Exklusiv: Buchauszug 175 Jahre Sozietätsgeschichte von Freshfields

Exklusiv im Management-Blog: Kanzlei Freshfields hat Jubiläum und legt ein Buch über seine Historie vor: „175 Jahre Freshfields Bruckhaus Deringer in Deutschland – Eine Sozietätsgeschichte im Wandel von Wirtschaft, Recht und Politik“ (C.H. Beck Verlag 2015)  http://ssl.freshfields.com/175de/index.html

 

Kreifelds, Josef Neckermann

Max Kreifelds (Mitte) mit Unternehmer Josef Neckermann (rechts)

 

Wirtschaftskanzleien zwischen Expansion und Spezialisierung (1973–1989)

Mit der Ölkrise und dem Zusammenbruch des Bretton-Woods-Systems scheinen 1973 für die Weltwirtschaft die Grenzen des Wachstums erreicht. Nach den Wirtschaftswunderjahren geraten auch bundesdeutsche Unternehmen in den Sog der Krise, und Wirtschaftsanwälte unterstützen ihre Mandanten nun oft beim Umbau ihrer Unternehmen. So beraten Max Kreifels und Otfried Lieberknecht Josef Neckermann bei der Fusion seines krisengeschüttelten Versandhandels mit Karstadt, Christian Wilde vertritt Hans Gerling nach der Pleite der Herstatt-Bank, und Winfried Steeger ist, nachdem die Umsätze bei Grundig eingebrochen sind, am Einstieg von Philips bei dem traditionsreichen Elektronikunternehmen beteiligt.

 

Rasanter Wandel

Gleichzeitig setzt in deutschen Kanzleien ein rasanter Wandel ein: Die deutschen Vorgängersozietäten von Freshfields expandieren und beraten auf immer mehr Rechtsgebieten, nun häufig als Spezialisten, die sich auf einzelne Teilbereiche des Wirtschaftsrechts konzentrieren. Ab Ende der 1980er Jahre steigen Anwältinnen wie Monika Lorenz-Wolf erstmals zu Partnerinnen auf.

 

Internationalisierung: Brüsseler Büro

Auch der Finanzmarkt in der Bundesrepublik ändert sich in dieser Zeit, und Westrick & Eckholdt ist eine der ersten Kanzleien, die sich auf das boomende  Anleihengeschäft konzentriert. Und schließlich schreitet die europäische Integration weiter voran, was der auf Europarecht spezialisierten Kanzlei Deringer Tessin Herrmann & Sedemund neue Möglichkeiten eröffnet – und sie ebenso wie Bruckhaus Kreifels Winkhaus & Lieberknecht zur Gründung eines Büros in Brüssel veranlasst. Ein weiterer Schritt in die Internationalisierung ist gemacht.

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„Die Grenzen des Wachstums“: Ölkrise, Wirtschaftskrise und der Zusammenbruch des Bretton-Woods-Systems 

Leere Autobahnen, ein Land im Stillstand: Als Reaktion auf den rapiden Anstieg der Ölpreise verhängte die Bundesregierung am 25. November 1973 erstmals ein deutschlandweites Fahrverbot. Kurz darauf sollten drei weitere folgen. Schlagartig machte die erste Ölkrise deutlich, wie abhängig die westliche Industriestaaten von Erdölimporten waren und wie empfindlich nationale Wirtschaftssysteme angesichts der internationalen Verflechtungen von Finanz- und Kapitalmärkten auf internationale Krisen reagierten. Im Herbst 1973 hatte die Organisation erdölexportierender Länder (OPEC) im Zuge des Jom-Kippur-Kriegs zwischen Israel und den arabischen Staaten erstmals Öl als Druckmittel eingesetzt und die Ölexporte in Staaten, die Israel unterstützen, gedrosselt – darunter auch Deutschland.

Die Folge: Die Rohölpreise stiegen rasant und die Bundesrepublik zahlte 1974 für den Ölimport 17 Milliarden D-Mark mehr als im Jahr zuvor, und das, obwohl die Menge des eingeführten Öls um sechs Prozent gesunken war.

 

Die Ölkrise

Westdeutschland erlebte die schärfte Rezession seit Kriegsende. Das Bruttosozialprodukt schrumpfte 1975 um 1,6 Prozent, gleichzeitig stieg die Zahl der Arbeitslosen auf über eine Million. Besonders schwer traf die Ölkrise die Automobilindustrie. Ihr Absatz brach in Deutschland um fast 25 Prozent ein. Noch dramatischer waren die Folgen für die Beschäftigten. Denn auch als sich die deutsche Wirtschaft ab Mitte der 1970er Jahre zu erholen begann, wurde auf dem Arbeitsmarkt das Niveau der 1950er und 1960er Jahre nicht wieder erreicht. Die Zahl der Arbeitsplätze verminderte sich zwischen 1973 und 1976 dauerhaft um etwa 800.000. „Die Grenzen des Wachstums“, so der Titel einer Studie des Club of Rome von 1972, schienen erreicht, das deutsche Wirtschaftswunder der Nachkriegszeit ging endgültig zu Ende.

 

Parallel zur ersten Ölkrise brach 1973 das Bretton-Woods-System zusammen, das seit 1944 mit festen Wechselkursen und dem US-Dollar als Leitwährung für Stabilität gesorgt hatte. Die Bundesrepublik war der internationalen Währungsordnung noch im Jahr ihrer Gründung 1949 beigetreten. Anfang der 1970er Jahre zeigte sich jedoch, dass das System mit seinen festen Kursen nicht flexibel genug war, um sich den immer rascher ändernden Gegebenheiten der Weltwirtschaft anzupassen. Daher traten im März 1973 die ersten europäischen Staaten aus dem Bretton-Woods-System aus. In der Folge kam es international zu starken Wechselkursschwankungen, und ein deutlich heterogeneres Währungssystem entstand.

 

Auch wenn sich die Weltwirtschaft ab Mitte der 1970er Jahre stabilisierte, war die Zeit der Krisen noch längst nicht vorüber. Nach dem zweiten Ölpreisschock 1979 stiegen die Energiepreise erneut an. Deutsche Importeure gaben nun für Öl fünfzehnmal so viel aus wie noch Anfang des Jahrzehnts, und wie schon 1973 zog der Anstieg der Ölpreise auch diesmal einen wirtschaftlichen Abschwung nach sich. In der Bunderepublik ging allein in der Stahlbranche, einst Schrittmacher des deutschen Wirtschaftswunders, die Zahl der Beschäftigten zwischen 1974 und 1990 von 344.000 auf 175.000 zurück.

 

AEG zahlungsunfähig

Auch in der Textilindustrie, im Schiffbau und in vielen anderen Sparten setzte ab den 1970er Jahren ein Schrumpfungsprozess ein, und selbst namhafte Firmen wie das Traditionsunternehmen AEG-Telefunken blieben nicht verschont. 1982 musste der  zweitgrößte Elektrokonzern Deutschlands sein Zahlungsunfähigkeit bekannt geben – „die größte Pleite, die in der europäischen Wirtschaftsgeschichte jemals stattgefunden hatte“, behauptete der Spiegel. Die Zahl der Arbeitslosen stieg weiter rapide an. 1982 waren zwei Millionen Bundesdeutsche ohne Arbeit.

 

… der erste PC von IBM

Erst ab Herbst 1982 zeichnete sich ein Aufschwung ab. Deutsche Unternehmen profitierten von der sich erholenden Weltkonjunktur, und das Bruttosozialprodukt stieg 1983 um 2,5 Prozent. Ab 1986 war die Bundesrepublik mit einem Rekordaußenhandelsüberschuss von 110 Milliarden D-Mark gar die stärkste Handelsnation der Welt. Gleichzeitig läutete die Mikroelektronik eine dritte industrielle Revolution ein. In den 1970er Jahren wurden erstmals Taschenrechner mit Mikrochips gebaut, und 1981 stellte IBM den ersten Personal Computer (PC) vor. Der Einzug von Industrierobotern und Computern in Fertigungshallen und Büros veränderte die Arbeitswelt grundlegend. Arbeitsplätze in der Fertigung gingen zwar verloren, doch entstanden zugleich neue hochqualifizierte Berufe. Vor allem aber hatte die neue Technik ein gewaltiges wirtschaftliches Potenzial. Allein in der Bundesrepublik stieg der Umsatz mit Kleinrechnern von 475 Millionen D-Mark im Jahr 1981 auf 1,25 Milliarden Mark im Jahr 1987.

 

Expansion und Spezialisierung in den Freshfields-Vorgängerkanzleien 

Es waren Jahre des Wandels, auch bei den Freshfields-Vorgängerkanzleien, die in den 1970er und 1980er Jahren rapide wuchsen. So trat bei Deringer Tessin Herrmann & Sedemund in Köln mit Dietmar Knopp, Wilhelm Danelzik, Joachim Pfeffer und Gerhard Picot ab Mitte der 1970er Jahre die erste Sozien-Generation nach den Namenspartnern ein. In den 1980er Jahren folgten unter anderem Jürgen Sieger, Frank Montag und Ludwig Leyendecker, und vor allem Frank Montag zog bald weitere junge Rechtsanwälte nach. Ende der 1980er Jahre arbeiteten bei Deringer Tessin Herrmann & Sedemund neun Partner sowie neun angestellte Rechtsanwälte.

