Haifischbecken Vorstand: Wo die Alibi-Frauen keine Chance bekommen – Interview Personalprofi Hans-Joachim Reck

Die schwer gefürchtete Frauenoffensive in den Vorstandsetagen deutscher Unternehmen ist ausgeblieben, mehr noch: Die kümmerlichen 6,5 Prozent Frauen in den DAX-Vorständen sind im vergangenen Jahr auch noch gesunken auf 5,6 Prozent. Neben 626 Männern in den Dax-Vorständen stehen gerade mal noch 37 Frauen in diesen Top-Etagen, hat das Beratungsunternehmen EY ausgerechnet.

Warum die Frauen, die da oben anlanden, sich so schwer tun, das Rätsel ist weitgehend ungeklärt. Personalexperte Hans-Joachim Reck, 61,  Hauptgeschäftsführer des Verbands kommunaler Unternehmen, Ex-Deutsche-Telekom-Personalmanager und Ex-Bundesgeschäftsführer der CDU hat vor einigen Monaten im WirtschaftsWoche-Interview eine Klärung versucht – hier die Langfassung des gedruckten Interviews:

 

 

Intrigen erkennen lernen: Über das Scheitern etlicher Top-Managerinnen und wie das verhindert werden kann

 

Hans-Joachim Reck, VKU

Hans-Joachim Reck, VKU (Foto: VKU/Schuering)

 

Herr Reck, die deutschen Anstrengungen, Frauen in Führungsjobs zu hieven, kommen seit zwölf Jahren – da schon hat sich die Wirtschaft selbst zur Frauenförderung verpflichtet – kaum vom Fleck. In den Vorständen der Dax-Unternehmen sind keine sechs Prozent Frauen, in den Aufsichtsräten auf der Arbeitgeberbank keine zehn Prozent vertreten. Was läuft falsch?

Es sind die Männer, die versagen, nicht die Frauen. Diejenigen, die jetzt mit 55 Jahren aufwärts die Staffelübergabe planen, müssten das Frauenthema angehen. Und wenn man aus der eigenen Branche mal rausschaut, kann sich kein Mann mehr rausreden, dass in der Shortlist der Top-Drei beim Besetzen einer Führungsposition immer auch eine Frau dabei sein kann. Dass mehr Frauen in die Führungspositionen kommen müssen ist klar. Es ist erwiesen, dass die Qualität der Entscheidungsprozesse steigt, wenn auch Frauen mit ihren Fähigkeiten in den Gremien und Organen mit dabei sind.

 

Wie würden Sie das sicherstellen?

Mein Lösungsvorschlag ist: Männer sollten begründen müssen, warum sie freiwerdende Chefposten nicht mit Frauen besetzen.

 

Stattdessen verschwinden die wenigen Frauen, die es in die Top-Ebene schaffen, oft ruckzuck wieder von der Bildfläche. Weibliche Vorstände halten sich nur ein Drittel so lange im Amt wie männliche, hat die Beratung Simon Kucher und Partner errechnet. Wie erklären Sie das?

Es ist immer das Gleiche: Es heißt, „ach, das wird jetzt mal eine Frau, die Vita stimmt ja halbwegs“. Frauen gehen dann sehr sensibel an die neue Aufgabe, werden konfrontiert mit Themen, die sie so noch nicht erlebt haben, sehen sich schnell ausgebremst und scheiden frustriert wieder aus oder werden krank.

 

Wie lässt sich das verhindern?

In der Wirtschaft hat es keinen Sinn, einfach irgendeine Ex-Wissenschaftlerin oder Ex-Politikerin anzuheuern. Dann sonnen sich die Männer wegen dieser Alibi-Platzierungen nur in den Medien. Dabei müssten sie den Frauen auch die Chance geben, zu reüssieren. Aber das geschieht nicht. Meist werden die Frauen einfach positioniert und sich dann selbst überlassen – ohne eine Einarbeitungsphase und ein kulturelles Coaching, hinter dem Profis und Prozesse stehen müssen.

 

Sind Vorstände Haifischbecken, in dem sich Frauen kämpferischen und durchsetzungsfreudiger zeigen müssen?

Ja, sie haben ja alles dazu im Tornister. Vorstände sind nun mal Kollegialorgane und wo Menschen sind, gibt´s Interessen. Da braucht man immer Techniken, um seine Meinung durchzusetzen. Frauen müssen Intrigen wenigstens erkennen lernen, auch wenn sie sie nicht selbst spinnen wollen. Diese Dinge gehören ins Lernprogramm von Führungskräften. Frauen müssen mit männlichen Methoden agieren lernen. Sie müssen als Führungskraft lernen, dass sie in einem Gesamtumfeld in einer nachhaltig vernetzten Welt agieren.

 

Und weil Frauen nicht mit Hilfestellungen rechnen können, müssen Externe ran. Bekommen Berater ein neues Einsatzfeld?

Die Schweizer Berater machen es schon vor. Korn Ferry in Zürich hat Platzierungsprodukte für Top-Managerinnen im Programm, damit die Frauen keine Fehler machen, nicht in Fallen tappen und am Ende sinnlos verbrannt sind.

 

Nennen Sie uns Positiv-Beispiele?

Mir imponiert die ehemalige Karstadt-Managerin Eva-Lotta Sjöstedt, die ihren Job hingeworfen hat. Sie hat vorher gezeigt, dass sie gut ist und jetzt zeigt sie Unabhängigkeit. Wenn man dann zu dem Ergebnis kommt, es passt nicht, und aussteigt, ist das konsequent. Sie ist kein Beispiel dafür, dass Frauen es nicht packen können – im Gegenteil. Gerade in der Politik gibt es mehrere Positiv-Beispiele. Angefangen von Angela Merkel bis zu Ursula von der Leyen, die beide sehr rational sind und ihre Punkte systematisch abarbeiten. Die Beiden haben die Männerdomänen geknackt – und achten darauf, dass Frauen Chancen bekommen. Etwa indem von der Leyen der gesamten Generalität die McKinsey-Frau Katrin Suder als Rüstungsstaatssekretärin vorsetzt und damit Seilschaften zerschlägt.

 

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Alle Kommentare [1]

  1. „In der Wirtschaft hat es keinen Sinn, einfach irgendeine Ex-Wissenschaftlerin oder Ex-Politikerin anzuheuern.“

    Na, dann ist Frau Katherina Reiche natürlich genau die Richtige für seinen Job. Leuchtet doch jedem ein.