Buchauszug exklusiv (II): „111 Gründe Anwälte zu hassen“ – Der Kontrollzwang

Teil II:

Eva Engelken, Buchautorin und Expertin für Anwälte PR hat ein Branchenportrait und Psychogramm über die “merkwürdige wie unentbehrliche Spezies Anwälte” geschrieben mit dem Titel “111 Gründe, Anwälte zu hassen”. Ihre Fragen: “Warum sitzen Anwälte so häufig an den Schalthebeln der Macht? Warum gibt es Rechtsberatung nicht auf Kassenrezept? Und wieso hat noch nie ein Anwalt den Nobelpreis für die beste Rechtsberatung bekommen?” Oder: “Verträgt es sich mit der anwaltlichen Unabhängigkeit, wenn Anwälte Mandanten beraten und gleichzeitig als Abgeordnete das Volk repräsentieren?”

Hier im Management-Blog zwei Buchauszüge in zwei Folgen (II):

 

 

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99. Grund Weil sie die Zeitung als private Werbefläche betrachten

Kontrollverlustängste sind wie Flugangst

Nach außen streiten sie es gern ab, aber im tiefsten Innern ihres Herzens hören auch Anwälte gern Lob. Und was streichelt das betrübte Ego mehr als eine Erwähnung mit Foto und Untertitel in einem renommierten Magazin oder einer Tageszeitung? Leider kollidiert ihr Traum von der Titelseite mit ihrem Kontrollzwang.

Der Buchautor und PR-Berater Uwe Wolff, Autor von Pressearbeit für Rechtsanwälte, vergleicht die anwaltsspezifischen Kontrollverlustängste gern mit der Flugangst. »Auch in einem Flugzeug können die Aviophobiker nichts kontrollieren und sind auf Gedeih und Verderb dem Piloten und seinem Flugzeug ausgesetzt.«

Auf der anderen Seite wissen die Anwälte genau – sie sind ja gewiefte Taktiker –, dass sie das journalistische Interesse an Aufklärung oder einer guten Story instrumentalisieren können, um Mandanten oder Bewerber auf sich aufmerksam zu machen oder über die sogenannte Litigation-PR Einfluss auf Gerichtsprozesse zu nehmen. Auch ahnen sie, dass Journalisten und Journalistinnen ebenfalls eitel und in Sachen Anerkennung notorisch unterversorgt sind.

Deshalb sind sie durchaus bereit, die Journalisten bei einem guten Essen mit Informationen zu ihrem jüngsten großen Deal zu versorgen, gern im gehobenen Ambiente. Am Kanzleistandort Frankfurt gern im Sternerestaurant Steigenberger Frankfurter Hof: Mittagsmenü ab 49,- Euro, Abendmenü von 75,-Euro bis 135,- Euro (für sieben Gänge).

 

Verachtung für Journalisten

Darüber hinaus ist die Wertschätzung überschaubar. Anders gesagt, Anwälte und Anwältinnen sind genau so freundlich, wie eine Erwähnung oder eine Sendung in dem relevanten Medium ihrer persönlichen Reputation förderlich ist. Medienvertreter und -vertreterinnen sollten das nicht mit Freundschaft verwechseln. Wie weit es damit her ist, merken sie, sobald sie einen kritischen Artikel absetzen. Dann schimpfen die Anwälte oder ihre PR-Manager im Blog schon mal über den »Unfug« oder stellen auf Durchzug, sobald die nächste Frage kommt. Abgesehen davon verachten sie alles, was kein 2. Staatsexamen bestanden hat. Das trifft auf die meisten Journalisten und Journalistinnen zu. Sie sind daher für einen Großteil Anwälte »Pressefuzzis« (O-Ton Anwalt) oder »ein notwendiges Übel« (O-Ton PR-Manager).

Außerdem kann die Journaille ja nur schreiben. Das ist eine Tätigkeit, von der Anwälte überzeugt sind, sie ebenfalls, wenn nicht gar besser zu beherrschen. Das wiederum triff nur auf einen sehr kleinen Anteil der Anwälte und Anwältinnen zu, und zwar meist auf den Teil, der die Journalisten nicht verachtet oder sich ihnen gegenüber zumindest respektvoll verhält. Doch für das Gros taugt die Presse nur etwas, wenn sie in ihrem Blatt dem betreffenden Anwalt möglichst viel Platz und lobende Worte möglichst mit Bild einräumt. Medien als Spiegelfläche ihrer persönlichen Eitelkeit.

 

Die Anwälte-Haltung: Medien sind kostenlose Werbeflächen

Mit ihrer Haltung, Medien als kostenlose Werbefläche zu nutzen, tun sich die Anwälte jedoch keinen Gefallen. Kostenlos bekommen sie diese Zitierungen nämlich nicht. Sie müssen externe PR-Agenturen bezahlen oder eigene PR-Manager. Die tun dann den ganzen Tag nichts anderes, als den Journalisten ein Wort aus dem Mund oder der Feder eines Anwalts aus der Kanzlei schmackhaft zu machen. Wenn diese PR-Leute ihr Handwerk nicht verstehen, versenken Anwälte pro Monat oft Tausende von Euros, ohne dass sie nennenswert in der Presse verkommen.