 

Die größte deutsche Wirtschaftskanzlei

In weniger als drei Jahrzehnten hatte sich die Mannschaft der Kanzlei damit verneunfacht. Noch größer waren Ende der 1980er Jahre Westrick & Eckholdt mit 13 Partnern und Bruckhaus Kreifels Winkhaus & Lieberknecht mit 27 Partnern. Die Düsseldorfer Praxis war, gemessen an der Zahl der Sozien, die größte deutsche Wirtschaftskanzlei. Auch die Hamburger Kanzleien expandierten. Bei Steeger Tiefenbacher Heibey trat 1979 Winfried Steeger, der Sohn von Namenspartner Max Steeger, ein und wurde 1983 Sozius. 1988 kam als fünfter Partner Jan Willisch dazu.

Ab Anfang der 1970er Jahre verjüngte sich auch Stegemann Sieveking Lutteroth mit der Aufnahme neuer Sozien. 1971 wurden Jan-Peter De Wall und Christian Wilde als Partner aufgenommen, ab Mitte der 1970er Jahre folgten Hans Jochen Waitz, Andreas Rittstieg und Dieter Zwicker. Im Gegensatz zu den älteren Sozien stammte die neue Generation nicht mehr ausschließlich aus Hamburg. Dafür hatten die jungen Anwälte zuvor allesamt internationale Erfahrungen gesammelt: Wilde an den Universitäten von Lausanne und Berkeley, De Wall in New York bei Milbank Tweed Hadley & McCloy und Waitz in London bei Freshfields.

 

Immer mehr Anwältinnen

Unter den neu eingestellten Anwälten waren nun immer häufiger Frauen. In den 1970er Jahren fing Monika Lorenz-Wolf bei Bruckhaus Kreifels Winkhaus & Lieberknecht an; 1986 wurde sie zur ersten Sozia in der Düsseldorfer Kanzlei ernannt. Auch bei Westrick & Eckholdt gab es in den 1980er Jahren die ersten Rechtsanwältinnen, darunter die Arbeitsrechtlerin Caroline Bitsch. 1991 stieg sie zur Partnerin auf. Die Freshfields-Vorgängerkanzleien lagen damit im Trend: In den 1980er Jahren wurden in der Bundesrepublik immer mehr weibliche Rechtsanwälte zugelassen. Allein 1984 waren es fast 850 – ein Zuwachs von über 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Dennoch waren Rechtsanwältinnen und vor allem Partnerinnen auch schon in den 1980er Jahren in Wirtschaftskanzleien klar in der Minderheit. 

 

Von einer Gefahr für die Rechtspflege zur Partnerin: Rechtsanwältinnen in deutschen Kanzleien und bei Freshfields Bruckhaus Deringer

Der Weg in Anwaltskanzleien war Frauen in Deutschland lange Zeit verschlossen. Erst seit Anfang des 20. Jahrhunderts wurden sie an deutschen Universitäten überhaupt zum Studium der Rechtswissenschaften zugelassen. Allerdings durften sie das Studium vorerst nur mit dem Doktortitel abschließen; vom Staatsexamen waren Frauen ausgeschlossen und konnten damit weder als Richterinnen noch als Anwältinnen tätig werden. Noch während des Ersten Weltkriegs forderten deutsche Frauenverbände, Frauen als Rechtsanwälte zuzulassen, und verwiesen darauf, dass es selbst im zaristischen Russland weibliche Anwälte gab.

 

Leidenschaftlicher, weniger objektiv und schwere psychische Störungen

Als mit Kriegsende die alte Ordnung des Kaiserreichs unterging und Frauen 1919 mit der Weimarer Verfassung die gleichen Rechte wie Männer erhielten, darunter das Wahlrecht, schien die Zulassung von Frauen als Anwältinnen zum Greifen nah. Doch in Anwaltskammern und Anwaltsvereinen gab es noch immer erhebliche Vorbehalte gegen die Öffnung des Berufs für Frauen. So war etwa in Hamburg die Hanseatische Anwaltskammer noch 1919 der Meinung, Frauen seien grundsätzlich „unbestritten viel leidenschaftlicher“ und „viel weniger objektiv“ als Männer, zudem litten sie beispielsweise während einer Schwangerschaft unter „schweren psychischen Störungen“. In der Rechtspflege sei dies „gefährlich“.

 

1922 die erste deutsche Anwältin

Nichtsdestotrotz bekamen Frauen drei Jahre später die Möglichkeit, als Anwältinnen tätig sein zu dürfen. Denn am 11. Juli 1922 trat das Gesetz über die Zulassung der Frauen zu den Ämtern und Berufen der Rechtspflege in Kraft. Als erste deutsche Frau hatte Maria Otto bereits im Juni des Jahres das Assessorexamen bestanden; im Dezember 1922 wurde sie am Oberlandesgericht München als erste Anwältin in Deutschland zugelassen.

 

Und wieder ein Anwältinnen-Verbot 1936

Obwohl Frauen nun eine Karriere als Anwältin einschlagen konnten, entschieden sich vorerst nur sehr wenige dafür. In Hamburg etwa wurden bis Ende 1933 nur sechs Anwältinnen zugelassen, in ganz Deutschland waren es rund 80. Mit der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten änderten sich die Rahmenbedingungen bald grundlegend. Seit 1935 war es Frauen untersagt, als Richterinnen oder Staatsanwältinnen zu arbeiten, und ein Jahr später verbot Adolf Hitler persönlich, dass Frauen als Rechtsanwältinnen zugelassen wurden.

 

Nach Kriegsende wurden diese Bestimmungen wieder aufgehoben, und anders als in der Weimarer Republik nahm der Anteil der weiblichen Anwälte in der Bundesrepublik stetig zu. So gab es 1970 in Westdeutschland 1.035 Anwältinnen; Frauen stellten damit 4,5 Prozent der Anwaltschaft. 1980 waren es bereits 2.756 Anwältinnen (7,6 Prozent) und 1990 8.537 (15,1 Prozent). Im Jahr 2000 waren in Deutschland 25.589 Anwältinnen zugelassen, sie machten rund ein Viertel aller deutschen Rechtsanwälte aus. Bis 2013 stieg ihre Zahl auf 53.175. Damit ist heute etwa jeder dritte Anwalt weiblich.

 

Die ersten Partnerinnen bei Freshfields

Ab Ende der 1970er Jahre begannen Frauen auch die Männerdomäne der Wirtschaftskanzleien zu erobern. So wurde Monika Lorenz-Wolf 1986 erste Sozia bei Bruckhaus Kreifels Winkhaus & Lieberknecht. In den 1990er Jahren stiegen weitere Anwältinnen in den deutschen Vorgänger-Kanzleien von Freshfields Bruckhaus Deringer zu Partnerinnen auf, darunter Caroline Bitsch, Ruth Lüttmann, Hildegard Bison, Ulrike Schweibert, Gunhild Schäfer, Andrea Lensing-Kramer und Britta Zierau. Zierau trat 1991 bei Westrick & Eckholdt ein und wurde 1995 Partnerin. Allerdings war „gender balance“ noch kein Thema in Kanzleien.

 

Die erste Partnerinnen-Generation in den deutschen Freshfields-Vorgängerkanzleien musste selbst dafür sorgen, den Spagat zwischen Beruf und Familie zu bewältigen. Die meisten von ihnen arbeiteten bis kurz vor der Geburt ihrer Kinder und saßen drei Wochen nach der Entbindung wieder am Schreibtisch.

 

Erst seit einigen Jahren rückt die Karriereförderung von Frauen in deutschen Kanzleien stärker in den Blickpunkt. Obwohl heute mehr als die Hälfte der Juraabsolventen weiblich ist und Frauen im Examen im Durchschnitt sogar etwas besser abschneiden als Männer, entscheiden sich weniger Juristinnen für eine Karriere in einer Topkanzlei. Viele ziehen eine Tätigkeit im Staatsdienst vor oder spezialisieren sich, wenn sie als Rechtsanwältinnen arbeiten, seltener auf wirtschaftsrechtliche Mandate.

Wie in der gesamten Wirtschaft erreichen Frauen auch in den großen Sozietäten nach wie vor kaum Führungspositionen und sind als Partnerinnen wie auch im Management deutlich unterrepräsentiert. Freshfields Bruckhaus Deringer hat weltweit zwölf Prozent weibliche Partner, in Deutschland und Österreich sind es sieben Prozent. Britta Zierau, heute Office Managing Partner in Frankfurt, hat derzeit an ihrem Standort nur eine weitere Mitpartnerin.

 

Frauenförderung ist Eigenförderung

Indes hat man bei Freshfields Bruckhaus Deringer inzwischen erkannt, dass Frauenförderung Eigenförderung bedeutet, so der Düsseldorfer Partner Heinz Josef Willemsen: Wer „an überholten Leitbildern und Ritualen einer (vorwiegend männlichen) Präsenz- und Selbstvermarktungskultur festhält, hat die Rechnung ohne den einen, wirtschaftlich unverzichtbaren Teil des (potenziellen) Nachwuchses gemacht“.

