„In drei Monaten sind Sie vergessen“ – Der tiefe Fall der Top-Manager ohne ihren Job. Gastbeitrag von Claus Verfürth

„In drei Monaten sind Sie vergessen“, sagte kürzlich ein Top-Manager verbittert, für den es jahrelang in In- und Ausland in diversen guten Positionen bei namhaften Arbeitgebern immer nur aufwärts gegangen war. Bis er von heute auf morgen von den neuen amerikanischen Machthabern in seiner Company nach Hause geschickt wurde. Man wollte lieber eigene Vertrauensleute in der Führung wissen und den bisherigen – durchaus erfolgreichen – Managern gar nicht erst eine Chance geben. Nie hatte er mit so etwas wirklich gerechnet, dass es ausgerechnet ihm passiert. So wie viele gestolperte Top-Manager: Auf der Überholspur ausgebremst und auf dem Standstreifen zum Halten gezwungen – die Stadien, die sie nach so einer Niederlage durchleben, sehen immer gleich aus: wie ein schweres Gewitter. Was passiert, wenn Top-Manager ihren Posten verlieren? Gastbeitrag von Claus Verfürth, Geschäftsbereichsleiter bei der Personalberatung von Rundstedt:

 

Top-Manager sitzen an den Schalthebeln der Macht. Mit außergewöhnlichen Eigenschaften und einer besonderen Persönlichkeit. Doch was geschieht, wenn diese so erfolgsgewohnten Manager ihre Position verlieren? Die meisten stürzt der ungewollte Jobverlust in eine schwere persönliche Krise. Wie Top-Manager diese erleben und bewältigen, haben wir – die Personalberatung von Rundstedt in Kooperation mit der Hochschule Fresenius und der HPO Research Group – in der ersten deutschen Studie zu diesem Thema untersucht. Das Ergebnis: Die Verläufe solcher Umbrüche ähneln einem schweren Gewitter.

 

Claus Verfürth, von Rundstedt

Claus Verfürth, Geschäftsbereichsleiter bei der Personalberatung von Rundstedt

 

 

1. Wolken ziehen auf: Die ersten Anzeichen  für die Job-Gefahr

Die Führungskraft hat sich auf eine Position hochgearbeitet, aus der sie stolz auf die bisherigen Erfolge blickt. Irgendwann beginnen Wolken aufzuziehen:

  • Der Top-Manager wird nicht mehr zu allen wichtigen Meetings eingeladen.
  • Er erfährt Neuigkeiten nicht mehr aus erster Hand.
  • Die Kommunikation mit dem Vorgesetzten nimmt ab.

Die Studie zeigt: Diese Indikatoren bleiben erst mal unbemerkt. Der Top-Manager nimmt sie regemässig erst im Nachhinein als Vorboten des kommenden Umbruchs wahr.

 

Wie kann man schon jetzt reagieren, um weniger kalt erwischt zu werden?

  • Verbündete suchen: Entscheidend ist, dass Manager sich nicht nur auf ihre eigene Einschätzung der Situation verlassen. Der Austausch mit Partnern und Verbündeten im Unternehmen kann bei der Interpretation helfen.
  • Marktwert regelmäßig testen: Zwischendurch immer mal wieder die eigenen Marktchancen in internen und externen Netzwerken zu testen hilft, eine realistische Einschätzung zu gewinnen. Der Test gibt Aufschluss darüber, in welchen Bereichen weitere interessante Aufgaben liegen könnten.
  • Finanzielle Absicherung organisieren: Wer frühzeitig für die finanzielle Absicherung der Familien sorgt, beugt im Falle des Jobverlusts den Sorgen um die Aufrechterhaltung des Lebensstandards vor.

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2. Der Blitz schlägt ein: Sie sind gefeuert. Das einzige Gefühl ist Ohnmacht.

