Wenn Manager Schadenersatz für ihren guten Ruf fordern – Interview mit Tim Wybitul von Hogan Lovells

 

Tim Wybitul, Arbeitsrechtler der internationalen Kanzlei Hogan Lovells in Frankfurt über Klagen gegen Ex-Arbeitgeber wegen Rufschädigung

 

Tim Wybitul, Arbeitsrechtler und Compliance-Anwalt bei Hogan Lovells in Frankfurt

Thomas Middelhoff will Klaus-Hubert Görg, den Insolvenzverwalter seines Ex-Arbeitgebers Arcandor, auf 120 Millionen Schadensersatz wegen Rufschädigung verklagen. Weil jener – laut Middelhoff – eine systematische Rufmordkampagne gegen ihn betrieben haben soll. Streitigkeiten um die Abfindung kennt man zwar, aber separate Verfahren wegen Rufschädigung von Top-Managern sind hierzulande nicht an der Tagesordnung.  Doch seit Unternehmen ihre Top-Manager mit dem Vorwurf von Managementfehlern vor die Tür setzen, ihnen sogar Hausverbot erteilen und sie dann auf Schadenersatz in Millionenhöhe vor Gericht verklagen, wird es für jene sehr schwer. Dass auch sie sich wehren und auf die Idee kommen, sich mit einer Klage wegen Rufschädigung zu kontern, ist klar. Denn: Solange eine Schadenersatzklage gegen den geschassten Ex-Manager wegen Managementfehlern nicht endgültig vom Tisch ist, findet er – mit seinem ramponierten Image – auch keinen neuen Job. Und das kann dauern, jahrelang – und so lange ist er im Job blockiert.

 

Herr Wybitul, wie schätzen Sie die Aussicht solcher Klagen von Managern wegen Rufschädigung ein?

Wenn ein  Manager allein deshalb klagt, weil ein Unternehmen seinen Vertrag kündigt und auf Schadensersatz klagt, dürfte das in Deutschland keine sonderlich großen Erfolgsaussichten haben.

Hinzukommt: In der Regel ist ja allen Beteiligten daran gelegen, keinen großen Presserummel zu verursachen. Viele Aufhebungsverträge enthalten ja aus genau diesem Grund abgestimmte Sprachregelungen, an denen sich Unternehmen und Manager dann bei der Kommunikation mit Dritten orientieren müssen.

 

Gibt es eine Konstellation, wann solch ein Klage Aussicht auf Erfog haben könnte?

Anders wäre die Situation, wenn ein Unternehmen nachweislich unwahre ehrverletzende Behauptungen über einen Manager verbreitet. Aber auch hier wäre es einfacher, darauf zu klagen, dass ein Gericht es dem Unternehmen verbietet, künftig unwahre
Behauptungen aufzustellen. Sehr viel schwieriger dürfte es werden, Schadensersatz in Millionenhöhe einzuklagen. Allein die Bezifferung eines solchen
ursächlichen Schadens ist häufig nicht möglich.

 

Das sieht in den Vereinigten Staaten anders aus. Deshalb fordert Utz Claassen, der frühere EnBW-Chef und kurzzeitige Boss von Solar Millennium  jetzt 265 Millionen US-Dollar in den Vereinigten Staaten von dem Kraftwerksbauer wegen Beschädigung seiner Reputation. Welche Manager können eine Klage in den USA anstrengen, wenn ihr Ex-Arbeitgeber ihnen schlecht hinterherredet oder sonstwie die Karriere beschädigt?

 

Im Wesentlichen kommen hier Klagen gegen amerikanische Arbeitgeber oder US-Obergesellschaften des Arbeitgebers in Frage. US-Gerichte nehmen jedoch nur Verfahren an, die einen Bezug zu den USA haben. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn eine mögliche Rufschädigung in den USA begangen wurde. Bereits eine E-Mail eines Managers aus dem US-Headquarter könnte dafür ausreichen.

Auch eine Pressemeldung einer amerikanischen Obergesellschaft kann zur Zuständigkeit der US-Gerichte führen. Möglichkeiten, die Karriere eines ausgeschiedenen Managers zu beschädigen, gibt es viele. Beispielsweise sagt ja schon der Ton einer Verlautbarung über das Ausscheiden eines Managers viel über das Maß an Wertschätzung aus, das das Unternehmen ihm noch entgegen bringt.

Ein knapper Hinweis auf unterschiedliche Auffassungen zu Compliance-Themen kann dem weiteren beruflichen Fortkommen einer Führungskraft durchaus schaden. Bei Top-Positionen ist zudem ja auch enorm wichtig, was der Ex-Arbeitgeber hinter vorgehaltener Hand kommuniziert. Das Gerücht, ein ausgeschiedener Manager sei korrupt, inkompetent oder nicht teamfähig, ist schnell gestreut.

