Deutsche Firmen auf dem Rückzug aus China – Gastbeitrag von Trainer Patrick Sourek

 

Immer mehr deutsche Firmen kehren aus China zurück – enttäuscht. Was schief läuft, analysiert Patrick Sourek. Er leitet und konzipiert bei den Carl Duisberg Centren interkulturelle Trainings für Unternehmen, die mit China Geschäfte machen.

 

Patrik Sourek, interkultureller Trainer und China-Experte bei den Carl Duisburg Centren

Patrick Sourek, interkultureller Trainer und China-Experte bei den Carl Duisberg Centren

 

Illoyale, undankbare und dialogunwillige Chinesen?

„Wir waren völlig überrascht, dass mehr als die Hälfte der Belegschaft nach dem chinesischen Neujahrsfest nicht mehr zur Arbeit erschien. Dabei haben wir doch jedem Mitarbeiter seinen Obolus in einem roten Umschlag zugesteckt“, sagte ein Geschäftsführer, der mehr als zehn Jahren Führungserfahrung im Ausland hatte. Mangelnde Loyalität der Mitarbeiter, das Gefühl der Undankbarkeit und eine oft vermisste Dialogbereitschaft nennen enttäuschte Unternehmen als häufigste Gründe für ein gestörten Verhältnis zwischen deutschen Arbeitgebern und chinesischen Angestellten.

Arbeitgeber, die ihre China-Aktivitäten mittlerweile wieder herunterfahren – oder zumindest auf Eis legen -, machen dies meist wegen des Personals. „Schwer zugänglich“, „lernresistent“ und  „ignorant“ sind noch die höflichsten Adjektive, die sie anführen.

Bei einem Verhandlungstraining machte ein mittelständischer deutscher Maschinenbauer aus dem Schwäbischen seinem Ärger über chinesische Mitarbeiter Luft: „Die wollen gar nichts lernen, nur das schnelle Geld machen und dann zieht die Karawane wieder weiter.“ Oder: „Für eine Handvoll Reis  wechseln die chinesischen Arbeiter das Unternehmen -manchmal auch zweimal im Jahr“, beschwert sich ein anderer.

Diese und viele weitere Erfahrungen höre ich in der interkulturellen Vor- und Nachbearbeitung immer öfter. Was ist passiert?

 

Selbstkritik? Fehlanzeige

Beim Blick auf  die Entwicklung der  deutsch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen zeigen sich drei Dekaden: Erst der Aufbruch, dann die Zeit der Goldgräberstimmung und nun die Konsolidierung. Fast könnte man meinen, Zeit der Resignation wäre der bessere Titel für diese Epoche. Ob Google, Gruner & Jahr, der Kochgeschirrhersteller Berndes oder der Stofftierproduzent Steiff. Sie alle haben ihre Lektionen im Land der Mitte lernen müssen. Manche haben sich komplett zurückgezogen, andere holen ihre Produktion teilweise wieder zurück – und für viele war diese Lektion keine Einfache. Neben einer Abkühlung der Konjunktur, bürokratischer Hürden oder steigenden Kostendruck kommt ein Faktor häufig zum Tragen, der nicht gerade zu den Stärken deutscher Unternehmer gehört: Ein kritischer Blick auf das Selbstbild.

 

Entwicklungshelfer-Mentalität ist unangebracht

In vielen Köpfen geistert immer noch eine gewisse Entwicklungshelfer-Mentalität: „Wenn wir nicht hier wären, würden die alle immer noch Reis anpflanzen“. So der O-Ton eines deutschen Unternehmers vor vier Jahren, der in Südchina eine Produktionsstätte für Sportartikel betreibt.

Deutlich wird daraus die Haltung vieler chinesischer Arbeiter, die nicht länger nur als einfache Handlanger herhalten wollen oder als billige Arbeitskräfte die berühmte Werkbank der Welt bedienen.

