Schadenersatzforderungen: Wenn Manager ihre Vorgänger verklagen

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Der insolvente Immobilienriese IVG will vier frühere Vorstände in Regress nehmen. Die Höhe der Forderungen könnte alle bisherigen Fälle übertreffen. Immer mehr Konzernlenker lassen ihre Vorgänger für Fehler zahlen.

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Wolfhard Leichnitz wollte aus dem etwas verpennten ehemaligen Staatskonzern IVG eine ganz große Nummer im Immobiliengeschäft machen. Mitte 2006 kam der Manager nach erfolgreichen Stationen beim Baukonzern Hochtief und beim Großvermieter Viterra zu dem privatisierten Bundesunternehmen nach Bonn. Der Neue investierte mit viel Fremdkapital in Immobilienikonen wie den Londoner Büroturm Gherkin, kaufte derAllianz Gewerbeimmobilien für 1,3 Milliarden Euro ab und steckte immer mehr Geld in das von seinem Vorgänger initiierte Airrail-Center am Frankfurter Flughafen, das heute Squaire heißt und größter Klotz am Bein der IVG ist. Statt geplanter 650 Millionen Euro kostete Squaire fast das Doppelte und ist trotz intensiver Bemühungen noch nicht verkauft.

Im Herbst 2008 erzwangen die damaligen Großaktionäre, das Kölner Bankhaus Sal. Oppenheim und die Schweizer Santo Holding, Leichnitz‘ Abschied. In gut zwei Jahren hatte er die IVG-Schulden auf über 5 Milliarden Euro verdoppelt und den Aktienkurs halbiert. In seine Amtszeit fällt der vermutlich entscheidende Niedergang der IVG, der im August dieses Jahres in den Insolvenzantrag mündete. Sie hat nun für Leichnitz und andere Ex-IVGler womöglich ein extrem teures Nachspiel.

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Ein Tsunami von Schadenersatzforderungen gegen Ex-Manager

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Denn nach Informationen der WirtschaftsWoche will der IVG-Vorstand – auf Anregung der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz – eine Sonderprüfung aller IVG-Geschäfte von 2006 bis 2008 initiieren. Die Zustimmung von IVG-Sachwalter Horst Piepenburg – er überwacht die Insolvenz in Eigenverwaltung – steht zwar noch aus. Angebote für die Durchführung der Prüfung hat die IVG nach WirtschaftsWoche-Informationen aber schon eingeholt, unter anderem beim Münchner Wirtschaftsprüfer Deloitte.

Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen – das war einmal. Ein Tsunami von Schadensersatzforderungen wogt durch Deutschlands Chefetagen „Viele Manager sehen sich zunehmend in der Haftungsfalle und sind besorgt, was ihre eigene Haftungssituation und den Zugriff auf ihr Privatvermögen betrifft, den es früher so nicht gab“, beobachtet Headhunterin Sabine Hansen von der Personalberatung Amrop Delta in Düsseldorf.

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Immobilienkonzern IVG will Schadensersatz in Millionenhöhe

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Noch immer steckt der Immobilienkonzern IVG in einer tiefen Existenzkrise, die Insolvenz läuft. Jetzt fordert der Konzern Schadensersatz von vier ehemaligen Managern wegen Fehlverhaltens – und das in Millionenhöhe.

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6.000 Managerhaftungsverfahren sind anhängig bei den Gerichten – rund 20.000 Manager werden verfolgt 

Vor den Gerichten sind derzeit rund 6000 Managerhaftungsverfahren anhängig, schätzt Michael Hendricks, Geschäftsführer der auf Organ- und Managerhaftpflichtversicherungen (englisches Kürzel: D&O) spezialisierten Beratung Hendricks & Co in Düsseldorf. Hinzu kommen Fälle, die nicht vor Gericht landen, aber als Schadensfälle gemeldet sind. Bei durchschnittlich zwei bis drei Beklagten pro Fall bedeutet das: Rund 20.000 Manager und Ex-Manager sind derzeit mit Schadensersatzforderungen konfrontiert, so Hendricks. Vier Fünftel der Ansprüche kommen vom Ex-Arbeitgeber, der Rest von außen, etwa von Gläubigern.
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Managerhaftungs-Experte Michael Hendricks

Managerhaftungs-Experte Michael Hendricks

Bei der IVG hat der Vorstand im Herbst zunächst durch die Kanzlei Hengeler Mueller nur den Kauf des Gherkin Towers prüfen lassen, den die IVG zusammen mit der britischen Investmentbank Evans Randall 2007 für 950 Millionen Euro erwarb. Aufgrund von Fehlern, die Hengeler Mueller dabei feststellte, wurden Leichnitz und seine damaligen Vorstandskollegen Bernd Kottmann (Finanzen), Andreas Barth (Projektentwicklungen) und Georg Reul (Investment und Fonds) in diesen Tagen von Piepenburg mit Schadensersatzforderungen jeweils in Höhe von 8,5 Millionen Euro plus Zinsen konfrontiert.

