Wenn die IT das Geschäft kaputt macht

Die IT-Leute denken sich die Unternehmensprozesse so schön aus. Sie entwerfen liebevoll gemeinte Masken, in die der Kunde nur noch eintragen soll, was er braucht. Dann sucht die Suchmaschine – und schon hat er was er will. Er braucht nur noch bestätigen und für das Unternehmen rollt der Rubel. Klappt nur leider nicht, weil der Kunde eben doch nicht immer der gedachte Normalfall ist. Beispielsweise weil man beim Reiseveranstalter ein Familienzimmer für Eltern mit zwei Kindern will – und keineswegs zwei teure Doppelzimmer haben möchte. Oder weil man einen Hund dabei hat – den hat der IT-Profi auch nicht vorgesehen. Also verlässt man die Internetseiten und wendet sich telefonisch an sein Reisebüro, wie früher auch.

Nur: Oft stossen dann die freundlichen Damen und Herren an dieselben Grenzen, weil auch sie vor Computern und Masken sitzen, wo Besonderheiten eines Falles nicht vorgesehen sind. Und manchmal sind es noch nicht mal Besonderheiten, sondern der Normalfall: Zum Beispiel beim Bestellen einer Jacke bei dem Hamburger Versand Apart. Die Jacke kommt, die Größe passt nur nicht optimal, die Schultern sind etwas eng. Also ruft man da an und einigt sich darauf, dieselbe Jacke solle eine Nummer größer zum Vergleich hinter her geschickt werden. Erst später stellt sich heraus, diese zweite Jacke hat drei Wochen Lieferfrist. Und wie lange darf man als Bestellkunde das erste Teil zuhause behalten? Richtig, zwei Wochen, dann muss sie zurück – oder man behält und bezahlt sie. Die erste Zwickmühle ist schon da. Ob sich die Dame keinen Vermerk machen kann, dass die erste Jacke erst nach dem Vergleich – also formal zu spät – zurück geschickt werden kann? Nein, kann sie nicht. Gibt im PC kein Feld dafür. Aber man solle es ruhig drauf ankommen lassen, es klappe schon irgendwie versucht sie zu beschwichtigen. Nun gut.

Es vergeht die Zeit, die Jacke kommt noch nicht, – und die Möchte-gerne-Versandhandelskundin hat den Urlaub geplant.  Zwei Tage später soll er beginnen. Man ruft also wieder da an und bittet, das gute Stück erst später auf den Postweg zu bringen – weil ja niemand zuhause ist. „Das geht nicht, denn dafür ist auch wieder kein Eingabefeld auf der Maske im Computer da“, heißt es. Der Prozess läuft und keiner kann ihn aufhalten oder irgendwie beeinflussen, lernt die Möchte-gerne-Kundin. Und nun kommt´s: Sie erfährt ganz nebenbei, die Jacken sind ausverkauft. Die eine, auf die sie wartet, in der größeren Größe, die ist für sie reserviert – aber das natürlich nicht mehr, wenn sie – wegen ihres Urlaubs – nicht angenommen werden kann – und zwangsläufig zurück kommt zum Versender. Dann kriegt sie der nächste.

Mitteldämlicher Vorschlag der freundliche Dame am Telefon: Ob denn kein Nachbar sie annehmen könne? So als säße der nun den ganzen Tag da und warte nur auf die Lieferung einer Jacke, die nicht mal für ihn selbst ist. Klar, kann ein Nachbar sie annehmen, wenn der Hermes-Bote den richtigen Slot trifft und irgendein Nachbar trotz Osterzeit gerade da ist. Zuverlässig ist der Weg also auch nicht. Die Jacke rückt in noch weitere Ferne.

Gegenvorschlag der Möchte-gern-Apart-Kundin: „Lagern sie die Jacke in einem der umliegenden Hermes-Shops, da hole sie gleich nach dem Urlaub ab.“ Nein, das geht leiderleider auch nicht. Kein Feld im Computer….

Was wäre die Konsequenz? Klamotten immer vorsichtshalber in drei Größen bestellen? Die mutmassliche und die kleiner und größere für den Fall, dass sie irgendwie „anders ausfallen“. Denn dass man sich auf die angegebene Größe verlassen kann, das bietet hauptsächlich einer: Ausgerechnet H&M. Oder wieder Samstagsvormittags ins Getümmel werfen, wenn alle Berufstätigen losziehen. Oder ganz lassen und die Konjunkturbremse geben? Vielleicht braucht man die neue Jacke gar nicht wirklich. War eher so ein Impuls.

Zumal: Ansonsten ist zumindest frau ja schon daran gewöhnt, dass sie eher eine Bandbreite von Größen hat – je nachdem ob das Produkt für Italienerinnen, Französinnen, Japanerinnen – oder eben Nordische Frauen gefertigt wurde. Also je nach Produzent und Marke. Ist das Kundenorietierung?

Gut kommt dann übrigens dieser eine Verkäuferinnen-Satz: „Gestern hatte ich Ihre Größe noch da, tut mir leid.“ Selbst Besitzerinnen sagen gedankenlos so dummes Zeug daher – und wundern sich, wenn man ihren freundlichen Marketingaktionen zum 1. Mai mit Bowle oder zur Vorweihnachtzeit mit Glühwein und Keksen nicht folgt und einfach nicht mehr hingeht.

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Alle Kommentare [2]

  1. Das ist noch gar nichts: Ich wartete kürzlich extra zuhause in einer Zeit, die der Spediteuer eines Möbelversandhändlers mir selbst angegeben hatte – und zwar vier Stunden lang. Und ich hatte vorgewarnt, dass ich ausserhalb dieses Zeitfensters nicht mehr da sein würde. Und es hat doch nicht geklappt. Nun muss ich heute 16 Kilometer fahren und das Päckchen selbst beim Spediteur abholen. Ich werde darauf bestehen, dass ich die Versandkosten nicht bezahle. Nur: Warum braucht man solche Lieferanten, wenn man denen am Ende hinterher laufen muss.

  2. Wieso die IT?

    Es gibt schließlich eine Kundenanforderungsspezifikation oder ein Dokument in dem stehen sollte, was der Kunde oder der Geschäftsbetreiber in „seiner IT“ haben möchte.

    Das Design und seine Eingabefelder sind beispielsweise im gegenseitigen Einverständnis zu spezifizieren und abzusegnen. Die IT setzt es anschließend nur um.