Matthias Kolbusa: Wie der Neid und das Klein-Klein von Einwänden anderer die Mutigen stoppen (Buchauszug)

Unternehmensberater und Autor Matthias Kolusa aus Hamburg fordert in seinem neuen Buch: „Gegen den Schwarm – Aus eigener Kraft erfolgreich werden“. Hier das Kapitel aus dem Werk „Ignoriere die Komplexität – Vertraue deiner Naivität“ – exklusiv im Management-Blog. 

Zu seinen Klienten  – Executive Consulting – zählen Unternehmen wie Daimler, Lanxess, Bosch oder T-Mobile. http://www.executive.de/de/klientenresultate/klientenliste-auszug/

Matthias Kolbusa

Matthias Kolbusa

Wer die Vorstellungen seines Schwarms darüber, was man tun oder besser sein lassen sollte, über den Haufen wirft, wer also versucht, aus dem Korsett seiner Umgebung auszubrechen, der muss mit handfester Ablehnung und Skepsis rechnen. Wie reagiert der Durchschnittsbürger, wenn Sie ihm erzählen, dass Sie als mittlerer Angestellter Ihren sicheren Job aufgeben? Ohne die üblichen Anlässe wie Krankheit oder Umzug, dafür aber mit einem ebenso abstrakten wie elementaren Grund: Sie wollen mehr aus sich und Ihren Möglichkeiten machen. Und dann schicken Sie Ihren Kollegen wenig später eine Rundmail, in der Sie ankündigen, Künstler, Weltreisender oder Biobauer zu werden.

 

Ausbrechende in der Mitte festhalten wollen

Welche Reaktionen erwarten Sie? Vielleicht wird man Ihren Gesundheitszustand anzweifeln oder Ihnen eine Midlife-Crisis unterstellen. Selbst wenn viele Ihrer Mitmenschen so einen Ausbruch nachvollziehen können: Sie haben Angst vor Ihrem Mut und kontern mit Kritik. Aufgezählt werden die durchaus realistischen Probleme und Hindernisse, die Gründe, warum das alles nicht so hinhauen wird, wie Sie sich das vorstellen. Sie finden sich in einer zermürbenden Position wieder. Denn unsere Schwärme machen nichts lieber, als uns in ihrer Mitte festzuhalten und die Möglichkeiten außerhalb ihres Erfahrungsgefängnisses als puren Unfug abzuwerten. Niemand will naiv sein. Aber es ist oft unsere einzige Möglichkeit, die Dinge ins Rollen zu bringen. Selbst dann, wenn wir dafür anfangs über alle Maßen kritisiert werden:

 

xy, mm euro....

In der Diskussion mit einigen Kollegen fällt Martha die junge Frau auf. Sie hört zu, schweigt, während die erfahrenen Experten wie gewohnt ihre felsenfesten Standpunkte zum Besten geben. Dann bricht ein Gedanke geradewegs aus ihr heraus. Eine Idee sprudelt hervor, nicht durchdacht, aber durchaus berechtigt. Und allemal frischer als das bisher Vorgebrachte.

 

Wer Ideen äußert, wird milde belächelt

Doch noch während der Gedanke in den Köpfen der Anwesenden arbeitet, legt sich auf die Gesichter der älteren Kollegen ein mildes Lächeln. »Ganz nett, aber so einfach ist das nicht«, wird der Fragestellerin entgegnet. Es ist das bekannte Spiel, denkt sich Martha: alte Weisheit gegen junges Feuer. Als die junge Frau darauf beharrt, erntet sie Weisheiten der besonderen Art. Von »Komm mal wieder auf den Boden« bis zu »Das ist doch gar nicht zu Ende gedacht«. Die junge Mitarbeiterin steht auf verlorenem Posten. Schließlich knickt sie ein. Martha fühlt die Scham der Kollegin, als wäre es ihre eigene. Weil ihr gerade bewusst wird, dass sie sich für ihre eigene, noch unter Verschluss gehaltene Idee einer aufrichtig am Kundenwohl orientierten Versicherungsagentur das Gleiche vorwerfen lassen müsste: grenzenlose Naivität angesichts eines komplexen Problems.

