Ex-HP-Chef Jörg Menno Harms über Verbaldynamik und Verhaltensstarre

Jörg Menno Harms, Ex-Chef von Hewlett-Packard Deutschland

 

Jörg Menno Harms hat ein Buch herausgegeben mit dem beziehungsreichen Titel „Führungspersepktiven“ herausgegeben (Haufe Verlag http://shop.haufe.de/product?ma=E01350 ).  Dazu haben 50 Größen aus Wirtschaft und Politik jeweils ein Kapitel beigesteuert.

Harms war in seiner aktiven Zeit als Deutschland-Chef von Hewlett-Packard ein Ausnahme-Manager: Er zog tatsächlich mit seinem Schreibtisch laufend durchs Unternehmen, sass mal mitten drin im Controlling oder mal im Marketing. Mit allen Mitarbeitern war er per `Du´und hatte wohl tatsächlich keinen Wassergraben mehr zwischen sich und der Belegschaft. Wie schwer er zu ersetzen war, zeigt die Tatsache, dass er von seinem Altenteil sogar nochmal zurück geholt wurde in seine alte Funktion – es ging einfach nicht ohne ihn. Das war schmeichelhaft für Harms, seiner Ehefrau gefiels nicht ganz so.

Im Folgenden das Kapitel aus dem Führungsbuch, das aus Harms Feder stammt:

 

Das mutige Handeln an sich und das Fördern von Wachstum

Führung braucht Mut und den Willen, Wachstum zu fördern. Um einen Schritt in die Zukunft zu gehen, gibt es in Unternehmen Führungsinstrumente wie strategische Planung, Machbarkeitsstudien, Risikomanagement oder Controlling, mit denen das unternehmerische Handeln absichert werden kann. Doch es geht um weit mehr als Instrumente zur Absicherung: Es geht um das mutige Handeln an sich und um das Fördern von Wachstum. Wirtschaftliches Wachstum wird heute von großen Teilen unserer Gesellschaft als legitimes Ziel infrage gestellt. Das absehbare Ende irdischer Ressourcen steht dabei im Mittelpunkt der Kritik. Verantwortliche und zukunftsfähige Führung erfordert daher Antworten und neue Lösungen, denn im »age of less« steht einem materiellen Weniger ein Mehr an Wissen, Erfahrungen und Inhalten gegenüber.

Auf diese Wirkungszusammenhänge muss die Öffentlichkeit deutlicher hingewiesen werden. Eine entsprechende Wissensvermittlung wird zur Führungsaufgabe. Karl-Heinz Paqué, Mitglied der Bundestags- Enquetekommission »Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität« („Das Wesen des Wachstums“, „FAZ“ 13.10.2011), meinte deshalb: Die Wachstumskritik schießt »ihre Pfeile vor allem auf eine bestimmte Art von Wachstum, nämlich das ›quantitative‹ Wachstum, also auf jene Nutzung von neuem Wissen, die nur dazu führt, dass immer mehr vom Gleichen produziert wird. Gerade diese Art von Wachstum gehört aber in hoch entwickelten Industrienationen längst der Vergangenheit an. Denn hier besteht der Großteil der Zunahme der Wertschöpfung aus Verbesserungen der Qualität und Vielfalt der Güterwelt bis hin zur Entwicklung ganz neuer Produkte.«

Den Unternehmen muss heute immer schneller Neues einfallen; dies gilt ganz besonders im Hinblick auf Kundenlösungen und Produktivität. Solange sie dabei den Regeln eines offenen Wettbewerbs folgen, werden auch die knappen Ressourcen wirtschaftlich richtig genutzt, denn Angebot und Nachfrage von knappen Wirtschaftsgütern bestimmen den Preis am Markt.

