Strafgebühr statt Lösung – Kundenorientierung á la Kita Leichlingen

 

Meine Freundin, eine erfolgreiche Diplomatin auf Auslandseinsatz in Düsseldorf hätte fast ihren Superjob hingeworfen. Mittendrin abgebrochen. Sie stand kurz davor, Hals über Kopf alle Zelte in der – angeblich familienfreundlichsten Stadt in NRW    http://www.rp-online.de/region-duesseldorf/duesseldorf/nachrichten/duesseldorf-familienfreundlichste-stadt-im-rheinland-1.2548633?utm_source=newsletter&utm_medium=email&utm_campaign=topnewsletter  – abzubrechen und in die Heimat zurück zu fliehen. Weil sie und ihr Mann, ein Wissenschaftler, die Betreuung und Erziehung ihrer drei Kinder einfach nicht gestemmt bekamen. Die Probleme waren dieselben wie sie auch die deutschen berufstätigen Eltern hier haben. Die leben mit den Problemen, nur manche sind so privilegiert und haben mithelfende Großeltern. Es ist ein Trauerspiel, ein ständiges Abhetzen, ein ewiges Wandeln auf sehr dünnem Eis. Nur, meine Freundin hatte es in ihrem Heimatland erlebt, wie es auch elternfreundlicher, familienfreundlicher zugehen kann – mit Ganztagsschulen, wo auch die Hausaufgaben erledigt werden, wo es Sportangebote an Ort und Stelle gibt undundund. Wo Mama-Taxi nicht nötig ist. Kurz: Ihr Alltag dort war viel leichter, für die ganze Familie.  Beide Eltern konnten Karriere machen,  und trotzdem ab 18 Uhr für ihre Familie da sein.

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Elternfreundlich? Familienfreundlich? Wohl kaum

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Davon können deutsche berufstätige Eltern nur träumen. Und insbesondere die in Leichlingen, die ihre Kiddies in der städtischen Kita „Förstchen“ haben. Offenbar haben manche dieser Eltern Probleme, ihre tägliche Abholzeit um 17 Uhr zu schaffen. Ich kenne übrigens ehrlichgesagt ausser Lehreren oder Beamten niemanden, der so früh Feierabend hat, dass er – je nach Entfernung zur Kita – schon um 16 oder 16.30 Uhr Feierabend hat. Doch was tut die Stadt Leichlingen? Versucht sie den abgehetzten Eltern zu helfen? Sie zu unterstützen? Führt sie eine Spätschicht ein bis 19 Uhr für normal-berufstätige Kunden? Nein, das Wort Kundenorientierung hat sich bis nach Leichlingen noch nicht herumgesprochen. Lösungsmöglichkeiten gibt es bei etwas gutem Willem garantiert etliche. Aber das Management- und Organisationstalent scheint in Leichlingen noch optimierungsbedürftig zu sein.

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10 Euro Strafe je 15 Minuten Eltern-Abhol-Verspätung

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Stattdessen setzt die Stadt den abgehetzen Berufstätigen – die womöglich im Stau stecken oder nicht einfach alles stehen und liegen lassen können an ihrem Arbeitsplatz – so richtig die Daumenschrauben an: Zehn Euro je angefangene Viertelstunde für spätere Abholung will sie von den Eltern fortan kassieren. Das macht 40 Euro für eine Kita-Stunde je Kind, bei fünf Kindern schon ein Bombengeschäft. 250 Euro für eine Kita-Stunde wären das – so viel wie ein Anwalt einer Top-Kanzlei an Stundenhonorar einspielt – mit einem Unterschied zu einem gelernten Erzieher: er hat sicher zehn Jahre Ausbildungszeit dafür auf sich genommen.

Unternehmen werden den Arbeitnehmer die Strafkosten der Kita sicher nicht erstatten, und ob das Finanzamt die Kosten als Werbungskosten zulässt, steht in den Sternen.

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Eltern-Zwickmühle

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Man stelle sich die Zwickmühlen der geplagten Eltern vor: die Arzthelferin, die den Arzt fluchtartig alleine lässt mit den Patienten oder der Mann, der mitten in seiner Konferenz aufsteht und die verdatterten Kollegen zurück lässt. Auch schön, wenn man im Stau steht und so gar nichts tun kann gegen die laufende Uhr.