 

Der Mut, holprige Pfade auszuprobieren 

Wer das Neue wagt, wird vom Routinier schnell wieder zum Anfänger. Denn das Neue ist am Anfang nie so perfekt durchdacht wie das Alte, das Gewohnte, das tausendfach Bewährte, das nun herausgefordert wird. Ein holpriger Pfad liegt vor Ihnen und eben keine Prozessautobahn mehr. Sie könnten sich nach der ersten Kritik – wenn Chefs, Kollegen oder Freunde skeptisch den Kopf schütteln – stillschweigend und unsicher zurückziehen und an Ihrer Idee so lange schrauben und feilen, bis sie Ihnen wasserdicht erscheint.

Einen akribischen Plan entwickeln, der alle Optionen des Scheiterns und die dazugehörigen Notfallpläne durchspielt, bis Sie jedes Gegenargument entkräften können und zum absoluten Experten werden.

 

Totschlagargumente der anderen antizipieren?

Aber merken Sie, was dann passiert? Sie verschwenden Energie und Zeit! Und werden Sie dadurch sicherer in dem, was Sie tun? Nein, denn dann fallen Ihnen bestimmt genau die tausend Gründe der anderen ein, warum etwas auf keinen Fall funktionieren wird, all die Totschlagargumente, mit denen sich Ihre frische Idee, dieses zarte Pflänzchen des Aufbruchs, sofort einstampfen lässt.

Nein, wir sollten uns nicht unserer Naivität berauben lassen – weder vom Zensor unseres inneren Schwarms noch von den Bedenken der anderen. Wir sollten nicht das Gefühl haben, es allen recht machen zu müssen. Zuerst auf Nummer sicher zu gehen und alles perfekt zu Ende denken zu müssen, bevor wir zur Tat schreiten, um ein herausragendes Ziel anzugehen, eine außergewöhnliche Idee umzusetzen. Denn dann werden wir es vielleicht niemals tun.

Hauptsache, man legt los

Wer eine Geschäftsidee hat und ein Unternehmen gründen will, der wird viele Probleme bedenken und Lösungen finden müssen – aber nicht alle gleich am Anfang. Ein Bill Gates hat sich damals in seiner Garage nicht überlegt, was noch alles auf ihn zukommen würde. Er hat einfach das gemacht, was ihn begeisterte, und sich von der Realität seiner Umgebung nicht einschüchtern lassen. Und so ist es in vielen Dingen.

 

Die Wahrscheinlichkeit des statistischen Risikos, zu scheitern

Wer sich etwa all die Schmerzen, psychische wie physische, eines Marathons vor Augen führt, bevor er überhaupt mit dem Training beginnt, der lässt das wahrscheinlich gleich sein. Und wer über die möglichen Risiken und Enttäuschungen einer Beziehung nachdenkt und diesen Gedanken ständig durchspielt – nur um sicherzugehen –, der dürfte niemals eine Partnerschaft eingehen, geschweige denn heiraten. Zu negativ die Prognose, zu wahrscheinlich das statistische Risiko des Scheiterns. Es braucht immer die Naivität des ersten Mals, um überhaupt zu beginnen.

Die Waffe ergreifen

Naivität, das heißt nicht, dass wir mit einem gutgläubigen Lächeln im Gesicht unseren Gegnern gegenübertreten und uns zugleich furchtsam und unsicher von den ersten Gegenattacken überraschen lassen. Nein, unsere Naivität atmet Stolz und Siegesgewissheit. Den Stolz darauf, dass wir nicht mit tausendfach geprüftem Wissen und einem unendlichen Schatz an Erfahrung hausieren gehen, uns auf einfachsten Wegen die übliche Zustimmung des Schwarms abholen. Wir haben den Mut, unsere ureigene, aber noch lange nicht perfekt ausgereifte Idee in den Ring zu werfen. Das macht uns angreifbar, aber auch wild entschlossen. Ein Held, der nicht anders kann. Ein Martin Luther, der seine Thesen an das Tor der verstaubten Macht schlägt. Mit vollem Risiko. Mit absoluter Überzeugung. Ohne Interesse für Konsequenzen.