 

An wen sollte sich ein Manager im Hinblick auf eine mögliche Klage in den USA konkret wenden: An eine deutsche Kanzlei, eine US-Kanzlei oder besser eine deutsche Kanzlei mit US-Dependance?

Eine nur in Deutschland tätige Kanzlei wird in aller Regel bestenfalls eine Empfehlung für einen guten US-Anwalt oder eine gute US-Kanzlei aussprechen können. Man kann sich natürlich auch direkt an eine reine US-Kanzlei wenden. Das setzt allerdings voraus, dass man genau weiß, welche Kanzlei in diesem Rechtsgebiet wirklich gut ist. Einer der großen Vorteile wirklich international aufgestellter Kanzleien ist, dass die Anwälte dort gewohnt sind, in Teams über Grenzen hinweg zusammen zu arbeiten. Bei einer guten internationalen Kanzlei kriegt man ein weltweit einheitliches Qualitätsniveau.

Allerdings ist es für internationale Großkanzleien – wirtschaftlich  gesehen – attraktiver, für Unternehmen zu arbeiten als für den betroffenen Manager. Daher ist es durchaus wahrscheinlich, dass eine internationale Wirtschaftskanzlei ein solches Mandat gar nicht übernimmt.

Wie würde die praktische Abwicklung einer solchen Klage in den USA ablaufen? Beauftragt man über zum Beispiel Hogan Lovells Deutschland die amerikanischen Kollegen?

Häufig wenden sich Mandanten an den deutschen Anwalt, mit dem sie bereits zusammenarbeiten und dem sie vertrauen. Wir suchen uns dann die geeigneten Kollegen aus unseren US-Büros und arbeiten bei der Beratung des Mandanten eng zusammen. Für eine gute Beratung muss man ja nicht nur das anwendbare Recht gut kennen, sondern auch den Mandanten und seine Bedürfnisse.

Und: Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten müssen zudem oft Vorschriften aus mehreren Rechtsgebieten beachtet werden. Aus einer Hand kann so etwas nur eine international aufgestellte Kanzlei bieten. Ein gutes Beispiel für einen solchen Sachverhalt sind etwa grenzüberschreitende Ermittlungen gegen Unternehmen und deren Vertreter, sogenannte Cross-Border Investigations. Bei solchen internen Untersuchungen arbeiten oft große internationale Teams zusammen.

 

Ist eine Klage in den USA wirklich lohnenswerter als in Deutschland, weil letztlich die zugesprochenen Schadensersatzsummen höher ausfallen?

Statistisch haben wir das nicht ausgewertet. Aber in den USA sind die geforderten Summen oft tatsächlich deutlich höher. Und auch dort enden viele Verfahren mit einem Vergleich. Schon aus diesem Grund kann es sich lohnen, mit eher unbescheidenen Forderungen ins Rennen zu gehen. Ein weiterer wichtiger Punkt ist auch die Außenwirkung solcher Verfahren. Wird vor (deutschen oder amerikanischen) Gerichten über Wochen hinweg schmutzige Wäsche über Interna des Unternehmens gewaschen, führt das oft zu enorm schlechter Presse. So etwas kann den Nutzen von Werbeausgaben in Millionenhöhe entwerten. Daher haben Unternehmen häufig ein großes Interesse daran, einen solchen Fall aus der Presse zu halten. Auch dies kann zu außergerichtlichen Einigungen führen, vor allem wenn sich abzeichnet, dass ein Prozess nicht gut für das betroffene Unternehmen verläuft.

 

Wie kann ein Manager das mögliche Kostenrisiko im Hinblick auf eine solche Klage minimieren? Kann er von hier aus eine Klage nach US-Muster führen, bei der der Anwalt im Erfolgsfall seine Prozente bekommt?

Die Kosten eines Verfahrens in den USA sind in der Tat sehr hoch. Das lohnt sich meines Erachtens nur für sehr exponierte Manager und nur, wenn es um wirklich hohe Summen geht. Andernfalls können schon die Anwaltskosten eines Verfahrens den eingeklagten Betrag durchaus übersteigen. Es gibt zwar auch US-Anwälte, die für Erfolgshonorare arbeiten, die meisten großen internationalen Kanzleien arbeiten allerdings eher gegen Stundenhonorar. Zudem arbeiten auch US-Anwälte nur dann auf Erfolgsbasis, wenn sie gute Erfolgsaussichten sehen. Hier gibt es eine Vielzahl von Möglichkeiten, die Mandatsvereinbarung flexibel zu gestalten. Aber teuer wird so ein Verfahren in jedem Fall.

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