Zudem fordert seit einiger Zeit die „Generation Y“ eine bessere Work-Life-Balance, und immer mehr deutsche Männer nehmen beispielsweise Elternzeit oder ein Sabbatical. Daher bietet das „Smart Balance“ betitelte  Personal- und Karriereprogramm bei Freshfields Bruckhaus Deringer Männern und Frauen gleichermaßen Möglichkeiten, um Beruf und Privatleben besser vereinbaren zu können. Damit es in Zukunft zudem mehr Partnerinnen gibt, unterstützt die Kanzlei gezielt mit einem eigenen Mentoring- Programm und  genderspezifischem Coaching die Karriere von weiblichen Anwälten.

Derzeit stehen 62 Mentoren Nachwuchsanwältinnen mit Rat und Tat beiseite. Und schließlich netzwerken die Frauen bei Freshfields Bruckhaus Deringer heute intensiver als früher und tauschen sich beispielsweise auf Partnerinnen-Treffen aus oder auf Veranstaltungen wie den Ladies Lunches, zu denen auch Mandantinnen und andere externe Kontakte eingeladen werden.

 

 

Parallel zu ihrem Wachstum spezialisierten sich die fünf Freshfields-Vorgängerkanzleien angesichts der immer komplexer werdenden Anforderungen bereits früh. Deringer Tessin Herrmann & Sedemund hatte mit der ursprünglichen Konzentration auf Kartellrecht als Spezialkanzlei diesen Weg von vornherein  eingeschlagen. Bei den breiter aufgestellten Kanzleien war Bruckhaus Kreifels Winkhaus & Lieberknecht Vorreiter, hier spezialisierten sich die Partner seit Anfang der 1970er Jahre individuell auf bestimmte Rechtsgebiete.

Freilich gab es dafür anfangs noch keine übergreifende Strategie, sondern jeder setzte seine Schwerpunkte nach seinen Interessen. Man ging davon aus, dass auf diese Weise die höchste Effizienz und Qualität der Leistung zu erreichen sei. Günther Beckmann etwa befasste sich vor allem mit Steuerrecht und Bernd Kunth mit Energierecht. Bald schon wurden junge Anwälte jedoch gezielt eingestellt, um bestimmte Rechtsbereiche aufzubauen.

 

Lohnendes Arbeitsrecht

So trat Heinz Josef Willemsen 1983 in die Düsseldorfer Kanzlei ein und etablierte hier das Arbeitsrecht. Die großen Sozietäten waren lange der Meinung gewesen, dass sich arbeitsrechtliche Themen nicht lohnten, und so war dieser Rechtsbereich bis dahin eine Domäne von kleineren Kanzleien gewesen. Nun jedoch erkannte man bei Bruckhaus Kreifels Winkhaus & Lieberknecht, dass vor allem das kollektive Arbeitsrecht ein wesentliches Element der Wirtschaftsberatung war, schließlich ergaben sich bei Unternehmensverkäufen oder Umstrukturierungen oft arbeitsrechtliche Fragestellungen.

Die Düsseldorfer Sozietät baute daneben weitere Bereiche wie gewerblichen Rechtsschutz, Steuerrecht, Immobilienrecht, Finanzrecht sowie Prozessführung und Schiedsverfahren aus. Ende der 1980er Jahre war die Spezialisierung bei Bruckhaus Kreifels Winkhaus & Lieberknecht schon weit fortgeschritten. Durch Einführung der Fusionskontrolle und Aufnahme mehrerer Mitarbeiter, von denen als erste Cornelius Canenbley und Karlheinz Moosecker zum Partner aufstiegen, gewann die kartellrechtliche Praxis immer mehr Gewicht. Der gewerbliche Rechtsschutz verselbständigte sich insbesondere durch den Eintritt von Monika Lorenz-Wolf und Ulf Doepner, einem Quereinsteiger vom Bodensee, Autor des führenden Kommentars zum Heilmittelwerberecht.

 

Ähnlich wie bei Bruckhaus Kreifels Winkhaus & Lieberknecht etablierten sich auch bei Westrick & Eckholdt nach und nach neue Rechtsgebiete. Reinhart Densch, der 1974 Partner wurde, kümmerte sich beispielsweise um die Prozesspraxis. Daneben entstanden in den 1970er Jahren eine Steuerabteilung sowie die Bereiche gewerblicher Rechtsschutz, Arbeitsrecht und gewerbliches Immobilienrecht.

 

Gerichtskantinen und erste Faxe: Arbeitsalltag in deutschen Kanzleien

Trotz der beginnenden Spezialisierung in deutschen Wirtschaftskanzleien arbeiteten viele jüngere Anwälte in den Freshfields-Vorgängersozietäten auch in den 1970er und 1980er Jahren zunächst noch stark als Generalisten. Burkhard Bastuck etwa, der 1984 bei Bruckhaus Kreifels Winkhaus & Lieberknecht einstieg, befasste sich bei seinem ersten großen Fall mit den Devisenvergehen eines Düsseldorfer Karnevalsprinzen. Als gegen den Mann ein Arrestverfahren anlief, bepfändete Bastuck in dessen Haus zusammen mit dem Gerichtsvollzieher Teppiche. Auch war weiterhin die Arbeit vor Gericht bis in die 1980er Jahre hinein Teil des Alltags von Burkhard Bastuck und seinen Kollegen.

 

Julius Scharlach

Julius Scharlach

Ein typischer Arbeitstag in den Kanzleien in Düsseldorf, Köln, Frankfurt und Hamburg unterschied sich also nicht wesentlich von Julius Scharlachs und Gustav Hertzʼ Pensum im Kaiserreich. Wie ihre Vorgänger verbrachten viele Anwälte auch in den  Wirtschaftskanzleien der 1970er und 1980er Jahren noch mehrere Stunden, in der Regel am Vormittag, vor Gericht – die Prozessvertretung machte damit oft noch rund ein Drittel der Mandate aus. Anschließend ging man, wie sich Heinz Josef Willemsen erinnert, in der Gerichtskantine essen und empfing danach in der Kanzlei Mandanten oder telefonierte ausführlich mit ihnen – die modernen elektronischen Kommunikationsmittel waren noch nicht erfunden. Am Abend diktierten die Anwälte schließlich Schriftsätze.

 

Kanzleien als ausgelagerte Rechtsabteilung

Doch nicht nur der Tagesablauf, auch die Art des Arbeitens ähnelte in den 1970er und 1980er Jahren noch stark der Tätigkeit der Advokaten im Kaiserreich. So waren Mandanten ihren Anwälten gegenüber in der Regel äußerst loyal und übertrugen mehr oder weniger jedes Mandat „ihrer“ Kanzlei. Westrick & Eckholdt befasste sich beispielsweise mit allen rechtlichen Fragen der Chase Manhattan Bank, und so war die Kanzlei eine Art ausgelagerte Rechtsabteilung der Bank. Dabei kam es durchaus vor, dass Dauermandanten – in Düsseldorf etwa ITT, Bertelsmann oder Kodak – für spezielle Tätigkeitsbereiche oder einzelne  Angelegenheiten von Fall zu Fall oder laufend andere Kanzleien beauftragten.

 

Standeswidrige Beauty Contests

Doch sogenannte „beauty contests“, also die Ausschreibung von Mandaten, bei der Sozietäten in einem harten Wettbewerb zueinander stehen, gab es damals noch kaum, sie wären nach damaliger Rechtsauffassung auch als standeswidrig aufgefasst worden. Außerdem war der Anspruch der Klienten bis Anfang der 1990er Jahre ein ganz anderer als heute. Denn meist kamen die Mandanten – jedenfalls bei Prozessmandaten – zu ihren Anwälten ins Büro und ließen diese nicht, wie heute üblich, bei sich erscheinen. Und statt wie heute eine kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte eines Rechtsgutachtens auf einer Seite zu verlangen, nahmen es die meisten Klienten auf sich, die seitenlangen Ausführungen ihrer Anwälte zu studieren und sich geduldig durch das Juristendeutsch und die Fußnoten zu kämpfen.

 

Der Anwalt als Einzelkämpfer

Neben dem Verhältnis zwischen Anwalt und Mandant glich auch die Arbeitsorganisation in den Kanzleien der 1980er Jahre dem Arbeiten Ende des 19. Jahrhunderts. Denn nach wie vor waren Anwälte „Einzelkämpfer“, die ihre Mandate in der Regel allein bearbeiteten. Die Partner begriffen ihre Kanzlei als eine Art losen Bund, in dem man sich zwar Miete und Beschaffungskosten für Büromaterial teilte, inhaltlich jedoch kaum zusammenarbeitete. Unterstützung bekamen die Partner von den angestellten Anwälten, wobei jeweils ein Associate einem Partner zugeteilt war. Über dieses „Tandem“ hinaus gab es kaum Teamwork in deutschen Kanzleien, außer bei Unternehmenstransaktionen, bei denen je nach Lage des Falles Experten aus den anderen Bereichen, etwa Steuerrecht, Arbeitsrecht und vor allem Kartellrecht beigezogen wurden.

 

Partnerschaft als Selbstverständlichkeit

Auch in den 1980er Jahren war es für die angestellten Nachwuchsanwälte eine Selbstverständlichkeit, dass sie auf die Partnerschaft hin arbeiteten. Als etwa Manfred Finken 1977 bei Bruckhaus Kreifels Winkhaus & Lieberknecht eintrat, war sein klares Ziel, eines Tages Partner zu werden.