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Je freiheitlicher und risikofreudiger, umso besser die Erfolgsaussichten

Alles Neue beginnt meist mit einer wachsenden Unzufriedenheit über den Status quo und mit einer Suche nach dem Besseren, auf allen Gebieten. Wettbewerb ist dabei eine mächtige Triebfeder. Neues entsteht aber auch dann, wenn das Geld knapp wird und wenn – um die Not abzuwenden – Veränderungen notwendig werden. Und je freiheitlicher und risikofreudiger es bei dieser Erneuerung zugeht, umso besser sind dann die Erfolgsaussichten. Länder und Unternehmen, die sich dieser Einstellung konsequent hingeben, sind heute auf den Spitzenplätzen der Weltwirtschaft anzutreffen.

Die nicht versiegende Erfindungsstärke einfallsreicher Menschen stärkt das Wirtschaftswachstum, erhöht die Produktivität, erzeugt oder sichert die Arbeitsplätze. Aber Spitzenleistungen vergehen schnell. Unternehmen müssen deshalb klare Vorstellungen entwickeln, wie ihre Produkte und Dienstleistungen durch den Einsatz neuer und entwickelter Technologien verbessert werden können, bevor es ihre Wettbewerber tun.

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Vorstellungsvermögen und Kreativität als bedeutende Ressourcen

Neue Technologien werden zukünftig allen weltweit fast zeitgleich zur Verfügung stehen. Was man jedoch aus ihnen machen kann, wird dabei immer wichtiger werden. Fantasie und soziale Vorstellungskraft sind gefordert, um zu sehen, wie Technologien im neuen Kontext nutzbar und einsetzbar sind. Vorstellungsvermögen und Kreativität werden somit zugleich mit fachlichem Wissen unsere strategisch bedeutenden Ressourcen werden.

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Das geht nicht gut: Wenn die Wirtschaft auswandert und das Volk zurückbleibt

Starke Veränderungen in den Organisationen und Betrieben sind oft traumatisch für alle Betroffenen. Aber die Fähigkeit und Bereitschaft, Veränderungen mitzugestalten und auszuhalten, sind heute und morgen entscheidend, vor allem für Führungskräfte. Dazu gehört auch, dass, wo notwendig, Arbeitsplätze hierzulande abgebaut oder ins Ausland ausgelagert werden. Richard von Weizsäckers Zitat, es könne nicht gut gehen, wenn »Volks-Wirtschaft« am Ende bedeute, dass die Wirtschaft auswandere und das Volk zurückbleibe, sollte alle Verantwortlichen zum aktiven Verändern der Gründe veranlassen, die zum Auswandern führen!

Firmenzusammenbrüche oder die Abwanderung ganzer Branchen an günstigere Standorte sind zwar elementarer Teil des Marktprozesses, wenn aber die Politik versucht, in die Kalküle der Unternehmen einzugreifen und notwendige Anpassungen zu verzögern, so kommt es eben irgendwann später zu den notwendigen Korrekturen. Diese sind meist noch teurer und Grund für die inzwischen gesunkene Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen.

Leider wird in Deutschland nicht deutlich genug gesagt, welchen starken Veränderungen unsere Wirtschaft und unser Staat in Zukunft ausgesetzt sein werden. Unklare Furcht vor Veränderungen und Risikoscheu sind die Folge. Auf lange Sicht sind aber nur die Arbeitsplätze sicher, die einen wirklichen Wert für Kunden und Bürger erzeugen oder die Produktivität erhöhen.

Sehr schnell getaktet

Und wir stehen vor neuen Herausforderungen und noch mehr Veränderung. »Wir werden in einer schnell getakteten, sehr individualisierten Gesellschaft leben, die hohe Anforderungen an jeden einzelnen Mitarbeiter, aber insbesondere an Führungskräfte stellt. Da Wachstum im Westen sich nicht mehr automatisch durch eine wachsende Bevölkerung ergibt, wird die Fähigkeit zur Innovation zum zentralen Wettbewerbsfaktor – sowohl was technische, aber auch was ›soziale Innovationen« betrifft.