Und was schreibt die „Rheinische Post“ dazu ? Dass es laut Jugendamtsleiter Hubert Knops dem „Leichlinger Bürgermeister Ernst Müller nicht um die Aufbesserung der Finanzen der Stadtkasse gehe“. Man wolle „einen Warnschuss abgeben, um ein Problem zu lösen, das es offenbar nicht in nur in Leichlingen gibt“. Und es kommt noch schöner: „Wer sich weigert, der Zahlungsaufforderung nachzukommen, dem drohen Mahnung und Vollstreckung.“

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Strafe von der Kita statt Hilfe

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Im Klartext: Man hat erkannt, es gibt ein generelles Problem für abgehetzte Eltern, Job-Anforderungen und knallharte Vorgaben der Kita gleichzeitig abzudecken. Und bietet weder Hilfestellung noch Lösung, sondern nur harte Strafen. Das ist für die Stadt als Kita-Betreiber die „Lösung“ des Problems.

So als wären die Familien für die Kita da und nicht umgekehrt.

http://www.rp-online.de/region-duesseldorf/langenfeld/nachrichten/kita-strafe-fuer-zu-spaetes-abholen-1.2584623?utm_source=newsletter&utm_medium=email&utm_campaign=topnewsletter

 

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Alle Kommentare [10]

  1. So nett sich Ihr Artikel auf den ersten Blick auch liest, so sehr vergessen Sie aber mal den Blick hinter die Kulissen. Lassen Sie sich doch mal von den Leiter/-innen und Mitarbeiter/-innen dieser Kindergärten die Lage aus ihrer Sicht erläutern.

    Bedingt durch die Finanzierung der Kindergärten ist auf Basis der aktuellen Lage die Mehrarbeit ein echtes Problem. Diese wird nämlich nicht bezahlt. Also geht die Mehrbetreuung über die mit den Eltern vertraglich vereinbarten Betreuungszeiten auf Kosten der Einrichtung bzw. der Mitarbeiter/-innen.

    Momentan ist es so, daß die Eltern für eine bestimmte Leistung bezahlen, aber unentgeltlich eine höhere Leistung in Anspruch nehmen.

    Sicher würde es ein wesentlich besseres Angebot geben, was alle Ihre genannten Defizite in der Betreuung abdeckte, wenn es eben jemand finanzieren würde.

    Und da ist halt die Frage, ob die Eltern das bezahlen würden.

    Momentan werden die Kinderbetreuungszeiten zugunsten der Eltern und zulasten der Betreuuer/-innen überzogen.

    Und aus diesem Grund ist die Aktion, die der Bürgermeister auf Wunsch der Beschäftigten der Kindergärten durchführt, ein Hilferuf nach einer Lösung.

    Solange weder die Eltern noch der Staat die Mehrbetreuung bezahlen wollen, kann die Kommune oder gar die Einrichtung selber keine Lösung finden.

    Der Staat gibt die Betreuungsrichtlinien und deren Finanzierung durch KIBIZ vor und da ist halt im Moment nicht mehr drin.

    Von den psychischen Aspekten zulasten der Kinder und Betreuer mal ganz abgesehen.

  2. Der Artikel greift ein Thema auf, dass alle berufstätigen Eltern betrifft.

    Einen Lösungsansatz könnten Arbeitgeber schaffen, die steurlich abzugsfähig ihren Mitarbeitern Teile der Kinderbetreuungskosten „sponsern“ können. Leider wird das nicht/nur wenig genutzt. Firmenkindergärten gibt es aber nicht in jeder Stadt, bezhalt werden müssen die auch und das Zeitproblem der überlasteten Erzieherinnen/Erzieher ist mit Firmenkindergärten nicht gelöst. Ausbau Wohnort naher Betreuungsplätze mit dem von Frau Tödtmann geschilderten Angebot in Schulen und Kindergärten ist sicher der erstrebenswerte Weg. Dies vor allem dann, wenn ich in der Politik auf Kindernachwuchs baue und gleichzeitig erwarte, dass die Altersarmut durch weiterabreitende Frauen bei diesen nicht entsteht. Liebe Politiker, Eure Wünsche sind nachvollziehbar aber ein bisschen eine „eierlegende Wollmilchsau“, mein Tag, alleinerziehend, zwei Kinder hat auch nur 24 Std.. Wäre schön, wenn den Wünschen Taten in Form von u.a. Gebührenfreiheit, zeitlichem Ausbau und/oder zumindest Steuerabzugsfähigkeit (die ja auch bei den Schulen gerade rückläufig ist) folgen würden.
    Das würde den psyischen Aspekten der Mütter/Väter/Eltern (und damit auch eine Entlastung der Krankenkassenkosten => Burn out Vermeidung) sicher auch nicht unwesentlich entgegenkommen.

    Danke, dass Sie das Thema aufgreifen, Frau Tödtmann.

  3. Sorry: aber unbezahlte Mehrarbeit/Überstunden müssen ganz viele andere auch leisten – warum sind die denn egal? Und deren Sorgen und Nöte? Ärzte, viele Kleinunternehmer, Selsbtändige, Mitarbeiter im Mittelstand und auch Jorunalisten können auch nicht auf die Uhr gucken und einfach gehen, wenn´s brennt.