 

Alle Partner fanden an einem Tisch Platz

Auch die Entscheidungsfindung in den deutschen Freshfields-Vorgängersozietäten verlief in den 1980er Jahren kaum anders als Absprachen zwischen Julius Scharlach und seinen Partnern während des Kaiserreichs. Denn obwohl die Praxen ab den 1970er Jahren schnell wuchsen, passten noch immer alle Partner an einen großen runden Tisch, an dem über alle anstehenden Fragen diskutiert wurde – angefangen von neuen Mandaten und möglichen Konflikten über die Finanzen und neue einzustellende Anwälte bis hin zur Farbe der Teppiche im Konferenzzimmer und der Frage, ob dem Fahrer ein neuer Dienstanzug zustand.

 

Partnerversammlungen bis tief in die Nacht

Mit anderen Worten: In den Partnerversammlungen wurde alles gemeinsam entschieden, meist dauerten die Sitzungen bis tief in die Nacht. Zuständig waren die Partner auch für die Urlaubsregelungen der Mitarbeiter, und so baten die Angestellten aus der Buchhaltung und vom Empfang 1984 die Partner bei Bruckhaus Kreifels Winkhaus & Lieberknecht in Reimform und im Übrigen mit Erfolg um mehr Urlaubstage: „Wir möchten nicht unverschämt sein, und notfalls kann es auch so bleiben, doch viele Kollegen hier am Rhein genießen inzwischen 6 Wochen Urlaubstreiben.“

 

Englisch immer wichtiger

Obwohl bis in die 1980er Jahre hinein vieles in deutschen Kanzleien noch so ablief wie schon seit Jahrzehnten, begann sich der Arbeitsalltag deutscher Rechtsanwälte langsam zu ändern. Zum einen wurde Englisch immer wichtiger. Die jüngeren Anwälte sprachen es dank Auslandsaufenthalten in der Regel perfekt und waren ihren älteren Kollegen oft eine Hilfe. Ludwig Leyendecker wurde in den 1980er Jahren als junger Associate bei Deringer Tessin Herrmann & Sedemund von älteren Partnern des Öfteren gebeten, ihren auf Englisch verfassten Dokumenten sprachlich den letzten Schliff zu geben.

 

Telefaxe auf Endlospapier

Zum anderen vereinfachte sich der Büroalltag dank neuer Geräte wie Laser-Kopierer und elektrischer Schreibmaschinen. Ab Ende der 1980er Jahre stellten deutsche Kanzleien zunehmend auf elektronische Textverarbeitung um, und auch Mahn- und Vollstreckungssachen sowie Adressen wurden nun immer öfter per PC verwaltet. Parallel dazu änderte sich die Kommunikation. Ende der 1970er Jahre setzte sich das Telex durch, Textnachrichten, die per Fernschreiber auf Endlospapier übertragen wurden. Zwar konnte man so auch lange Texte schnell übermitteln, doch die Handhabung im Alltag war umständlich. Denn die Vertragsentwürfe, die per Telex beispielsweise bei Westrick & Eckholdt eintrafen, waren lange Papierrollen, oft mit fünf und mehr Metern, die dann zerschnitten und auf DIN A4-Format kopiert werden mussten, damit man damit überhaupt arbeiten konnte.

 

Große Aufregung, wenn ein Fax kam

In den 1980er Jahren wurde das Telex durch das Fax abgelöst. Anfangs hatten jedoch viele Unternehmen noch kein Faxgerät, und so war, erinnert sich Heinz Josef Willemsen, „nach dem Motto: jetzt kommt hier was ganz Eiliges!“ die Aufregung stets groß, wenn bei Bruckhaus Kreifels Winkhaus & Lieberknecht ein Fax eintraf.

 

Topmandate für Bruckhaus Kreifels Winkhaus & Lieberknecht in Düsseldorf

In den wirtschaftlich unruhigen Zeiten, die ab Anfang der 1970er Jahre in der Bundesrepublik anbrachen, standen die Rechtsanwälte von Bruckhaus Kreifels Winkhaus & Lieberknecht Unternehmen immer wieder bei schweren Entscheidungen zur Seite oder zogen im Hintergrund die Fäden bei wichtigen Transaktionen. Anfang der 1970er Jahre betreute Max Kreifels für Krupp die spektakuläre Beteiligung von Schah Mohammed Reza Pahlavi an der Friedr. Krupp Hüttenwerke AG. Der Essener Stahlkonzern hatte magere Jahre hinter sich und schuldete Ende der 1960er Jahre bei einer Bilanzsumme von 5,3 Milliarden D-Mark den  Banken 2,5 Milliarden D-Mark. Gleichzeitig erlebte der Iran eine Art Wirtschaftswunder, und die persische Wirtschaft wuchs allein 1973 um satte 20 Prozent.

 

Als der Schah sich an Krupp beteiligte

Erste Gespräche über eine mögliche Beteiligung des Iran an Krupp fanden im Mai 1973 statt, als der Krupp-Aufsichtsvorsitzende Berthold Beitz zusammen mit dem bundesdeutschen Wissenschaftsminister Klaus von Dohnanyi in Teheran zu Besuch war. Rasch nahm das Geschäft Formen an. Dabei empfing der Schah Max Kreifels mehrmals als Gast in Teheran. Am 18. Juli 1974 wurde auf einer Pressekonferenz in der Villa Hügel in Essen bekanntgegeben, dass sich der Iran mit 25,04 Prozent an der Fried. Krupp Hüttenwerke AG beteiligen werde und damit Anspruch auf einen Sitz im Krupp-Aufsichtsrat hatte – nicht nur für die Zeit eine „Sensation“. Selbst der ehemalige Bundeskanzler Willy Brandt gratulierte; es sei, so meinte er trocken, „das erste Mal, dass ich davon gehört habe, dass die Ölgelder sinnvoll angelegt werden“. Zwei Jahre später stieg der Iran mit ebenfalls 25,04 Prozent bei der Fried. Krupp GmbH ein. Insgesamt spülte die persische Beteiligung 1,4 Milliarden D-Mark in die klammen Essener Kassen und befreite Krupp damit aus seiner „Finanzmisere“.

 

Anwalt Kreifels als graue Eminenz der Industrie

Neben diesem Mandat vertrat Max Kreifels in den 1970er Jahren weitere prestigeträchtige Klienten. So erreichte er als einer von vier Testamentsvollstreckern des 1967 mit seiner Privatmaschine verunglückten Harald Quandt einen Interessenausgleich im Hause Quandt. Die Quandts galten seinerzeit als zweitreichste deutsche Industriellenfamilie nach den Flicks, und allein ihr 40-prozentiger Anteil an BMW wurde mit 150 Millionen D-Mark bewertet. Nun waren jedoch Harald Quandts Witwe Inge und sein Bruder Herbert hoffnungslos zerstritten. Max Kreifels verhandelte „mehrere Wochen, zehn bis zwölf Stunden pro Tag“ mit Herbert Quandt und erreichte schließlich im Sommer 1976, dass das Familienvermögen geteilt wurde. Außerdem beriet Kreifels den Tchibo-Konzern und das Energieunternehmen VEBA und war 1976 zusammen mit seinem Partner Otfried Lieberknecht an der Fusion von Neckermann und Karstadt beteiligt. Spätestens jetzt galt Kreifels als „graue Eminenz der Industrie“.

 

Neben seiner umfangreichen Beratungstätigkeit trat er auch forensisch in Erscheinung, so bei dem im Anschluss an den ersten großen Nachkriegskonzern für den damals größten konzernfreien Stahlhändler Schliecker geführten Schadensersatzprozess gegen die Thyssen-Gruppe und mehrere Großbanken. Als er am 2. Februar 1981 mit nur 54 Jahren bei einem Autounfall starb, war das ein schwerer Schlag für die Düsseldorfer Kanzlei.

 

 „Brandeilig“: Max Kreifels und Otfried Lieberknecht begleiten die Fusion von Neckermann und Karstadt

 Um die „großen und schweren Probleme bei uns zu lösen“, wandte sich Josef Neckermann (1912–1992) Mitte der 1970er Jahre an seinen Aufsichtsratsvorsitzenden Max Kreifels. Denn der Neckermann-Konzern steckte in einer schweren Krise. Einst war Josef Neckermann über Jahrzehnte hinweg stets auf Erfolgskurs gewesen. Nachdem er in der NS-Diktatur das jüdische Textilherstellungs- und -versandunternehmen von Karl Amson Joel durch so genannte „Arisierung“ übernommen hatte, stieg er nach 1945 zu einem der führenden Unternehmer der Bundesrepublik auf. Beim Neckermann-Versand konnten die Westdeutschen „vom Taschentuch bis zum Moped“ alles bestellen. Bereits 1956 wurden 2,5 Millionen Exemplare des Neckermann-Katalogs an deutsche Haushalte verschickt. In den 1960er Jahren bot Neckermann mit dem Slogan „Neckermann machtʼs möglich“ sogar Pauschalreisen an. Doch angesichts von Öl- und Wirtschaftskrise brachen die Zahlen bei Neckermann in den 1970er Jahren ein, gleichzeitig wurden Otto und Quelle eine immer stärkere Konkurrenz.

