Das böse Erwachen mit der D&O-Versicherung schildert Managerhaftungs-Anwalt Rolf Cyrus

Wilhelm Bauer*  – der Name ist erfunden, denn der echte Name fällt unter die anwaltliche Schweigepflicht –  ist Geschäftsführer eines mittelständischen Logistikunternehmens. Die Gesellschafter hatten Bauer ein Budget von zehn Millionen Euro für Investitionen bewilligt und aus diesem Budget gewährte Bauer der Tochtergesellschaft in Polen ein Darlehn von 1,2 Millionen Euro, damit sie eine Halle bauen konnte. Doch wider Erwarten ging die polnische Tochtergesellschaft pleite. Darlehnsrückzahlung? Pustekuchen. So weit, so schlecht. Doch dann stellte auch noch sich ein folgenschwerer Management-Fehler heraus, der den Gesellschaftern gelegen kam: Baur hatte nach dem Gesellschafterbeschluss zwar zehn Millionen Euro zur Verfügung – aber hiervon durfte er nur maximal eine Million Euro jeweils in ein einzelnes Projekt investieren. Über diesem Limit hätte er die Einwilligung der Gesellschafter einholen müssen.

 

D&O-Anwalt Rolf Cyrus

D&O-Anwalt Rolf Cyrus

So wie im Falle des Logistikmanagers Bauer läuft es öfter. Und immer öfter verklagen dann Unternehmenseigner oder Aufsichtsräte ihre Vorstände persönlich auf Schadenersatz.

Die meisten Unternehmenslenker stellen sich erst dann zum ersten Mal die Frage: Habe ich eine D&O Versicherung ? Zahlt sie auch?

Denn die meisten Unternehmen haben eine D&O-Versicherung. Nur ob sie auch einspringt, ist die große Frage.

Wenn Top-Manager danach fragen, ist das Fiasko meist schon ausgebrochen: Sie mussten ihren Posten räumen, die Firma verlassen. Wenn sie Pech haben, liegt bei der Staatsanwaltschaft auch schon eine Strafanzeige gegen sie, die Ermittlungen haben begonnen und ob sie je wieder in Amt und Würden bei einer Company kommen, steht in den Sternen.

In dieser misslichen Situation sind Top-Manager darauf angewiesen, dass ihr D&O-Versicherer ihnen zur Seite steht und zügig reguliert.  Doch was stattdessen folgt, sind eine Reihe Überraschungen – und für viele ein böses Erwachen:

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Drama Teil 1: Die Schadensmeldung

Nur ein Bruchteil der Anwaltskosten

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Meldet der Manager dem D&O-Versicherer den Schaden, kommt meist die erste Überraschung. Der Versicherer gibt – wenn überhaupt – nur eine vorläufige Deckungszusage für die Übernahme der Abwehrkosten.

Diese vorläufige Zusage umfasst aber nur die Kosten seines Rechtsanwaltes nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG). Und: Weiter heißt es dann, dass er diese Kosten dem Versicherer zurückerstatten muss, wenn herauskommt, dass er seine Pflichtverstöße vorsätzlich begangen hat.

Das bedeutet: Der Manager muss von Anfang an den Großteil seiner Anwaltskosten selbst bezahlen – denn Managerhaftungs-Spezialisten lassen sich auf Honorare nach der Gebührenordnung nicht ein. Und das in dem Moment, wo die Gehaltszahlungen gestoppt sind und unklar ist, wann sie wieder fließen.

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Der Versicherer bittet zum Rapport

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Und weiter geht´s mit den üblen Überraschungen: Der D&O-Versicherer meldet sich – teils über eigene Rechtsanwälte – und bittet den Manager zum Rapport. Doch was am Anfang noch harmlos aussieht, entpuppt sich oft als böse Falle. Dem Ex-Unternehmenslenker wird ein vordergründig unscheinbarer Fragenkatalog präsentiert, den er doch bitte – schon wegen der Obliegenheiten, so heißt es  –  richtig  und vollständig beantworten möge. Es werden Notizen gemacht, die Atmosphäre ist freundlich und nach dem Gespräch kommt das Gefühl, da habe ich nochmal Glück gehabt.

