Bloß kein Bildschirmschoner mit Pin-up-Girls

Im Douglas-Werbeeinsatz auf der Düsseldorfer Königsallee: Klare Ansage „Nicht anfassen“

 

„Die wenigsten deutschen Unternehmen haben eine Policy, die ausdrücklich regelt, was sexuelle Belästigungen sind und wie man damit umzugehen hat“, berichtet Arbeitsrechtler Boris Dzida, Partner der internationalen Sozietät Freshfields. Zwar gab es einen Hype um das Anti-Diskriminierungs-Gesetz vor gut sieben Jahren, das solche Übergriffe eigentlich unterbinden soll, aber an das Thema haben sich die wenigsten Personalabteilungen drangetraut – auch wenn sich Dzida sicher ist, dass „funktionierende Personalabteilungen Entgleisungen in der Belegschaft sehr wohl faktisch  unterbinden.

Kein barbusiges Pin-Up-Girl auf dem Bildschirmschoner oder dem Schreibtisch

Doch wer weiß schon, dass es definitiv unzulässig ist, im Großraumbüro ein Magazin mit einem barbusigen Playmate auf dem Titelbild auf dem Schreibtisch zu deponieren oder einen derartigen Bildschirmschoner auf seinem PC laufen zu lassen. „In britischen oder US-Unternehmen und deren Konzerntöchter in Deutschland gäbe es da kein Vertun, die haben in den allermeisten Fällen solche Firmen-Policys.“

 

Boris Dzida, Partner und Arbeitsrechtler bei Freshfields

Wal-Mart wurde einst eine Firmen-Policy hierzulande untersagtUnd damit setzte sich der amerikanische Handelskonzern Wal-Mart – in bester Absicht – 2005 in Deutschland ordentlich in die Nesseln: Wie in den USA üblich hatte Wal-Mart einen weltweit gültigen 28-seitigen Verhaltenskodex erarbeitet. Danach musste, wenn ein Vorgesetzter mit einem Mitarbeiter eine Beziehung hat, einer der beiden in eine andere Abteilung versetzt werden.

 

Doch durch diese Regelung machte das Landesarbeitsgericht Düsseldorf einen Strich: Interne Regelungen über Liebesbeziehungen zwischen ihren Mitarbeitern dürfe hier kein Arbeitgeber erlassen, befanden die Richter. Denn solche Einschränkungen verstießen gegen die in der Verfassung garantierte Menschenwürde und das Persönlichkeitsrecht – und sind deshalb unwirksam. Das, obwohl das Unternehmen damals versicherte, dass diese Maßnahme nur „die Mitarbeiter gezielt gegen eine Einflussnahme, Korruption oder sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz schützen“ sollte.

 

US-Unternehmen haben Firmen-Policys

„Alle großen US-Unternehmen haben solche Codes of Conduct – Anti Sexual Harrassment – und auch deutsche Unternehmen mit amerikanischer Marktpräsenz,“ sagt Arbeitsrechtler Jan Tibor Lelley von der Großkanzlei Buse Heberer Fromm. „Nach deren Kriterien wäre auch ein Brüderle-Fall ein klarer Verstoß.“ Solche Richtlinien gehen viel weiter als das deutsche Arbeitsrecht und verbieten anzügliche Witze sowie Bemerkungen mit zweideutigem Inhalt. Lelley weiß: US-Unternehmen sind so streng, dass schon eine verbale Attacke zur Kündigung führen kann. Sobald aber ein Kollege oder gar Chef tätlich wird, steht immer die Kündigung an – hüben wie drüben.

 

Anfassen und Herandrängeln geht gar nicht

Arbeitsrechtler Jobst-Hubertus Bauer von Gleiss Lutz berichtet, dass „auch der einmaliger Klaps auf den Po“ eine sexuelle Belästigung ist, wie schon das Landesarbeitsgericht Köln urteilte. Dasselbe gilt, „wenn ein Vorgesetzter am Arbeitsplatz die allgemein übliche minimale körperliche Distanz zu einer Mitarbeiterin regelmäßig nicht wahrt, sondern sie gezielt unnötig und wiederholt anfasst beziehungsweise berührt oder gar sich mit seinem Körper an die Mitarbeiterin herandrängelt“. Auch dieser Fall landete schon vor einem Landesarbeitsgericht, und zwar in Schleswig-Holstein.

 

Die Würde ist die juristische Trennlinie

Lelley: „Schwieriger wird es bei witzigen Bemerkungen im Job, da sind die Grenzen fließend“. Vor allem die Frage, wann ein Spruch nicht nur witzig, sondern eben sexuellen Inhalts ist. Die juristische Trennlinie läuft dort, wo die Würde von Beschäftigten verletzt wird. Und dann muss man den Einzelfall ansehen, um zu bestimmen, ob es noch erlaubt oder schon verboten ist. Fragt etwa ein Mitarbeiter seine Kollegin „Welche Stellung bevorzugen denn Sie eigentlich?“, so ordneten die Landesarbeitsrichter aus Rheinland-Pfalz den Satz klar den unzulässigen Zoten zu.