 

Max Kreifels

Max Kreifels

Max Kreifels fand rasch eine Lösung: Er schlug Josef Neckermann einen Anschluss an Karstadt vor. Denn der Warenhauskonzern boomte auch in Zeiten der Rezession. Das 1881 von Rudolph Karstadt in Wismar eröffnete „Tuch-, Manufactur- und Confectionsgeschäft Karstadt“ war bis Mitte der 1970er Jahre zu einem Kaufhausimperium mit 173 Verkaufshäusern und über 68.000 Beschäftigten herangewachsen. 1975 erzielte die Karstadt-Gruppe einen Jahresumsatz von 7,7 Milliarden D-Mark. Doch Josef Neckermann zögerte zunächst, und so bedurfte es „langer und schwieriger Gespräche, um ihn zu überzeugen“, wie Max Kreifels später berichtete. Ab Februar 1976 fanden streng geheime Verhandlungen zwischen Josef Neckermann und Karstadt-Chef Walter Deuss über einen Zusammenschluss statt. Im Juli 1976 war es so weit: Josef Neckermann gab bekannt, dass Karstadt mit 35 Millionen D-Mark als neuer Großaktionär bei  Neckermann einsteigen werde. Damit sollte die Warenhausgruppe ein Viertel des Neckermann-Stammkapitals halten.

 

Ringen mit dem Bundeskartellamt für Neckermann

Bei der rechtlichen Umsetzung der Fusion kümmerte sich Kreifels um die gesellschaftsrechtliche Seite, während Lieberknecht die kartellrechtlichen Fragen übernahm, die sich als besonders schwierig erwiesen. Das Bundeskartellamt meldete Bedenken an: Schließlich entstand mit dem Zusammenschluss von Neckermann und Karstadt das größte Handelsunternehmen der Bundesrepublik mit einem jährlichen Umsatz von elf Milliarden D-Mark – rund ein Viertel des gesamten Kaufhaus- und Versandhandels in Westdeutschland. Währenddessen spitzte sich die Lage bei Neckermann zu, im November 1976 stand der Versandhandel kurz vor der Pleite.

Es war „brandeilig“, wie sich Otfried Lieberknecht erinnert. „Tag und Nacht“ rang er mit dem Bundeskartellamt und brachte neue Unterlagen bei, um Kartellamtspräsident Wolfgang Kartte und die zuständige Beschlussabteilung doch noch zu überzeugen. Angesichts der dramatischen Situation bei Neckermann ließen diese sich tatsächlich umstimmen. „Wir konnten“, so sagte er später, „nicht anders entscheiden“. Am 19. November 1976 gab das Bundeskartellamt grünes Licht für die Fusion. Morgens um vier erhielt Josef Neckermann per Telefon die Nachricht, dass sein Unternehmen gerettet war.

 

Für die Familie Neckermann war das Drama jedoch nicht ausgestanden. Das Geschäftsjahr 1976 war das bis dahin schlechteste in der Firmengeschichte. Der Umsatz brach um 7,7 Prozent ein, gleichzeitig stiegen die Schulden bei den Banken auf 410 Millionen D-Mark. Auf Druck der Commerzbank, ihrer Hausbank, schieden Josef Neckermann und sein Sohn Peter Ende 1976 komplett aus dem Neckermann-Konzern aus und verloren dabei mit 29 von 34 Millionen D-Mark große Teile ihres Nominalvermögens. Am 1. Juni 1977 fand die letzte Aktionärsversammlung der Neckermann Versand KGaA statt; anschließend wurde das Unternehmen in eine reine Aktiengesellschaft mit Karstadt als Haupteigentümer umgewandelt.

 

 

Ab Anfang der 1980er Jahre betreute Bruckhaus Kreifels Winkhaus & Lieberknecht zunehmend auch japanische Unternehmen, die Tochtergesellschaften in Deutschland gründeten. Axel Epe, seit 1981 Partner, erklärte seinen asiatischen Klienten die komplette rechtliche Basis in Deutschland, bis hin zu den deutschen Mutterschutzregelungen.

Neben der starken Expansion der Kanzlei auf ihren traditionellen Rechtsgebieten entwickelte und prägte Otfried Lieberknecht ihr kartellrechtliches Profil durch zahlreiche Mandate und die erfolgreiche Führung einer Reihe von Grundsatzprozessen. Dabei ging es vor allem um den zentralen Wettbewerbsbegriff.

 

Texaco/Zerssen gegen das Bundeskartellamt

Mehrere von Lieberknecht bis zum BGH geführte Verfahren führten zu einer Präzisierung und damit Einschränkung der kartellrechtlichen Befugnisse. Eine insbesondere auf dem Tankstellenmarkt nachwirkende Anfechtung einer Entscheidung durch das Bundeskartellamt gelang Lieberknecht in den 1980er Jahren im Fall Texaco/Zerssen. Die Deutsche Texaco AG betrieb in der Bundesrepublik ein weitverzweigtes Tankstellennetz. 1980 wollte sie bei Zerssen einsteigen, einem Rendsburger Transport- und Logistikunternehmen. Also entstand die Zerssen Mineralölhandel GmbH, an der Texaco mit 45 Prozent und Zerssen mit 55 Prozent beteiligt war. Das Bundeskartellamt untersagte dies im Oktober 1980 mit der Begründung, die großen Mineralölkonzerne beherrschten den Markt in Deutschland gemeinsam, weil zwischen ihnen kein wesentlicher Wettbewerb bestehe. Das Kammergericht ließ sich davon überzeugen, dass trotz der scheinbaren Wettbewerbslosigkeit tatsächlich wesentlicher Wettbewerb bestehe; der BGH bestätigte dieses Urteil. Dadurch wurde das Bundeskartellamt bis vor wenigen Jahren daran gehindert, preisregulierend in den Tankstellenmarkt einzugreifen.

 

Bucerius gegen das Bundeskartellamt

Nicht ganz so erfolgreich war Lieberknecht indes in Sachen Die Zeit. Der Verleger Gerd Bucerius schloss mit der von Otfried Lieberknecht beratenen Bertelsmann AG einen Vertrag, wonach bei seinem Tod seine Anteile an der Wochenzeitung Die Zeit an Bertelsmann fallen sollten. Die Bertelsmann AG war seit Mitte der 1970er Jahre mehrheitlich am Hamburger Verlagshaus Gruner + Jahr beteiligt, das unter anderem den Stern herausgibt. Daher untersagte das Bundeskartellamt Anfang 1981 die von Bucerius getroffenen Vorkehrungen. Lieberknecht gelang es zwar zunächst, dass die Untersagungsverfügung vom Kammergericht aufgehoben wurde, doch 1987 entschied der Bundesgerichtshof unter Verweis auf eine wirksamen  Wettbewerb ausschließende marktbeherrschende Stellung des Spiegel gegen ihn.

 

Mehr Anwälte…….

Insbesondere die seit den 1970er Jahren stark zunehmenden Bußgeldverfahren sowohl im deutschen wie im EG-Recht, in denen die Sozietät fast ausnahmslos für einzelne oder federführend für alle beteiligten Unternehmen tätig war, führten zu einer starken Erhöhung der Zahl der Mitarbeiter. Viele von ihnen wurden zum Partner: zunächst Cornelis Canenbley, dann Karlheinz Moosecker, Monika Lorenz-Wolf, Andrea Lensing-Kramer, Ulf Doepner, Gerhard Wiedemann, Burkhard Richter, Martin Klusmann, Michael Esser und Wolfgang Kirchhoff.

 

……und 45mal so hohe Honorare

Dank der Topmandate von Max Kreifels, Otfried Lieberknecht und ihren Kollegen stiegen die Umsätze der Düsseldorfer Sozietät deutlich, zwischen 1964 und 1990 um das 45-fache. Dabei galt immer der Grundsatz, „dass kein Partner die Umsätze des anderen kannte“, wie sich Otfried Lieberknecht erinnert. Schließlich waren in den verschiedenen Arbeitsgebieten der Kanzlei ganz unterschiedliche Honorare üblich, und so konnten, indem man nicht über die Umsätze sprach, „interne Spannungen vermieden und die Loyalität untereinander gefestigt“ werden.

 

Nachwuchsanwälte als freie Mitarbeiter mit Privatmandaten

Das System basierte auf dem gegenseitigen Vertrauen, dass jeder Partner im Rahmen des in seinem Arbeitsgebiet Möglichen sein Bestes gab. Anwaltliche Mitarbeiter wurden bei Bruckhaus Kreifels Winkhaus & Lieberknecht nicht wie in anderen Kanzleien angestellt, sondern waren freie Mitarbeiter. Um ihre Versicherungen und ihren Dienstwagen mussten sich die Nachwuchsanwälte selbst kümmern; dafür hatten sie bis zur Aufnahme in die Partnerschaft die Möglichkeit, sogenannte Privatmandate zu führen – eine „gute Übung“, wie Heinz Josef Willemsen heute meint, „für das anwaltliche Dasein“.

 

Internationalisierung: die erste deutsche Kanzlei mit Brüsseler Büro

Ende der 1980er Jahre wagte Bruckhaus Kreifels Winkhaus & Lieberknecht einen ersten Schritt in die Internationalisierung: 1988 eröffnete die Kanzlei ein Büro in Brüssel und war damit eine der ersten deutschen Sozietäten mit einer Repräsentanz im Ausland. Ende der 1980er Jahre hatten neben Bruckhaus Kreifels Winkhaus & Lieberknecht nur sieben der 20 größten deutschen Wirtschaftskanzleien eine Auslandsvertretung. Die Entscheidung für Brüssel war angesichts der zunehmenden kartellrechtlichen Tätigkeiten mit Europa-Bezug gefallen.

