Wie der Chef von Nokia Siemens Networks den Stellenabbau intern begründet

Der Netzwerkausrüster plant einen groß angelegten Stellenabbau; allein 3200 Jobs in Deutschland könnte es treffen. „Barreserven verbrennen, negativer Cashflow, stets Verluste“ – derart harsche Worte schreibt CEO Rajeev Suri seiner Mannschaft per E-Mail ins Stammbuch.

Ende November hat Rajeev Suri, Chef des defizitären Netzwerkherstellers Nokia Siemens Networks (NSN), einen drastischen Kahlschlag verkündet: Bis Ende 2013 will er im Rahmen eines konzernweiten Umbauprogramms weltweit 17 000 Stellen abbauen – gut ein Viertel der insgesamt 74.000 Mitarbeiter. Arbeitnehmervertreter des 2007 gegründeten Joint Ventures von Siemens und Nokia fürchten, dass Deutschland sogar noch stärker bluten muss: 3200 Jobs könnten hierzulande im schlimmsten Fall wegfallen, erfuhr die WirtschaftsWoche aus dem Umfeld des Gesamtbetriebsrats in München.

Hintergrund der Befürchtungen: NSN beschäftigt derzeit noch 8100 Mitarbeiter in Deutschland Rund 40 Prozent davon arbeiten in Einheiten, die ganz oder teilweise dem Geschäft mit Festnetz-Infrastruktur zuzurechnen sind – siehe dazu auch den Artikel „Fehlende Festnetzstrategie im NSN Management“ in der Hamburger IG-Metall-Beschäftigtenzeitung Simaz 70, Seite 6 (PDF). Genau das will CEO Suri im Rahmen einer Neuausrichtung und Fokussierung auf mobile Breitbandnetze jedoch loswerden.

Konzernzentrale in Espoo/Finnland (Quelle: NSN)

Konkrete Zahlen kennt Michael Leppek, Unternehmensbeauftragter der IG Metall für NSN, zwar noch nicht, konstatiert aber: „Wenn das Festnetzgeschäft verkauft oder geschlossen wird, könnte die Zahl der in Deutschland wegfallenden Stellen deutlich über den insgesamt 2000 liegen, die man erwarten müsste, wenn hierzulande im weltweiten Durchschnitt abgebaut würde.“ NSN wollte die möglichen Szenarien nicht kommentieren. Angeblich sollen die NSN-Beschäftigten erst in dieser Woche weitere Details erfahren, so Gesamtbetriebsratschef Georg Nassauer gegenüber der WirtschaftsWoche: „Das läuft sehr dilettantisch. Die Mitarbeiter sind total verunsichert.“

Dies vor allem dadurch, dass Suri seine Mannschaft per E-Mail quasi vor vollendete Tatsachen gestellt hat. „Nur allein durch diese Maßnahmen wird es uns möglich sein, eine Firma zu schaffen, die stark genug ist, eines Tages unabhängig zu sein“, erläutert er die Notwendigkeit für den Stellenabbau in dem Schreiben, das der WirtschaftsWoche vorliegt. Auch die Hoffnung, die Mutterkonzerne Nokia und Siemens – sie hatten zuletzt Ende September eine Milliarde Euro an die Konzernzentrale in Espoo/Finnland überwiesen – könnten noch einmal einspringen, macht Suri zunichte: „Unsere Eigner haben zum letzten Mal Kapital zur Verfügung gestellt – und sie erwarten, dass diese Investition einen Ertrag liefert.“

Auch am bisherigen Schaffen seiner Leute lässt der NSN-Chef kein grünes Haar: So sei die Profitabilität mit enormen Nettoverlusten seit der Gründung des Unternehmens nach wie vor viel zu gering. „Wir verbrennen weiterhin Barreserven und haben kontinuierlich negativen Cashflow generiert. Wir haben zu viele Geschäftsfelder, die niemals adäquate Erträge geliefert haben, und Regionen, die stets Verluste einfahren“, schreibt Suri seiner Mannschaft in harschen Worten ins Stammbuch. Wobei er sich an jenen Kriterien dann konsequenterweise auch selber messen lassen müsste: Suri ist seit mehr als zwei Jahren als Vorstandschef von NSN; er wurde am 1. September 2009 zum CEO berufen – und arbeitet bereits seit 1995 bei Nokia und dann der Netzwerksparte Nokia Siemens Networks.

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Alle Kommentare [7]

  1. Früher bei der Bundespost, Bundesbahn, Grenzschutz, Polizei, Finanzamt etc. funktionierte alles Hoheitsrechtlich, die BRD kam mit dem Haushalt aus.
    Jetzt haben wir überall Schulden, haben V- Leute und Staatssekretäre, müssen für andere Länder bürgen.
    Die DTAG investiert in USA, die Bahn sonstwo im Ausland.
    Das Bahn- Netz (Gleise) gehört der BRD, eigentlich auch das Tel-Festnetz. Dann könnte die Netzwerksparte von NSN in der BRD auch dem Bund gehören, die haben alles gebaut.
    Stattdessen helfen wir den Banken bei den Risiken im Roulette.

