Geldbuße für Vorstände vom Unternehmen ersetzen? Nicht ohne die Hauptversammlung – Gastbeitrag

 

Der Vorstand versagt, der Aufsichtsrat lässt Unternehmen die Strafe übernehmen – der BGH hat dieser gängige Praxis ein Ende gesetzt. Die Hauptversammlung muss entscheiden, ob einem Top-Manager seine Geldbusse ersetzt werden darf. Gastbeitrag von Thomas Keul und Julia Maier-Reinhardt von der Kanzlei Morrison & Foerster. 

Im Frühjahr hat die Saison der Hauptversammlungen begonnen: Aktiengesellschaften laden ihre Aktionäre ein, um Satzungsänderungen, Kapitalerhöhungen und Dividenden zu beschließen. Schon eine einzige Aktie reicht aus, um dabei zu sein, Fragen zu stellen und abstimmen zu dürfen. Dieses Jahr wird besonders spannend werden, denn es stellen sich neue Fragen:

– Inwieweit sind die Aktionäre bereit, Geldstrafen von Vorständen auf Kosten des Unternehmens zu genehmigen und damit ihre Gewinne zu schmälern?

– Inwiefern haben Aufsichtsratsmitglieder womöglich ihre Pflichten verletzt?

– Und: Wie steht das Unternehmen dann vor Bürgern und Konsumenten da?

 

Thomas Keul von Morrison & Foerster

Thomas Keul von Morrison & Foerster

 

Strafen für Vorstände: Aktionäre entscheiden jetzt über Kostenübernahme

Vorbei sind die Zeiten, in denen Aufsichtsrat und Vorstand hinter verschlossenen Türen die Übernahme ihrer Geldstrafen und sonstigen Sanktionen infolge ihrer Pflichtverletzungen bei Ausübung ihres Amtes zusagen konnten, um den Ruf des Unternehmens – und vor allem auch ihren eigenen – zu retten. Dieses durchaus gängige Gebaren, das lange Zeit in einer rechtlichen Grauzone möglich war, hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit seinem Urteil am 8. Juli 2014 (Aktenzeichen II ZR 174/13) endgültig ein Ende gesetzt:

Julia Mayer-Reinhardt von Morrison & Foerster

Julia Maier-Reinhardt von Morrison & Foerster

„Wenn das Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft durch eine Handlung, die Gegenstand eines Ermittlungs- oder Strafverfahrens ist, gleichzeitig
seine Pflichten gegenüber der Gesellschaft verletzt hat, muss die Hauptversammlung einer Übernahme der Geldstrafe, Geldbuße oder Geldauflage durch die Gesellschaft zustimmen“, heißt der BGH-Leitsatz, den es nun zu befolgen gilt.

Hauptversammlung: Aufsichtsräte wegen Kontrollpflicht unter Druck

Nach der neuen Rechtsprechung des BGH reicht ein Aufsichtsratsbeschluß in Zukunft nur noch dann aus, wenn die Aufsichtsräte ausschließen können, dass der beschuldigte Vorstand im Rahmen seines Verstoßes nicht auch seine Pflichten gegenüber dem Unternehmen verletzt hat.

Das aber dürfte kaum möglich sein: Wie wollen die Aufsichtsräte und -rätinnen das verbindlich nachprüfen? Und vor allem: Wollen sie riskieren, falsche Schlüsse zu ziehen und sich selbst einer Pflichtverletzung schuldig und damit auch haftbar zu machen?

Diesem Dilemma können sie nur noch entkommen, indem sie die Aktionären in der Hauptversammlung über die Übernahme von Strafgeldern des jeweiligen Vorstands abstimmen lassen.