Generell gewann Europa im Laufe der 1980er Jahre eine immer größere Bedeutung. So trat am 1. Juli 1987 die Einheitliche Europäische Akte (EEA) in Kraft, mit der sich die inzwischen zwölf EG-Mitgliedsstaaten das Ziel setzten, bis 1992 einen gemeinsamen europäischen Binnenmarkt zu schaffen. Angesichts der fortschreitenden europäischen Integration setzte sich vor allem Cornelis Canenbley für die Eröffnung einer Dependance ein und ging als Erster als residierender Partner nach Brüssel. Anfangs pendelten die Anwälte im Rahmen einer Rotationslösung abwechselnd zwischen Düsseldorf und Brüssel. Erst ab 1990 war das Büro dauerhaft besetzt, so dass die anhängigen Fusionskontroll- und  Bußgeldverfahren auch von Brüssel aus betreut werden konnten, etwa bei der Beratung von Varta und dem Kontrollverfahren bei der Übernahme der VDO Adolf Schindling AG durch Mannesmann.

 

Beistand in Zeiten des Umbruchs: Stegemann Sieveking Lutteroth und Steeger Tiefenbacher Heibey in Hamburg

Ähnlich wie Bruckhaus Kreifels Winkhaus & Lieberknecht wurden auch die Anwälte von Stegemann Sieveking Lutteroth und Steeger Tiefenbacher Heibey in den 1970er und 1980er Jahren immer wieder bei einschneidenden Veränderungen in deutschen Unternehmen zu Rate gezogen. Bei Stegemann Sieveking Lutteroth konzentrierten sich vor allem Christian Wilde, Michael Lichtenauer und Hans Jochen Waitz auf das Unternehmensrecht.

Im Laufe der 1980er Jahre wurden die Beratung bei Unternehmenskäufen sowie bei Börseneinführungen und die Umwandlung von Firmen zu einem Schwerpunkt der Kanzlei. 1983 begleitete beispielsweise Michael Lichtenauer die Neustrukturierung von Schröder Münchmeyer Hengst (SMH) und die Übernahme durch Lloyds. Das in Hamburg ansässige Bankhaus war in den 1960er Jahren durch die Fusion der Offenbacher Privatbank Hengst mit den Hamburger Häusern Schröder und Münchmeyer entstanden und galt bald schon als führendes Wertpapierinstitut in Deutschland.

Wegen geplatzter Kredite des Baumaschinenkonzerns IBH in Höhe von fast einer Milliarde D-Mark stand die von Ferdinand Graf von Galen geleitete Privatbank 1983 allerdings kurz vor dem Aus. Nachdem deutsche Banken Schröder Münchmeyer Hengst mit 780 Millionen D-Mark stabilisiert hatten, übernahm die englische Großbank Lloyds unter anderem den Hamburger Teil von SMH und das Wertpapiergeschäft. Diesen aufreibenden Übergangsprozess betreute Michael Lichtenauer, ebenso wie Ende der 1990er Jahre den Verkauf von Schröder Münchmeyer Hengst an die Schweizer UBS.

 

Die Herstatt-Bankenpleite

Eine Bankenpleite beschäftigte Anfang der 1980er Jahre auch Lichtenauers Partner Christian Wilde. 1982/83 vertrat er Hans Gerling wegen Schadensersatzansprüchen nach der Insolvenz der Herstatt-Bank. Die von Iwan David Herstatt geführte Bank hatte sich Anfang der 1970er Jahre angesichts schwankender Wechselkurse seit dem Ende des Bretton-Woods-Systems auf hochriskante Devisentermingeschäfte eingelassen. 1974 verzeichnete die Herstatt-Bank Verluste von über 700 Millionen D-Mark, fast das Zehnfache des haftenden Kapitals in Höhe von 77 Millionen D-Mark. Am 26. Juni 1974 wurde das völlig  überschuldete Bankhaus geschlossen – „der folgenschwerste Zusammenbruch einer Bank“ in der Geschichte der Bundesrepublik. 52.000 Bankkunden waren betroffen, auch die Stadt Köln fürchtete um ihre Einlagen in Höhe von 190 Millionen D-Mark.

Die Herstatt-Bank war eng mit dem Versicherungsunternehmen Gerling verbunden: Die Gerling-Gruppe hielt 85 Prozent des Kapitals, und Hans Gerling war Aufsichtsratsvorsitzender bei Herstatt. Am 17. Dezember 1974 einigte sich Hans Gerling per Vergleich mit den Herstatt-Gläubigern und verkaufte, um einer Durchgriffshaftung auf sein Vermögen vorzubeugen, 51 Prozent seines Konzerns. Die juristische Aufarbeitung der Herstatt-Pleite zog sich bis Anfang der 1980er Jahre hin. Mit der Abwicklung der Haftungsprozesse in Sachen Herstatt bestand Christian Wilde seine „Feuerprobe“.

 

Ein „Starberater“: Christian Wilde (1939–2004)

Wilde

Christian Wilde

Es sei für ihn, so bekannte der Hamburger Anwalt Winfried Steeger einmal, das vierte Examen gewesen, als er nach seinen beiden Staatsexamen und der Verteidigung der Doktorarbeit zum ersten Mal Christian Wilde getroffen habe, um die spätere Fusion ihrer Kanzleien zu besprechen. In der Tat gilt der Wirtschaftsanwalt in Kollegenkreisen bis heute als „anwaltliche Ausnahmepersönlichkeit, bei der sich unternehmerische Weitsicht, analytische Schärfe und Präzisionsdrang“ vereinigten. Dabei war Christian Wildes Weg in eine Rechtsanwaltspraxis alles andere als klar vorzeichnet, denn eigentlich hatte er ganz andere berufliche Pläne gehabt.

 

Aufgewachsen war Christian Wilde in Göttingen. Weil sein Vater im Zweiten Weltkrieg gefallen war, übernahm er als Halbwaise in wirtschaftlich unsicheren Zeiten schon früh Verantwortung für die Familie. Ursprünglich wollte er Physiker werden, nach dem Abitur schrieb er sich jedoch in Göttingen für  Rechtswissenschaften ein. Später studierte Wilde auch in Lausanne und machte 1967 seinen Master of Laws an der University of California in Berkeley. Als einer von wenigen Juristen schaffte er in beiden Staatsexamen einen mit „sehr gut“ bewerteten Abschluss. Eigentlich wollte er als Vorstandsassistent bei der Deutschen Bank anfangen, doch sein Bekannter Michael Lichtenauer überzeugte ihn 1971 davon, zu Stegemann Sieveking Lutteroth zu kommen.

 

Die Börsengänge Jil Sander oder Puma

Bei Stegemann Sieveking Lutteroth wurde Christian Wilde nach nur elf Monaten Partner. Ende der 1970er Jahre stieg er zum „Starberater“ und „Takeover-Spezialist“ auf und beriet zahlreiche familien- und inhabergeführte Unternehmen bei Umstrukturierungen, der Aufnahme von Investoren oder dem Gang an die Börse, darunter Jil Sander und Puma. Bei diesen sowie sieben weiteren Firmen saß Wilde im Aufsichtsrat. Er selbst beschrieb seine Arbeit einmal so: Ein guter Wirtschaftsanwalt habe „zwei Seelen in der Brust“. „Als Jurist ist er gründlich und risikobewußt. Als Berater muß er Kompromisse durchsetzen.“

 

Die Fusion mit Freshfields

Neben seiner Tätigkeit als Anwalt war Christian Wilde Mitglied des Präsidiums des Übersee-Clubs in Hamburg und gehörte der Gründungskommission der Bucerius Law School an, der ersten privaten Hochschule für Rechtswissenschaften in Deutschland. In den 1990er Jahren führte er Stegemann Sieveking Lutteroth zunächst in die Fusion mit Westrick & Eckholdt sowie Bruckhaus Kreifels Winkhaus & Lieberknecht und wenig später mit der Wiener Kanzlei Heller Löber Bahn. Zu Beginn des neuen Jahrtausends stellte Wilde auf deutscher Seite die Weichen für den Zusammenschluss mit Freshfields. Nach der Fusion wurde er zusammen mit dem Briten Anthony Salz erster Seniorpartner der neuen globalen Sozietät.

Am 9. Mai 2004 starb Christian Wilde mit nur 64 Jahren viel zu früh an einem Gehirntumor. Auch ein Jahrzehnt nach seinem Tod erinnern sich seine Kollegen voller Hochachtung und Respekt an ihn. Er war, so schildert ihn Klaus-Stefan Hohenstatt, „eine sehr starke Autorität“, gleichzeitig „jemand, der nie seine Stimme erhob, der nie laut wurde, selbst wenn Diskussionen noch so schwierig wurden“.

 

Spätestens seit der Gerling-Vertretung war Christian Wilde einer der gefragtesten deutschen Wirtschaftsanwälte. In den 1980er Jahren wandten sich zahlreiche Unternehmer an ihn, darunter der Hamburger Kaffeehändler Michael R. Neumann. 1988/89 ließ er sich bei der Übernahme der Bernhard Rothfos AG und der Gründung der Neumann Kaffee Gruppe (NKG) von Christian Wilde beraten.