 

Zweifelhafte PR-Agenturen zocken Anwälte ab

Das Geld sollten sie besser in Anzeigen investieren, findet ein Journalist, der seinen Namen in diesem Buch nicht lesen möchte. Der Volljurist ist seit Jahren als Redakteur und Entwickler von Zeitungsformaten für die Anwaltsbranche tätig. »Anwälte verstehen nicht, dass sich der Qualitätsjournalismus nur mit Anzeigen erhält. Stattdessen lassen sie sich von oft zweifelhaften PR-Agenturen über den Tisch ziehen.« Hinzu kommt: Selbst gute PR-Leute, die früher selbst als Journalistin oder als Journalist gearbeitet haben, können keinen Gastbeitrag in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, dem Leib- und Magenblatt der Anwaltsbranche, »platzieren«, wenn das Blatt zu wenig Seiten hat.

Auf Prof. Dr. Joachim Jahn, den langjährigen und in der Anwaltsbranche hoch geachteten Wirtschaftsredakteur und Betreuer der Recht & Steuern-Seite der FAZ, prasseln pro Woche bis zu 20 Vorschläge für Gastbeiträge aus Anwaltshand ein. Oft von minderer Qualität, aber oft auch passabel, seit Redakteur Jahn für alle schreibwilligen Anwälte eine Autorenhandreichung verfasst hat, die unter anderem darum bittet, auf juristentypische Schachtelsätze zu verzichten. Allein: Herr Jahn hat kaum Platz, all diese Rechtsartikel unterzubringen.

 

Kein Platz in den Zeitungen – soweit sie noch vorhanden sind

Und er hat noch weniger Platz, seit die Redaktion den Umfang des Blattes im Frühjahr 2014 noch einmal um 26 Prozent reduziert hat. Ähnliches gilt für das Handelsblatt, das immerhin derzeit noch eine volle Seite für Recht und Steuern hat. 2001 waren es vier Seiten Die Financial Times Deutschland, ehedem ein beliebter Artikelabladeplatz der deutschen Wirtschaftsanwälte, hat im Dezember 2013 dicht gemacht. Es kamen zu wenig Anzeigenerlöse rein.

 

Eva Engelken, Buchautorin und Expertin für Anwälte-PR

Eva Engelken, Buchautorin und Expertin für Anwälte-PR

Meine Wunschvorstellung an dieser Stelle wäre, dass die großen Kanzleien etwas für die Zukunft der unabhängigen Qualitätsmedien tun. Genau wie sie private Law Schools, etwa die EBS Law in Oestrich Winkel oder die Bucerius Law School in Hamburg mitfinanzieren, können sie das mit unabhängigen Qualitätsmedien tun.

Eine andere Wunschvorstellung, der etwa FAZ-Redakteur Jahn zuneigt, wäre, die Qualitätsmedien staatlich mitzufinanzieren – ähnlich wie die öffentlich-rechtlichen Rundfunksender. In ihrer Eigenschaft als Abgeordnete (siehe 95. Grund) könnten sich Anwälte für eine öffentlich-rechtliche Zeitungsfinanzierung einsetzen. Oder fürchten sie, sich eine Laus in den Pelz zu setzen?

Sie könnten auch wieder stärker dazu übergehen, Anzeigen zu schalten. Und dies werbewirksam als ihren Beitrag zum Gemeinwohl kommunizieren, sozusagen von unabhängiger Qualitätskanzlei zu unabhängiger Qualitätspresse. Alles ist möglich. Die Anwälte müssten nur damit beginnen, das zu tun, was sie so gern auf ihren Websites anpreisen: über den eigenen Tellerrand blicken.

 

“111 Gründe, Anwälte zu hassen.Und die besten Tipps, wie man mit ihnen trotzdem zu seinem Recht kommt” von Eva Engelken, mit Illustrationen von Jana Moskito, 345 Seiten, Taschenbuch, 9,95 Euro (D), ISBN 978-3-86265-403-1, erschienen am 15. November 2014 im Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag: http://www.schwarzkopf-verlag.net/store/p35/Eva_Engelken%3A_111_GR%C3%9CNDE%2C_ANW%C3%84LTE_ZU_HASSEN_.html

Veröffentlichung mit Genehmigung der Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag GmbH, Berlin

 

 

 

 

 

 

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Alle Kommentare [2]

  1. Dieser 99. Grund kommt daher wie Nenas 99 Luftballons – leicht und bunt und mit haufenweise Sprengkraft. Denn Anwälte verachten Anzeigenschaltungen. Es sei denn, dass sie bei Juve erfolgen, dann wird die Verachtung durch eine Art Hassliebe abgelöst. Schlaue Jungverleger haben das schon vor geraumer Zeit erkannt und sind auf „Co-Publishings“ übergegangen: Wer schaltet, tritt ein in den Kreis der Autoren. Der ist dann etwas weniger erlaucht, aber mit ein wenig Glück merkt das keiner. Die Alternative: Kein Co-Publishing, dafür der Appell an die Vernunft der Anwaltschaft, den Konnex zwischen Qualitätsjournalismus und Anzeigenschaltungen betreffend. Dass hier noch, nun ja, Erkenntnisspielraum nach oben besteht, das kann ich Ihnen als ehemalige Chefredakteurin des anzeigenfinanzierten Nomos-Anwaltshandbuchs „Kanzleien in Deutschland“ versichern.

  2. Ich finde ein anwalt sollte auf ihre mandantin eingehen konnen und nie voreingenommen arbeiten den wen man die wahr heit sagt und der anwalt einen nicht glaubt kann man auch glauben das es keine echte Gerechtigkeit mehr gibt und fühlt sich allein mit sein problem