„Ich bin ein überzeugter Rheinländer“, sagt Hans-Ulrich Wilsing, M&A-Experte und Partner bei Linklaters. Er lebt mit seiner Familie und seinen zwei Kindern – 18 und 16 Jahre alt – in Köln, ist da Mitglied im Hockey-Club Rot-Weiß und will keinesfalls aus dem Rheinland weg. Ach, und nicht zu vergessen sein Münsterländer namens Hummel. Da kommt er ins Schwärmen und erzählt von seinem Rauhaardackel Pino, der eigentlich „eine verbannte Dogge in einem Dackelkörper war“ – wie alle Dackel.
Wilsing hat klare Vorstellungen: “ Wer vernuenftig beraten will, braucht einen eigenen
Standpunkt“, sagt er, als wir über das neue Selbstverständnis der Top-Anwälte sprechen. Ein heikles Thema – aber Wilsing scheut das Feuer nicht. Man habe dienende und begleitende Funktion – aber nie die unternehmerische Verantwortung für seine Mandanten, postuliert der gebürtige Bonner.
Genau da geht manchem seiner Branchenkollegen anderen heute nämlich einiges durcheinander. Sie verwechseln anwaltliche Dienstleistungen mit sklavischem – womöglich sogar vorauseilendem – Gehorsam. Nachdem in Unternehmensumfragen über Wirtschaftsanwälte vor zehn Jahren einer der Hauptkritikpunkte das mangelnde unternehmerische Denken der Anwälte war, haben die meisten der Advokaten eine Kehrtwendung um 360 Grad vollzogen – und irgendwie die eigenen Linie aus den Augen verloren. Das unabhänigige Organ der Rechtspflege, das sie eigentlich sein sollen, ist für viele perdu´. Sie trauen sich nicht mehr, eigene Rechtsansichten zu äußern, könnten sie doch einem Mandanten oder möglichen Mandanten übel aufstoßen. Und der könnte – gruselgrusel – die Lust verlieren, ihn zu beauftragen, zu mandatieren wie es heißt. Selbstbewußtsein eines Freiberuflers hört sich anders an. Das Selbstbewusstsein eines Top-Juristen erst recht.
Wilsing macht sich lustig über die verdrehte Sprache der Juristen und liefert auch gleich ein hanebüchenes Beispiel: „Die Trinkung des Schnapses erfolgt durch den Bergmann.“
Weniger spaßig ist es, wenn er 14 Stunden bei einer Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft wie die der SAP durchhalten muss und die Vorstände unterstützt, wenn sie im Kreuzfeuer stehen. Das tut er schon seit 15 Jahren.
Wir sitzen im Casa Luigi in der Hohe Straße in Düsseldorf. Da wo das GAP-Hochhaus, das Verlagshaus vom Handelsblatt und Wirtschaftswoche, der Wochenmarkt am Carlsplatz, das Carsch-Haus und das Steigenberger Hotel, etliche Top-Kanzleien wie Linklaters, Hengeler Mueller, Luther, Jones Day, Simmons & Simmons und das Interconti Hotel sind. Hier keinem der Business People zu begegnen, ist kaum möglich.
Weil Wilsings Vaters Journalist und ZDF-Auslandskorrespondent war, wuchs er sieben Jahre lang in Paris auf und hatte es da, an der deutschen Schule, damals nicht leicht. Nur relativ wenige Jahre nach dem zweiten Weltkrieg. Seinem sechs Jahre jüngeren Bruder schlugen die anderen Kinder als Deutschem dort im deutschen Kindergarten noch in den Siebziger Jahren mehrere Zähne aus, erzählt er.
Bei der heutigen Jugend – oder eher den Twens – treibt Wilsing eine andere Sorge um: Dass die Studenten keine Tageszeitung mehr lesen. Bei einer Vorlesung früh um acht Uhr zeigte von den 32 Studenten kein einziger auf, als er fragte, wer noch eine richtige Zeitung auf Papier liest.
Oft genug lädt er junge Anwälte auch mal zu sich nach Hause ein und stellt jedes Mal wieder fest: „Meine Frau kann viel zuverlässiger als ich vorhersagen, wer zu unserer Kanzlei passt – und wer nicht.“
Vielleicht sollte Frau Wilsing ins Headhunterfach wechseln.
Hans-Ulrich Wilsing: http://linklaters.de/cv/dr-hans-ulrich-wilsing.html