    Wenn Sie keinen Schichtdienst organisieren können, muss es anders gehen. Zur Nor organisieren Sie eben etwas mit freilligen Helfern, wie Krankenhäuser mit „grünen Engeln“ auch – also Menschen, die in Rente sind (das sind ja ganz viele ab Mitte 50) und fit wie ein Turnschuh. Es ist alles eine Frage des guten Willens und es kann nicht sein, dass die Nöte berufstätiger Eltern nur bei denen alleine bleiben.

    Und: Schauen Sie mal ins Scheidungsrecht: Die Mütter, die danach noch zuhause bleiben und sich alleine der Familie statt ihrer eigenen Versorgung widmen, sind einfach nur tollkühn – oder reiche Erbinnen.

  4. Und noch etwas: fast 24 % der deutschen Arbeitnehmer sind inzwischen rund um die Uhr, am Wochenende und in den Ferien in Abrufbereitschaft und ständig erreichbar für die Firma. Auch etliche Eltern ihrer Kinder-Kunden wahrscheinlich. Das machen die nicht freiwillig, sondern unter dem stetig angestiegenen Druck – immer weniger Leute für immer mehr Arbeit und unter ständigem Kündigungs-Damoklesschwert. Ist Ihren Mitarbeitern nicht klar, wie privilegiert sie sind? Und dann schämen sie sich nicht, es den Geplagten und Genervten in der freien Wirtschaft noch schwerer zu machen als sie es ohnehin schon haben?
    Mit der Haltung wäre ein Fliessbandjob vielleicht geeigneter. Nix Soziales jedenfalls.
    Schauen Sie mal hier: https://www.pkv-private-krankenversicherung.net/gesundheit-ein-viertel-der-deutschen-immer-auf-arbeit-2429?utm_source=twitterfeed&utm_medium=twitter

  5. Leider wird nicht dargestellt, ob es wirklich die beruflich bedingt abgehetzten Mütter und Väter sind, die ihre Kinder nicht pünktlich aus der Kita abholen können oder ob vielleicht ganz andere Gründe für die Verspätungen der Eltern maßgeblich sind.

    Richtig ist aber doch wohl, dass vor der Betreuung durch die Kita die Abholzeiten den Eltern benannt und von ihnen akzeptiert wurden. Das hieße, dass die Eltern wussten, worauf sie sich einlassen.

    Nun mag es viele und sehr gute Gründe geben, warum eine Mutter/ein Vater ihr/sein Kind nicht rechtzeitig in Empfang nehmen kann und die Betreuung durch die Einrichtung länger als vereinbart aufrecht erhalten werden muss.

    Doch warum sollen die Eltern für diese Mehrleistung nicht ein Mehr-Entgelt entrichten?

    Sie nutzen doch diese Einrichtung und übertragen die Betreuung ihrer Kinder anderen Menschen, weil ihnen andere Aufgaben wichtiger sind.
    Ist es nicht in vielen Fällen eine Art Geschäft?
    Du betreust meine Kinder, dafür gehe ich meiner Arbeit nach, weil es sich so für mich und meine Familie lohnt.

    Wenn ich mir ein Taxi bestelle und mein Taxi warten lasse, ist es ebenfalls für alle Beteiligten selbstverständlich, das mir die Wartezeit in Rechnung gestellt wird und nicht zu Lasten des Taxifahrers geht.

    Es reicht mitunter, nur eine Minute zu spät am Gleis oder am Gate zu sein um meinen Zug/meinen Flieger nicht mehr zu erreichen und ggf. mein Ticket ungültig werden zu lassen. Wird das nicht auch ganz selbstverständlich akzeptiert?

    Warum sollen hier also andere Gesetzmäßigkeiten gelten als im übrigen Leben?

    Wenn ich Frau Tödtmann recht verstanden habe, dann sollte unbezahlte Mehrarbeit die Lösung des Übels sein und zur nachahmenswerten Selbstverständlichkeit werden.

    Hieße das nicht, eigene Verantwortung immer weiter zu schieben auf die Schultern anderer, statt sie selbst zu tragen?

  6. Nein, die sehr verbreitete kostenlose Mehrarbeit ist – traurige – Realität, die manchmal sein muss, manchmal nicht – der Druck auf die Betroffenen derselbe.
    Wer die nicht ständig auf sich nehmen muss, hat es einfach besser als andere.
    Aber auf Probleme – ich unterstelle es sind Probleme und keine Borniertheit auf Kosten der Kindergärtner/innen – mit Strafe zu reagieren statt Lösungsangeboten, das finde ich nicht zielführend.
    Und Schichten sind sicher möglich. Zur Not mit Ehrenjoblern.

