CEO Steve Ballmer: „Windows 8 ist wichtigstes Microsoft-Produkt seit 17 Jahren“

Auf der diesjährigen Partnerkonferenz trommelt der Microsoft-Chef für diverse neue Produkte und das vielleicht bedeutsamste Jahr in der Geschichte des Konzerns – das freilich in ungewohnt ruhigen Tönen. 

Wo sonst die Toronto Raptors Basketball spielen und die Toronto Maple Leaf beim Eishockey übers Eis flitzen, ist in dieser Woche schnödes Business angesagt: Mehr als 16.000 Microsoft-Partner haben am gestrigen Montag, dem ersten Tag der weltweiten Partnerkonferenz WPC von Microsoft, im Air Canada Centre unweit des Ontariosee-Ufers der Eröffnungsrede von Konzernboss Steve Ballmer gelauscht.

Im Gegensatz zu seinen früheren Auftritten, die eher Beschwörungen denn Ansprachen glichen, schlägt der 56-Jährige dieses Mal geradezu ruhige Töne an: Statt wie ein Derwisch über die Bühne zu fegen und die Zuhörer mit lautstarken Wortkanonaden auf die kommenden Herausforderungen einzuschwören, lässt sich Ballmer dieses Mal von „Forbes“-Journalist Rich Karlgaard interviewen. Und so sitzen die beiden auf Hockern an einem Tisch mitten in der riesigen Mehrzweckhalle, die von außen an einen Flugzeug-Hangar erinnert.

Dort erzählt er dann von den Erfolgen des vergangenen Jahres, den mehr als 1,3 Milliarden Windows-Systemen, die inzwischen weltweit im Einsatz seien. Allein von Windows 7 habe Microsoft bis heute 630 Millionen Lizenzen verkaufen können. Und die Erfolgsgeschichte „der Herz und Seele des Konzerns, des Fundaments von Microsoft, auf dem alles andere aufbaue“, wie Ballmer es ausdrückt, werde weitergehen. Demnach sollen allein in den kommenden Jahren rund 375 Millionen Windows-PCs verkauft werden – mehr noch: Ein „paar Millionen davon“ sollen auf den Tablet-PC Surface entfallen. Den hatte Ballmer in einem Geheimprojekt höchstpersönlich entwickeln lassen und völlig überraschend Ende Juni vorgestellt.

Steve Ballmer weist den Weg in die mobile Zukunft (Foto: Sven Hansel)

Angetrieben wird das Microsoft-Tablet von Windows 8, dem neuen Hoffnungsträger des Konzerns. „Windows 8 ist das wichtigste Produkt seit mindestens 17 Jahren“, sagt Ballmer in Anspielung auf Windows 95, das Betriebssystems, dem die Redmonder den Aufstieg zum Weltkonzern verdanken. Neben Windows 8 kommen zudem Windows Phone 8, die neue Version des Smartphone-Betriebssystems von Microsoft, sowie eine neue Server-Version von Windows auf den Markt.

In Sachen Windows 8 lässt dann Windows-Marketing-Chefin Tami Reller die Katze aus dem Sack: Wie bereits seit längerem erwartet, sollen erste Computer mit dem neuen, erstmals auch auf berührungsempfindliche Displays optimierten Betriebssystem Ende Oktober auf den Markt kommen. Dank der zahlreichen neuen Produkte sei „dieses Jahr das wichtigste in der Microsoft-Geschichte“, beschwört Ballmer seine Zuhörer später dann doch noch. Die Kernprodukte von Microsoft würden nun „neukonzipiert für die aktuelle IT-Ära“.

