Wie Unternehmen ihre Kunden vergessen – vor lauter Change Management. Gastbeitrag von Birthe Hora

Ausgerechnet die Kunden vergessen? Das geht ganz schnell. Am schnellsten eigentlich. Gastbeitrag von Unternehmensberaterin Birthe Hora

 

Birthe Hora

Birthe Hora

Wie Change Management systematisch den Kunden ignoriert

Change-Management ist Dauerzustand geworden. Da verschlanken die Manager Prozesse, legen Unternehmensbereiche zusammen, sparen Kosten ein – und am liebsten Personalkosten. Was die Verantwortlichen im Unternehmen allerdings leicht übersehen: Mit den Veränderungen nach dem Change-Management muss nachher einer zurecht kommen:der Kunde.

 

Sie denken, das ist doch selbstverständlich? Nicht immer. Zum Beispiel können viele Kunden der Commerzbank nicht mehr problemlos online mit der Kreditkarte einkaufen. Zumindest nicht in solchen online-Shops, die am „MasterCard® SecureCode™“-Verfahren teilnehmen. Denn dafür muss der Kunde nun eine Tan (Transaktionsnummer) eingeben, die er nur noch bekommt, wenn er am Onlinebanking der Bank teilnimmt. Das ist ärgerlich für alle, die ihr Konto aus Prinzip nicht im Internet verwalten möchten. Immerhin dürfte davon jeder fünfte Kunde betroffen sein: 70 Prozent aller Deutschen kaufen online ein, aber nur 49 Prozent nutzen online-Banking (Quelle: Eurostat, Februar 2015).

 

Kunden-Beschwerden über Änderungen

Dieses Beispiel ist kein Einzelfall: wer sich auf Nutzerforen bei den großen Unternehmen umsieht, findet immer wieder Beschwerden über unerwartete Änderungen. Plötzlich schlechter Empfang beim Mobilfunkanbieter – bei Arbeiten am Netzausbau. Veränderte Sender-Frequenzen beim Kabel-TV. Einzelne Leistungen vom Versandhändler sind nur noch als Paket buchbar und deutlich teurer wie zum Beispiel Amazon Prime.

Oder ähnliche Umstellungen bei Unternehmen aus ganz anderen Branchen, die für Kunden Unannehmlichkeiten darstellen. Ein recht häufiger Nebeneffekt von Change-Management sind offensichtlich verärgerte Kunden. Wie das kommt?

 

Erklärung Nummer Eins: Selten ist im oberen Management Customer Service vertreten 

Am einen Ende der Unternehmenswelt steht das Top-Management, wo Veränderungen beschlossen werden. Und am anderen Ende steht der Customer Service. Dort müssen die Veränderungen dem Kunden vermittelt werden. Dazwischen liegen oft Welten, und kaum jemand gelangt vom Customer Service nach oben, um sich Gehör zu verschaffen. Denn der Kundenservice ist meist nicht im Top-Management aufgehängt, sondern mindestens eine Ebene darunter. Oder tiefer.

 

Erklärung Nummer Zwei: Fast keiner nimmt Call-Center-Mitarbeiter ernst

Die Mitarbeiter im Customer Service und in den Call Centern sind ständig in Kontakt mit den Kunden. Sie registrieren deren Meinungen, Wahrnehmungen und Stimmungen auf dem Markt ganz unmittelbar. Nur: Sie werden viel zu selten gefragt.

Dabei wüssten sie sehr gut, wie sich Veränderungen auf die Kunden auswirken und wie sie sich am besten vermitteln ließen.

 

Erklärung Nummer Drei: Change-Autoren sprechen viel über interne Prozesse – aber wenig über Kunden

Die Literatur zum Change-Management handelt von Führungskräften, Mitarbeitern und Unternehmenskultur. Darin geht es um den Faktor Mensch, womit gemeint ist: die intern Beteiligten für das Neue zu gewinnen. Die aktuelle Change-Management-Studie von der Unternehmensberatung Capgemini untersucht unterschiedliche Veränderungstypen bei Führungskräften. Sicher ist dies die Voraussetzung dafür, Change-Projekte überhaupt umzusetzen. Nur: wer kümmert sich darum, die Kunden von den Veränderungen zu überzeugen? Für Change-Experten scheint dies nur ein Randthema zu sein.

Für Change-Management in Unternehmen ist jedenfalls klar: verändert werden sollte nur, was am Ende dem Kunden nützt. Oder was er gar nicht erst bemerkt.

 

Birthe Hora ist Customer-Service-Spezialistin für Kundenzufriedenheit-Strategien, sie arbeitete für die Deutsche Post, Doc Morris oder Sky Deutschland: www.birthehora.com

 

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Alle Kommentare [1]

  1. Sehr schöner Artikel, vielen Dank…

    Wie oft haben wir alle den Satz „Service wüste Deutschland“ im Customer-Care gehört und uns waren die Hände gebunden…
    Meiner Meinung nach können Unternehmen nur dann gesund und stabil wachsen, wenn sie auf die Menschen hören, für annehmbare Wünsche und Kritik offen sind.
    Kopieren kann jeder, für Ideen braucht man Köpfe…