 

Jan-Tibor Lelley, Arbeitsrechtler und Partner bei Buse Heberer Framm

Belästigte Arbeitnehmer können Entschädigung nach dem AGG verlangen

Die Folgen solcher losen Bemerkungen sind Abmahnung, Kündigung oder gar fristlose Kündigung – je nach Lage des Falles. Doch nicht nur das, eine so belästigte Arbeitnehmerin kann auch von ihrem Unternehmen Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verlangen, warnt Jobst-Hubertus Bauer. Amerikanische Dimensionen bauchen deutsche Unternehmen jedoch noch nicht befürchten: Ausgerechnet die Anwaltskanzlei Baker & McKenzie wurde in den Vereinigten Staaten schon vor 18 Jahren zu 6,9 Millionen Dollar Schadenersatz für eine Sekretärin verurteilt, die mehrfach von einem Steuerpartnersexuell belästigt worden war – und die Law Firm nicht dagegen eingeschritten war.

Jobst-Hubertus Bauer weiß von mittleren und größeren Firmen, bei denen durchaus ein Bewusstsein dafür existiere, dass sexuelle Belästigungen am Arbeitsplatz keine Kavaliersdelikte mehr sind und dass viele seriöse Unternehmen eine Null-Toleranz-Politik pflegen.

Jobst-Hubertus Bauer

Im Übrigen sind – so Bauer – aber auch außerhalb der Firma sexuelle Belästigungen unzulässig. Wer so die Würde einer Frau verletzt, muss ebenfalls Schadenersatzklagen beim Zivilgericht befürchten – und im Wiederholungsfall Unterlassungsklagen.

 

Keine Vier-Augen-Gespräche mehr mit Vorgesetzten

Managern – und auch verstärkt Managerinnen – empfehlen Anwälte inzwischen: Keine Vier-Augen-Gespräche mit Arbeitnehmern, die nicht absolut zuverlässig sind. Besser ist es, immer einen Zeugen dazu zu ziehen. Jede Art von Vertraulichkeiten sind ein No-Go. Etliche Vorgesetzte verfolgen deshalb eine Open-Door-Policy, lassen immer ihre Türe offen und setzen auf totale Transparenz. Andernfalls können sie auch mal selbst in eine Falle tappen.

Besondere Vorsicht gelte in den USA, warnt Arbeitsrechtler Dzida von Freshfields: „Das wiederholte Anfassen des Unterarms in Gesprächssituationen kann Manager den Job und das Unternehmen Millionen kosten.“

Dort vermeiden es deshalb auch Männer, alleine mit einer Frau in einen Aufzug zu steigen – was sich auch Top-Manager in deutschen Banken bereits angewöhnt haben.

Tabu sind aber auch hierzulande „lockere Freizeitveranstaltungen im Kollegenkreis“, rät Dzida. „Schließlich riskieren Manager, die ein loses Mundwerk haben und dafür bekannt sind, ihre Karriere – insbesondere, wenn sie ohnehin schon auf der Abschussliste ihres Arbeitgebers stehen“, warnt Dzida – der so eine Falle allerdings selbst noch nicht erlebt hat. Doch auch die Methode, in die Spesenabrechnungen zu gehen, wenn man einen Manager mit möglichst wenig Abfindung schassen will, war auch nicht immer so Gang und Gäbe wie heute.

 

Konsequenz für Manager: Aufhebungsvertrag

Wie Unternehmen reagieren, wenn ihre Führungskraft sich derart daneben benimmt und seine Finger nicht bei sich behalten kann? Meist präsentiert die Firma dem Manager einen Aufhebungsvertrag, ohne Abfindung, aber mit einer Frist nur bis zum nächsten Monatsende – selbst wenn der Vertrag eigentlich noch Jahre läuft, beobachtet Dzida.

Bei verbalen Belästigungen sind die Betroffenen zwar meist zunächst uneinsichtig – bis die Firma ihm glaubhaft versichert, dass sie für seine Kündigung durch alle Instanzen gehen wird. Manchmal kommt sie ihm dann noch im Aufhebungsvertrag mit einer halbjährigen Kündigungsfrist entgegen.

Hat ein Fall allerdings US-Bezug, läuten in der Firma alle Alarmglocken, sagt Dzida. Drohen doch extrem hohe Schadenersatzforderungen – gegen die sich amerikanische Firmen eben in Codes of Conduct beziehungsweise Ethikrichtlinien mit einem „Flirtverbot am Arbeitsplatz“ schützen.

 

Ultima Ratio: Leistungsverweigerungsrecht für belästigte Mitarbeiter

Betroffene können sich übrigens nicht nur mit einer Beschwerde oder dem Gang zum Betriebsrat wehren, sondern haben – wenn der Arbeitgeber nichts tut, um die Belästigungen zu unterbinden – ein Leistungsverweigerungsrecht: sie brauchen dann nicht zur Arbeit zu kommen und erhalten dennoch ihren Lohn. Dzida: „Doch so eine Aktion ist ohne anwaltlichen Rat heikel und kann, wenn die Leistungsverweigerung unberechtigt war, zur Kündigung führen.“

 

 

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