Die Vorstände hätten dem Evans-Randall-Fonds ein Darlehen von 52 Millionen Pfund gewährt, das in dieser Höhe nicht vom Aufsichtsrat genehmigt war, haben die Hengeler-Mueller-Juristen herausgefunden. Sie halten wegen dieser „Pflichtverletzung der handelnden Vorstandsmitglieder“ eine Klage durch den IVG-Aufsichtsrat „für aussichtsreich“ und „empfehlen Klageerhebung“. Die Manager haben gegenüber der WirtschaftsWoche zu den Vorwürfen nicht Stellung genommen.

Bei Middelhoff geht es um 175 Millionen Euro

Es dürfte für die vier Herren aber noch dicker kommen. Derzeit wird bei der IVG diskutiert, ob das Gesamtverhalten des IVG-Managements unter Leichnitz „so schadensgeneigt“ war, dass man daraus eine allgemeine Schadensersatzpflicht ableiten könne. Bestätigt sich das, könnte die erwogene Sonderprüfung zu einem der größten Fälle von Managerhaftung in der deutschen Wirtschaft eskalieren.

Korruptionsvorwürfe, Kartelldelikte, Fehlspekulationen – immer massiver werden Unternehmen für Compliance-Verstöße zur Kasse gebeten. Und immer mehr von den Bußen und Wiedergutmachungszahlungen holen sie sich von verantwortlichen Managern zurück.

Versicherungsnehmer bei D&O-Policen ist das Unternehmen. Es schließt sie zum Schutz des Privatvermögens der Manager ab – als Vertrag zugunsten Dritter. Dass die Manager die Rechte aus der Police geltend machen, wenn ihr Arbeitgeber von ihnen Schadensersatz fordert, hilft aber auch der Firma: Sie bekommt Geld nicht nur im Rahmen des Privatvermögens ihrer Führungskräfte zurück, sondern bis zur Deckungssumme in oft zwei- oder dreistelliger Millionenhöhe.

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Keine Zahlen verfügbar: D&O-Fälle
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Genaue Zahlen gibt es nicht, denn D&O-Fälle werden dem Versicherungsverband nicht gemeldet. Unstrittig ist aber: Das Geschäft boomt. Zahlten deutsche Unternehmen laut Berater Hendricks von 2001 bis 2005 insgesamt eine Milliarde Euro an D&O-Versicherungsprämien, erwartet er für 2011 bis 2015 schon 3,5 Milliarden Euro. Auszahlungen und Rückstellungen der Versicherer haben sich im selben Zeitraum auf vier Milliarden Euro verdoppelt.

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Als Ex-Siemens-CEO Heinrich von Pierer angegangen wurde, brach ein Damm

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Die Forderungen machen vor keinem wirtschaftlichen Würdenträger mehr halt, seit Siemens infolge seines Mega-Korruptionsskandals Ex-Vorstandschef Heinrich von Pierer in Haftung nahm. Der Doyen der deutschen Wirtschaft einigte sich mit dem Siemens-Aufsichtsrat vor vier Jahren auf Zahlung von fünf Millionen Euro Schadensersatz an Siemens, Nachfolger Klaus Kleinfeld opferte zwei Millionen Euro.

Die geforderten Summen werden immer höher. So verlangt der Stahlriese Thyssen-Krupp von einem früheren Spartenvorstand wegen illegaler Preisabsprachen im Eisenbahngeschäft 103 Millionen Euro Schadensersatz. Beim früheren MAN-Chef Hakan Samuelsson geht es um 237 Millionen Euro und beim Ex-Chef der früheren Karstadt-Mutter Arcandor, Thomas Middelhoff, um 175 Millionen. Die fordert der Insolvenzverwalter von Middelhoff, weil dessen Vorvorgänger Wolfgang Urban einst beim Verkauf von Karstadt-Immobilien ungünstige Verträge abgeschlossen haben soll und Middelhoff nicht dagegen vorging. Dafür wiederum sei er selbst haftbar, was Middelhoff bestreitet.