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Deckungsablehnung statt Hilfe

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Doch weit gefehlt, stattdessen schreibt ihm die D&O-Versicherung, dass sie ihre Eintrittspflicht ablehnt: Wegen Obliegenheitsverletzungen und dem Ausschluss vorsätzlicher Pflichtverstöße – und zwar nach den eigenen Angaben des Top-Managers.

Wer dann bei dem Versicherungsmakler seiner Firma anruft, um auf den Busch zu klopfen, bekommt eine glatte Abfuhr: Man betreue das Unternehmen und nicht mehr den Manager.

Dann stehen die Betroffenen alleine da und können weder von ihrem Unternehmen noch vom Makler Unterstützung erwarten.

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Verzögerungstaktik der D&O-Versicherer

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Kommt keine solche Deckungsablehnung, ist die Strategie der D&O-Versicherer eine andere: Dann lässt er nichts unversucht, um später die Schadensregulierung zu verweigern. Die Methode: Er verlangt immer neue Auskünfte, schickt umfangreiche Fragenkataloge .und fordert den Manager auf, alle möglichen Unterlagen zu liefern. Was zunächst berechtigt ist, stellt sich – je länger der Prozess dauert – oft als reine Verzögerungstaktik des Versicherers dar.

Sicher müssen die Betroffenen beispielsweise ihre Geschäftsführungs- oder Vorstandsverträge, die Geschäftsordnung, einschlägige Satzungen oder Protokolle vorlegen. Aber nicht Lebenslauf, Uniabschlüsse oder Fortbildungstestate oder alle möglichen Mails und Briefe wie etwa den gesamten Schriftverkehr mit Aufsichtsrat, Wirtschaftsprüfern, Beteiligungsgesellschaften undsoweiter, die in keinem Zusammenhang mit der vermeintlichen Pflichtverletzung stehen. Das kann Monate so gehen, ohne dass die Sache sich auch nur einen Zentimeter bewegt.

Verhalten sich die Top-Manager renitent, müssen sie damit rechnen, dass man ihre Sache einfach liegen lässt – und sie in ständiger Unsicherheit bis hin zur Privatinsolvenz leben.

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Verzögerungstaktik: Vergleichsverhandlungen nur zum Schein

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Eine weiteres Taktik, um die Sache in die Länge zu ziehen, ist die – vordergründige – Aufnahme von Vergleichsverhandlungen. Dann gibt der D&O-Versicherer vor, dass er sich einen Vergleich vorstellen kann – doch er wird dabei nie konkret. Dadurch schöpft der Betroffene neue Hoffnung und ist bereit, weiter zu verhandeln und zuzuwarten. Im Zuge dieser Verhandlungen stellt sich dann aber heraus, dass der D&O-Versicherer sich gar nicht einigen will, sondern nur weiter nach Argumenten sucht, die Deckung zu verweigern. Dann zieht sich die D&O-Versicherung typischerweise darauf zurück, dass sie erst dann zahlen muss, wenn ein gerichtliches Urteil das feststellt. Bis dahin können Jahre vergehen, ohne dass der Manager Klarheit hat, ob und wie die D&O-Versicherung einspringt.

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Das Damoklesschwert wirkt als Berufsverbot

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Das größte Problem bei dieser Verzögerungstaktik zeigt sich an ganz anderer Stelle: Kaum ein Unternehmen stellt einen Manager ein, gegen den noch ein Schadensersatzprozess wegen einer Pflichtverletzung als Manager läuft. Das bedeutet, dass jeder Monat ohne die Schadensregulierung der D&O-Versicherung tatsächlich wie ein Berufsverbot wirkt.

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Drama 2. Teil: Deckungsprozess

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Hat dann ein Gericht die Zahlungspflicht der D&O-Versicherung einmal festgestellt, könnte man als betroffener Top-Manager meinen, die Sache sei endlich ausgestanden. Und dass die Assekuranz zahlt. Stattdessen kommt die nächste große Überraschung. Der D&O-Versicherer meldet sich zu Wort und versteift sich jetzt darauf, dass kein Versicherungsschutz besteht. Seine Wunderwaffen: Er beruft sich auf die Klausel, dass Vorsatz ausgeschlossen ist oder schiebt vermeintliche Obliegenheitsverletzungen vor. Zur Begründung zieht der D&O-Versicherer eigene Äußerungen des Betroffenen, Zeugenaussagen oder sonstige Unterlagen zum Beispiel aus dem Haftungsprozess heran. Diese Aussagen oder Unterlagen würden angeblich beweisen, dass der betroffene Unternehmenslenker bewusst gegen seine Pflichten verstoßen und oder gelogen habe.