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Sicherheit im Umgang mit Unsicherheit

Die wachsende Dynamik erzeugt zusätzliche Spannung auf der Ebene der Organisation sowie ganz individuell und persönlich für Manager und Mitarbeiter. In diesem Spannungsfeld zu leben und zu arbeiten, sich in wechselnden Kontexten und Bedingungen immer wieder neu orientieren und flexibel agieren zu können, Sicherheit im Umgang mit Unsicherheit zu erlangen, all dies sind wesentliche Zukunftsskills für die Führungskräfte von morgen.« (Signium International, Zukunftsinstitut (Hg.): Unternehmensführung 2030. Innovatives Management für morgen, Signium International, 2012)

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Verbaldynamik und Verhaltensstarre

Was beim Erneuern stärker gelernt und gelehrt werden sollte, ist das rechtzeitige Anpassen unseres Verhaltens auf veränderte Situationen. Wenn es die neue Situation erfordert, müssen Führungskräfte ihr Verhalten – nicht ihre Ziele – ändern. Wer in neuen Situationen altes Führungsverhalten anwendet, wird seiner Führungsaufgabe nicht gerecht, wird zum »Verwalter« – ein Schicksal, das leider viele, vor allem junge Führungskräfte erleiden. Sie zeigen zwar durch viel Verbaldynamik Verständnis für veränderte Situationen, verfallen aber in eine fatale Verhaltensstarre, weil sie nicht gelernt haben, mit starken Veränderungen umzugehen. Natürlich müssen Veränderungsprozesse aktiv geführt werden, auch gegen Widerstände.

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Vorbild statt Abbild

Dabei muss eine vertrauensvolle Führung die von Veränderungen Betroffenen mitnehmen, um Sicherheit zu geben – und das als Vorbild, nicht als Abbild!

Wachstum und Ressourcen: Beides gehört eng zusammen. Ressourcen sind Rohstoffe, aber auch Produktionsbedingungen wie Klima, soziale Gerechtigkeit oder ganz allgemein das Vertrauen als eine wesentliche Grundlage für unternehmerisches Handeln. Vertrauen entsteht zwischen Menschen, zwischen Management und Mitarbeitern, zwischen Unternehmen und Kunden sowie mit der Öffentlichkeit.

Die grundlegende Anforderung an ein zukunftsfähiges Ressourcenmanagement besteht darin, dessen Folgen langfristig und ganzheitlich zu betrachten. Eine solche Denkweise findet man bei Carl von Carlowitz (1645–1714), der als Erfinder des ökonomischen Prinzips des Nachhaltigkeitsmanagements gilt. Von Carlowitz war ein einflussreicher Berater von August dem Starken in Sachsen, einem der damals wichtigsten Montanreviere Europas. Um die Schmelzhütten zu befeuern, wurden große Mengen Holz benötigt, doch der Raubbau an den Wäldern im Erzgebirge drohte den Holznachschub zu gefährden. 1713 verfasste von Carlowitz das Schlüssel- und Standardwerk“Sylvicultura oeconomica, oder haußwirthliche Nachricht“ und naturmäßige Anweisung zur wilden Baum-Zucht (Carl von Carlowitz: „Sylvicultura oeconomica“, Braun, 1713Darin grenzte er die Schöpfung nicht wie in der späteren Naturschutzromantik vom weltlichen Handeln ab, sondern bezog sie in das Wirtschaften ein, indem er feststellte: »Zwar kann man aus dem Verkauf von Holz in kurzer Zeit ziemlich viel Geld heben. Aber wenn die Wälder erst einmal ruiniert sind, so bleiben auch die Einkünfte daraus auf unendliche Jahre zurück, sodass unter dem scheinbaren Profit ein unendlicher Schaden liegt.«

Der Kardinalfehler, den von Carlowitz schon damals erkannt und vermieden hatte, ist heute noch derselbe: Unternehmerischem Handeln, bei dem Gewinne privatisiert und die Kosten durch Ressourcenverbrauch externalisiert beziehungsweise sozialisiert werden, ist nur kurzfristig Erfolg beschieden. Zukunftsfähiges Wirtschaften sorgt dafür, dass Einsatz und Erhalt von Ressourcen in einem ausgeglichenen Verhältnis stehen.