BGH-Begründung: Aktionärsverluste wiegen schwerer als Rufschädigung
Mit seiner Entscheidung vom vergangenen Jahr hat der Bundesgerichtshof bisherige Schlupflöcher geschlossen: Zwar besagte das Aktiengesetz im Fall des Verzichts auf Schadensersatzansprüche des Unternehmens gegenüber Vorständen bisher ausdrücklich, dass das Unternehmensvermögen und damit auch die Vermögensrechte der Aktionäre zu schützen sind und daher auf Schadensersatzansprüche gegen den Vorstand nur verzichtet werden kann, wenn die Hauptversammlung dem Verzicht zustimmt, den finanziellen Schaden sozusagen genehmigt (§ 93 Abs. 4 S. 3 AktG).

Doch bedurfte es eines Präzedenzfalles, anhand dessen der Bundesgerichtshof das Erfordernis der Mitwirkung der Hauptversammlung nun ausdrücklich auch auf Fälle der Übernahme von Sanktionen gegen Vorstände durch das Unternehmen erweitern und damit nochmals unterstreichen konnte, dass die Vermögensinteressen der Aktionäre schwerer wiegen als der Schutz vor einer Rufschädigung des Unternehmens.

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Der Präzedenzfall „Windpark“: Rechtliche Grauzone abgeschafft

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Gegen einen Vorstand des Windparkunternehmens Plambeck Neue Energien, heute PNE Wind AG, ermittelte 2005 die Staatsanwaltschaft Stade. Der Manager verlor seinen Job, im Aufhebungsvertrag wurde ihm mit Zustimmung des Aufsichtsrats jedoch weitere Hilfe zugesagt. So gewährte ihm das Unternehmen 2007 ein Darlehen von 50.000 Euro. Mit diesem Geld beglich der Vorstand die Geldbuße, die ihm im Ermittlungsverfahren auferlegt worden war. Das Strafverfahren wurde eingestellt. Gleichzeitig zahlte ihm das Unternehmen eine Sondertantieme von 50.000 Euro.

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Wenn das neue Top-Management gegen die Ex-Vorstände zu Felde zieht

Später jedoch klagte das neue Top-Management – unter Berufung auf das Aktiengesetz – gegen diesen Deal und meinte, dass dem Aufhebungsvertrag die Hauptversammlung hätte zustimmen müssen. Der Bundesgerichtshof gab dem Unternehmen – also dem neuen Vorstand – recht und entschied, dass der Beschluss des Aufsichtsrats nicht ausreiche und die Zustimmung der Aktionäre erforderlich gewesen wäre: Schließlich habe der Vorstand auch gegen seine Pflichten als Manager des Unternehmens verstoßen (Bundesgerichtshof-Urteil vom 8. Juli 2014, Aktenzeichen II ZR 174/13).

Bei schätzungsweise 6.000 vor Gericht anhängigen Managerhaftungsverfahren und 20.000 Schadensersatzforderungen in Deutschland wird das eine spannende Hauptversammlungs-Saison werden.

Jedenfalls werden die Entscheidungen über Übernahmen von Vorstandsstrafzahlungen frei nach dem Motto „Der Vorstand versagt, das Unternehmen zahlt“ nicht mehr unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden – und sich Aufsichtsräte wie Vorstandsmitglieder gegenüber der Hauptversammlung für ihr Tun verantworten müssen.

 

Quellen/Links:

BGH-Urteil:
http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&nr=68708&pos=0&anz=1

Aktiengesetz:
https://beck-online.beck.de/default.aspx?vpath=bibdata%2fkomm%2fHoeltersKoAktG_1%2fAktG%2fcont%2fHoeltersKoAktG.AktG.p93.htm

WiWo-Quelle „6000 anhängige Mangerhaftungsverfahren“:
https://blog.wiwo.de/management/2015/05/03/vorstande-in-die-zange-genommen-vom-aufsichtsrat-aktionaren-medien-oder-kartellamt/

WiWo-Quelle Präzedenzfall Windpark:
http://www.wiwo.de/finanzen/steuern-recht/steuern-und-recht-kompakt-der-rechtstipp-der-woche-unzulaessige-klausel/10627818-all.html

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