  2. Im Theater nennt man so etwas Publikumsbeschimpfung. NSN ist zwar kein Theater,jus Aborate erinnert mich aber an eine Sitcom a la „Stromberg“. Und Rajeev Suri gibt den Stromberg. Da kann man dem lieben Rajeev nur zurufen: „Mal schön locker durch die Hose atmen!“ P.S.: Der Spruch vom damaligen MP Rüttgers hatte wohl doch seine Berechtigung.

  3. Selbst wenn man mal die 17.000 als gottgegeben (oder Suri-gegeben?) annimmt: So ganz klar ist mir eigentlich nicht wo das Problem ist.
    Vor wenigen Jahren erst hat Siemens Tausende von Leuten per Betriebsübergang zu Nokia Siemens Networks ausgegliedert; heute werden sie da schon nicht mehr gebraucht, während Siemens über 3600 freie Stellen in Deutschland nun angeblich nicht mehr besetzen kann.
    Da könnte man doch das eine mit dem anderen Problem lösen?! Betriebsübergang-retours, von NSN zurück zu Siemens, für die bei NSN nicht mehr benötigten Mannschaften, um damit die Lücken bei Siemens zu füllen! Mit gutem Willen ginge das – okay okay, das mag der „Haken“ sein… Fakt ist, dass die NSN-Leute (ex-)Siemensianer mit Erfahrung im Infrastrukturgeschäft (genau das sind Telekommunikationsnetze nämlich) haben, und genau die braucht Siemens doch wohl auch für das neue Infrastrukturgeschäft „Megacities“, oder?!

  4. Die Zahlen von NSN sind katastrophal. Aber CEO Suri ist unwillig (oder unfähig) eine Analyse vorzulegen, wie es dazu gekommen ist. Er gab in seinem Letter nur einen Hinweis auf die Ursachen: „Unsere Strategie: Fokus, Innovation, Qualität“. Vergleicht man NSN mit Ericsson, so drängt sich als Erklärung die fehlende Qualität des NSN-Managements geradezu auf. Die Mitarbeiter habe einige Beispiele von Fehlentscheidungen zusammengetragen (NSN: Fehler des FLOP Managements, https://www.nci-br.de ). Im NSN-Intranet wurde CEO Suri gefragt, ob und welche Lehren er und seine Kollegen aus den vergangenen fehlgeschlagenen Restrukturierungen gezogen haben. Leider gab es keine Antwort darauf. Die Mehrheit der internen Kommentare zeigt, dass das Vertrauen der Mitarbeiter in dieses Management weltweit erschüttert ist.

  5. Ich habe den Eindruck, dass man NSN von Anfang an in den Ruin treiben wollte. Ansonsten sind die katastrophalen Fehlentscheidungen des immer wieder wechselnden Managementes nicht nachvollziehbar. Leider müssen wieder die MitarbeiterInnen die Zeche zahlen.

  6. Ein sehr interessanter Artikel. Ca. 350 Demonstranten auf der IG Metall – Demo und hier 5 Beiträge, davon 3 von aktuellen oder ehemaligen Betriebsräten. Eine um ihre Arbeitsplätze kämpfende Belegschaft sieht anders aus. Wie sieht denn diese „Rest“-Belegschaft aus? Sie besteht zumindest in München aus meist älteren, demotivierten, überbezahlten weil übertariflich ( >80.000 € /Jahr ) Ingenieuren, die die Realität nicht mehr wahrhaben wollen.
    Wie kam es zur Gründung von NSN?
    Diverse „TOP“ (?) – Manager von Siemens ( Pauly, Montez, Kleinfeld, Ganswindt ) versuchten sich an der Sanierung von der Telefonsparte.
    Schließlich gab man auf und wollte den Laden mit 60.000 Leuten nur noch loswerden. Da traf es sich gut, dass Nokia über auch so einen defizitären Laden verfügte. Was 2 Giganten ( Siemens und Nokia ) intern nicht schafften sollte nun eine popelige NSN GmbH allein schaffen.
    Mit etwas Handgeld wurde die neue Firma auf die Reise geschickt. „Geht mit Gott, aber geht.“ lautete das Motto. Und frei nach den Bremer Stadtmusikanten ( Etwas anderes als den Tod finden wir überall ) legte man los. Die wesentlichen Leute waren mittlerweile weg. Schlüsselpositionen auf allen Ebenen mußten mit Leuten besetzt werden, die diese Funktionen nie ausfüllen konnten. Grabenkämpfe zwischen ex-Siemens- und ex-Nokia Mitarbeitern waren an der Tagesordnung. Dann gab es noch z.T. völlig identische Produkte aus beiden Häusern über deren Weiterentwicklung man trefflich streiten konnte.
    Nur mit ständigen Geldspritzen konnte das Geschäft bis heute fortgeführt werden. Aber im Vertrauen, NSN hatte, hat und wird nie eine reelle Überlebenschance haben.