Du wirbst meine Leute nicht ab und ich Deine dafür auch nicht – Interview mit Stefan Kursawe zu einem heiklen Thema

Die Chefs von Apple, Google und Intel wurden in den Vereinigten Staaten zu Jahresbeginn von der kalifornischen Richterin Lucy Koh zu Anhörungen vorgeladen, im November soll ein Gerichtsverfahren beginnne. Bereits 2011 war eine Klage eingereicht worden, dass die Technologieunternehmen der Karriere und den Gehaltsperspektiven ihrer Mitarbeiter geschadet zu haben. http://www.google.com/hostednews/afp/article/ALeqM5j8_nG5VWymwr7-Cklyg9vZNfwvpQ?docId=TX-PAR-JVP09

Arbeitsrechtler Stefan Kursawe, Partner der Kanzlei Heisse Kursaw Eversheds   steht im Managemen-Blog Rede und Antwort zu einem heiklen Thema, das auch hierzulande existiert – und über das manch anderer Branchenkollege nicht zu sprechen wagt.

 

Stefan Kursawe

Stefan Kursawe

Herr Kursawe, in den USA verabredeten die Chefs von Google, Apple und Intel, sich gegenseitig keine Mitarbeiter abzuwerben – um deren Löhne niedrig zu halten. Erfahren haben die von der Geheimabrede erst mal nichts. So etwas ist doch auch hier denkbar, oder?

 

Kursawe: Die Bildung eines Fachkräfte-Nachfragekartells ist auch in Deutschland nicht zulässig. Der Verzicht darauf, Leistungsträger von Konkurrenten abzuheuern, dämpft den Wettbewerb um Kunden und Innovationen. Der Verbraucher hat das Nachsehen, wenn sich Unternehmen nicht mehr gegenseitig überbieten müssen, sondern sich bequem im status quo arrangieren.

 

 …und wie könnten das Arbeitsgerichtes sehen?

 

Kursawe: Auch arbeitsrechtlich bestehen Bedenken. Es handelt sich dann nämlich um ein faktisches nachvertragliches Wettbewerbsverbot, dem Arbeitnehmer wird aber die ihm zustehende Entschädigung vorenthalten. Das ist illegal.

Im Endeffekt liefe es darauf hinaus, die Löhne in einer bestimmten Branche künstlich einzufrieren, was sittenwidrig ist. Sollte sich aber im Endeffekt eines der beteiligten Unternehmen nicht an die – illegale – Absprache halten, kann es von den Konkurrenten nicht zur Einhaltung des Kartells gezwungen werden. Wer also das Kartell durchbricht, kehrt wieder in die Legalität zurück.

 

Kennen Sie solche Absprachen aus Ihrer Praxis? 

 

Kursawe: Abwerbeverbote kommen in der Praxis durchaus vor, meist in Nischenbranchen wie vielleicht der  Photonik oder wenn es nur wenige, genau für diese Tätigkeit geschulte Mitarbeiter gibt wie etwa bei der Bewachung kerntechnischer Anlagen.

Anstellungsverbote – also ein Verbot gegen ein Unternehmen, einen Mitarbeiter einzustellen, weil er vorher bei der Konkurrenz war – sind dagegen eher selten und ein akademisches Problem.

 

Wann ist eine Abwerbeabsprache denn wettbewerbsrechtlich bedenklich? 

 

Kursawe: Eine Vereinbarung hat immer dann eine wettbewerbsrechtliche Komponente, wenn der Wettbewerb um bessere Produkte oder um den besseren Preis eingeschränkt wird. Bisher hat das Bundeskartellamt oder ein Gericht aber noch nie über ein Abwerbeverbot als Kartell geurteilt. Der Bundesgerichtshof hat 1972 in einer Entscheidung einmal ausdrücklich offen gelassen, ob ein vereinbartes Abwerbeverbot ein rechtswidriges Kartell darstellt.

Ich sehe ein konzertiertes Abwerbeverbot aber durchaus in der Nähe zum  Kartell.

 

Würden Sie sagen, angesichts des Fachkräftemangels, könnten solche Absprachen aus vermeintlichen Fairnessgründen der Unternehmer untereinander in Zukunft vermehrt vorkommen?

 

Kursawe: Bei besonders spezialisierten Tätigkeiten ist das möglich, gerade wenn es etwa nur ein paar Unternehmen in einer Branche gibt. Man trifft sich als Unternehmer und stimmt sich dann vielleicht über die Personalsituation ab. Das bedeutet auch, dass Abwerbekartelle nicht in Start-up-Branchen vorkommen, sondern eher zwischen eingesessenen, vernetzten und sehr spezialisierten  Marktteilnehmern.

 

Dagegen sind echte Sperrabreden oder Anstellungsverbote, also Vereinbarungen, dass Mitarbeiter von Wettbewerbern überhaupt nicht angestellt werden dürfen, zum einen zweifellos rechtswidrig und zum anderen auch für alle Beteiligten nur schädlich. Es wäre auch nicht durchsetzbar. Der Arbeitskräftemarkt ist ohnehin schwer beherrschbar.

 

Könnten Mitarbeiter, die aber unbedingt zum Wettbewerber wechseln möchten und zufällig von solch einer Geheimabrede erfahren, gegen eine solche Absprache klagen?

 

Kursawe: Ja, die Anspruchsgrundlage ist dann Paragraf  826 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Die Klage kann auf Einstellung dieser Praxis lauten oder aber auf Schadensersatz. Bei der Höhe könnte man sich – das ist aber noch nicht entschieden – am AGG (dem Antidiskriminierungsgesetz) orientieren.

Aber zur Klarstellung: Wird ein Mitarbeiter vom Wettberber angesprochen, also abgeworben, dann geht der Wettbewerber das Risiko wohl ein, gegen das Abwerbeverbot zu verstoßen – sonst hätte er ihn nicht abgeworben.

 

Die andere Konstellation, dass ein Mitarbeiter sich beim Wettbewerber bewirbt, aber nicht genommen wird, weil Arbeitnehmer von Konkurrenten grundsätzlich nicht genommen werden, ist ja kein Abwerbeverbot, sondern eine Sperrabrede oder ein Anstellungsverbot.

 

…was im Endeffekt für den Arbeitnehmer, dessen Karriere so ausgebremst wird, dasselbe ist. Wenn also ein Unternehmen sagt, wir steigen aus, halten uns also nicht mehr an die Absprache, gibt es dann tatsächlich keine rechtliche Handhabe der anderen Kartellmitglieder dagegen?

 

Kursawe: Richtig. Ein Kartell ist eine rechtswidrige Absprache, auf dessen Einhaltung man nicht klagen kann. Wenn ich mit meinen Freunden vereinbare, eine bestimmte Kneipe wegen des Bierpreises zu boykottieren, ich aber dennoch dort ein Bier bestelle, kann ich deswegen nicht verklagt werden. Ich verliere dann halt vielleicht meine Freunde.

 

Im Übrigen gibt es hierzu mit Pragraf 75f Handelsgesetzbuch noch eine Sonderregelung, die die Klage gegen andere Kartellmitglieder bei Arbeitnehmerkartellen ausschließt. Auch Strafversprechen sind ungültig, wenn jemand gegen die Absprache verstößt.

 

Stefan Kursawe: http://www.heisse-kursawe.com/de/anwaelte/alphabet.php?p_id=21&ac=a.show&anwalt=3

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