Näher betrachtet sind die Vorwürfe oft nicht stichfest und nur dazu gedacht, dem Versicherer ein gute Ausgangsposition für spätere Verhandlungen oder einen möglichen Vergleich zu geben. Was für den Versicherer Geschäftspraxis ist, hat für die Betroffenen gravierende Konsequenzen. Liegt ein rechtskräftiges Urteil vor, müssen sie Vollstreckungsmaßnahmen in ihr gesamtes Privatvermögen hinnehmen – ohne dass der D&O Versicherer zahlt.

Parallel dazu muss der Manager oft einen langwierigen und teuren Deckungsprozess gegen den D&O Versicherer führen – was etliche nicht mehr können, weil ihnen dafür das Geld fehlt.

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Was können Manager tun?

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Zunächst müssen sie sich klar machen, dass die D&O-Versicherung keine standardisierte Kfz-Versicherung ist, sondern mit ihren juristischen Verästelungen und Fallstricken jeden Laien überfordert. Manager sollten vorsichtshalber selbst die D&O-Police ihrer Company von spezialisierten Rechtsanwälten prüfen zu lassen. Und zwar gleich. Im Schadensfall ist es zu spät dazu.

Deckungsbausteine wie die Übernahme von Kautionen, Fortzahlung von Gehältern, Übernahme der Kosten eines Strafverteidigers, Abwehrkostenzusatzlimit, PR-Kosten undsoweiter sind Ablenkungsmanöver. Wichtiger ist Deckungsbausteine rauszupicken, die dem Versicherer im Schadensfall Tür und Tor öffnen, die Regulierung zu erschweren oder gar zu versagen. Zum Beispiel durch einen sehr eng gefassten Vorsatzausschluss, die freie Wahl von Rechtsanwälten und Übernahme derer Honorare, begrenzte Anzeigepflichten (Gefahrerhöhungen benennen), lange Nachhaftungszeiten (sechs bis zehn Jahre), breite Definition des Versicherungsfalls,  breite Übernahme vorbeugender Rechtskosten, Anfechtungs- und Zurechnungsverzicht, Kündigungsverzicht im Schaden sowie eine Kontinuitätsgarantie.

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Lieber gleich Profis ranlassen

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Top-Manager sollten darauf achten, dass von vornherein nur auf Augenhöhe verhandelt wird: Im Schadensfall sollte er schon ab der Schadensmeldung spezialisierte Rechtsanwälte aufmarschieren lassen. Erklärungen aus Höflichkeit oder in dem Irrglauben an eine freundliche Regulierung gegenüber dem D&O-Versicherer sind tabu.

Strenge Sachlichkeit ist Trumpf, und dem Versicherer dürfen nur die Informationen geliefert werden, die tatsächlich zur Aufklärung des Sachverhaltes dienen. Dazu gehört: Kurze Fristen setzen,  keine Schleifen ziehen, wo keine schnelle und zielführende Regulierung des Versicherers in Aussicht steht. Vergleichsverhandlungen haben nur dort Sinn, wo anhand einer soliden Aktenlage auch für den Versicherer klar ist, dass er haftet und die Deckung besteht. Ein oberflächliches Abtasten der Sach- und Rechtslage führt nur dazu, dass viel Zeit verloren geht und die betroffenen Manager jahrelang in der Ungewissheit leben, ob die Versicherung einspringt – oder ob sie ihre persönliche Habe verlieren werden.

Diese Zeit ist so zermürbend, dass manche starke Manager darüber schwer krank werden.

Dabei haben die Einwände der Versicherer – insbesondere der Vorsatzausschluss – oft nicht die Durchschlagskraft, wie es sich in der Deckungsablehnung anhört. Der Versicherer ist es, der beweisen muss, dass der Manager vorsätzlich gehandelt hat. Je nach Ausgestaltung der Vorsatzklausel ist dieser Beweis oft schwer.