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Der Fall Arag brachte die Lawine ins Rollen 

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Dass Manager grundsätzlich schadensersatzpflichtig sein können, auch mit hohen Summen, stellte der Bundesgerichtshof schon 1997 im Arag-Fall klar. Bei dem Rechtsschutzversicherer hatte der Finanzvorstand mit unerlaubten Transaktionen Millionenverluste eingefahren. Zwei zerstrittene Familienstämme hinter der Arag fochten die Frage, ob der Mann verklagt werden sollte, bis in die letzte Instanz aus. Ergebnis: Aufsichtsräte müssen Schaden vom Unternehmen abwenden – auch durch Schadensersatzprozesse gegen eigene Manager. Der Arag-CFO wurde zu 55 Millionen Mark Schadensersatz und viereinhalb Jahren Gefängnis verurteilt.

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Viele Schadensfälle nach Zusammenbruch des Neuen Markts

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Das Arag-Urteil war nur der Auftakt. Rechtsverschärfungen verbreiterten die Basis für Compliance-Streitsachen. 1999 verbot das Strafrecht Bestechung, die bis dahin steuerlich abzugsfähig war. Es folgte der Corporate Governance Kodex, später verschärfte der Gesetzgeber das Aktienrecht. „Die erste größere Welle von Schadensfällen folgte auf den Zusammenbruch des Neuen Markts und seiner Stars“, erinnert sich D&O-Anwalt Oliver Sieg von der Kanzlei Noerr in Düsseldorf.

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Es folgte eine lange Reihe von aufgedeckten Kartellen. „Immer mehr heimliche Preisabsprachen kommen heraus, seit Unternehmen, die als Whistleblower voranpreschen, Rabatte bei den Millionenbußen oder sogar Straffreiheit bekommen können“, sagt Anwalt Oliver Maaß von der Kanzlei Heisse Kursawe in München. Die verhängten Bußgelder und die Schadensersatzzahlungen an die Kartellopfer holen sich die Unternehmen von den einst verantwortlichen Führungskräften zurück.

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Acht bis zehn Jahre laufen Managerhaftungsfälle im Schnitt

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Den nächsten großen Schwung von Managerhaftungsfällen bescherte die Finanzkrise. Der Gesetzgeber hat die Verjährungsfristen zur Verfolgung der Finanzbosse 2011 auf zehn Jahre verdoppelt – dauern diese Fälle im Schnitt doch acht bis zehn Jahre. Die D&O-Anbieter HDI, VOV und Axa versichern wegen des hohen Risikos keine Finanzdienstleister mehr.

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Insolvenzverwalter stürzen sich als erstes auf die D&O-Policen

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Auch Insolvenzverwalter haben D&O-Policen für sich entdeckt: als Vermögenswert, den sie realisieren können. Eine Sonderprüfung bei der IVG wäre die erste im Rahmen eines Insolvenzverfahrens. „Viele Manager, die versuchen, Firmen zu sanieren, werden hinterher vom Insolvenzverwalter verfolgt“, klagte jüngst Ex-Arcandor-Grande Middelhoff.

Gerne halten sich Insolvenzverwalter auch an den Aufsichtsrat – „insbesondere, wenn dort solvente Leute sitzen“, sagt der Düsseldorfer Insolvenzverwalter Dirk Andres. Er habe schon erlebt, „wie ein Aufsichtsrat 100 000 Euro aus der Privatschatulle zahlen musste“, weil er Zahlen des Wirtschaftsprüfers nicht hinterfragt hatte.

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Aufsichtsräte sind Jäger wie Gejagte

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Aufsichtsräte sind in Sachen Schadensersatz Jäger und Gejagte. Die juristische Schlachtordnung in vielen Unternehmen heißt heute jeder gegen jeden: Aufsichtsräte gegen Vorstand, Vorstand gegen Aufsichtsrat, Aufsichtsräte gegeneinander.

So wie im Fall der Apobank in Düsseldorf. Die fordert 66 Millionen Euro von Ex-Vorständen: Mehrere Top-Manager hatten Finanzgeschäfte zugelassen, die zu Millionenschäden während der Subprime-Krise geführt hatten. Die verklagten Manager verweisen für den Fall, dass ihnen Fehler nachgewiesen werden, auf den Aufsichtsrat: Der habe alles gewusst. Kein Wunder, dass es inzwischen auch D&O-Policen für Aufsichtsräte gibt.