 

Die Puma-Aktie beim Becker-Fieber

Daneben begleitete Wilde in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre zwei aufsehenerregende Börsengänge: Puma und Jil Sander. Die Puma KG wurde seit 1974 von Armin und Gerd Dassler geführt, den Söhnen von Firmengründer Rudolf Dassler. Mitte der 1980er Jahre wandten sie sich an Christian Wilde und ließen sich von ihm bei der Umwandlung des Unternehmens in eine Aktiengesellschaft beraten. Am 25. Juli 1986 wurde die Puma-Aktie mit einem Ausgabekurs von 310 D-Mark an den Börsen in München und Frankfurt gehandelt – und profitierte anfangs kräftig vom „Becker-Fieber“, in das die ganze Bundesrepublik nach dem ersten Wimbledon-Sieg von Boris Becker Anfang Juli 1985 gefallen war. Schließlich warb der junge Tennisstar für Puma, die Puma-Aktie wurde zum Spitzentitel der Börse und stieg auf fast 1.500 D-Mark.

Bald schon stürzte das Papier jedoch wieder ab. Denn der Herzogenauracher Sportartikelherstellers stand vor massiven Problemen. Vor allem in den Vereinigten Staaten lief es für Puma nicht gut, und so mussten die Brüder Dassler 1987 einen Verlust von 32,5 Millionen D-Mark verbuchen. Aus wirtschaftlicher Sicht gilt der Börsengang daher heute als „Desaster“. Tatsächlich verhandelte Christian Wilde zwei Jahre nach der Umwandlung von Puma in eine Aktiengesellschaft mit dem englischen Konzern BTR und anderen Interessenten über den Kauf der Puma-Aktien von Armin und Gerd Dassler.

 

Die Expansion von Jil Sander

Drei Jahre nach dem Puma-Börsengang brachte Christian Wilde das Unternehmen von Jil Sander an die Börse. Die Modedesignerin hatte 1969 in Hamburg-Pöseldorf ihre erste Boutique eröffnet, ab 1973 brachte sie eigene Kollektionen auf den Markt und machte sich mit ihren puristischen Schnitten bald schon einen Namen. Im Sommer 1989 wurde mit Christian Wildes Hilfe aus der Jil Sander GmbH eine AG. Eine 50-D-Mark-Aktie wurde mit 1.180 D-Mark notiert. Anders als bei Puma erwies sich der Börsengang für Jil Sander als ökonomisch kluge Entscheidung: So lag der Umsatz 1990, im ersten vollen Jahr als AG, bei 116,7 Millionen D-Mark, und dank der Erfolge an der Börse konnte das Unternehmen rasch expandieren. In den 1990er Jahren entstanden Filialen in den Modemetropolen Paris und Mailand sowie in Asien. Bei der Expansion stand Christian Wilde Jil Sander erneut beiseite, und auch als die Designerin 1999 ihr Unternehmen für rund 300 Millionen D-Mark an den Mailänder Modehersteller Prada verkaufte, vertraute sie auf Wilde.

 

Der Neue-Heimat-Skandal

Neben Unternehmen beriet Stegemann Sieveking Lutteroth nach wie vor die Freie und Hansestadt Hamburg, in den 1980er Jahren unter anderem bei der Übernahme des Wohnungsbestands der Neuen Heimat. Im Februar 1982 hatte ein großer Skandal die Neue Heimat, einen gewerkschaftseigenen Wohnungsbaukonzern mit Sitz in Hamburg, bundesweit in die Schlagzeilen gebracht. Der Spiegel berichtete über die „dunklen Geschäfte“ des Vorstandsvorsitzenden Albert Vietor, und bald schon stellte sich heraus, dass die Neue Heimat mit ihren fast 6.000 Beschäftigten und mehr als 100 Gesellschaften im In- und Ausland hoch verschuldet war. Allein in Hamburg besaß der Wohnungsbaukonzern 41.600 Wohnungen, die zwar einen Buchwert von zwei Milliarden D-Mark hatten, aber mit Schulden in Höhe von 1,9 Milliarden D-Mark belastet waren. Wie in Bremen und Berlin stand auch in Hamburg bald fest, dass das Bundesland die Wohnungen übernehmen sollte.

 

Also wandte sich die Stadt Hamburg an Stegemann Sieveking Lutteroth. Allerdings zogen sich die Verhandlungen über den Ankauf der Wohnungen wegen zweimaliger Bürgerschaftswahlen und diverser Senatsumbildungen bis zum Winter 1988 hin. Am 30. Dezember 1988 wurde schließlich der Kaufvertrag unterzeichnet. Damit übernahmen zwei von der Stadt Hamburg gegründete Wohnungsgesellschaften, die Gemeinnützige Wohnungsgesellschaft (GWG) und die Wohnungsverwaltungsgesellschaft (WVN) für 175 Millionen D-Mark sämtliche Hamburger Wohnungen der Neuen Heimat.

 

Philips und der Supermampfer

Namhafte Klienten vertrat auch die zweite Hamburger Freshfields-Vorgängerkanzlei. Bei Steeger Tiefenbacher Heibey gewann Winfried Steeger in den 1980er Jahren unter anderem die international agierende Großbank Hongkong and Shanghai Banking Corporation (HSBC) als neuen Mandanten. Außerdem beriet er mehrfach Philips. Sein erstes großes Mandat für den niederländischen Elektronikkonzern übernahm Steeger Anfang der 1980er Jahre. Philips hatte das Konsolenspiel „Supermampfer“ auf den Markt gebracht, das allerdings dem 1981 in den USA von Midway lizensierten Spiel Pac-Man ähnelte. Pac-Man, eine gelbe kreisrunde Spielfigur, die in einem Labyrinth Punkte frisst und vor Gespenstern flieht, war bald schon weltweit bei Kindern und Jugendlichen der Renner – und wurde vielfach nachgeahmt. Mit einer ganzen „Batterie von Anwälten“ ging Midway gegen Philips vor, erinnert sich Winfried Steeger, allerdings dank Steeger Tiefenbacher Heibey ohne Erfolg.

 

Die Grundig-Übernahme

Steegers Verteidigung in Sachen Supermampfer hatte auf Philips offenbar großen Eindruck gemacht, und so wandte sich der niederländische Konzern erneut an den Hamburger Anwalt, als man sich anschickte, Grundig zu übernehmen. Der 1930 von Max Grundig im fränkischen Fürth gegründete Unterhaltungselektronikhersteller war in den 1980er Jahren in eine schwere Krise geraten. Zwar erzielte Grundig 1982 einen Rekordumsatz von über drei Milliarden D-Mark, war aber angesichts der boomenden japanischen Konkurrenz unter starkem Druck. Bereits seit 1979 war Philips mit 24,5 Prozent an Grundig beteiligt. 1984 erhöhte Philips seine Beteiligung und übernahm die Grundig-Leitung – beraten von Winfried Steeger.

 

„Eine unglaublich dynamische Truppe“: Westrick und Eckholdt in Frankfurt

Während die beiden Hamburger Sozietäten Unternehmen vor allem in Umbruchzeiten berieten, konzentrierte sich Westrick & Eckholdt weiterhin auf Bank- und Finanzrecht. In den 1970er und 1980er Jahren erweiterte die Frankfurter Sozietät ihren Mandantenstamm in diesem Bereich systematisch. Neben nordamerikanischen Kreditinstituten beriet sie nun unter anderem die Australia and New Zealand Bank und die schwedische Skandinaviska Enskilda Banken (SEB). Außerdem unterstützte Westrick & Eckholdt französische und spanische Kreditinstitute bei der Gründung von Niederlassungen in Deutschland, so die Banco Santander, eine der größten spanischen Privat- und Geschäftsbanken. Vor allem aber wandten sich nun japanische Banken an Westrick & Eckholdt, darunter Sumitomo, Nikko und die Industriebank von Japan. Seit den 1970er Jahren gründeten sie Niederlassungen in Deutschland und wurden dabei von Westrick & Eckholdt unterstützt.

 

Neben Finanz- und Bankrecht entwickelte sich in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre das Anleihengeschäft zu einem Schwerpunkt der Sozietät. Federführend beim Aufbau des Anleihenbereichs bei Westrick & Eckholdt waren Gerhard Hess, Andreas König und Christian Bunsen. Zusammen mit jungen Rechtsanwälten wie Klaus-Albert Bauer, Dirk Schmalenbach, Hans-Michael Giesen, Konstantin Mettenheimer, Peter Chrocziel und Andreas Fabritius, die gegen Ende des Jahrzehnts bei Westrick & Eckholdt einstiegen, bildeten sie eine „unglaublich dynamische Truppe“, erinnert sich Andreas Fabritius.

 

Zuvor hatte die Bundesbank über Jahre hinweg den Markt für D- Mark-Auslandsanleihen gegen den internationalen Finanzmarkt abgeschirmt. So legte ein Gentlemen’s Agreement mit deutschen Banken Ende der 1960er Jahre fest, dass bei der Emission von D-Mark-Auslandsanleihen ein deutsches Kreditinstitut die Federführung übernehmen musste. Dies änderte sich im Zuge der Liberalisierung des deutschen Kapitalmarkts Mitte der 1980er Jahre. Im April 1985 ließ die Bundesbank erstmals auch Tochtergesellschaften ausländischer Banken bei der Emission von D-Mark-Auslandsanleihen zu. Gleichzeitig öffnete sich der deutsche Markt für eine ganze Reihe von neuen Anleiheformen wie variabel verzinste Anleihen und Zerobonds (Nullkuponanleihen), die sich international bereits etabliert hatten.