China ist eben mehr als nur die Hard facts. Dieser lange gepflegte Dualismus zwischen Hard- und Soft facts, die nicht nur in der Budgetierung von Auslandsaktivitäten eine sehr unterschiedliche Behandlung erfahren, macht sich auch bei den Hintergründen für einen Rückzug großer wie kleinerer Unternehmen aus China bemerkbar.

 

Verschiedene Vorstellungen von Zeit und Qualität sind vorhersehbar

 

Sind Wechselkursschwankungen oder Rezessionen vielleicht schicksalhaft, so sind die hohe Fluktuation von Mitarbeitern, unterschiedliche Auffassungen von Qualität und Zeit jedenfalls kulturell vorhersehbar.

 

Unvorbereitete Mitarbeiter lassen Investments in China scheitern

Doch sich mit diesen Phänomenen auseinander zu setzen – dazu sind nur die wenigsten Firmen bereit. Ursache seien meist Zeit und Geld, aber gerade am Faktor Zeit kranken viele Unternehmungen: sei es die Zeit, die für die Vorbereitung von Mitarbeiten zur Verfügung steht oder die Zeit, die in den gesamten Prozess des Auslandsengagements gesteckt wird.

 

Keine Geduld und kein Geld für Crashkurse in interkultureller Kommunikation

 

Viele Firmen bringen erst gar nicht die nötige Geduld auf, allen Beteiligten zumindest einen Crashkurs in interkultureller Kommunikation mit zu geben. „Irgendwie wird das schon gut gehen“ oder „dafür haben wir jetzt gar keine Zeit mehr – der Mitarbeiter war mehrmals im europäischen Ausland, der wird das schon schaukeln“. Solche Zitate hört man immer wieder von Personalchefs oder Abteilungsleitern von Firmen spreche, die sich auf ein Engagement im Ausland vorbereiten. Doch gerade an dieser Haltung scheitern leider viele Firmen, gerade in China.

Eine Studie, die das Beratungshaus PwC bereits vor vier Jahren unter Managern kleinerer und mittlerer Unternehmen aus dem Maschinenbau und dem Handel, zeigt, dass der Anteil interkulturell bedingten Kosten an den Gesamtkosten des Auslandsengagements nicht einmal zehn Prozent betragen. Daran dürfte sich auch nichts geändert haben.

 

Lieber verschleiern, als Soft facts anerkennen

Doch ziehen sich Unternehmen dann resigniert vom chinesischen Markt zurück, verschleiern sie das aus Angst vor Prestigeverlust. Sie sprechen von „unkalkulierbaren Risiken“ statt kulturell bedingten Differenzen, weil sich keiner eingestehen will, dass geplatzte Geschäfte und unerfüllte Erwartungen ausgerechnet mit diesen Soft facts zusammen hängen.

 

 

Berndes: http://www.derwesten.de/staedte/arnsberg/berndes-holt-produktion-zurueck-aus-asien-id4259511.html

Steiff: http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/stofftiere-steiff-verlaesst-china-der-teddy-kommt-zurueck-1.30480

 

Gruner & Jahr: http://de.reuters.com/article/companiesNews/idDEBEEA1F03620140216

 

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Alle Kommentare [2]

  1. Dabei hat unser ehemaliger Popminister und jetziger Wirtschaftsminister doch erst vor wenigen Tagen erklärt, dass die Chancen für deutsche Firmen noch nie so gut gewesen sind um sich in China zu engagieren…

    Genau die im Beitrag genannten Erfahrungen habe ich bei meiner Chinareise jedoch auch gemacht und im Bereich von Maschinen für Privatpersonen klagen genügend Firmen über erhebliche Qualitätsschwankungen, unerfüllte Lieferzusagen und oftmalige Willkür bei der Preisfindung.

    Eigentlich kann man nur sagen „zum Glück“ – wären die genannten Probleme nicht vorhanden, würde wohl auch der letzte Rest der Fertigung in Deutschland bzw. der EU verschwinden.

  2. Dieser Beitrag ist sehr Interessant und gibt das wieder was ich persönlich schon öfters gehört habe in meinem Bekannten Kreis. Chinese sind kapitalistisch veranlagt.