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Karrieren gehen selten auf hohem Niveau weiter

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„Auch immer mehr mittelständische Unternehmen verklagen ihre Führungskräfte“, beobachtet Versicherungsmakler Hendricks. So sollten die ehemaligen Geschäftsführer der deutschen Tochtergesellschaften eines italienischen Möbelherstellers jeweils 2,5 bis 15 Millionen Euro Schadensersatz zahlen – bei früheren Jahresgehältern von 100.000 bis 200.000 Euro.

Der Grund: Von ihrer Konzernmutter hatten die Manager die Anweisung bekommen, eilig hohe Beträge nach Italien zu schicken, und das auch gemacht. Die Überweisungen hätten aber angesichts der Insolvenzgefahr zu dem Zeitpunkt wohl nicht mehr erfolgen dürfen. Nach vier Jahren Rechtsstreit einigte sich der Anwalt der Ex-Geschäftsführer mit Insolvenzverwalter, Banken und D&O-Versicherern. Die Manager kamen bei dem Millionenvergleich mit Selbstbeteiligungen zwischen 5000 und 20.000 Euro davon.

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Bis zu 70 Prozent der ausgezahlten Summen der D&O-Versicherer fließen an Anwälte, WP´s, Gutachter und Gerichte

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Von den 300 bis 400 Millionen Euro, die D&O-Versicherer in Deutschland pro Jahr derzeit auszahlen, fließt ein großer Teil an die am Verfahren beteiligten Dienstleister. Experte Hendricks schätzt, „dass 50 bis 70 Prozent der Auszahlungen der D&O-Versicherer in den vergangenen 15 Jahren nicht auf die Regulierung der Schäden selbst entfallen, sondern Abwehrkosten der Verteidigung der Manager für Anwälte, Wirtschaftsprüfer, Gutachter und Gerichte sind“. Die Stundenhonorare bei Compliance-Anwälten liegen für Partner zwischen 320 und 400 Euro – je nach Disziplin. Kartellrechtler sind teurer als Arbeitsrechtler. Renommierte Compliance-Experten kassieren sogar 600 Euro pro Stunde.

Am Fall Siemens etwa verdiente die Wirtschaftsprüfung Deloitte rund 235 Millionen Euro und der US-Anwaltsriese Debevoise & Plimpton mindestens 95 Millionen Euro. Insgesamt soll die Aufklärung der Korruptionsaffäre Siemens 474 Millionen Euro gekostet haben plus 239 Millionen Euro Strafen in Deutschland und 520 Millionen Euro Steuernachzahlungen. 100 Millionen erhielt Siemens von einem D&O-Konsortium unter Allianz-Führung als Schadensersatz zurück. Gefordert hatte der Konzern 250 Millionen Euro. Prozessual abgeschlossen ist die Affäre sieben Jahre nach ihrem Beginn aber noch nicht. Der frühere Finanzvorstand Heinz-Joachim Neubürger bestreitet die gegen ihn erhobenen Vorwürfe und prozessiert weiter mit Siemens. Neubürger ist eine Ausnahme. „90 Prozent der Managerhaftungsfälle enden mit einem Vergleich“, schätzt Heisse-Kursawe-Anwalt Maaß.

Denn Gegenwehr ist schwierig. Einer der vier ehemaligen IVG-Manager, gegen den das Unternehmen nun vier Jahre nach seinem Abschied vorgeht, ist ratlos: „Ich habe keine Akten und bin komplett von den alten Informationen abgeschnitten.“ Auch ein Ex-Siemensianer klagt, er habe „nicht die Möglichkeit gehabt, sich zu verteidigen, weil man nicht an die Beweise herankommt, die einen entlasten“.

Ein D&O-Fall „ist wie ein Berufsverbot“, sagt der Frankfurter Managerhaftungsanwalt Rolf Cyrus. Nur selten geht die Karriere auf hohem Niveau weiter: Ex-MAN-Lenker Samuelsson führt jetzt die Geschäfte von Volvo. Der frühere Siemens-Chef Kleinfeld ist Chef des US-Aluminiumriesen Alcoa. Den EnBW-Technikvorstand Hans-Josef Zimmer hat der Aufsichtsrat sogar trotz laufender 70-Millionen-Euro-Schadensersatzklage des Energieversorgers gegen ihn wieder ins Führungsgremium geholt. Und der streitbare Ex-Siemens-Vorstand Neubürger wurde im Mai 2012 in den Aufsichtsrat der Deutschen Börse gewählt.