In der Post-PC-Ära spielt Microsoft nicht mehr die erste Geige

In der Tat geht es für Ballmer, ja den gesamten Microsoft-Konzern, aktuell um mehr als um ein schnödes Produkt-Update. Zwar läuft das Brot-und-Butter-Geschäft der Redmonder mit herkömmlichen Windows-Lizenzen weiterhin gut. Seit vergangenem Jahr werden weltweit aber bereits mehr Smartphones und Tablet-Rechner verkauft als herkömmliche Rechner – die Post-PC-Ära hat längst begonnen. Doch in der spielt nicht mehr Microsoft die erste Geige, sondern die beiden großen Konkurrenten Apple und Google.

Wie sehr insbesondere Erzrivale Apple in den vergangenen Jahren gegenüber Microsoft Boden gut gemacht hat, beweist eine interessante Aufbereitung der Marktzahlen durch den auf Mobilthemen spezialisierten US-Analysten Horace Dediu in seinem Blog „Asymco“: Demnach hat Microsoft Mitte des letzten Jahrzehnts in der Spitze fast 60 Mal so viele Geräte verkauft wie Apple, wie Dediu unter der Überschrift „Aufbau und Demontage des Windows-Vorsprungs“ schreibt. Bis heute sei jener Faktor auf unter 20 gesunken – so niedrig wie seit Windows 95 nicht mehr. Unter Berücksichtigung aller Apple-Geräte, also inklusive iPhone und iPad, fällt jener Multiplikator gar auf unter zwei:

Quelle: Asymco

Durch ein risikoreiches Manöver – der weitgehenden Vereinheitlichung von Windows über die verschiedenen Geräte hinweg – will Microsoft-Chef Ballmer in den kommenden Monaten das Ruder wieder herumreißen. Demnächst läuft das neue Windows mit der charakteristischen Kachel-Oberfläche, dem so genannten Metro-Design, auf praktisch allen Gadgets: Auf der Spielekonsole Xbox ebenso wie Arbeitsplatz-Computer, Laptop-Rechner, Tablet-PC und Smartphone. Der Nutzer, so zumindest das Versprechen der Redmonder, kann Anwendungen über die Gerätegrenzen hinweg nutzen. So soll es beispielsweise künftig möglich sein, ein auf der Xbox begonnenes Spiel auf der Smartphone-App weiterzuspielen.

Der großen Schar der Entwickler verspricht Ballmer, dass diese ihre Apps – seien es Spiele, seien es Business-Anwendungen – künftig mit nur geringen Anpassungen auf den unterschiedlichen Geräten verfügbar machen können. Um diese Durchgängigkeit hinzubekommen, hat Microsoft sogar in Kauf genommen, seine Verbündeten im gerade erst langsam wieder Tritt fassenden Smartphone-Geschäft zu verprellen: Handys mit dem aktuellen Smartphone-Betriebssystem Windows Phone 7.5 können nicht auf Windows Phone 8 überführt werden. Derzeitige Windows-Geräte wie etwa die Lumia-Serie des angeschlagenen Microsoft-Partner Nokia sind damit auf einen Schlag veraltet.

Ob die große Vereinheitlichungs-Strategie wirklich der große Wurf gegen Apple, Google & Co. wird, bleibt abzuwarten. Jedenfalls hat Microsoft erstmals in allen Produktsegmenten konkurrenzfähige Gegenentwürfe im Angebot. Wie sehr Ballmer der Erfolg seiner Rivalen ärgert, hat er ganz am Ende seiner Keynote durchblicken lassen: „Mit den ganzen neuen Angeboten können wir besser gegen diejenigen antreten, die uns derzeit Tag für Tag das Leben schwer machen.“ Wohl war: Laut einer Ende der vergangenen Woche veröffentlichten Grafik des Datenportals Statista ist Apple an der Börse inzwischen mehr als doppelt so wertvoll wie Microsoft.

Quelle: Statista

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Alle Kommentare [1]

  1. Ich kann es echt nicht mehr hören. Das sagt der Typ doch nun schon seit Jahren. Und hechelt Apple seit Jahren hinterher. Kann mir nicht vorstellen, dass das mit Win8 jetzt anders wird.