  7. Statt eine Strafe fürs Zu-spät-Abholen zu bezahlen, würde ich gerne Geld bezahlen, wenn ich – ohne vorwurfsvolle Blicke von der Erzieherinnen zu ernten – mein Kind hin und wieder erst um 18 Uhr statt um 16.30 abholen dürfte.

  8. Bitte? Andere Dinge wichtiger? Es gibt tatsachlich Eltern die arbeiten um esse, Whg., Kleidung und Co zu erwirtschaften. Und nicht weil sie keine Lust hätten für ihre Kinder da zu sein…. Ein Taxi bestelle ich i.d.R. kurzfristig, klar, dass ich die Wartezeit dann zahlen muss.

    Aber was soll die Friseurin mit der dauerwellenkundin sagen? Sorry, machen Sie das mal selber zu Ende? Und wenn ich mein Kind mal 1 oder 2 Stunden eher hole bekomme ich ja auch keine Gutschrift, obwohl ich ja bezahlt habe und die Leistung nicht nutze. Und bei einem Unfall durch den man in einen Stau gerät ist man ja auch nicht zwangsweise schuld. Und ein extraobulus ist janok, aber die geschilderten kosten sind schon eine Frechheit.

  9. Der bundespolitische Anspruch, Familie und Karriere besser vereinbar zu machen, scheitert jeden Tag an der mangelnden Bereitschaft vieler Kommunen, ein entsprechendes Angebot einzurichten. Wer in Deutschland einen Ganztagsplatz in einer KITA bekommt, die bis 17 Uhr geöffnet hat, gehört schon zu den Gebenedeiten. Dass der Ausbau der Betreuung stockt (www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,796203,00.html) und das Ziel, gerade mal jedem dritten Kind in Deutschland ab 2013 (!) einen Ganztagsplatz bereitzustellen, zeigt nicht nur mangelnden Willen und mangelndes Verständnis für berufstätige Eltern. Es demonstriert vielmehr die Macht der Kommunen, ihre politischen Vorstellungen durchzusetzen. Hier sind Kongresszentren mit programmierter Verschuldung auf Jahrzehnte einfach attraktiver als eine funktionierende Kinderbetreuung.

    Es wird immer darauf verwiesen, es sei kein Geld da, man müsse „sparen“. Man könnte ja auch mal die Eltern fragen, was sie bereit wären zu zahlen, bzw. was sie längst zahlen, um sich die Betreuung anderweitig zu ermöglichen. Die privaten Krippen und KITAs mit Platzgebühr zwischen 600 und 1.000 Euro spriessen überall aus dem Boden. Warum sind Städte nicht in der Lage, von den Eltern, die es sich leisten können, Gebühren zu verlangen, die dann im sozialen Ausgleich für alle Kinder ein bedarfsgerechtes und qualitativ hochwertiges Angebot ermöglichen? Weil viele kommunale Beamte und Politiker – das ist meine Erfahrung – zum größten Teil der Meinung sind, dass die Kinder zur Mutti und die Mutti nach Hause gehört. Und das unabhängig vom Parteibuch. Den Einrichtungen selbst, den engagierten und großteils unterbezahlten Erzieherinnen und Erziehern, sind meist die Hände gebunden.

    Den Eltern bleibt nur übrig, auf die Schulzeit zu warten. Denn dann wird es richtig gruselig. Nicht nur wegen der Betreuungszeiten. Sondern weil man schon froh sein kann, wenn den Kindern in der Schule nicht die Decke auf den Kopf fällt. Im wahrsten Sinne des Wortes. Da bleibt nur die Kündigung des Jobs und der Beitritt in die Arbeitsgruppe „Eltern sanieren die Schule ihrer Kinder“. Immer nachmittags um 15:00 Uhr, wenn die Kinder bei der Oma sind…

  10. Passend zum Thema ist die aktuelle Umfrage der Beratungsgesellschaft Faktenkontor. Das Ergebnis: Alleinerziehende Mütter sind nach Einschätzung der Deutschen stärker Burnout-gefährdet als Banken-Vorstände.

    Nur drei Prozent der Deutschen glauben, dass Vorstandsvorsitzende von Banken Burnout-gefährdet sind. Deutlich mehr Stress lastet demnach auf Ärzten in der Notaufnahme. 24 Prozent der Bundesbürger halten sie für besonders gefährdet, einen Zusammenbruch zu erleiden. Dahinter folgen alleinerziehende Mütter mit drei Kindern (22 Prozent).

    Die komplette Meldung zur repräsentativen Umfrage von Faktenkontor und dem Marktforscher Toluna finden Sie hier: https://bit.ly/soM4sM

    Simone Nebelsieck
    Faktenkontor GmbH