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Manche Manager schließen eigene D&O-Versicherungen ab

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Manche Manager schließen neuerdings zusätzlich eigene, persönliche D&O-Policen ab. Kostenpunkt: 5000 bis 30 000 Euro im Jahr. Die können gut investiert sein, etwa wenn die Deckungssumme nicht ausreicht. Schließlich steht die nur einmal im Jahr für sämtliche Manager eines Konzerns zur Verfügung und nicht für jeden Fall neu.

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Unternehmen fordern meist Maximalsummen

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Der Spielraum für die aktuell Verantwortlichen, Forderungen gegen Ex-Kollegen unter den Tisch fallen zu lassen, ist seit dem Arag-Urteil klein. Die Folge beschreibt einer der Beklagten in den Siemens-Verfahren: „Wenn immer mehr Manager vor dem Strafrichter landen, kann die Zusammenarbeit zwischen Vorstand und Aufsichtsrat nicht mehr vertrauensvoll sein.“

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Da Beklagte mit anderen Mitgliedern des Vorstands oder Aufsichtsrats gesamtschuldnerisch haften, fordern die Unternehmen meist von jedem Maximalsummen. Beim Vergleich zahlen die D&O-Versicherungen den Großteil des Schadensersatzes, fordern aber von den Sündern Selbstbehalte – umso mehr, je höher das Jahresgehalt ist. So schreiben es die Versicherer den Aktiengesellschaften in die Policen.

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Wenn Versicherer Konsortien bilden

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Um Deckungssummen von 500 Millionen Euro und mehr zu garantieren, tun sich oft 20 bis 30 D&O-Versicherer zwecks Risikoteilung zusammen. Ausschlussklauseln in den Policen etwa für Kartell- oder Korruptionsvergehen sind nicht selten. Dann haftet der Vorstand mit seinem Privatvermögen, wenn im Unternehmen Schmiergeldzahlungen auffliegen.

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D&O als Blackbox für Manager

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Für viele Top-Manager ist das Thema D&O eine Blackbox. Allenfalls „jeder zehnte kennt wenigstens den Namen des D&O-Versicherers“, wundert sich Eckhard Schmid, Chef-Arbeitsrechtler bei CMS Hasche Sigle in München. „Nur wirklich Aufgeweckte kennen den Inhalt der Policen oder haben Kopien von der aktuellen Vertragsversion.“ Die Policen laufen nur ein Jahr, dann ändern sich die Bedingungen, oft kommen neue Ausschlüsse hinzu. Muss ein Manager von einer Minute auf die andere den Schreibtisch räumen, ist ihm der Zugang zu den Policen versperrt. Manche Unternehmen beginnen gar einen Rosenkrieg mit ihrem Ex-Manager und lassen sich auf Herausgabe des Versicherungsscheins verklagen.

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Bei Vorsatz steigt der D&O-Versicherer sofort aus

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Schutzlos steht im Regen, wer den Schaden mit Absicht verursacht hat. Das wirft das Oberlandesgericht München der Deutschen Bank und ihrem Ex-Chef Rolf Breuer vor. Mit seiner Äußerung zur Kreditfähigkeit des Medienunternehmers Leo Kirch vor elf Jahren habe er Kirch vorsätzlich geschädigt. Die Höhe des Schadens – je nach Interessenlage 120 Millionen bis 1,5 Milliarden Euro – sollen nun Gutachter klären. „Bei dieser Konstellation braucht kein D&O-Versicherer einzuspringen“, sagt Experte Hendricks. Müsse die Deutsche Bank Regress an die Kirch-Erben leisten, könne Breuer „persönlich im schlimmsten Fall bis zur Pfändungsfreigrenze von 1030 Euro pro Monat“ zur Rechenschaft gezogen werden.

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Unprofitables D&O-Geschäft in Deutschland

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Bei vielen der aktuellen Verfahren werden die Versicherer aber zahlen müssen. Sie bilden deshalb zurzeit Rückstellungen, die zusammen mit den Auszahlungen die jährlichen Prämieneinnahmen von rund 700 Millionen Euro um „das Doppelte übersteigen“, schätzt Hendricks. Trotz Wachstum sei deshalb das D&O-Geschäft „in Deutschland für die Versicherer schon seit Jahren nicht profitabel“ – immer neue Wettbewerber drängten in den Markt und verdürben die Preise. Angesichts der weiter steigenden Schadenssummen erwartet Hendricks dennoch: „Die Zeit der günstigen D&O-Prämien ist bald vorbei.“

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