 

Ohne „Ja, aber“ und „Daraus wird eh´nichts“

Wir sind die Herausforderer. Und wir kämpfen ohne feste Rüstung. Wir tragen nicht die unzähligen »Ja, aber« und »Daraus wird eh nichts« mit uns herum wie einen schweren Brustpanzer, der uns die Luft abschnürt. Wir führen stattdessen eine Waffe mit Leichtigkeit und Wucht: unser eigenes, überaus attraktives Zukunftsbild, gegen das der Status quo plötzlich nur eine alte, ausgeblichene Schwarz-Weiß- Aufnahme ist. Ja, wir fürchten den Kampf. Und fühlen uns gleichzeitig befreit von allen inneren und äußeren Zwängen des Schwarms. Und das fürchten unsere Gegner. Das ist unsere Stärke.

 

Das Neue macht Angst – und löst Befremden bei anderen aus

Wir müssen sehen: Nicht uns fesselt die Angst. In Wahrheit sind die Bedenkenträger und Status-quo-Verteidiger unserer Schwärme nicht selbstsicher. Das Neue macht ihnen Angst, als wäre es eine Attacke auf sie selbst. Das lässt sich im Alltag immer wieder beobachten. Wenn etwa ein Auswanderer die Zurückgebliebenen dazu bringt, ihre Eingefahrenheit, ihre Passivität und ihren fehlenden Mut zu erkennen, wenn es um die eigenen Träume geht. Oder ein junger Mensch aus dem Milieu seiner Freunde und Verwandten ausbricht, um als Erster unter ihnen Abitur zu machen und zu studieren. Statt Stolz löst das beim alten Umfeld oft Befremden aus. Denn unbewusst stellt der Ausbrecher das Lebensmodell der anderen infrage. Wäre auch für mich nicht mehr drin?, fragen sie sich insgeheim und fühlen sich plötzlich unwohl in ihrer Haut. Aus einer Abwehrhaltung heraus reagieren sie mit Ablehnung und Spott. Die Zögerlichen, die Verteidiger des Alten haben etwas zu verlieren. Ihren Status. Ihre Kontrolle. Ihre Rechtfertigung für ihr fremdbestimmtes Leben. Ihre Gewissheit, was richtig ist und was falsch.

Die Angst vor der falschen Entscheidung und vor dem Aufbruch ist der Feind der Naivität. Wenn Sie selbst Ihren inneren Schwarm aus Emotionen gebändigt haben, dann treten Sie dieser Angst vor der Ungewissheit, die alles Neue in sich birgt, gelassener entgegen. Zugleich erkennen Sie die emotionale Belastung und Verfangenheit der anderen.

Ja, es kann viel schiefgehen 

Die Bedenkenträger behaupten ihre Stellung mit ihrem Erfahrungsschatz: dem Wissen darum, was schiefgehen kann. Und ja, sie haben recht. Es kann verdammt viel schiefgehen, wenn man sich auf Neues einlässt, Großes für sich und andere erreichen will.

Gerade in Unternehmen gibt es vielerlei Experten, die ihren Bereich sehr gut kennen. Dabei erweisen sich oft genug gerade diese allwissenden Experten als die größten Gegner neuer Ideen. Zu tief sitzen sie in ihrer alten Kompetenz fest, besitzen sie eben nicht die notwendige Naivität für den freien Umgang mit neuen Informationen.

 

Wenn Unwissen hilft

Es braucht eine Portion Unwissen, um das Störende nicht zu sehen oder im Zweifelsfall auszublenden. Experten fällt immer mindestens ein faktischer Grund ein, warum etwas nicht möglich oder nicht sinnvoll ist. Wer sich mit Risiken beschäftigt, der wird niemals aufbrechen.

