Kündigungsschutz für Schwergewichtige? Arbeitsrechtlerin Brinkmann erklärt, warum diese Logik nicht klappt

Sehr starkes Übergewicht kann arbeitsrechtlich eine Behinderung sein, die unters Antidiskriminierungsverbot fällt, urteilte der Europäische Gerichtshof (EuGH) (Aktenzeichen C-354/13). Daher stellt sich die Frage: Kann sich jetzt jeder übergewichtige Mitarbeiter, der eine Kündigung erhält, sich dagegen zu wehren, indem er sich auf das Diskriminierungsverbot berufen? Das wohl nicht, meint Kristina Brinkmann von SKW Schwarz in Düsseldorf. Die Arbeitsrechtlerin erklärt, was es mit dem EuGH-Urteil auf sich hat.

Arbeitsrechtlerin Brinkmann von SKW

Arbeitsrechtlerin Brinkmann von SKW

 

 

Bis vor das höchste europäische Gericht hatte der Tagesvater K. aus Dänemark geklagt. Sein Arbeitgeber – eine dänische Gemeinde – hatte ihm gekündigt, weil die Zahl der Kinder sinke, die er zu betreuen hatte. Warum ausgerechnet er gehen musste, sagte die Gemeinde nicht.

Seine Vermutung: Man habe ihm wegen seines Übergewichts – er wog 160 Kilo – gekündigt. Er fühlte sich diskriminiert und klagte auf Schadensersatz. Der dänische Gerichtshof legte den Fall dem Europäischen Gerichtshof  vor und fragte: Kann eine Adipositas – also eine starke Fettleibigkeit – eine Behinderung im Sinne der EU-Antidiskriminierungs-Richtlinie sein? denn nach der Richtlinie ist es im Berufsleben verboten, einen Mitarbeiter wegen der Religion, der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung zu diskriminieren.

Die Luxemburger Richter entschieden, dass es im EU-Recht keinen allgemeinen Grundsatz gibt, der es verbietet, jemanden wegen starken Übergewichts zu diskriminieren. Unter bestimmten Bedingungen könne aber starkes Übergewicht eine Behinderung sein. Nämlich dann, wenn die betreffende Person durch ihr Gewicht so stark beeinträchtigt ist, dass sie nicht voll und gleichberechtigt mit anderen am Berufsleben teilnehmen kann.

Eine Behinderung liegt nach der EU-Richtlinie dann vor, wenn jemand dauerhaft körperlich, geistig oder psychisch eingeschränkt ist und aus diesem Grund einen Beruf nicht oder nur eingeschränkt ausüben kann. Ein behinderter Arbeitnehmer hat dann Anspruch darauf, dass der Arbeitgeber für seinen Arbeitsplatz entsprechende Vorkehrungen trifft. Ob das Übergewicht des klagenden Dänen K. unter den Begriff der Behinderung fällt, entschieden die EuGH-Richter nicht. Diese Frage muss nun wiederum das dänische Gericht klären.

Das Urteil ist aber insofern richtungsweisend, als nun erstmals höchstrichterlich geklärt ist, dass starkes Übergewicht eine Behinderung sein kann.

Das heißt aber nicht, dass sich Mitarbeiter mit sehr starkem Übergewicht nun grundsätzlich darauf berufen können, nicht wegen ihrer Leibesfülle diskriminiert zu werden.

Entscheidend ist, ob sie ihrem Beruf so nachgehen können wie andere Mitarbeiter auch – oder nicht. Ein Kriterium – aber lediglich ein erster Anhaltspunkt – ist bei der Frage nach einer Behinderung die Einordnung der Körperfülle als adipös im Sinne der Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Wird einem stark übergewichtigen Mitarbeiter gekündigt, wird er sich also auch in Zukunft nicht so einfach darauf berufen können, er dürfe wegen seines Gewichts nicht diskriminiert werden. Eine Diskriminierung beispielsweise im Falle einer Kündigung nachzuweisen, ist immer schwer und wird für Übergewichtige wegen der EuGH-Entscheidung nicht leichter.

Dennoch werden sich nun viele Arbeitgeber fragen, ab wann das Gewicht eines Mitarbeiters zum arbeitsrechtlichen Problem werden kann. Denn ist die Grenze zur Behinderung überschritten, greift für den Mitarbeiter jetzt ein Diskriminierungsverbot. Trotzdem: Beleibte Mitarbeiter werden allein aufgrund ihrer Körperfülle nicht mehr geschützt als alle anderen Mitarbeiter. Ihnen kommt lediglich aufgrund ihres Gewichts im Zweifel ein (weiteres) Diskriminierungsverbot zu.

Fettleibigkeit bis zum Grad der Behinderung, die dann vielleicht vor Kündigung schützt, wird daher für Mitarbeiter kaum ein Ziel sein können.

 

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Alle Kommentare [2]

  1. E s könnte sein, dass dieses Urteil dazu führt, dass etliche Arbeitgeber nun etwas Übergewichtige gar nicht mehr einstellen
    Also ich glaube, das Eurp. Gericht hat mit diese Urteil niemandem einen Gefallen getan

  2. Wird die Frage, ob jemand behindert ist oder nicht, in unserem Land nicht durch die Versorgungsämter geklärt?

    Oder gilt das nur für Schwerbehinderte?

    Soweit ich weiss, schützt eine Schwerbehinderung auch nicht generell vor Kündigung, sondern erschwert sie nur, da hierbei das zuständige Versorgungsamt eingeschaltet werden muss.