Mobbing: Unternehmen haften für ihre Führungskräfte – und das länger als bisher. Gastbeitrag von Cornelia Marquardt

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Arbeitgebern droht stärkere Haftung für Mobbingfälle

Gastbeitrag von Cornelia Marquardt, Arbeitsrechtlerin bei Norton Rose Fulbright

 

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat – relativ unbemerkt von der Öffentlichkeit – die Position von Mobbing-Opfern gestärkt (Aktenzeichen 8 AZR280/12):

1. Mobbing-Opfer können von ihrem Ex-Arbeitgeber Schmerzensgeld oder auch Entschädigung für längere Arbeitsunfähigkeit auch dann noch verlangen, wenn die arbeitsvertraglichen Ausschlussfristen vorbei sind. Und zwar insbesondere dann, wenn sie von ihrem Vorgesetzten schikaniert wurden. Unternehmen müssen also länger als bisher mit Schadenersatzprozessen rechnen. http://beck-aktuell.beck.de/news/bag-vertragliche-verfallklausel-f-r-anspr-che-aus-arbeitsverh-ltnis-gilt-nicht-f-r

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„Doof, blöd und unfähig“

Im konkreten Fall hatte die Mitarbeiterin einer Tankstelle ihre“ Arbeitgeberin, die Pächterin auf mindestens 5000 Euro Schmerzensgeld verklagt, weil sie über längere Zeit von ihrem Chef gemobbt worden sei: Er habe sie beispielsweise fast täglich als „doof“, „blöd“ oder „unfähig“ beschimpft. Er habe sie Arbeiten verrichten lassen, die nicht in ihrem Arbeitsvertrag standen und er habe ihr bewusst wahrheitswidrig unterstellt, Überstunden zu Unrecht abgerechnet zu haben.

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Unternehmen haften für ihre Führungskräfte

2. Doch vor allem haben nach diesem BAG-Urteil Arbeitgeber höhere Haftungsrisiken als bisher, so dass Unternehmen Mobbingvorwürfe unbedingt ernst nehmen sollten. Arbeitgeber haften zwar nicht nur für sein eigene Mobbing-Handlungen, sondern auch die von Mitarbeitern, also Führungskräften wie Kollegen.

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Das systematische Schikanieren ist entscheidend

Immer vorausgesetzt, es liegt tatsächlich ein Mobben vor, wie es die Arbeitsgerichte definieren: Also ein systematisches Anfeinden, Schikanieren und Diskriminieren von Arbeitnehmern durch Vorgesetzte oder Kollegen. Ein einmaliges Fehlverhalten genügt nicht. Mobbing ist noch lange nicht jede, alltägliche Konfliktsituation und Auseinandersetzung im Job. Nicht jeder schlechte Kollegen-Witz und nicht jede Anweisung vom Chef, die ein Mitarbeiter unfair findet, ist gleich Mobbing. In einem  Prozess muss der betroffene Mitarbeiter zudem die einzelnen Mobbingsituationen sehr konkret vortragen und beweisen können.

Nach diesem Urteil haben Arbeitgeber ein höheres Haftungsrisiko als bisher, so dass Unternehmen Mobbingvorwürfe von Mitarbeitern unbedingt ernst nehmen sollten.

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Folgen für den Unternehmensalltag

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Erhebt jemand Mobbingvorwürfe, sollten Unternehmen sie in jedem Fall ernst nehmen und zur Wahrung des Betriebsfriedens beziehungsweise zur Vermeidung negativer Auswirkungen auf die Leistung der Mitarbeiter Maßnahmen treffen, um Mobbing zu unterbinden. Gespräche mit den Betroffenen – womöglich samt dem Betriebsrat – sind dabei ein erster Schritt zur Aufklärung der Situation. Stellt sich heraus, dass ein Mitarbeiter tatsächlich gemobbt wird, muss der Arbeitgeber sofort reagieren, weil er Fürsorge- und Schutzpflichten hat. Gegebenenfalls muss er den Verursacher abmahnen, um- beziehungsweise versetzen und in Extremfällen sogar kündigen.

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Massnahmen für mobbingfreie Zonen

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Damit Mobbing schon im Keim erstickt wird, sind klare Arbeitsorganisationen, gute Informations- und Kommunikationspolitik sowie Schulungen zur Mitarbeiterführung hilfreich.Wichtig ist, allen Führungskräften und Mitarbeitern deutlich zu vermitteln, dass das Unternehmen als Arbeitgeber Mobbing nicht duldet und aktiv eine diskriminierungsfreie Arbeitsumgebung propagiert und unterstützt. Das Ziel ist eine angstfreie Kultur, in der Mitarbeiter rechtzeitig Hilfe und Unterstützung suchen, bevor sich eine nachhaltige Mobbingsituation aufbaut.

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Den Fall des Tankstellenpächters verwies das Bundesarbeitsgericht zwar an das Landesarbeitsgericht als untere Instanz zurück, um noch offene Fakten zu klären. Doch seine Ausführungen in dieser Entscheidung sind richtungsweisend.

http://beck-aktuell.beck.de/news/bag-vertragliche-verfallklausel-f-r-anspr-che-aus-arbeitsverh-ltnis-gilt-nicht-f-r

Cornelia Marquardt ist Partnerin und Leiterin des Standorts München:  http://www.nortonrosefulbright.com/people/50543/cornelia-marquardt 

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