Das Einschlagen des Blitzes – die Nachricht, dass der Top-Manager gefeuert und ab sofort freigestellt ist – zerstört die Hoffnung, dass sich die dunklen Wolken so schnell wieder verziehen, wie sie gekommen sind. Der Schock trifft Top-Manager hart und lässt ihn tief abstürzen. Der Jobverlust reißt die zentrale Säule seines Lebenskonzepts weg und erzeugt ein Gefühl der Ohnmacht und Handlungsunfähigkeit.

 

Büroschlüssel und Dienstwagen abgegeben, Kontakte brechen weg

Schmerzhaft Realität wird der Verlust mit der Schlüsselabgabe für das Büro und den Dienstwagen, sowie das Wegbrechen von Kontakten zu ehemaligen Weggefährten.

 

Wie  Top-Manager am besten mit ihrem persönlichen Blitzschlag umgehen:

  • Einen positiven Abschluss schaffen: Mit einer gut organisierten Verabschiedung können Top-Manager einen wertschätzenden Schlusspunkt setzen. Dies gelingt am besten, wenn sie wichtige Projekte vor dem Ausscheiden abschliessen.
  • Unterstützung durch Familie und Freunde sichern: Gespräche mit dem Partner, Freunden, Mentoren oder Menschen mit ähnlichen Erfahrungen helfen beim Verarbeiten des Schocks.
  • Juristischen Rat einholen: Für die Verhandlung der Trennungsmodalitäten ist Rechtsrat vom Profi unerlässlich. Verhandeln sollte der Topmanager mit dem Arbeitgeber aber selbst. Dies erhöht die Chancen auf dessen Gutwilligkeit.
  • Angemessene Abfindung aushandeln: Ziel der Trennungsvereinbarung sollte auf alle Fälle die Sicherung der materiellen Basis sein.
  • Referenzfähigkeit des Arbeitgebers erhalten: Damit der Ex-Arbeitgeber als Referenzgeber erhalten bleibt, sind verbale Tiefschläge beim Verhandeln tabu.

 

3. Die Ruhe vor dem Sturm. Die Erkenntnis, dass keiner auf ihn wartet – und die große Bedeutung der anderen Rollen im Leben

Selbstbewusst durch die bisherige Erfolgsgewissheit arbeitet sich der Top-Manager wieder nach oben. Sein Selbstbild ist zwar etwas angekratzt, aber dennoch macht er sich mit Disziplin auf die Suche nach einer neuen, gleichwertigen Position. Er ist überzeugt davon, dass es sich nur um ein kurzes Tief handelt, das er schnell überwindet.

 

Die geplatzte Illusion: Der Arbeitsmarkt, der nur wartet

Doch dies erweist sich bei den meisten als Illusion. Stattdessen macht der Topmanager die bittere Erfahrung, dass man weder auf dem Arbeitsmarkt auf ihn wartet, noch seine Persönlichkeit immer ursächlich für den bisherigen Erfolg war.

Diesen Rückschlag verarbeiten Führungskräfte besser, die über eine ausgeprägte Selbstkomplexität verfügen. Wer sich und seine Persönlichkeit nicht nur über seine bisherige berufliche Position definiert, sondern seine Identität auch aus anderen Rollen, zum Beispiel als Vater, Sportler oder Musikliebhaber, aufbaut, kann den Verlust in einem Bereich besser kompensieren.

 

Wenn die Chefrolle die einzige Identität wurde

 

Bei vielen Topmanagern zeigt sich jedoch, dass die Rolle des erfolgreichen Firmenlenkers zum zentralen Pfeiler ihrer Identität geworden ist. Person und Position sind mit der Zeit so stark verschmolzen, dass sie nicht mehr unterscheiden konnten, welche Anerkennung sie aufgrund ihrer Persönlichkeit und welche aufgrund ihrer Position erhalten haben.