Damit werden die Herausforderungen an ein zukunftsfähiges Ressourcenmanagement von den Ursachen her und nicht mit Blick auf ihre Wirkung gelöst. Das Ressourcenmanagement steht zuweilen in Widerspruch zu den allgemeinen Entscheidungstheorien der Betriebswirtschaftslehre, bei der rein rationale, ökonomisch begründete Entscheidungen im Vordergrund stehen.

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Weisheit und Erfahrung statt mathematischer Entscheidungsfindung

Aber entspricht das überhaupt den Anforderungen, die an zukunftsfähiges Wirtschaften gestellt werden? Die Ansprüche an eine Führungskraft mit Blick auf ihre Entscheidungsgrundlagen sind nicht trivial. Sie verlangen gerade beim Einsatz von Ressourcen ein Umdenken: weg von einer ausschließlich abstrahierten, mathematischen Entscheidungsfindung hin zu einem Modell, bei dem auch die Erfahrung und die Weisheit einer Führungskraft zählen.

Dass sich diese Betrachtung vielleicht auf eine ganz natürliche Art der Weiterentwicklung durchsetzt, macht die zweite Perspektive des Ressourcenmanagements deutlich: Der Einsatz von Ressourcen unterliegt heute einer kommunikativen sozialen Kontrolle durch Medien und soziale Netzwerke. Es gibt viele Beispiele, welche die Auswirkungen auf das unternehmerische Verhalten deutlich machen. So werden zum Beispiel in der Tourismusbranche Standards für nachhaltigen Tourismus definiert, deren Umsetzung durch Internetplattformen wie Holidaycheck und andere kontrolliert werden.

Eine der wichtigsten Ressourcen unternehmerischen Handelns sind Mitarbeiter, was der Fachbegriff »Human Resource Management« zum Ausdruck bringt. Ein Beispiel für zukunftsfähiges, wirkungsvolles Ressourcenmanagement von Mitarbeitern war die Verlängerung der Kurzarbeitszeit von sechs auf zwölf Monate während der Finanz- und Wirtschaftskrise in 2008. In Verbindung mit zusätzlichen Qualifizierungsangeboten wurde dadurch verhindert, dass Mitarbeiter mit ihrem (Siehe Georg M・ler-Christ:Sustainable Management. Copies with the Dilemma of Resource-Oriented Management,  Springer 2011. Weitere Beispiele bei www.greenpeace.de oder www.attac.de)  Wissen kurzfristig entlassen wurden. Experten sind sich einig, dass dies einer der Gründe war, dass die deutsche Wirtschaft gestärkt aus dieser Krise hervorging. Jetzt gilt es, ein zukunftsfähiges Ressourcenmanagement jenseits der Krise zu entwickeln und umzusetzen. Das bedeutet: ein langfristig nachhaltiger Umgang mit allen Ressourcen eines Unternehmens, zum Beispiel bei der Entwicklung von Produkten, die umwelt- und sozialverträglich hergestellt, gelagert, transportiert und schließlich wieder entsorgt werden, ein Umgang mit Kunden, Mitarbeitern, Lieferanten und anderen gesellschaftlichen Anspruchsgruppen, der die Beziehung erhält und gegebenenfalls vertieft.

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Integrität und Glaubwürdigkeit – die Wichtigkeit wird klar, wenn sie veroren sind

Eigentlich bringen Integrität und Glaubwürdigkeit dasselbe zum Ausdruck: Stets das tun, was man sagt. Das schafft Glaubwürdigkeit und vor allem Vertrauen. Wie wichtig diese beiden Begriffe gerade in Unternehmen sind, wird meistens erst dann spürbar, wenn Vertrauen und Glaubwürdigkeit verloren gegangen sind. Das gilt mit Blick auf die Kunden, auf die Mitarbeiter, aber auch auf die Finanz- oder Kommunikationspartner.

Heute erwartet unsere Gesellschaft von den Unternehmen mehr, als dass diese nur ihren Geschäften nachgehen. Eine vernünftig gestaltete gesellschaftliche Verantwortung der Unternehmen (Social Responsibility) wird somit zum Erfolgsfaktor, ebenso wie eine gewissenhafte und an Werten orientierte Führung.

