Wenn Kundennummern den Weg zum Kunden verbauen

Dass sich manche nicht selbst drollig vorkommen: Da verteilen Unternehmen für jeden Kunden Nummernkolonnen mit zehn Stellen und mehr – und werden dann selbst der Lage nicht mehr Herr. Mehr noch: Sie können nicht mehr weiter arbeiten, wenn der Kunde selbst nicht „seine“ Nummer nennt – die er weder will noch ausgesucht hat. Und sie finden es ganz normal, diese, ihre eigene verteilte Nummer abzufordern von dem Kunden – und jeden Kontakt mit dem zu verweigern ohne diese Nummer.

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Kundenorientierung? Wieso denn das?

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Ist das Kundenorientierung? Im Gegenteil: Das Unternehmen organisiert sich seinen Überblick über seine Kunden mithilfe eines Nummernsystems und baut den als Hürde zwischen sich und seinen Abnehmern auf – als ganz hohe Mauer.

Der Verlag Gruner + Jahr arbeitet genau so. Er versieht lebendige Menschen, die bei ihm Geld abliefern – also hofiert werden sollten – mit langen Nummern. Wenn diese Kunden dann Anlass haben, Kontakt aufzunehmen, um etwas zu regeln, mauern sich die Mitarbeiter erst mal ein. Ohne Nummern dürfen sie sich uns nicht nähern. Ohne Nummer hören wir sie nicht an. Ohne Nummer tun wir so, als gibt es sie gar nicht. Und schon gar nicht auf unserer Kundenliste. Ohne Nummer sind sie Luft für uns.

Vielen Dank auch. Ich habe einen Namen. Eine Adresse habe ich auch. Und – wenn ihnen auch das nicht reicht, auch ein Geburtsdatum. Das sollte genügen, um mich von jedem anderen ihrer Kunden zu unterscheiden.

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Eine Nummer? Dutzende…

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Nebenbei: Wenn man meine Personalausweisnummer abgefragt und zu meiner Identifikation benötigt hätte, geschenkt. Aber von jedem Unternehmen, mit dem ich irgendwann mal zu tun habe – von der Autoreparaturwerkstatt über den Mobilfunkanbieter und jeden x-beliebigen Versandhändler – dessen lustige Nummernfolge vorzuhalten überfordert mich. Und ich fühle mich provoziert, wenn – wie im Falle des Verlags – ich sogar Geld zurück zu bekommen habe, aber man sich weigert, mich zur Kenntnis zu nehmen. Ohne seine eigene Nummer.

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Urheber dieses Unfugs? Vermutlich die IT

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Wer sich diesen Unfug wohl ausgedacht hat? Ich vermute, so etwas machen IT-Profis. Nichts gegen diese Experten, aber eins habe ich immer im Kontakt mit denen zu verstehen bekommen:

1. Alle doof außer ich

Im realen Nutzer-Kontakt sagt IT-Profi dann übrigens Sätze wie: „Das Problem sitzt meistens vor dem Computer.“ Vielen Dank auch. (Sagen Sie das auch Männern?)

2. Ich handel grundsätzlich und sofort, und zwar wie ich es für richtig halte.

Ruckzuck, ohne Federlesens und gerne mal unwiederbringlich (auch auf die Gefahr, dass Kunden verprellt, wertvolle Daten anderer Leute für immer verloren gehen oder andere immense Schäden angerichtet werden).

3. In Wort und Sprache bin nur ich der Massstab. Ob Normalo, Nicht-IT-Profi die Sprache des Programms versteht, ist mir doch egal.

4. Die Interessen der Nutzer stören nur.

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Wie, Sie haben kein Faxgerät zuhause?

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Doch zurück zur Kundenorientierung. Als Kunde nur eine Nummer zu sein, ist schnöde genug. Noch weiter geht der Bosch-Kundenservice in seinem Call-Center mit einer 089-er Vorwahl: Dort verlangen die Mitarbeitern von den Kunden nicht etwa die Nummer vom Kühlschrank – damit hatte ich im Jahre 2013 meinen Spaß  https://blog.wiwo.de/management/2013/01/07/auf-allen-vieren-im-kuhlschrank/ -, sondern man sieht sich außerstande, mit dem Kunden zu reden, bevor er erst mal „die Rechnung faxt“.

Wie bitte? Das Unternehmen legt eine Rechnung an, und findet sie schon sechs Monate später nicht mehr wieder in der eigenen Buchhaltung?

Mehr noch: Man schämt sich nicht, nach Ablieferung eines mangelhaften Produkts den Kunden zu schikanieren mit zeitraubenden Zusatzaufgaben. Wieder reichen weder Name, und Adresse noch Geburtsdatum, um mich in der firmeneigenen IT auffindbar zu machen. Man soll auch noch faxen.

Wie – um Himmels willen – kommen die Menschen in den Unternehmen auf die Idee, dass jeder Privatmann (oder -frau) zu Hause ein Faxgerät haben muss?

Als Ausweichlösung bot mir die Bosch-Call-Center-Mitarbeiterin in energischem Ton dann an, ich könne ja auch mailen. Die nächste prima Idee: Warum muss ein Privatkunde, ein schlichter Konsument, einen Scanner besitzen?

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Hürden für Reklamationen

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Für diese Hürden gibt es nur zwei Erklärungsmöglichkeiten:

Entweder baut man absichtlich hohe Hürden auf, um Kunden das Reklamieren so richtig schwer zu machen – mit welchem Recht eigentlich?

oder

diese ulkigen Regeln haben sich IT-Profis ausgedacht, die selbst zuhause offenbar seinen ganzen Park solcher Geräte wie Faxe und Scanner haben und dann selbstverständlich finden.

Vermutlich ist es die zweite Alternative. Aber die ist wiederum die Folge des Outsourcing-Wahns der Top-Manager allerorten. Der ausschließlich zulasten der Kunden und verbliebenen Kern-Funktions-Mitarbeiter der Unternehmen geht. Aber das ist ein neues Thema.

 

 

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Alle Kommentare [1]

  1. Ist doch immer wieder interessant, dass man im digitalen / mobilen Zeitalter noch über Faxgeräte spricht. Das ist doch die selbe Diskussion wie mit dem Telegramm vor 100 Jahren. Telegramme waren Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts eine sinnvolle Einrichtung, da es kaum (private) Telefone gab.

    Gilt das nicht inzwischen euch bei Faxgeräten?