Fazit:

Die D&O-Versicherung ist für Vorstände, Aufsichtsräte und Geschäftsführer die einzige Möglichkeit, ihr persönliches Vermögen zu schützen vor Schadenersatzforderungen Dritter (beispielsweise Insolvenz) oder des Unternehmen.

Da es nicht auszuschließen ist, dass der D&O Versicherer erst nach erfolgreichem Deckungsprozess zahlt, empfiehlt es sich hierfür eine separate D&O-Vertrags-Rechtsschutz-Versicherung. Nur so kann der betroffene Unternehmensleiter sicher sein, dass  – egal wie lange der Prozess dauert und wie er ausgeht – seine Anwaltskosten vom Versicherer bezahlt werden.

 

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Alle Kommentare [9]

  1. Auch wenn die Risiken von Unternehmensleitern recht gut dargestellt werden, hat der Artikel doch eher Stammtischniveau, wenn mal so eben pauschal alle D&O Versicherer, vermutlich wegen eines subjektiv betrachteten Einzelfalls, über einen Kamm gescheert und gemeinschaftlich schlecht gemacht werden.
    (Hier gekürzt um eine Beleidigung in gleich drei Richtungen)
    MfG

  2. Solche praxisnahen Schilderungen sind äußerst wichtig und gut.

    Auch wenn Einzelfälle nicht für die Summe aller Leistungsabwicklungen herangezogen werden können, müssen wir Versicherungsmakler erkennen, dass eine Zusammenarbeit mit Fachanwälten nur Vorteile bringt.

    1. Verstehen wir die Versicherungsprodukte besser und beraten praxisorientiert
    2. Können wir dem Kunden im Schadensfall umfassend zur Seite stehen
    3. Sollten wir auch vor einer schnellen Deckungsklage nicht zurückschrecken

    Das ist unsere Aufgabe als Versicherungsmakler und keine andere.

    In diese Sinne Danke

  3. Vielen Dank für den aufschlussreichen Artikel. Viele der Punkte kann ich nur unterstreichen – hier ist die enge & partnerschaftliche Zusammenarbeit von Rechtsanwälten und Versicherungsexperten Grundvoraussetzung, um für den Kunden die beste Lösung zu erarbeiten. Ergänzend hier noch der Hinweis, dass auch die besondere Konstellation zwischen kontrollierendem Organ (z.B. Aufsichtsrat oder Verwaltungsrat) und operativem Organ sich in dem D&O-Konzept wiederfinden sollte. Hierzu hatte Hr. Dr. Fassbach einen interessanten Artikel geschrieben und veröffentlicht: https://aufsichtsrat-absicherung.de/do_versicherung_in_der_aufsichtsratspraxis/

  4. Genau so etwas hat ein Freund von mir mit „seiner“ D&O-Versicherung DUAL erlebt. Er ist auf diese Praktiken hereingefallen. Dieser Vermerk ist das erste Mal geschrieben.

  5. Wenn man diese Berichte – insbesondere das Beispiel mit der DUAL Deutschland GmbH – liest fragt man sich, ob die wirklich generell so läuft. Gibt es kein Kundenportal, in dem die Erfahrungen mit solchen Versicherungen dokumentiert werden?

  6. Was soll man als mittelständischer Geschäftsführer noch tun, als sich zu informieren, nach bestem Gewissen zu handeln und eben eine Managerversicherung abzuschließen, um dann letztlich von einem Versicherer so behandelt zu werden?

    Ich habe zwar jetzt gute Erfahrung bei einem Online Makler (https://directors-and-officers-versicherung.com/) gemacht – bin mir aber nach Lesen des Artikels unsicher, ob mich der Online Makler ausreichend vor solchen Praktiken der Versicherer schützen kann. (David gegen Goliath). Ich hoffe, ich werde es nie rausfinden. Für mich eine Bankrotterklärung für eine ganze Branche. Vielen Dank für den hochwertigen Artikel – ich werde diesen gleich meinem D&O Makler zwecks Feedback zusenden