Gastkommentar zum Managementversagen in der Pflegebranche

Endlich pflegeleichtes Personal: Pflegeheimbranche ruft nach Mitarbeitern aus Ländern außerhalb Europas – nachdem sie sich den Grund für den Mangel an Personal selbst zuzuschreiben hat. Vernünftiges Personalmanagement sieht anders aus, meint Gastautor und Pflege-Experte Christoph Lixenfeld.

Von Christoph Lixenfeld, Autor und Experte für Pflege*


Viele Mitarbeiter sind den Pflegeheimen schon weggelaufen, neue finden sie kaum. Jetzt rufen sie nach gezielter Einwanderung. Ein krasses Beispiel für Managementversagen und für Dreistigkeit.

Die Pflegeheimbranche war noch nie für einen besonders pfleglichen Umgang mit ihrem Personal bekannt: Doppelschichten, extremer Zeitdruck, Mobbing, miese Bezahlung, Auslagern ganzer Belegschaften in eine Zeitarbeitsfirma – all das wird seit Jahren über Unternehmen der Branche berichtet.
Die Rechnung ging auf, solange es überall genug Arbeitslose gab und Arbeitgeber bei Bedarf immer – ausgesprochen oder unausgesprochen – die Botschaft verbreiten konnten: ‚Wenns Dir nicht passt, kein Problem, dann macht den Job halt ab morgen ein anderer.‘
Mittlerweile gibt es nur ein klitzekleines Problem: Es gibt fast keine anderen mehr, die man als Ersatz einstellen könnte.
„Der Arbeitsmarkt für Pflegefachkräfte ist…..wie leergefegt. Wir haben hier Vollbeschäftigung“, so der bpa – größter Verband von Pflegeheimen und Pflegediensten in Deutschland – am 30. Juli 2010 in einer Pressemitteilung. Und weiter: „Es herrscht Pflegenotstand. Die Sicherstellung der Versorgung von pflegebedürftigen Menschen ist in Gefahr. Den Einrichtungen fehlen die Mitarbeiter.“
Natürlich wäre ein Arbeitgeberverband kein Arbeitgeberverband, wenn er nicht zum Problem die  schmissige Lösung gleich mitliefern würde. Zitat bpa: „Ausländische Fachkräfte werden gebraucht, hierzu benötigen wir eine Greencard für Menschen aus Ländern außerhalb Europas. Im Ausland erworbene Berufsabschlüsse und Berufserfahrung muss unbürokratisch anerkannt werden und die Definition von Fachkraft muss angepasst werden.“
Das muss man sich mal ganz praktisch vorstellen: Vietnamesinnen mit vietnamesischen Deutschkenntnissen und einem 1A vietnamesischen Pflegediplom pflegen leicht demente, schwer schwerhörige Senioren in deutschen Pflegeheimen. Das würde die bekannt hervorragende Betreuung in diesen „Einrichtungen“ auf ein ganz neues Qualitätsniveau heben.
Die Geschichte ist ein typisches Beispiel für die unausrottbare Kurzsichtigkeit und Borniertheit in deutschen Chefetagen: Erst zu wenige ausbilden und die Leute so lange schlecht behandeln, bis das Image der eigenen Branche so miserabel ist, dass niemand mehr dort arbeiten will. Und dann nach gezielter Einwanderung rufen, um die Lücken zu füllen – freilich ohne das eigene Verhalten ändern zu müssen oder wwollen. Im Vertrauen darauf, dass die herrschenden Verhältnisse in Vietnam niemand kennt. Weil es dort keine deutschen Zeitungen gibt. Und wenn wärs auch egal: Schließlich können sie die Leute dort nicht lesen.

*Christoph Lixenfeld ist Journalist und Autor.
Von ihm erschien im Ullstein Verlag das Buch „Niemand muss ins Heim“
http://www.ullsteinbuchverlage.de/ullsteintb/buch.php?id=13338&page=autoraz&sort=autor&auswahl=L&pagenum=4

Hier stehen Infos zum Thema „in den eigenen vier Wänden altwerden“: http://www.bi-daheim.de

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Alle Kommentare [3]

  1. Auf den Punkt gebracht!
    Und die Leidtragenden des fatalen, raffgierigen Managements sind die Bewohner der Pflegeheime.

  2. Früher oder später wird es soweit kommen, dass die Patienten outsourced werden: sie werden nach Vietnam transferiert um dort „gepflegt“ zu werden.

  3. Sie sprechen mir aus der Seele. Gerade ältere Menschen, die in ihren kommunikativen Fähigkeiten teilweise stark eingeschränkt sind brauchen eine Bezugsperson, die deren Bedürfnisse gut verstehen kann.