Einfach zurück auf Los. Oder: Hat Oracle denn keine Ethik-Richtlinien?

Der Fall Mark Hurd wirft noch einige Fragen auf, die bislang untergegangen sind. Aber die es unbedingt wert sind, dass man mal über sie nachdenkt. Ich rekapituliere mal: Da war der HP-Chef Mark Hurd Anfang August, also vor wenigen Wochen, von seinem Posten  zurückgetreten. Weil seine Spesenaffäre ans Licht gekommen war.  Er hatte offenbar seine Geliebte auf Firmenkosten ausgeführt oder mehr. Und weil  HP sich selbst auf ehtische Unternehmensgrundsätze verpflichtet hatte, konnte man über diese Spesenschummeleien nicht so einfach hinwegsehen. Zumal die Geliebte selbst das Ganze publik gemacht hatte und Hurt sexuelle Belästigung vorgeworfen hatte. Auch wenn letztere nicht bewiesen werden konnte, so konnte dieser Fall nun nicht mehr konsequenzenlos bleiben. Auch dann nicht, wenn es sich um einen höchst erfolgreichen Manager handelte. Einen, dem HP viel zu verdanken hatte und auf den man eigentlich nicht verzichten kann. Der aber war seiner Vorbildfunktion leider so gar nicht gerecht geworden.  Zu dumm, aber irgendwie nicht mehr zu ändern.

 

Also musste ein Aufhebungsvertrag geschlossen werden – der Mark Hurd eine Abfindung von immerhin 35 Millionen Dollar mit auf den Weg gab. Das ist schon eine stattliche Summe, wenn man diesen Abgang auch noch selbst verschuldet hat. Schauen wir doch zum Vergleich nur mal kurz über den großen Teich. Nach deutschland, wo eine langjährige Mitarbeiterin wegen einer angebissene Frikadelle – die eigentlich in den Müll sollte – gefeuert wird. Wo Heerscharen von Juristen prompt  in den Chor einfallen, Diebstahl sei nun mal Diebstahl – auch wenns nur ein Haps Frikadelle kurz vor dem Mülleimer ist. Ein Haps, den niemand anders haben wollte und der keinem weh getan hat. Ein Haps bei einer tendenziell unangenehmen Aufgabe, zu der eine Sekretärin nicht verpflichtet ist: Beim Essensreste-Beseitigen und Dreck wegräumen, der von der Chefriege nach einem Buffet zurückgelassen wurde.

 

Die Kirche im Dorf lassen? Nein bloss nicht, da könnte ja jeder kommen, Recht muss Recht bleiben. Schließlich gehe es ums Prinzip.

 

Doch zurück zu Oracle und HP: Nach Hurds Abtritt passierte, was HP vermutlich  einfach nicht für möglich gehalten und deshalb auch nicht per Vertrag kurzerhand ausgeschlossen hatte:  Dass ein Rivale postwendend den soeben öffentlich geächteten Hurd einstellt, um sich dessen Know-how zu sichern.  Und dass dieser Rivale gegenüber dessen Spesenschummeleien einfach die Augen verschliesst. Getreu nach dem Motto: Nach mir die Sintflut. In dem Falle, vor mir die Sintflut. Sprich, bei mir ist es ja nicht passiert.

 

Wäre es der Chef eines Kindergartens gewesen, der die Elternbeiträge unterschlagen hätte oder Schlimmeres, würde wohl kaum der Chef des benachbarten Kindergartens auf dieselbe Idee verfallen.

 

Dabei: Auch Oracle hat sich Ethikrichtlinien verschrieben. http://www.oracle.com/partners/de/how-to-do-business/opn-agreements-and-policies/partner-code-of-conduct-de-019520-de.pdfauch oracle hat ethikrichtlien So wie die allermeisten namhaften Unternehmen. Doch was sind diese Ethikrichtlinien Orcale selbst wert? Offenbar nichts.  Wenn man sagt: Wir ächten nur den, der bei uns in der Firma gegen unsere Ethik-Richtlinien verstossen hat. Nicht aber den, der vor wenigen Wochen in derselben Branche beim Konkurrenzunternehmen gegen deren Ethikrichtlinien verstossen hat – auch wenn jene denselben Inhalt haben. Und solche Richtlinien ohnehin meist austauschbar sind. Auch bei Oracle dürfte Spesenbetrug gegen die hauseigenen Werte verstossen.

 

Nur wie ernst kann es jemandem mit seinen Werten sein, wenn die Werte buchstabengetreu und nur formal ausgelegt werden? Wenn sie nur von jetzt auf gleich gelten? Wenn Verstösse nur dann als Verstösse akzeptiert werden, wenn sie in den eigenen Unternehmensmauern und zu Lasten der eigenen Company geschehen? Solange sie ignoriert werden, wenn sie woanders geschehen.

 

Solange man solche Werte nur strikt formal anwendet statt dem Sinn der Vorschrift entsprechend, kann man sie eigentlich gleich vergessen. Denn: Was sind Ethik-Richtlinien wert, wenn man beliebig oft bei Null anfangen kann? Man verstösst im einen Unternehmen dagegen und wechselt flugs ins nächste – und fängt dort wieder bei „Start“ an.

 

Das kann man sogar noch perfektionieren: Befreundete Unternehmen können so einfach  ihre unentbehrlichen, aber leider untragbar gewordenen Manager hin- und hertauschen.  Wie praktisch.  Ich nehme Dein schwarzes Schaf, Du nimmst meins und bei erster Gelegenheit das Ganze rückwärts.

 

Von einem Wall-Street-Händler lasen wir kürzlich, dass er von einem US-Gericht Berufsverbot für mehrere Jahre bekam. Den Mann kann dann auch kein Konkurrent einstellen. Hätte HP also besser seinen Star-Manager vors Gericht gebracht um ebenso ein Berufsverbot zu erwirken? Um auf Nummer Sicher zu gehen, dass die Konkurrenz nicht Vorteile aus dieser Situation zieht? So, wie es Oracle nun plant? Womöglich.

 

Oracle-Chef Larry Ellison jedenfalls trompetet nun, dass er ein persönlicher Freund von Hurt sei und dessen Behandlung durch HP schecklich ungerecht fände, O-Ton: „Mark Hurd ist ein enger Freund, und ich fühle mich zutiefst beleidigt durch das, was ihm gerade zugestossen ist.“

 

Und lassen Sie uns nun das Ganze nochmal kurz nach der HSH-Nordbank-Methode zu Ende denken: Ihr Konkurrent hat einen Top-Manager, den Sie selbst gerne bei sich an Bord hätten? Ihnen kann geholfen werden. Sie lassen ihm eine Unregelmäßigkeit unterjubeln oder stellen ihm irgendeine Falle. Der Mann wird daran aufgeknüpft und muss seine Firma verlassen. Das das ist Ihr großer Moment: Sie treten als dessen persönlicher Retter auf den Plan und retten ihn – unter Ihr eigenes Firmendach.

 

Bei den HP-Mitarbeitern ist die Stimmung schlecht: http://www.wiwo.de/blogs/look-at-it/2010/09/21/miese-stimmung-bei-den-hp-mitarbeitern/

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