele, welche schwerwiegenden Folgen Negativberichte in den Medien haben können:

American Apparel hat nach lauter Negativberichten seinen Kultstatus verloren und bietet jetzt in Toplagen Mode zu Schnäppchenpreisen an.

Lidl bügelt mühsam mit Millionenetats sein Image wieder auf.

Und Nestlé muss um seinen Marktanteil von über 60 Prozent bei Trockennudeln in Indien fürchten, weil möglicherweise falsche Laborergebnisse öffentlich wurden.

 

Personell unterbesetzt, ohne Krisenerfahrung

Und es kommt noch schlimmer: Die allermeisten Pressestellen sind eine One-Man-Show. Mit Glück ist es ein kleines Team. Allerdings ohne nennenswerte Krisenerfahrung. Das ist – ironisch betrachtet – vom Topmanagement konsequent zu Ende gebracht. Da man keine Vorsorge für Kommunikationskrisen trifft, braucht man auch keine krisenerfahrene Pressestelle.

 

Wenn dann die Krise richtig hochkocht, hilft nur noch der externe Krisenberater.

Dies sind die Top-Ten-Gründe, warum der Krisen-PR-Spezialisten hinzu gerufen werden:

  1. Verleumdung durch Mitarbeiter
  2. Verleumdung durch Führungskräfte
  3. Produktionsfehler/Qualitätsmängel
  4. Rechtsverstöße
  5. Kundenbeschwerden
  6. Streiks
  7. Verleumdung durch Wettbewerber
  8. Betriebsunfälle
  9. Standortschließungen
  10. Insolvenzen

 

Die Einsatzbedingungen sind meist wie bei Red Adair, der weltweit brennende Ölquellen löschte. Das Feuer brennt lichterloh, und es geht vor allem darum, den Brand so schnell wie möglich zu löschen und die Schäden zu minimieren. Die externen Profis entwickeln in kürzester Zeit Lösungsstrategien, um die Krise zurückzudrängen. In dieser Situation treffen sie oft auf geläuterte Topmanager, die den Ernst der Krise sehen und bereitwillig die Abwehrmaßnahmen mittragen.

 

Sobald die Krise jedoch gemeistert ist, ist es mit dieser Einsicht vorbei. Dann wechselt die Geschäftsführung flugs ins Tageseschäft, nach dem Motto: „Lass‘ uns bloß schnell die Krise hinter uns lassen!“ Eine Nachbereitung der Krise gibt es dann nicht mehr, auch wenn der Krisenberater darauf drängt.

Ein Beispiel: Ich habe eine Firma bei mehreren Lebensmittelerpressungen begleitet. Jedes Mal ging es um -zig Millionen Euro Umsatz, aber nie kam es zu einer Analyse der vorangegangenen Krise, um aus Fehlern zu lernen, um beim nächsten Mal besser aufgestellt zu sein. Das war vom Vorstand „nicht gewünscht“.

 

Vorbereitung ist effizienter als Rettungsversuche in letzter Minute

Professionelle Berater drängen ihre Mandanten dazu, sich auf eine Kommunikationskrise systematisch vorzubereiten: Infrastrukturen aufbauen, Krisenteamszusammen zu stellen und zu schulen, Argumentationslinien auszuarbeiten, Verbündete zu gewinnen und das Krisenthema sorgsam zu beobachten. Das ist deutlich effektiver als die Rettungsversuche, wenn die Krise kaum noch aufzuhalten ist. Und da liegt der größte Unterschied zwischen der Kommunikationskrise und dem Akku, der aufgibt: Die Krise lässt sich oft klug verhindern, der Akku, der den Geist aufgibt, eher nicht.

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