Weitsichtige Unternehmer, Gewerkschafter und Sozialpolitiker hatten schon vor hundert Jahren erkannt, dass erfolgreiches wirtschaftliches Handeln in sozialer und gesellschaftlicher Verantwortung erfolgen muss – nicht ausschließlich, aber mit Augenmaß. Und nicht nur bekannte Familienunternehmen haben dies seit Jahrzehnten vorbildlich umgesetzt.

Die soziale Einstellung eines Robert Bosch und seine Unternehmensphilosophie wurden von Theodor Heuss eindrucksvoll beschrieben (Theodor Heuss: Robert Bosch. Leben und Leitung. Stuttgart/Tingen, 1946) und werden seit vielen Jahrzehnten erfolgreich umgesetzt, in steter Anpassung an sich ändernde Bedingungen. Die aktuelle Umsetzung unternehmerischer Werte kann sich dabei mit den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen durchaus ändern, die Werte selbst aber bleiben unverändert stehen.

Auch die Gründer von Hewlett-Packard, Bill Hewlett und Dave Packard hatten schon in den 30-er Jahren deutlich gemacht, dass ihr unternehmerisches Engagement »der Gesellschaft mehr geben als nehmen soll«. Dafür wurde Dave Packard in den vierziger Jahren im Rahmen eines Vortrags an der Stanford Business School noch ausgelacht. Leider entwickelte sich das Verständnis für die gesellschaftliche Verantwortung der Unternehmen und das integre Handeln der Verantwortlichen nur zögerlich. Inzwischen aber gehört das Thema – leider auch durch viele Negativbeispiele befördert – zu den Topthemen des internationalen Managements und der Business-Schools.

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Saubere und transparente Unternehmensführung muss sich vor allem zeigen, wenn keiner zuschaut

Es geht immer um vorbildliches persönliches Handeln. Die Staatslehre der alten Griechen kennt den Begriff der Vorbildlichkeit, der Tugend und Tüchtigkeit und Können verbindet. Der »ehrbare Kaufmann« von heute verkörpert ganz ähnliche Prinzipien, die seit dem Mittelalter in Jahrhunderten gewachsen sind und respektiert wurden. Geht aber die Glaubwürdigkeit der Vorbilder in Wirtschaft, Wissenschaft und Politik zugrunde, steht es schlecht um eine Gesellschaft, vor allem weil sie zuerst ihre Jugend verliert. Denn Jugend sucht immer Vorbilder, beispielsweise im Sport, im Verein oder in der eigenen Organisation. Im Übrigen: Eine saubere und transparente Unternehmensführung muss sich vor allem dann zeigen, wenn keiner zuschaut …

Die von Unternehmen und ihrer Führung heute bewusst vorangetriebenen Aktivitäten gesellschaftlicher Verantwortung sind keine oberflächlichen Alibi-Veranstaltungen. Sie gründen auf einem veränderten Verständnis ihrer Rolle in der Gesellschaft und auf einem tieferen Kundenverständnis, das in beide Richtungen wirkt und vorzeigbare, nachhaltige Ergebnisse erzielt.

 

Orientierung und Werte

Eine ausschließliche Orientierung des Managements an den Interessen der Eigentümer ist meist sehr kurzsichtig. Kluge Aktionäre und Gesellschafter wissen deshalb, dass es langfristiger Investitionen ebenso bedarf wie der Pflege der Interessen aller Beteiligten. Stakeholder-Value, also das Ausbalancieren der Interessen von Eigentümern, Mitarbeitern, Kunden und der Gesellschaft, ist die langfristig erfolgreiche unternehmerische Arbeitsweise; sie erfordert allerdings einen erheblich größeren Führungsaufwand.