 

Bei der praktischen Umsetzung des Anleihengeschäfts waren Juristen gefragt. Zwar wurden Anleihen meist nach einem festen Schema abgewickelt, doch mussten Finanzrechtsexperten wie Gerhard Hess und seine Kollegen stets einen prüfenden Blick darauf werfen. Beim Thema Anleihen hatte Westrick & Eckholdt sich bald einen Namen gemacht und gewann weitere ausländische Mandanten wie die japanischen Wertpapierhäuser Nomura, Daiwa und Saitama. Ende der 1980er Jahre waren rund 90 Prozent der Klienten von Westrick & Eckholdt ausländische Unternehmen.

 

Rechtliches Neuland: Deringer Tessin Herrmann & Sedemund in Köln

 Ähnlich wie Westrick & Eckholdt bauten auch die Partner bei Deringer Tessin Herrmann & Sedemund in den 1970er und 1980er Jahren ihre Schwerpunkte weiter aus und konzentrierten sich auch auf europarechtliche Fragen. So versuchte Claus Tessin in den 1970er Jahren im Auftrag des deutschen Verbands der Weinbrenner, die Begriffe „Sekt“ und „Weinbrand“ ähnlich wie den französischen Champagner schützen zu lassen. Bis zum Ersten Weltkrieg hatte man in Deutschland auch inländische Erzeugnisse Champagner und Cognac genannt, doch mit dem Versailler Vertrag wurden deutschen Firmen diese Bezeichnungen verboten und stattdessen bürgerten sich die Namen Sekt und Weinbrand ein. In einem Gutachten kam Tessin nun zu dem Ergebnis, dass beide Begriffe geschützt werden könnten, wenn die Mehrheit der Verbraucher sie als Bezeichnungen für deutsche Produkte ansähe.

 

Sekt und Weinbrand

Auf einem Fest in Bonn entstand die Idee, eine entsprechende Umfrage zu veranstalten, und so entwarfen Arved Deringer, ein Jurist aus dem Bundesjustizministerium und die Gründerin des Instituts für Demoskopie, Elisabeth Noelle-Neumann, noch auf der Feier die entsprechenden Fragen. Tatsächlich waren später rund drei Viertel der Befragten der Meinung, Sekt und Weinbrand bezeichneten deutsche Produkte. 1971 wurden beide Begriffe im deutschen Weingesetz und in der Schaumwein-Branntwein-Verordnung aus deutschen Trauben in Deutschland hergestellten Produkten vorbehalten.

Dagegen klagte jedoch die Europäische Kommission, und im Februar 1975 erklärte der Europäische Gerichtshof (EuGH) in seiner Sekt-Weinbrand-Entscheidung, dass sich schutzwürdige Ursprungsbezeichnungen und Herkunftsangaben auf Erzeugnisse beziehen müssen, die ihre Eigenschaften und Merkmale einem bestimmten geographischen Ursprung verdanken. Deutscher Sekt und deutscher Weinbrand waren in diesem Sinne nicht schutzwürdig.

 

Neben Claus Tessin vertrat auch sein Partner Jochim Sedemund mehrmals die deutsche Rechtsauffassung vor dem höchsten Europäischen Gericht, unter anderem im Verfahren zum deutschen Reinheitsgebot für Bier. 1984 klagte die EG-Kommission beim Europäischen Gerichtshof in Straßburg gegen die Bundesrepublik Deutschland. Ihr Standpunkt: Die engen deutschen Vorschriften diskriminieren die Biere anderer EG-Länder und machen deren Einfuhr praktisch unmöglich. Damit verstoße das deutsche Biersteuergesetz gegen Paragraf 30 der Römischen Verträge, in dem sich die Unterzeichnerstaaten 1957 auf einen ungehinderten Warenaustausch verpflichtet hatten.

Obwohl der Europäische Gerichtshof am 12. März 1987 das deutsche Bier-Reinheitsgebot für unzulässig erklärte, blieb die von vielen befürchtete Schwemme „unreinen“ Bieres aus.

 

Das Cassis-de-Dijon-Urteil

Noch früher wird Jochim Sedemund im Cassis de Dijon-Verfahren tätig: Die Handelsgruppe Rewe Zentral-Lager wollte aus Dijon stammenden Cassis verkaufen, was ihr jedoch die Bundesmonopolverwaltung für Branntwein untersagte. Schließlich entsprach der französische Johannisbeerlikör mit einem Alkoholgehalt von unter 20 Prozent nicht der deutschen Branntweinverordnung. 1979 befasste sich der Europäische Gerichtshof mit dem Fall und kam zu dem Schluss, dass die entsprechende Bestimmung des deutschen Branntweinmonopolgesetzes mit der europäischen Warenverkehrsfreiheit unvereinbar war. Denn eine in einem EWG-Mitgliedsland hergestellte Ware durfte, so der Europäische Gerichtshof, in der ganzen Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft verkauft werden, auch wenn im Importland andere Anforderungen galten. Rewe durfte den Cassis also importieren. Das Cassis de Dijon-Urteil gilt bis heute als eine der berühmtesten Entscheidungen und Meilenstein der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Warenverkehrsfreiheit.

 

Deringer Tessin Herrmann & Sedemund

Neben der Bundesregierung gehörten bekannte deutsche Unternehmen wie Siemens, Henkel, Thyssen und AEG zu den wichtigsten Klienten von Deringer Tessin Herrmann & Sedemund. Daneben wandten sich auch ausländische Firmen an die Kanzlei, darunter der in New York ansässige Konzern Colgate-Palmolive, der Schweizer Lebensmittelhersteller Nestlé und des Pharmakonzerns Hoffmann-LaRoche.

Deringer vertrat den Schweizer Pharma-Riesen in einem, so nannte er es später selbst, „Verfahren von grundsätzlicher Bedeutung für die Missbrauchsaufsicht über marktbeherrschende Unternehmen“. Denn Hoffmann-LaRoche vertraute sich dem Kölner Anwalt in einem jahrelangen Rechtsstreit mit dem Bundeskartellamt an. Dieses war der Meinung, Hoffmann-LaRoche nutze „mit seiner Preispolitik eine überragende Markstellung in der Bundesrepublik missbräuchlich“ aus. Konkret beanstandete das Bundeskartellamt die Preise für zwei Beruhigungsmittel des Schweizer Unternehmens und ordnete im Herbst 1974 an, dass Valium um 40 Prozent und Librium um 35 Prozent billiger werden sollten.

Hoffmann-LaRoche klagte dagegen. Das Verfahren zog sich über sieben Jahre hin, und beschäftigte zweimal den Bundesgerichtshof. Deringer setzte sich schlussendlich durch. Denn im Februar 1980 kam der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs zu dem Ergebnis, dass der Schweizer Pharmahersteller der vom Bundeskartellamt geforderten Preissenkung nicht folgen müsse.

 

Arved Deringer

Arved Deringer

In den 1980er Jahren betraten die Partner von Deringer Tessin Herrmann & Sedemund zudem immer wieder rechtliches Neuland, insbesondere im Rundfunkrecht. Denn Arved Deringer trug dazu bei, dass auch private Rundfunkanbieter in Deutschland zugelassen wurden. Das Land Niedersachen hatte mit seinem Landesrundfunkgesetz erstmals eine gesetzliche Grundlage für den Privatrundfunk geschaffen; im Rahmen eines Normenkontrollverfahrens wurde das Bundesverfassungsgericht angerufen.

Deringer vertrat den Bundesverband Kabel und Satellit, einen Vorgänger des Verbands Privater Rundfunk und Telemedien, und äußerte sich in der mündlichen Verhandlung am 3. Juni 1986 vor dem Bundesverfassungsgericht. Dieses erklärte am 4. November 1986 in seinem vierten Rundfunkurteil das niedersächsische Landesrundfunkgesetz für verfassungsgemäß – und Deringer fing dank seiner Expertise eine zweite Karriere als  Medienanwalt an und vertrat in der Folgezeit unter anderem Bertelsmann und RTL.

Und schließlich befassten sich die Kölner Anwälte mit der in den 1980er Jahren noch umstrittenen Frage, ob auf öffentlich-rechtliche Unternehmen das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen oder das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb anzuwenden war. Hier vertrat Hansjürgen Herrmann 1988 die privaten Krankenkassen mit Erfolg bis zum Bundesgerichtshof. Dank dieser hochkarätigen Mandate zählte Deringer Tessin Herrmann & Sedemund Ende der 1980er Jahre zu den erfolgreichsten deutschen Wirtschaftskanzleien. Doch ebenso wie bei Westrick & Eckholdt in Frankfurt, Bruckhaus Kreifels Winkhaus & Lieberknecht in Düsseldorf sowie Stegemann Sieveking Lutteroth und Steeger Tiefenbacher Heibey in Hamburg erkannte man in Köln bald schon, dass dies in Zeiten der Globalisierung nicht genug war. In den 1990er Jahren sahen sich deutsche Sozietäten im In- und Ausland nach Partnern um

 

Mehr Infos zur Historie von Freshfields:  http://ssl.freshfields.com/175de/index.html

 

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