In Deutschland handelt leider kaum jemand einfach so. Da wird zuerst alles Neue auf Herz und Nieren überprüft, bevor es einem selbst und der Welt zugemutet wird. Alles muss durch den TÜV, die Kontrollgremien im Unternehmen oder den Chefkritiker im Freundeskreis. Was keine Gefahr in sich birgt, darf weitergehen. Vor solcherlei Hürden gestellt, geben zu viele Menschen um uns herum viel zu schnell auf. Als würde jede Idee die Bewilligung unserer Schwärme brauchen.

 

Komplexität ausblenden, Chancen erkennen

Wer dagegen naiv handelt, Komplexität ausblendet, sich nicht den Kopf zerbricht über alle möglichen Probleme, die noch gar nicht auftreten, der sieht im Neuen nicht nur die Risiken, sondern vor allem die Chancen. Die Chance, dass Menschen mit einem Handy nicht nur telefonieren, sondern unendlich viel mehr tun können. Die Chance, dass aus Europa mehr werden kann als nur ein Wirtschaftsraum mit einer gemeinsamen Währung. Die Chance, dass in einem selbst mehr steckt, als andere wahrhaben wollen.

 

Zur Tat schreiten adelt

Wenn Ihnen also jemand sagt, Sie seien naiv, dann kann das bedeuten: Sie haben nicht alle Gründe in Erwägung gezogen, warum Ihr Projekt scheitern kann.

Vielleicht haben Sie aber auch nächtelang wach gelegen und das Für und Wider abgewogen. Haben die Zukunft schwarz gemalt, nur um zu der Einsicht zu gelangen, dass es so schlimm eben sehr wahrscheinlich nicht kommen muss. Dass Ihre Idee und die damit verbundenen Chancen einfach zu gut sind, um sie links liegen zu lassen.

Und dann haben Sie sich kurzerhand bewusst entschieden, umgehend zur Tat zu schreiten. Das adelt Sie!

 

Wider den Überprüfungswahn und den Neid der anderen

Wenn Sie gegen Schwärme bestehen wollen, dann dürfen Sie sich nicht einreihen in diesen Spaß raubenden, Vernunft vortäuschenden Überprüfungswahn, in dieses zögerliche, endlose Abwägen. Pflegen Sie Ihren Stolz im Angesicht der Ängste der anderen. Und erkennen Sie den Neid der anderen: darauf, dass Sie etwas wagen, was diese selbst schon immer tun wollten, sich aber nie trauten. So wird Naivität zu etwas Wunderbarem. Weil wir uns durch sie die Freiheit gönnen, das zu tun, was wir selbst wollen. Das, was wir in unserem tiefsten Inneren oder auch nur in einem Anflug erster intuitiver Begeisterung für richtig halten.

Und manchmal müssen Sie auch der Naivität der anderen erst freie Bahn verschaffen, damit das Neue endlich eine Chance bekommt:

 

Der Weg zu einem großen Ziel beginnt mit dem Aufbruch – nicht mit Problemen

Martha beobachtet, wie die junge Frau sich der Kritik der älteren Kollegen ergibt. Da überwindet sich Martha, steht auf, nimmt den dicksten Edding, den sie auf die Schnelle finden kann, und schreibt die Idee der jungen Kollegin in sehr großen Buchstaben auf ein Flipchart. So groß, dass plötzlich kein Platz mehr ist für das Klein-Klein der Einwände. Die älteren Teamleiter scheinen für einen Moment perplex. »Über die vielen Details dazu können wir uns gerne ein andermal unterhalten«, sagt Martha und beendet das Treffen.

Und während sie das Team verabschiedet und der jungen Kollegin einen kurzen Blick zuwirft, geht ihr ein Gedanke durch den Kopf: Der Weg zu einem großen Ziel beginnt nicht mit den Problemen, sondern mit dem Aufbruch.

 

Matthias Kolbusa: „Gegen den Schwarm – Aus eigener Kraft erfolgreich werden“, 272 Seiten, Ariston Verlag, 19,99 Euro

http://www.amazon.de/Gegen-den-Schwarm-eigener-erfolgreich/dp/3424200956/ref=sr_1_sc_1?ie=UTF8&qid=1395768970&sr=8-1-spell&keywords=kolusa

 

 

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