Ein Teil des gesellschaftlichen Regelwerks wirkt direkt in die Unternehmen, zum Beispiel die Vorschriften der Sozialgesetze, des Arbeitsrechts, des Tarifrechts et cetera. Diese Gesetze wurden in den letzten hundertdreißig Jahren durch weitsichtige Sozialpolitiker, Gewerkschafter und Unternehmer geformt. Wahr ist aber auch, dass diese Gesetze heute teilweise lähmend auf den Betriebsalltag wirken und dringend den Erfordernissen einer weltweit arbeitenden Wirtschaft angepasst werden sollten. Das Betriebsverfassungsgesetz ist zwar in seiner Zielrichtung durchaus anerkannt, viele seiner Vorschriften müssten aber den Arbeitsbedingungen einer globalen Wirtschaft angeglichen werden. Hinzu kommt, dass das deutsche Arbeitsrecht inzwischen ähnlich kompliziert ist wie das deutsche Steuerrecht: Beide sind einem internationalen Investor kaum verständlich zu machen.

Erfahrene Führungskräfte wissen, dass ein vertrauensvolles Zusammenarbeiten im Betrieb nicht nur zeitgemäß ist, sondern auch erfolgreich macht. Und je stärker die Führung selbst gestalten kann, desto sicherer wird ihre Position gegen externe Einflüsse.

Vertrauensvolle Zusammenarbeit, Vielfalt, kompromisslose Geschäftsintegrität, Innovations- und Leistungsorientierung, Mitbeteiligung am Gewinn und Kapital für alle Beschäftigten sind beispielsweise wichtige Werte, die jedes Unternehmen aus eigener Kraft aufstellen und umsetzen kann. Dazu braucht es keine ausgeklügelten Bundestarife, detaillierten Quotenregelungen oder umständlichen Anti-Diskriminierungsgesetze.

Dem Thema Orientierung an Werten kommt große Bedeutung zu. Gemeint sind nicht Finanzwerte, sondern Führungswerte wie Offenheit, Verlässlichkeit, Leistung, Glaubwürdigkeit und Vertrauen in der Mitarbeiterführung. Das Engagement der Mitarbeiter und ihre Arbeitsbedingungen spielen dabei eine besondere Rolle. Wie wir in den Unternehmen und Organisationen miteinander umgehen, ist für eine zukunftsfähige Führung und ihre Aufgabenstellungen – auch angesichts der demografischen Entwicklung und knapper Talente – eine immer wichtigere Bedingung. Eine richtig geführte Vertrauensorganisation erzielt Loyalität, Teilhabe und Engagement der Beschäftigten. Sie ist äußerst leistungsfähig, vor allem wenn sie durch eine an Zielsetzungen und echter Delegation orientierten Führung begleitet wird. Beides sind wichtige Voraussetzungen für die Erzeugung zukünftiger, innovativer und nachhaltiger Wertschöpfung.

 

Führungsaspekte

Aus der Managementforschung und -praxis sind vielfältige Erhebungen und Darstellungen bekannt, welche die unterschiedlichen Aspekte von Führung deutlich machen. Die bekannten Modelle der Business-Schools wie St. Gallen, Stanford oder INSEAD sind sicher zielführend, aber zumeist sehr umfangreich. Wir haben uns daher für ein ebenso anschauliches wie praxistaugliches Modell entschieden und ordnen die Vielzahl der Führungsaspekte in drei Kategorien. Innerhalb der ersten Kategorie betrachten wir die Persönlichkeitsmerkmale, die eine Führungskraft einbringt. Die zweite Kategorie beschreibt die Führungskompetenzen, das heißt alle schöpferischen Fähigkeiten, mit der eine Führungskraft Lösungen für ihr Handeln hervorbringt, vermittelt und umsetzt. Die dritte Kategorie umfasst die Perspektive der Führungsinstrumente und -methoden. Um die unterschiedlichen Leistungsanforderungen einer Führungskraft differenzierter darstellen zu können, werden diese drei Kategorien den fünf Handlungsfeldern der Führung gegenübergestellt. So entsteht eine Matrix, deren einzelne Felder beispielhaft die erforderlichen Führungsfähigkeiten zeigen. Natürlich sind hier Überschneidungen unvermeidbar.