 

4. Der lange dunkle Regen. Desillusionierung und emotionale Talfahrt.

Der Top-Manager stellt fest, dass sich der Wind nicht so schnell dreht. In der Retrospektive beschreiben Top-Manager diese Rückschläge als Auflösung einer Illusion, der Wiedereinstiegsillusion. Diese Desillusionierung ist der Ausgangspunkt für eine emotionale Talfahrt – den langen, dunklen Regen. Es kratzt schwer am Selbstbild vieler Manager, dass sie nun erstmalig vor der Situation stehen, sich um eine Position bemühen zu müssen und somit aus einer vermeintlich schwachen Position zu agieren.

Der Austausch mit externen Ratgebern ist in dieser Phase sehr wichtig. Denn es geht nicht nur um die reine Arbeitssuche, sondern um komplexe Fragen nach den eigenen Werten und Zielen sowie der Herausarbeitung der persönlichen Alleinstellungsmerkmale. Auf deren Grundlage kann der Topmanager eine persönliche Marketingstrategie erstellen und wieder selbstbewusst am Arbeitsmarkt auftreten.

Wie Top-Manager am besten zuerst verfahren:

  • Emotionale Stärke zeigen: Auch wenn sich Top-Manager in der vermeintlich schwächeren Situation sehen, sollten sie Stärke zeigen und offen über ihre Situation reden.
  • Netzwerk aktivieren: Von Positionen, in denen in den folgenden Wochen und Monaten auf eine Neubesetzung in den obersten Ebenen ansteht, erfahren Topmanager am schnellsten und besten über persönliche Kontakte.

 

So überstehen Top-Manager den langen dunklen Regen

  • Aktionismus vermeiden: Top-Manager sollten sechs bis neun Monate für den Übergang in eine neue Position einplanen. Selbst ein Jahr ohne Job ist kein Hemmnis für eine neue Anstellung.
  • Wiedereinstieg konzentriert vorbereiten: Es zahlt sich aus, in dieser Zeit konzentriert Alleinstellungsmerkmale sowie eine Strategie für den Wiedereinstieg zu erarbeiten und diese umzusetzen.

 

5. Die Wolken brechen auf: In der neuen Position oft zufriedener als früher

Das Gewitter ist verschwunden, einige Wolken sind aber noch immer am Himmel zu sehen. Der Top-Manager schaut zurück. Er ist an dem Erlebten gewachsen. Durch die Besinnung auf die ganz persönlichen Ziele und Wertvorstellungen ist es dem Topmanager letztlich gelungen, den Umbruch konstruktiv zu bewältigen und in einer neuen Position durchzustarten. Häufig entspricht diese neue Aufgabe stärker den persönlichen Stärken und Wünschen und die Manager sind zufriedener als in der verlorenen Position.

  • 75 Prozent der Studienteilnehmer geben an, dass sie in der neuen Position mehr Freiheiten und Gestaltungsspielraum genießen.
  • 80 Prozent haben mehr Freizeit als früher.
  • Bei rund 90 Prozent hat sich die Qualität ihrer privaten Beziehungen verbessert.
  • Alle Teilnehmer geben an, ihre Lebensfreude sei heute mindestens genauso groß wie früher, teilweise sogar größer.

 

 

Über den Autor: Claus Verfürth begleitet bei der Personalberatung von Rundstedt Top-Manager bei ihrer beruflichen Neuorientierung. 

Über die Studie: Im Rahmen der Studie der Hochschule Fresenius, der HPO Research Group und der Karriereberatung von Rundstedt wurden 21 Topmanager zu ihren Erfahrungen mit ihrem beruflichen Umbruch befragt. Die je zweistündigen Gespräche fanden zwischen November 2013 und Mai 2014 statt und wurden durch diverse Persönlichkeitsskalen, Selbsteinschätzungen und eine neue Methode der Verlaufsanalyse der Befindlichkeit ergänzt.

Link zur Studie: http://rundstedt.de/fileadmin/media/Downloads/Whitepaper/Whitepaper_Auf_der_Ueberholspur_ausgebremst_Ansicht.pdf

 

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