Handlungsfelder der Führung: ökonomische, ökologische und soziale Dimensionen

Führungsaspekte: persönliche, qualitative und methodische Dimension

Methodik Kompetenz Persönlichkeit

Führungs-Matrix

Die FührungsMatrix kann den Umfang der vielfältigen Anforderungen ebenso zeigen wie die aktuelle Leistung einer einzelnen Führungskraftoder eines ganzen Teams. Wenngleich Führungspersonen in allen Felderngleichermaßen Grundwissen und -fähigkeiten aufweisen müssen, sind sieerfahrungsgemäß in der Lage, in ausgewählten Feldern durch Neigung, Charakter und Erfahrung besondere Spitzenleistungen zu erbringen – und in anderen nicht.

7Denn es ist offensichtlich, dass kein Mensch in allen Feldern Höchstleistung erbringen kann. Da ein Unternehmen oder eine Organisation aber heute in allen genannten Handlungsfeldern sehr gut geführt werden muss, kommt es darauf an, einzelne Führungspersonen entsprechend zu positionieren und die Organisation durch ein Managementteam zu führen, das sich in seinen Fähigkeiten ganzheitlich ergänzt. Dass damit einige Probleme bei der Umsetzung verbunden sind, ist ein ebenso leidvolles wie zu korrigierendes Thema, dem wir uns im Kapitel »FührungsTrends« widmen.

 

Dieses Stück ist aus: „Führungsperspektiven“ von Professor Jörg Menno Harms und Profesor Dr. Wilfried Mödinge www.zukunftsfaehige-fuehrung.de . Es ist erschienen im Haufe Verlag http://shop.haufe.de/product?ma=E01350 und mit Beiträgen von 50 Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik wie Heinricht von Pierer oder Franz Fehrenbach (Bosch), die Einblick geben in ihr Führungswissen, dass sich im Führungsalltag bewährt hat.  

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Alle Kommentare [2]

  1. Es gibt nur eine Wirtschaft, die der Welt, aus der man nicht auswandern kann.
    Man kommt und man geht, manche hinterlassen Spuren, manche nichts, manche Gute, manche Schlechte.

  2. Sehr geehrter Herr Prof. Harms,

    mit Interesse lese ich Ihre Ausführungen über gute Führung und Orientierung an Werten. Ich lese von „gesellschaftlicher Verantwortung“ der Unternehmen, die nach Ihren Worten „der Gesellschaft mehr geben als nehmen“ sollen. Sie sprechen hier ein heikles und leider sehr aktuelles Thema an. Die momentane Situation bei Hewlett Packard zeigt, wie sehr Manager durch falsche Entscheidungen in der Öffentlichkeit ein schlechtes Bild abgeben und an Glaubwürdigkeit verlieren. Manager, die den Standort in Rüsselsheim komplett schließen wollen, obwohl dieser profitabel arbeitet, und die die Belegschaft auf Kosten aller Steuerzahler entsorgen wollen, schaden dem Image von Managern in der Öffentlichkeit und schaden ihrer eigenen Firma damit. Nicht ohne Grund haben die Herren Smid, Eberhardt und Reichart in aller Öffentlichkeit die „goldene Zitrone“ für besonders schlechte Managementleistungen verliehen bekommen. (https://www.computerwoche.de/a/hp-geschaeftsfuehrung-erhaelt-goldene-zitrone,2535409 )

    Sie, vereehrter Herr Prof. Harms, sind nun als Vorsitzender des Aufsichtsrates von HP aufgerufen, diesen Fehler wieder gut zu machen und den Schaden für HP zu begrenzen. Machen Sie die Entscheidung zur Standortschließung rückgängig und verhandeln Sie mit den Betriebsräten und den Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat über eine konstruktive Lösung, wo eingespart werden kann, ohne dass ein Standort geschlossen werden muss. Und prüfen Sie bitte, ob Manager wie die Herrn Smid, Eberhardt und Reichart wirklich die Geeigneten sind, um so einen heiklen Job wie den der HP-Geschäftsführung auch in Zukunft ausführen zu können.

    Mit freundlichen Grüßen
    Dr. Jürgen Werner, Sindelfingen